Das Kompetenzsystem der Europäischen Union


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

44 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

LITERATURVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. DIE KOMPETENZORDNUNG DER UNION
2.1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG
2.1.1 POSITIONEN ZUR ENTWICKLUNG DER KOMPETENZVERTEILUNG
2.1.2 DER EUROPÄISCHE RAT VON LAEKEN
2.1.3 ZUM PROBLEM DER KOMPETENZSTRUKTUR IN DER EUROPÄISCHEN UNION
2.2 HERAUSFORDERUNGEN DER ZUKUNFT -PRÜFKRITERIEN FÜR DIE KONVENTSARBEIT.
2.2.1 DARSTELLUNG - KLARHEIT - VERSTÄNDLICHKEIT
2.2.2 STRUKTURELLE DEFIZITE DER KOMPETENZORDNUNG

3. DIE ARBEIT DES KONVENTS
3.1 ZUSAMMENSETZUNG DES KONVENTS
3.2 ARBEITSGRUPPEN DES KONVENTS
3.3 DISKUSSIONSENTWICKLUNG DES KONVENTS

4. SYNOPTISCHER VERGLEICH
4.1 STRUKTUR UND PROBLEME DES BISHERIGEN VERTRAGSWERKES
4.2 REGELUNGEN DES VERFASSUNGSENTWURFES

5. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND BEURTEILUNG
5.1 DARSTELLUNG - KLARHEIT - VERSTÄNDLICHKEIT
5.2 STRUKTURELLE D EFIZITE DER KOMPETENZORDNUNG

ANHANG

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. EINLEITUNG

„ [...] Die Europäische Union muss sich auf ihre Hauptszuständigkei- ten konzentrieren. Es bedarf einer besseren und deutlicheren Auftei- lung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verträge. Es muss unmissverständlich festgelegt wer- den, dass alle Zuständigkeiten, die nicht ausdrücklich der Unionüber- tragen wurden, bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Bei der Wahrneh- mung der Zuständigkeiten muss das Subsidiaritätsprinzip strikt, aber auch objektiv beachtet werden [...] “ , so Konventspräsident Valéry Giscard d’Estaign.

Eine neue Systematik und Begrenzung der Kompetenzstruktur wird vielfach als Hauptaufgabe formuliert, die der Europäische Rat von Laeken im Dezember 2001 dem Konvent mit auf den Weg gegeben hat. Im Anschluss an den Gipfel in Laeken tagte der Europäische Kon- vent, bis er schließlich am 18. Juli 2003 den Entwurf zu einem Vertrag über eine Verfassung für Europa vorlegt: Wird dieser Verfassungs- entwurf den Ansprüchen an eine neue Kompetenzsystematik gerecht? Diese Frage impliziert, dass klar geregelt ist, wer für was zuständig ist.

Die Fragestellung soll im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden und als roter Faden durch die Darstellung führen. Dabei wird zunächst die Entwicklung der Kompetenzstruktur im Laufe des Integrationspro- zesses der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union beleuchtet. Welche Positionen bildeten sich heraus und welche Feststellungen sowie wei- terführenden Frage n für die Konventsarbeit formulierte der Europäi- sche Rat von Laeken? Besonders relevant erscheint hinsichtlich dieser Arbeit die Entwicklung von Prüfkriterien - welche (Neu-) Regelungen sind notwendig, damit die Europäische Union den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist? Anschließend an das zweite Kapitel folgt eine Betrachtung der Konventsarbeit. Um die Frage nach dem Ergeb- nis der Kompetenzsystematik in Form des Verfassungsentwurfes be- antworten zu können, wird im dritten Kapitel die Arbeit des Konvents, die maßgeblichen Arbeitsgruppen sowie die Diskussionsent wicklung zur Thematik detailliert geschildert. Entscheidend für eine Prüfung des Entwurfs fasst das folgende Kapitel 4 mit einem synoptischen Ver- gleich zwischen „altem“ Vertragswerk und neuem Verfassungsentwurf die entscheidenden rechtlichen Grundlagen zur Kompetenzstruktur zusammen. Im Anschluss daran sollen Schlussfolgerungen zu einer abschließenden Beurteilung unter zu Hilfenahme der in Kapitel 2 for- mulierten Prüfkriterien führen.

2. DIE KOMPETENZORDNUNG DER UNION

WELCHEN HERAUSFORDERUNGEN MUSS SICH DER EUROPÄISCHE KONVENT SCHLIEßLICH STELLEN?

2.1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG VON DER GRÜNDUNG DER EGKS BIS ZUM VERTRAG VON N IZZA

Sechs Gründerstaaten - Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Lu- xemburg, die Niederlande - unterzeichneten 1951 den Vertrag zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) als erste 1 ranationale europäische Organisation, die über legislative, judikative und administrative Kompetenzen verfügte. Die Mitgliedstaaten der EGKS riefen 1957/1958 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) als eine Gemeinschaft mit entsprechenden Befugnissen ins Leben2. Daneben wurde die Europäische Atomgemeinschaft konzi- piert.

Unter dem Blickwinkel der Kompetenzverteilung enthalten drei Ver- träge neue Befugnis-Erweiterungen: im Jahr 1982 die Einheitliche Europäische Akte (EEA) mit der Formulierung des Binnenmarktzieles, der genuinen Umweltpolitik sowie der Einigung über den Übergang zur qualifizierten Mehrheit hinsichtlich der Rechtsangleichung; der Vertrag von Maastricht zur Europäischen Unio n mit der Eingliederung der Währungsunion sowie zahlreicher zusätzlicher Politikbefugnisse und präziser allgemeiner Kompetenzausübungsregeln; der Vertrag von Amsterdam mit weiteren Dimensionen gemeinschaftlicher Befugnisse besonders durch die Transformation von Politikbereichen aus dem intergouvernementalen Bereich der dritten Säule in das Kompetenz- spektrum der Europäischen Unioni u.w.3. Mit dem 1993 in Kraft getre- tenen Vertrag von Maastricht wurde die Europäische Union gegründet, in der die Europäische Gemeinschaft als eine von drei Säulen aufging.

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit bilden die anderen beiden Säulen. Der im Jahre 2001 unterzeichnete Vertrag von Nizza beinha ltet dagegen keinerlei vergleichbare Innovationen im Bezug auf die Kompetenzver- teilung in der Union. Jedoch findet sich in den Erklärungen zur Regie- rungskonferenz in Nizza die Aufforderung, eine genauere, dem Subsi- diaritätsprinzip entsprechende Abgrenzung von Zuständigkeiten zwi- schen der EU und den Mitgliedstaaten anzustreben und schließlich zu gewährleistenii

2.1.1 POSITIONEN ZUR ENTWICKLUNG DER KOMPETENZVERTEILUNG IM ZUGE DER EUROPÄISCHEN INTEGRATION

Im Zuge der Europäischen Integration fühlten sich die Länder der Bundesrepublik Deutschland besonders aufgrund der Einheitlichen Europäischen Akte 19864 sowie des Programms zur Vollendung des Binnenmarktes 1992 bezüglich ihrer staatlichen Existenz und Kompe- tenz im föderalen System bedroht. Angesichts der Reformen der Ge- meinschaft in den vergangenen Jahren haben sie „mit großem Erfolg „Agenda-Setting“ betrieben“iii, um ihre eigenen politischen Gestal- tungsspielräume zu verteidigen und zu wahren. Auch andere Vertre- tungen der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in den Mit- gliedstaaten übten Kritik an der bestehenden Kompetenzabgrenzung. Besonders beanstandet wurde die Überlagerung von Politikbereichen, für die die Union originär kein Recht besitzt.

Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben mit Abschluss des Vertrages von Nizza (Gipfel von Niz- za im Dezember 2000) notwendige Voraussetzungen für die Aufna h- me neuer Mitglieder geschaffen. Besonders Ende 2004 beginnt mit der Aufna hme neuer Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa5 in die EU eine Periode neuer Herausforderungen. Neben diffizilen ökonomi- schen, politischen und juristischen Problemstellungen stellen sich fun- dame ntale Fragen hinsichtlich der strukturellen Entwicklung der EU in der Zukunft. In diesem Kontext müssen Weichen für eine erweiterte Gemeinschaft gestellt werden, in der künftig auch Handlungsfähigkeit, demokratische Legitimität sowie innere Geschlossenheit gesichert sind. Die anstehende Diskussion sowie die notwendigen zu beschrei- tenden Entwicklungsschritte wurden von den Teilnehmern des Euro- päischen Gipfels in Nizza mit der "Erklärung über die Zukunft der Union" entworfen und angestoßen.

Mit seiner „europapolitischen Grundsatzrede“ eröffnete Joschka Fi- scher als deutscher Außenminister im Vorfeld des Nizzaer Gipfeltref- fens (Mai 2000) die Debatte um die künftige Struktur der EU sowie um die Notwendigkeit eines Verfassungsvertrages. Anschließend widmeten sich Diskussionen und Beiträge europapolitischer Akteure der Frage nach der Finalität Europas sowie den Pro- und Contra- Argumenten einer möglichen EU-Verfassung. Der französische Staats- präsident Jacques Chirac wie auch der deutsche Bundespräsident Jo- hannes Rau sprachen sich grundsätzlich für eine europäische Verfas- sung aus.

2.1.2 DER EUROPÄISCHE RAT VON LAEKEN ALS AUFTAKT ZUR KONVENTSARBEIT

Im Dezember 2001 einigte sich der Europäische Rat von Laeken dar- auf, die wesentlichen Fragen und Probleme im Hinblick auf die Zu- kunft der Europäischen Union anzugeheniv. Dazu setzte er den Kon- vent zur Zukunft Europas ein, der umfassend und möglichst transpa- rent durch intensive Arbeit dieser Herausforderung stellen und schließ- lich Vorschläge zu drei wesentlichen Aspekten unterbreiten sollte:

- Das europäische Projekt sowie die Organe der Europäischen Union sollte den Bürgern nähergebracht werden,
- hinsic htlich einer erweiterten Union ergibt sich die Notwen- digkeit, das politische Agieren sowie den politischen Raum zu strukturieren und
- letztlich die Europäische Union zu einem Stabilitätsfaktor mit Vorbildcharakter in der neuen Weltordnung zu machen.v

Außerdem wurden in der Erklärung Fragen gestellt, mit denen sich der Konvent bzw. einzelne Arbeitsgruppen beschäftigten. Hinsichtlich der zukünftigen Kompetenzabgrenzung stellte er die Frage, wie eine präzi- sere Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union ausgearbeitet und formuliert werden kann, die dem Subsidiaritätsprinzip entsprichtvi. Die Probleme der bis- herigen Regelungen zur Kompetenzabgrenzung lassen sich folge n- dermaßen zusammenfassen:

- mangelnde Klarheit
- mangelnde Präzision einiger Bestimmungen
- Nichteinhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Ver- hältnismäßigkeit
- den Erwartungen der Bürger wird im Hinblick auf die Kompe- tenzen der Union nicht entsprochen
- unzulängliche Kontrollen zur Einhaltungen der Kompetenzab- grenzung
- Kompetenzzuordnungs- vs. Kompetenzdarstellungsproblemvii.

Grundsätzlich wird als Kompetenz „in der überkommenen staatlichen Ordnung die verfassungsrechtlich legitimiert zugewiesene Handlungs- befugnis eines Organs der öffentlichen Gewalt verstanden“viii. Im Recht der Europäischen Gemeinschaften (EU, EGKS, EAG6 ) kann dieses Kompetenz-Verständnis übertragen verwandt werden. Der je- weilige Gründungsvertrag dieser Gemeinschaften bildet als Primär- recht die Grundlage der Befugniszuordnung zu einem Organ der Ge- meinschaftix. Der Europäischen Union wird vom EU-Vertrag jedoch eine Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, nicht zuge- schrieben.

Der Konvent, der zur Bearbeitung der in Laeken formulierten Fragen eingesetzt wird, nimmt unter Vorsitz des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaign im März 2002 seine Arbeit auf. Im folgenden Kapitel wird detailliert auf die Arbeit des Konvents eingegangen.

Im Rahmen einer Einladung nach Stuttgart im Mai 2002 erklärt Valéry Giscard d’Estaign, dass „[d]ie europaweite öffentliche Debatte über die Zukunft der Union [...] in Deutschland angestoßen [wurde]. Die Rede von Joschka Fischer vor zwei Jahren in Berlin sowie ein Jahr später die Rede des Bundespräsidenten Johannes Rau vor dem Europä- ischen Parlament haben hierzu wesentlich beigetragen. [...] Es zählt zu den grundlegenden Aufgaben des Europäischen Konvents, eine deutli- chere Antwort zu finden auf die Frage: „Wer tut was in Europa?“. Wie werden die Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten aufgeteilt? [...]“x

2.1.3 ZUM PROBLEM DER KOMPETENZSTRUKTUR IN DER EUROPÄISCHEN UNION

Die Kompetenzstruktur, die in dieser Arbeit analysiert werden soll, erweist sich als eine Problemstellung der EU, die durch sehr differente Interessenlagen der verschiedenen Ebenen7 gekennzeichnet und be- sonders im Hinblick auf die Konventsarbeit aus unterschiedlicher Per- spektive betrachtet zu einer Vielfalt an Vorschlägen und Diskussions- beiträgen führt.

Aus politikwissenschaftlicher Sicht wird in diesem Zusammenhang eine sogenannte „Kompetenzverteilungsthese“ formuliert: „Die Ge- meinschaft ist umso weiter integriert, an je mehr und bedeutsameren Politikbereichen gemeinsame Institutionen beteiligt sind und je größe- re Einflussmöglichkeiten diese auf die konkrete Beschlussfassung ha- ben. “xi. Dabei stellt sich die Frage, ob die Intensität und Tiefe der In- tegration auf verstärktes Interesse der Mitgliedstaaten trifft unter der - oft schmerzlichen- Prämisse, (weiter) Kompetenzen an die Gemein- schaft abzutreten. Oder ist eine künftige Europäische Integration (einer erweiterten EU) eher denkbar mit einer Kompetenzstruktur, die nicht stärker ausgeweitet oder gar hinsichtlich der Unions-Kompetenzen begrenzt wird?

Die Regierungs- und Staatschefs der Mitgliedstaaten artikulieren in ihrer Erklärung von Laeken die Dringlichkeit, „die Zuständigkeitsver- teilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten verdeutlicht, ver- einfacht und im Lichte der neuen Herausforderungen, denen sich die Union gegenübersieht [anzupassen]“xii. Das bestehende System wird vielfach als zu unsystematisch, zu komplex, zu wenig transparent und in vielen Bereich als defizitär kritisiert, was zur Schlussfolgerung führt, dass die Kompetenzfrage „vielfach als eine der Schlüsselfragen [eingestuft wird], wenn nicht [als] die Kernfrage der europäischen Einigung“xiii. Diese Kompetenzfragen erweisen sich als Machfragenxiv

- Die Struktur der Kompetenz-Verteilung stellt schließlich die Zuord- nung zum Ort resp. Akteur dar, an dem oder durch den die maßgebli- chen politischen Entscheidungen getroffen werden. Im Mehrebene n- system konkurrieren die Institutionen der EU als Europäische Eb ene („Brüssel“), die nationale Ebene sowie als mögliche weitere Akteure Regionen, Länder und Kommunen um die Entscheidungsbefugnis. Mit Blick auf die Europäische Verfassung erschließen sich drei Dimensio- nen. Zum einen besteht die Notwendigkeit zur Schaffung einer trenn- schärferen und transparenteren Zuständigkeitssystematik. Zum ande- ren muss eine Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen den Mit- gliedstaaten und der Europäischen Union erfolgen (bzw. den Regionen der Mitgliedstaaten, wenn diese Kompetenzen übernehmen können). Weiterhin wird eine demokratisch legitimierte und effiziente Kompe- tenzausübung einschließlich einer wirksameren Kontrolle der Anwen- dung des Subsidiaritätsprinzips sowie der Vereinfachung der europäi- schen Rechtsetzungsinstrumente auf EU-Ebene thematisiertxv.

Gründe für die von vielen Mitgliedstaaten wahrgenommene Vordring- lichkeit lassen sich in einer Skepsis gegenüber der Entwicklung der EU identifizieren, die auf subjektiv empfundenen Zentralisierungsbe- wegungen beruht. Nach Meinung mancher Beobachter wirken Zentri- petalkräfte auf die Union, die durch die bestehende Entscheidungspra- xis der Organe erzeugt werden. Dabei stützen die Institutionen ihr Handeln auf die Kompetenz zur Binnenmarktharmonisierung nach Art.95 EG-V, die Vertragsergänzungskompetenz (auch: Vertragabrun- dungskompetenz) nach Art. 308 EG-V sowie den allgemeinen Ausle- gungsgrundsatz des effet utilexvi. Die Kritik richtet sich zum einen an die rechtsetzenden Organe der EU sowie zum anderen an die Recht- sprechung des Europäischen Gerichtshofes. Die bisherigen Regelun- gen führen zu keiner effektiven Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit.

Angesichts der bevorstehenden Erweiterung der EU wird sich ein Ver- lust des Einflusses der EU-15 vollziehen. In dieser erweiterten Union muss das Einstimmigkeitsprinzip in verschiedenen Entscheidungsver- fahren zurückgenommen werden, damit die EU handlungsfähig bleibt und nicht erlahmt. Politikbereiche der Gemeinschaft sind im Rahmen des Vertrages von Nizza in das Mehrheitsverfahren transportiert wor- den, so dass in diesen Bereichen Mitgliedstaaten leichter überstimmt werden können. Diese Entwicklung registrieren die Nationalstaaten als Gefahr, da durch eine Vergemeinschaftung bisher „klassischer“ Poli- tikfelder (z.B. Asylpolitik) in Kombination mit einer extensiven Wahrnehmung der Kompetenzen durch die Organe der EU die einst nicht limitierte staatliche Souveränität nun auf ein Minimum begrenzt werden könntexvii.

2.2 HERAUSFORDERUNGEN DER ZUKUNFT - ENTWICKLUNG VON PRÜFKRITERIEN FÜR DIE KONVENTSARBEIT

Im Hinblick auf eine künftige Kompetenzregelung lassen sich Ansprü- che, Kriterien und qualitative Verbesserungen formulieren. Dabei müssen zwei unterschiedliche Ansätze der Kritik bzw. der daraus re- sultierenden Forderungen getrennt werden. Auf der einen Seite geht es um Optimierungen der Darstellung, Verständlichkeit, Klarheit. Auf der anderen Seite handelt es sich bei den zu lösenden Problemen um strukturelle Defizite der Kompetenzordnung. Diese Differenzierung soll auch in dieser Arbeit vorgenommen werden.

2.2.1 DARSTELLUNG - KLARHEIT - VERSTÄNDLICHKEIT

- Entscheidungsabläufe und Verantwortlichkeiten müssen für die Bevölkerung nachvollziehbar und durchschaubar sein: Eine verbesserte Darstellung muss einhergehen mit einer besseren Bürgerverständlichkeit.
- Vereinfachung und Zusammenfassung der Gemeinschaftsver- träge in einem übersichtlichen und verständlichen Text.
- Regelungen, Prinzipien und Beschlüsse müssen sich als sach- gerecht und angemessen sowohl erweisen als auch so empfunden werden.

2.2.2 STRUKTURELLE DEFIZITE DER KOMPETENZORDNUNG

Verbesserung der Kompetenzverteilung

- Eine klar(er)e Zuständigkeitsverteilung muss ormuliert wer- den. Darunter muss die Frage beantwortet werden, nach wel- chen Grundsätzen die Kompetenzverteilung zwischen den Mit- gliedstaaten und der Europäischen Union erfolgt. In dieser Hinsicht sind zwei Strategien vorstellbar: Zum einen wird durch einen Kompetenzkatalog eine umfassende Liste von Kompetenzen der Europäischen Union festgelegt. Zum ande- ren kann eine Kategorisierung resp. Systematisierung dezentral geregelter Zuständigkeiten nach Gruppen erfolgen.

- Eine Anpassung der Zuständigkeitsverteilung soll, dort wo es notwendig und sinnvoll erscheint, den Erwartungen der Bürger gemäß angepasst werden.

Beachtung des Subsidiaritätsprinzips (Art.5 EG-V u. Protokoll 8 )

- Bezüglich des Subsidiaritätsprinzips müssen Tendenzen zur Überregulierung oder Über-Zentralisierungen bei Initiativen

[...]


1 Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien.

2 Der EWG liegt im Gegensatz zur EGKS nicht der Integrationsgedanke einer eingreifenden Hohen Behörde primär zugrunde, sondern vielmehr ein Konzept der Integration, das auf einen Gemeinsamen Markt mit Gewähr des freien Handels über die Binnengrenzen der Unterzeichnerstaaten ausgerichtet ist.

3 Übernahme des Schengen-Acquis, Einführung von Beschäftigungspolitik und von Vorschriften des Abkommens zur Sozialpolitik aus dem Maastrichter Vertragswerk.

4 Inkrafttreten der EEA am 1.Juli 1987.

5 Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn und Slowenien.

6 Die Gemeinschaften sind jeweils ausdrücklich mit einer Rechtspersönlichkeit aus- gestattet.

7 EU-Ebene, mitgliedstaatliche Ebene, Regions-Ebene.

8 Protokoll zur Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismä- ßigkeit (21)

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Das Kompetenzsystem der Europäischen Union
Hochschule
Universität Osnabrück  (Europarecht)
Veranstaltung
Seminar zum Europäischen Wirtschaftsrecht
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
44
Katalognummer
V23234
ISBN (eBook)
9783638263986
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit stellt die neue Kompetenzsystematik des Verfassungsentwurfes der bisherigen Struktur der Kompetenzabgrenzung zwischen Europäischen Union und den Nationalstaaten (Mitgliedstaaten) gegenüber.
Schlagworte
Kompetenzsystem, Europäischen, Union, Seminar, Europäischen, Wirtschaftsrecht
Arbeit zitieren
Kathrin Woltering (Autor:in), 2004, Das Kompetenzsystem der Europäischen Union, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23234

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