Die UN-Behindertenrechtskonvention und die Umsetzung des Rechts auf inklusive Bildung in Baden-Württemberg

Unter besonderer Berücksichtigung der Förderschule


Hausarbeit, 2012

42 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Behindertenrechtskonvention
2.1 Der Weg zur Behindertenrechtskonvention
2.2 Inhalt und Verpflichtungen der Behindertenrechtskonvention
2.3 Artikel
2.4 Was bedeutet die Behindertenrechtskonvention?

3 Umsetzung der BRK in Deutschland

4 Erhalt der Förderschule?
4.1 Die Förderschule und die BRK
4.2 Wirksamkeit der Förderschule
Studie 1: Wocken (2007)
Studie 2: Tent u. a. (1991)
Studie 3: Haeberlin u. a. (1990)
Studie 4: Riedo (2000)
Studie 5: Haeberlin u. a. (2011)
Studie 6: Salend und Garrick Duhaney (1999)
Studie 7: Myklebust (2006)
Studie 8: Klemm (2009)
4.3 Fazit

5 Umsetzung der BRK in Baden-Württemberg
5.1 Der Expertenrat als Anstoß
Beispiel Bildungswegekonferenz
5.2 Inklusive Beschulung in Baden-Württemberg?
Merkmale eines inklusiven Bildungswesens
Möglichkeiten der inklusiven Beschulung
Integration oder Inklusion?
5.3 Wechsel durch Rot-Grün?

6 Schlussbetrachtung

7 Literaturverzeichnis 38

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Im Jahre 2006 ist das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung“, kurz die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK), der Vereinten Nationen verabschiedet worden. Dieses Dokument hat einen weitreichenden Einfluss auf die Garantie und Gewährleistung der Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen. Dabei bezieht sich Artikel 24 auf ein inklusives Recht auf Bildung, was wiederum für das Schulwesen große Veränderungen mit sich bringt. Die Frage, die sich dabei stellt, ist, inwiefern die in der BRK geforderten Pflichten und Forderungen, insbesondere diese des Artikels 24, umgesetzt werden. Was ist bisher initiiert worden, was ist geplant und wo sind noch Baustellen? Es sollen vorrangig die Situation in Baden- Württemberg und die Rolle der Förderschule beleuchtet werden. Die BRK und ihre politische Umsetzung stellen noch ein neues Handlungsfeld der Politik dar, was dazu führt, dass die Umsetzung ihrer Forderungen längst noch nicht abgeschlossen und, wie sich zeigen wird, auch noch deutlich Handlungsbedarf von Nöten ist. Zudem ist dies ein aktuelles Thema und der Verlauf der Umsetzung wird ganz maßgeblich die Schulkultur verändern und somit auch die Ansprüche und Anforderungen an das zukünftige Lehrpersonal.

Die Arbeit gliedert sich daher in mehrere Teile. Im ersten soll die BRK genauer betrachtet werden. Dabei sollen wichtige Pfeiler, auf denen die BRK beruht, aufgezeigt werden, bevor im Anschluss die BRK an sich betrachtet wird. Der Fokus wird dabei auf den ersten neun, allgemein verpflichtenden Forderungen und Grundsätzen liegen, bevor sich dem Artikel 24 zugewandt wird. Im Anschluss daran soll die Bedeutung beziehungsweise Wirkung der BRK dargelegt werden. Dabei wird sich herausstellen, dass sich ein Paradigmenwechsel im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen herauskristallisiert hat und ihnen die Rechte und die Würde zugesprochen werden, die für jeden Menschen gelten. Ob sich dies auch in der Schulpolitik durchsetzt, soll im folgenden Kapitel betrachtet werden.

Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der Umsetzung der BRK. Zunächst soll ein kurzer Blick auf die Maßnahmen in Deutschland, das heißt, auf jene des Bundes und der Kultusministerkonferenz, gelegt werden. In Deutschland und besonders in Baden- Württemberg wird dabei auf ein System von Förderschulen gesetzt. Ob diese konform mit der BRK sind oder nicht, soll anschließend untersucht werden. Hierbei wird zum einen auf den rechtlichen Rahmen im Sinne der BRK eingegangen werden, aber auch auf Studien zur Wirksamkeit der Förderschule. Aus diesem Grund werden mehrere Studien analysiert, um zu ermitteln, ob die Förderschule überhaupt in der Lage ist, entsprechend zu fördern, und ob nicht ein gemeinsamer Unterricht an der Regelschule erfolgsversprechender wäre.

Da aber Schulpolitik eine landespezifische Angelegenheit ist, soll daraufhin die Situation in einem Bundesland, in diesem Fall Baden-Württemberg, analysiert werden. Zuerst sollen die Empfehlungen des Expertenrates begutachtet und als Beispiel einer Maßnahme danach die Bildungswegekonferenz einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Der zentrale Punkt ist aber die Frage, ob eine inklusive Beschulung in Baden-Württemberg durchgeführt wird. Darauffolgend soll das 4A-Schema dargelegt werden, um Merkmale eines inklusiven Bildungssystems herauszuarbeiten. Welche grundsätzlichen Möglichkeiten einer inklusiven Beschulung gegeben sind und welche davon in Baden-Württemberg bevorzugt praktiziert werden, soll zudem erörtert werden. Anschließend wird ein Zwischenfazit gezogen, in dem es darum geht, ob Baden-Württemberg wirklich eine Inklusion anstrebt oder eher der Integration verhaftet bleibt. Dabei soll auch auf die irreführende Verwendung und Auslegung der Termini ,Integration‘ und ,Inklusion‘ eingegangen werden. Es wird sich dabei herausstellen, dass es zur Inklusion noch ein weiter Weg und noch viel Arbeit zu erledigen ist, da bisher die Integration noch maßgebend und noch nicht in den Schulen angekommen ist. Welchen Einfluss und welche Wege die neue Landesregierung einschlagen will, soll kapitelabschließend vorgestellt werden.

In der Schlussbetrachtung sollen dann die Ergebnisse der vorherigen Kapitel zusammengetragen werden. Dabei soll aufgezeigt werden, was bisher erreicht wurde und was sich noch ändern muss, damit Baden-Württemberg auf den richtigen Weg zur Inklusion kommt. Vieles wird dabei natürlich von der neuen Landesregierung abhängen, zum Beispiel ob sie ihre Willensbekundungen aus dem Koalitionsvertrag wirklich umsetzt und wie. Genauso darf mit Spannung die für 2013/14 erwartete Schulgesetzänderung erwartet werden. Daran werden sich die Inklusionsbemühungen messen lassen und es wird sich herausstellen, inwiefern die Landesregierung ihren Verpflichtungen nachkommt oder doch noch einen Rückzieher macht.

Als Grundlage für den ersten Teil der Arbeit dient die BRK in der deutschen Übersetzung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Aufsätze von Theresie Degener „Die UN-Behindertenrechtskonvention. Grundlage für eine neue inklusive Menschenrechtstheorie“ (2010) sowie „Die UN-Behindertenrechtskonvention als Inklusionsmotor“ (2009) beleuchten dabei insbesondere die Bedeutung und die rechtlichen Auswirkungen der BRK. In diesem Zuge kann das sehr umfassende Gutachten von Ralf Poscher, Johannes Rux und Thomas Langer unter dem Titel „Von der Integration zur Inklusion. Das Recht auf Bildung aus der BRK der Vereinten Nationen und seine innerstaatliche Umsetzung“ (2008) angeführt werden. Auch wenn dieses Werk vergleichsweise alt ist, stellt es dennoch eine wichtige Grundlage für die rechtliche Würdigung und Interpretation der BRK dar.

Im zweiten Teil der Arbeit mit dem Fokus auf Baden-Württemberg werden neben den offiziellen Dokumenten, wie zum Beispiel jenem des Expertenrates, auch Stellungnahmen, Kritik und Forderungen von zivilgesellschaftlichen Akteuren, wie zum Beispiel die der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), des Sozialverband Deutschland (SoVD) oder der Elternverbände, einbezogen. Zudem vermittelt der Aufsatz „Länderbericht Baden- Württemberg. Der Wechsel beginnt: Vom Außenklassenkonzept und anderen kooperativen Modellen zu einer inklusiven Gemeinschaftsschule!“ (2011) von Prof. Dr. Kerstin Merz- Atalik (PH-Ludwigsburg) und des Sonderschullehrers Peter Hudelmaier-Mätzke gute Einblicke in die derzeitige Situation und aktuellen Entwicklungen in Baden-Württemberg.

2 Die Behindertenrechtskonvention

2.1 Der Weg zur Behindertenrechtskonvention

Die BRK wurde am 13.12.2006 von der UN-Generalvollversammlung verabschiedet (Lee 2010, 36f). Durch die Resolution 56/1685 wurde am 19.12.2001 der Startschuss für die BRK gegeben. In 8 Sitzungen zwischen 2002 und 2006 wurde die BRK erarbeitet (Lee 2010, 185). Am 13.12.2006 wurde dann die Resolution 61/106, die BRK, verabschiedet und trat am 03.05.2008 in Kraft (Degener 2010, 57). Die Bundesrepublik Deutschland hat am 21.12.2008 eine entsprechende gesetzliche Umsetzung ratifiziert. Mit Wirkung zum 26.03.2009 wurde dieses Gesetz gültiges Recht in Deutschland (Degener 2010, 59). Bisher haben 153 Staaten die BRK unterzeichnet und 108 davon haben diese bereits ratifiziert. Das Fakultativprotokoll (FakPr.) hingegen haben 90 Staaten unterzeichnet und 63 ratifiziert.1

Die Geschichte der BRK beginnt aber schon vor 2001. Die BRK bezieht sich auf die Erklärung der allgemeinen Menschenrechte aus dem Jahre 1948. Weitere wichtige Inspirationen auf dem Weg zur Entstehung der BRK war der „internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte“ (kurz Zivilpakt) und der „internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte“ (kurz Sozialpakt) von 1966 (Degener 2010, 59). 1976 traten diese in Kraft und hatten das Recht auf Bildung für jeden als einen Inhalt (Hausmanns 2009, 240). In Bezug auf die Bildung von Menschen mit Behinderung wird mit dem Weltprogramm von 1982 der Vereinten Nationen auf eine Erziehung im allgemeinen Schulsystem gedrängt, allerdings unter der Einschränkung, dass dies nur soweit wie möglich geschehen soll. Mit der Kinderrechtskonvention von 1989 wird zudem auf eine vollständige soziale Integration aller Kinder hingewiesen. Auch hier findet sich eine Einschränkung: eine ‚möglichst‘ vollständige soziale Integration soll erreicht werden (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 23). In Bezug auf inklusive Bildung nimmt die Weltkonferenz ‚Pädagogik für besondere Bedürfnisse: Zugang und Qualität‘ in Salamanca von 1994 eine wichtige Rolle ein (Deutsche UNESCO-Kommission 2009, 8). Mit der Erklärung dieser Konvention soll allen die Bildungsrechte anerkannt und gewährleistet werden (Lee 2010, 36f).

Die BRK beruht damit nicht auf gänzlich neuen Ideen, sondern hat schon wesentlich frühere Wurzeln. Dennoch stellt die BRK ein gewisses Novum dar. Es ist die Menschenrechtskonvention mit der kürzesten Verhandlungsdauer und der höchsten Anzahl an Unterzeichnerstaaten innerhalb der ersten beiden Jahre (Degener 2010, 57). Zudem nahmen an den Verhandlungen sehr viele Menschen mit Behinderung teil. Mehr als 400 Nichtregierungsorganisationen waren beteiligt, die überwiegend durch Menschen mit Behinderungen vertreten wurden (Degener 2009, 202).

2.2 Inhalt und Verpflichtungen der Behindertenrechtskonvention

Zu der BRK gehören genau genommen zwei Abkommen. Dies sind zum einen das Übereinkommen und zum anderen das Fakultativprotokoll. Auch wenn das Übereinkommen unterschrieben wird, gibt es keine Pflicht, auch das Fakultativprotokoll zu unterschreiben (Degener 2009, 202). Auf die 18 Artikel des Fakultativprotokolls, zu denen zum Beispiel das individuelle Beschwerdeverfahren gehört, soll an dieser Stelle nicht genauer eingegangen werden, sondern auf das Übereinkommen. Dieses besteht aus einer unverbindlichen Präambel und den eigentlichen 50 Artikeln, welche sich wiederum gliedern lassen. Die ersten neun Artikel sind allgemein gedacht und bilden die Grundlage für die ganze BRK. Sie sind von besonderer Bedeutung und sollen daher auch hier genauer erläutert werden (Degener 2009, 203).

Artikel 1 beschreibt den Zweck der BRK:

„Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.“ (BuMAS 2011a, Artikel 1 BRK)

Weitergehend wird auch noch definiert, was eigentlich Behinderung ist:

„Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“ (BuMAS 2011a, Artikel 1 BRK)

Zusätzlich setzt sich die

„Erkenntnis, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht“ (BuMAS 2011a, Präambel e),

durch. Dies bedeutet, dass es keine endgültige Definition davon gibt, was Behinderung ausmacht. Es handelt sich hier also nur um eine Teildefinition, die nicht nur das Gegenwärtige einbezieht, sondern auch zukünftige Entwicklungen (Aichele 2008, 5).

In Artikel 2 werden dann Begriffsbestimmungen vorgenommen, die für die BRK wichtig sind. Dazugehört zum Beispiel ‚Diskriminierung‘:

„Im Sinne dieses Übereinkommens […]bedeutet ‚Diskriminierung aufgrund von Behinderung` jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass das auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennen, Genießen oder Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird. Sie umfasst alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen; […].“ (BuMAS 2011a, Artikel 2 BRK)

Die Bekämpfung von Diskriminierung ist ein allgemeiner Grundsatz der BRK, die im Artikel 3 geregelt wird. Zu den weiteren gehören die Achtung der Menschenwürde, individuelle Autonomie, Chancengleichheit, Achtung der Unterschiedlichkeit der Menschen und die Akzeptanz dieser, die vollständige Möglichkeit der Partizipation in der Gesellschaft oder auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau (BuMAS 2011a, Artikel 3 BRK).

Diese Grundsätze sind mit Pflichten für die Staaten verbunden, die in Artikel 4 aufgeführt werden. Der Staat hat somit unter anderem die Gesetze und Gesetzgebung gemäß der BRK anzupassen. Die Maßnahmen sind dabei stets mit den verfügbaren Ressourcen umzusetzen (BuMAS 2011a, Artikel 4 BRK). Das Beseitigen von Diskriminierung beinhaltet zum Beispiel aber nicht nur, die gesetzlichen Regelungen abzuschaffen oder zu ändern, sondern auch, benachteiligendes Verhalten in der Gesellschaft bei Privatpersonen, in Organisationen und Unternehmen zu bekämpfen (Degener 2009, 207).

Artikel 5 widmet sich dann insbesondere nochmal der Diskriminierung und der Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Im Sinne dieser Gleichbehandlung wird in Artikel 6 die Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderung eingefordert, da diese einer mehrfachen Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Gleichbehandlung der Kinder wird dann in Artikel 7 eingefordert. Dabei wird betont, dass der Staat alle Maßnahmen ergreifen soll, um die BRK zu erfüllen. Eine wichtige Rolle bei den Kindern spielt die freie Meinungsäußerung und dass bei allen Maßnahmen, die die Kinder betreffen, stets das Wohl des Kindes im Vordergrund steht (BuMAS 2011a, Artikel 5-7 BRK).

Artikel 8 befasst sich mit der Bewusstseinsbildung. Dazu gehört, dass in der Gesellschaft positiv über Behinderung aufgeklärt wird und schädliche Praktiken sowie Vorurteile aktiv angegangen werden (BuMAS 2011a, Artikel 8 BRK).

In Artikel 9 wird die Zugänglichkeit thematisiert. Dies bedeutet, dass

„geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten“ (BuMAS 2011a, Artikel 9 BRK)

sind. Es lässt sich kurz zusammenfassen, dass die BRK darauf zielt, dass der Staat die Menschenrechte für alle anerkennt, sicherstellt und garantiert. Dazu sollen physikalische, soziale und kulturelle Hindernisse, die es den Menschen mit Behinderungen verwehren, als vollwertiges Mitglied an der Gesellschaft teilzuhaben, angegangen und beseitigt werden. Es wird ein Umdenken von Exklusion hin zu sozialer Inklusion gefordert (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 11).

An den allgemeinen Teil anschließend folgt in den Artikel 10-30 der Katalog der einzelnen Menschenrechte. Dabei werden die Grund- und Freiheitsrechte der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verwendet und auf die Menschen mit Behinderungen übertragen. Dazu zählt auch Artikel 24, der die Bildung betrifft. Die Artikel 31-40 hingegen thematisieren, wie die BRK umgesetzt und überwacht werden soll, was zu den strittigsten Themen bei der Verhandlung gehörte. Das Ergebnis war dann ein neuartiges System der Überwachung, das auf zwei Ebenen angesiedelt ist: einer internationalen und einer nationalen (Degener 2010, 60).

Auf internationaler Ebene gibt es fünf Instrumente, mit denen die Durchführung und Überwachung gewährleistet werden soll. Dazu gehören ein Berichtswesen, ein Untersuchungsverfahren, ein individuelles Beschwerdeverfahren sowie eine Konferenz der Vertragsstaaten.

Nach Inkrafttreten des Übereinkommens in dem jeweiligen Land bleiben dem Vertragsstaat zwei Jahre Zeit, um einen Initialbericht zu verfassen. Dieser Bericht soll umfassend darüber informieren, welche Maßnahmen angestoßen worden sind, um die BRK zu erfüllen. Dabei sollen auch die Fortschritte, die gemacht werden, dokumentiert werden. Mindestens alle vier Jahre muss dann ein Folgebericht erstellt und eingereicht werden (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 41 und BuMAS 2011a, Artikel 35 BRK).

Im Fakultativprotokoll werden in den Artikeln 1-5 Regelungen über das individuelle Beschwerdeverfahren getroffen. Dies ermöglicht es, dass sich Individuen oder Gruppen, die Opfer von Missachtungen der BRK sind, beschweren können (BuMAS 2011a, Artikel 1-5 FakPr.). Dabei ist besonders wichtig, dass die Beschwerden auch im Namen einer betroffenen Person eingereicht werden können (Degener 2010, 60). Treten schwerwiegende oder systemische Verletzungen auf, kann ein Untersuchungsverfahren eingeleitet werden (BuMAS 2011a, Artikel 6 FakPr.).

Als zentrale Einrichtung soll ein „Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung“ (BuMAS 2011a, Artikel 34 Abs. 1 BRK) installiert werden, der von der Vertragsstaatenkonferenz gewählt wird (Degener 2010, 60). Dieser Ausschuss bestand am Anfang aus 12 Mitgliedern und wurde nach der 80. Ratifizierung des Übereinkommens auf 18 Mitglieder angehoben (BuMAS 2011a, Artikel 34 Abs. 2 BRK). Diese Mitglieder sollen zudem unabhängige Experten sein (BuMAS 2011a, Artikel 34 Abs. 3 BRK). Zu den Aufgaben des Ausschuss gehören die Kontrolle der Staatenberichte, eine Beratung über die individuellen Beschwerden und das Untersuchungsverfahren (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 41). Zu beachten ist dabei, dass der Ausschuss nach der Durchsicht der Berichte Anmerkungen und Empfehlungen an die jeweiligen Staaten senden kann. Eine Umsetzungspflicht gibt es allerdings nicht. Der Ausschuss hat keine Möglichkeit, Sanktionen auszusprechen, was dann auch auf das Untersuchungsverfahren zutrifft (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 41-43). Bei der alle zwei Jahre stattfindenden Vertragsstaatenkonferenz können dann allenfalls diese Probleme behandelt werden (BuMAS 2011a, Artikel 40 BRK).

Auf nationaler Ebene verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, Anlaufstellen zu etablieren (Bundesministerium für Arbeit und Soziales), eine Koordinierungsstelle zu installieren (Behindertenbeauftragter der Bundesregierung), einen unabhängigen Überwachungsmechanismus zu erstellen (Deutsches Institut für Menschenrechte) und die Bevölkerung aktiv zu beteiligen (BuMAS 2011a, Artikel 33 BRK und Degener 2010, 62). Im Anschluss werden in den Artikeln 41-50 technische Angelegenheiten, wie zum Beispiel die Ratifikationsbestimmungen, genannt, die aber in dieser Arbeit nicht von Belang sind (BuMAS 2011a, Artikel 41-50 BRK).

2.3 Artikel 24

Von besonderer Wichtigkeit ist Artikel 24 für diese Arbeit. Dieser Artikel hat das Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderung zum Thema.

„Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […].“ (BuMAS 2011a, Artikel 24 Abs. 1 BRK)

Dabei sind natürlich zwei grundlegende Termini zu klären. Die Definition, was Behinderung ist, wird von der BRK erläutert und befindet sich wie schon beschrieben in Artikel 2. Als zweites bedarf es einer Erklärung was unter ‚Bildungssystems‘ gemeint ist. Ferner muss geklärt werden, was unter ‚integrativ‘ zu verstehen ist. Dies soll aber in einem späteren Kapitel genauer behandelt werden, dennoch soll hier nun schon von einem inklusiven und nicht integrativen Verständnis ausgegangen werden.

Im Fokus stehen dabei die allgemeinbildenden Schulen. Dennoch ist von einem umfassenden Verständnis, das alle Stufen betrifft, auszugehen. Das heißt, dass alle Einrichtungen, die einen Bildungsauftrag haben, damit eingeschlossen werden. Somit gehören vom Kindergarten, über Schulbildung, Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung bis zum lebenslangen Lernen alle Bereiche dazu. Dies schließt somit auch Unternehmen oder Private Schulen mit ein (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 20).

Besonders viel Wert wird dabei auf die Würde der Menschen mit Behinderung, die Entfaltung der Persönlichkeit und die wirksame Teilhabe an der Gesellschaft gelegt (BuMAS 2011a, Artikel 24 Abs. 1 a-c BRK). In den nachfolgenden Artikeln werden zudem weitere Forderungen dargelegt. Dazu gehört eine unentgeltliche Grundschulbildung (BuMAS 2011a, Artikel 24 Abs. 2 a-b BRK). Dies betrifft direkte Kosten wie das Schulgeld, aber auch Aufwendungen für bestimmte Fächer oder individuelle Kosten für Schuluniformen, Bücher, Transportkosten oder Lernmittel (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 31). Was allerdings unter Grundschulbildung verstanden wird, zum Beispiel wann diese einsetzt und bis wann diese gilt, wird in der BRK nicht dargelegt (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 30). Unter dem „Zugang zu einem integrativen [..] Unterricht […]“ (BuMAS 2011a, Artikel 24 Abs. 2 b BRK) gehören sowohl räumliche wie auch wirtschaftliche Hindernisse. Die räumlichen beziehen sich dabei auf die physikalischen Barrieren. Der wirtschaftliche Teil bezieht sich primär auf die Sekundarschulbildung. Dieser Teil muss nicht unentgeltlich sein, aber es muss auch den Ärmeren möglich sein, diesen zu finanzieren können. Hinzu kommt, dass dieser Zugang flächendeckend gewährleistet werden soll. Es soll wenigstens ein Zugang zu der Schule ermöglicht werden, an der Kinder aus dem sozialen Umfeld des Kindes sind (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 32f).

Weiterhin soll eine individuelle Unterstützung erfolgen, die zu einer vollständigen Inklusion beiträgt (BuMAS 2011a, Artikel 24 Abs. 2 c-e BRK). Genauere Angaben, wie dies umgesetzt werden soll, werden aber wieder nicht gegeben (Poscher/ Rux/ Langer 2008, 33).

[...]


1 Stand vom 31.12.2011.

Den jeweils aktuellen Stand der Unterzeichnungen und Ratifizierungen kann man auf der Internetseite der Vereinten Nationen unter http://www.un.org./disabilities/countries.asp einsehen.

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Die UN-Behindertenrechtskonvention und die Umsetzung des Rechts auf inklusive Bildung in Baden-Württemberg
Untertitel
Unter besonderer Berücksichtigung der Förderschule
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
42
Katalognummer
V232325
ISBN (eBook)
9783656488767
ISBN (Buch)
9783656490364
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inklusion, Baden-Württemberg, Behindertenrechtskonvention, Förderschule
Arbeit zitieren
Markus Himmelsbach (Autor:in), 2012, Die UN-Behindertenrechtskonvention und die Umsetzung des Rechts auf inklusive Bildung in Baden-Württemberg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232325

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