Kreditderivate. Instrumente zur Risikosteuerung von Kreditportfolios


Bachelorarbeit, 2013

77 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1. Kredit und Kreditrisiko
2.2. Kreditrisikotransferinstrumente
2.2.1. Traditionelle Kreditrisikotransferinstrumente
2.2.2. Kapitalmarktorientierte Kreditrisikotransferinstrumente

3. Kreditderivate
3.1. Grundstruktur und Vertragselemente eines Kreditderivates
3.2. Systematisierung der Kreditderivate
3.3. Typologie der Kreditderivate
3.3.1. Grundformen der Kreditderivate
3.3.1.1. Credit Default Swap
3.3.1.2. Total Return Swap
3.3.1.3. Credit Spread Option
3.3.2. Hybride Formen der Kreditderivate
3.3.2.1. Credit Linked Note
3.3.2.2. Synthetische Collateralized Debt Obligations
3.3.3. Exotische Formen der Kreditderivate
3.3.3.1. Auf Credit Default Swaps basierende Varianten
3.3.3.2. Weitere Varianten
3.4. Der Markt der Kreditderivate
3.4.1. Entstehungsgeschichte
3.4.2. Marktentwicklung und Marktstruktur

4. Risikomanagement mit Kreditderivaten
4.1. Begriff des Risikomanagements
4.2. Motive für den Einsatz von Kreditderivaten zur Risikosteuerung
4.2.1. Kreditportfoliooptimierung
4.2.1.1. Risikoabsicherung
4.2.1.2. Risikoübernahme
4.2.2. Kreditlinienmanagement

5. Kritische Würdigung des Einsatzes von Kreditderivaten in Portfolios
5.1. Chancen aus Kreditderivaten
5.2. Risiken aus Kreditderivaten
5.2.1. Informationsasymmetrien zwischen den Vertragspartnern
5.2.2. Liquiditätsrisiko
5.2.3. Rechtsrisiko
5.2.4. Betriebsrisiko
5.2.5. Kontrahentenausfallrisiko

6. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 01: Überblick über die Instrumente des Kreditrisikotransfers

Abb. 02: Asset-Swap-Paket

Abb. 03: Grundstruktur einer ABS-Transaktion

Abb. 04: Grundstruktur eines Kreditderivates

Abb. 05: Systematisierung der Kreditderivate

Abb. 06: Credit Default Swap

Abb. 07: Total Return Swap

Abb. 08: Credit Spread Option

Abb. 09: Credit Linked Note

Abb. 10: Credit Linked Note emittiert durch SPV

Abb. 11: Struktur einer synthetischen Collateralized Debt Obligation

Abb. 12: Entwicklung des Marktvolumens der Credit Default Swaps

Abb. 13: Marktanteile der Kreditderivate auf dem US-Markt

Abb. 14: Verteilung der Single-name und Multi-name CDS

Abb. 15: Phasenschema des Risikomanagement-Prozesses

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Entwicklung der Nominalwerte der Credit Default Swaps

Tab. 2: Teilnehmer auf dem Kreditderivate-Markt

Tab. 3: Die fünf größten Kreditderivate-Händler

Tab. 4: Kontrahentenausfallrisiko bei den gebräuchlichsten Kreditderivaten

1. Einleitung

„JP Morgan erschüttert die Wall Street“[1] titelte die Financial Times in ihrer Online-Ausgabe vom 11. Mai 2012 und rückte damit den Einsatz von Kreditderivaten erneut in den Blick der Öffentlichkeit. Doch was genau war passiert? Die Londoner Investmentsparte der Bank hatte im Handelsgeschäft mit Kreditderivaten über zwei Milliarden Dollar verloren. Die Ursache für die hohen Verluste lag in dem spekulativen Investment von komplexen Kreditausfallderivaten. Grundsätzlich widersprechen reine Spekulationsgeschäfte jedoch dem eigentlichen Gedanken, Kreditderivate zur Absicherung von Kreditportfolios einzusetzen.

Vor dem generellen Hintergrund einer zunehmenden Globalisierung mit einem verstärkten Wettbewerbsdruck und den sich verändernden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind Banken heute einem permanenten Anpassungsprozess unterworfen. Insbesondere die Verluste im Kreditgeschäft, die durch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten der letzten Jahre entstanden sind, verlangen von den Banken eine stetige Weiterentwicklung des Kreditrisikomanagements, um auch zukünftig erfolgreich am Markt bestehen zu können. Der Risikosteuerung von Kreditportfolios und dem Einsatz risikooptimierender Finanzprodukte kommt hierbei unter dem Risiko-Rendite-Aspekt eine grundlegende Bedeutung für das Kreditgeschäft zu.

In der Vergangenheit war die Risikosteuerung aufgrund der wenigen gegebenen Möglichkeiten, wie z.B. dem Kreditverkauf oder der Kreditversicherung durch eine reine Buy-and-Hold-Strategie geprägt. Dies änderte sich jedoch Mitte der neunziger Jahre mit der Entwicklung der Kreditderivate, wodurch es möglich wurde, Kreditrisiken von der zugrunde liegenden Kreditposition zu isolieren, handelbar zu machen und auf Dritte zu übertragen. Damit boten sich die Kreditderivate unter Beibehaltung der originären Kreditbeziehung sowohl zur Absicherung gegen Zahlungsausfälle als auch zur gezielten Übernahme von Risikopositionen im Rahmen eines aktiven Kreditrisikomanagements an.

Neben der Darstellung der verschiedenen Ausprägungen der Kreditderivate und deren Marktentwicklung wird in der vorliegenden Arbeit deren Potenzial als Risikotransferinstrument in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Aufgezeigt wird, inwiefern Kreditderivate zur Risikosteuerung von Kreditportfolios eingesetzt werden können und welche Bedeutung ihnen im Kreditrisikomanagement zukommt.

2. Grundlagen

2.1. Kredit und Kreditrisiko

Der Begriff Kredit ist äußerst vielschichtig und steht im Allgemeinen für die befristete Überlassung von Geld oder Waren, verbunden mit der vertraglichen Zusage, die vereinbarten Zahlungsversprechen in Form von Zins- und Tilgungsleistungen zu erfüllen.[2] Ein wesentliches Kriterium für die Kreditvergabe ist das Vertrauen des Kreditgebers (Gläubiger oder auch Kreditor)[3] in die Zahlungs­willigkeit und Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers (Schuldner oder auch Debitor)[4]. Dieses Vertrauensverhältnis drückt sich auch in dem eigentlichen Begriff Kredit aus, dessen Ursprung im lateinischen Verb „credere“ liegt und mit „vertrauen, jemandem etwas anvertrauen“ übersetzt werden kann. Das Vertrauen in den Kreditnehmer, dass die aus dem Kreditvertrag resultierenden Verpflichtungen vereinbarungsgemäß erfüllt werden können und damit die positive Einschätzung des hiermit verbundenen Kreditrisikos ist somit ausschlaggebend für die Kreditvergabe.[5]

Das bei einem Kreditengagement bestehende Risiko ist neben Kosten und Ertrag zwangsläufig von elementarer Bedeutung im Bankengeschäft. Da sich in der Literatur keine einheitliche Definition des Kreditrisikobegriffs finden lässt, sollen die im Kreditgeschäft wesentlichen Risiken im Folgenden erläutert werden. Weit verbreitet ist eine ursachenbezogene Unterteilung dieser Risiken. Hierbei kann in das eigentliche Kreditrisiko (Verhalten des Kreditnehmers) und in das Marktrisiko, welches aufgrund der allgemeinen Marktentwicklungen einen Einfluss auf die Kreditwürdigkeit haben kann, unterteilt werden.[6] Das Kreditrisiko im engeren Sinne, welches synonym auch als „Adressenausfallrisiko“ bezeichnet wird, lässt sich im Hinblick auf die potentielle Verlustursache zum einen in das Ausfallrisiko und zum anderen in das Bonitätsänderungsrisiko unterteilen.[7]

Der Begriff Bonitätsänderungsrisiko (Spread Widening Risk) beinhaltet die Gefahr einer möglichen Verschlechterung der Bonität des Kreditnehmers. Dies äußert sich im Abstieg in eine schlechtere Ratingklasse (Rating Downgrade), was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Kredit bzw. ein Teil dessen ausfällt und zu einem verminderten Barwert des eingegangenen Kreditengagements führt.[8] Jedoch bedeutet das Risiko einer Bonitätsverschlechterung nicht zwangsläufig, dass der Kredit auch ausfällt.

Das Ausfallrisiko (Default Risk) hingegen beschreibt die konkrete Gefahr, dass der Schuldner den vereinbarten Verpflichtungen gegenüber dem Kreditgeber, den Kredit zu tilgen, nur teilweise, verzögert oder überhaupt nicht nachkommt.[9] Hierbei ist es nebensächlich, ob der Kreditnehmer nicht in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen oder diese verweigert.

Die Kreditrisiken setzen sich folglich vor allem mit der Situation des Schuldners auseinander, wohingegen bei den Marktrisiken die Gefahr möglicher Verluste aufgrund von Marktpreisänderungen im Vordergrund steht. Hauptsächlich setzen sich die Marktrisiken aus den Liquiditätsrisiken, Zinsänderungsrisiken und Währungsrisiken zusammen.[10] Es ist offensichtlich, dass eine ungünstige Marktentwicklung für ein Unternehmen oder auch für eine gesamte Unternehmensbranche deren Geschäftstätigkeit negativ beeinflusst. Bezogen auf das Kreditgeschäft ist hierbei der Einfluss des Zinsänderungsrisikos von Bedeutung, da für die Unternehmensbewertung auch Marktzinsen herangezogen werden. Gestiegene Marktzinsen führen zu einem höheren Zinsaufwand und damit zu einem Vermögensverlust. Dies führt bei einer langfristigen Entwicklung in der Regel zu einer entsprechenden Herabstufung im Rating, die wiederum das Kreditrisikos beeinflusst.[11] Dieser Risikoaspekt, der als Folge des Bonitätsänderungsrisikos eines Emittenten die Gefahr eines bonitätsinduzierten Marktwertverlustes einer gehaltenen Position beinhaltet, wird als das spezifische Marktrisiko oder als das spezifische Kursrisiko bezeichnet.[12] Marktrisiko und Kreditrisiko stehen somit in einer wechselseitigen Beziehung.

Je nach Systematisierung existiert eine Vielzahl weiterer Risiken im Kreditgeschäft, wie beispielsweise Besicherungs-, Eindeckungs-, Geldwert- oder Länderrisiken, auf die jedoch nicht genauer eingegangen werden soll.[13] Vielmehr soll im Rahmen dieser Arbeit an der Klassifizierung des Kreditrisikos in Ausfallrisiko und Bonitätsrisiko festgehalten werden, da mit Hilfe von Kreditderivaten je nach Art, das Ausfallrisiko und/oder das Bonitätsänderungsrisiko handelbar und somit auf den Risikokäufer übertragbar ist.

Ein grundlegender Aspekt bei der Betrachtung des Kreditrisikos, sowohl bei klassischen Krediten als auch bei Unternehmensanleihen, ist die Verschlechterung der Bonität. Das erhöhte Risiko bedingt zwangsläufig eine dem Risiko angepasste höhere Verzinsung, die ein potentieller Kreditgeber einfordern würde. Dies bedeutet für Kreditgeber, die bereits Kreditengagements vor der Bonitätsverschlechterung im Portfolio halten, dass die entsprechenden Forderungen durch einen sinkenden Barwert gekennzeichnet sind, da die Bewertung dieser Positionen einen erhöhten Kalkulationszins erfordern. Dies reflektiert den Risikoaufschlag, den ein Kreditnehmer mit einer schlechten Bonität im Vergleich zu einem risikolosen Kreditengagement am Markt zahlen muss.[14] Die Höhe der anfallenden Zahlungen setzt sich demnach aus einer Risikoprämie und einer risikofreien Zinszahlung zusammen. Diese Risikoprämie wird als „Credit Spread“ bezeichnet und stellt einen zusätzlichen Zinssatz pro Jahr dar, der von den Kreditnehmern bzw. Anlegern zur Abdeckung des eingegangenen Kreditrisikos verlangt wird.[15] Der Credit Spread wird allgemeint definiert „als Zinssatz zwischen einem (nahezu) risikolosen Referenzwert (oder Referenz-Basket oder Index wie der BBA LIBOR, BBA Euro-LIBOR, FIBOR bzw. EURIBOR) und dem riskanten Titel“.[16] Das Risiko des hypothetischen Verlustes bei einer Bonitätsverschlechterung wird hierbei als „Credit Spread Risiko“ bezeichnet, das sich bei gehandelten oder Mark-to-market bewerteten Positionen bzw. Portfolien unmittelbar in Barwertänderungen niederschlägt.[17]

2.2. Kreditrisikotransferinstrumente

Durch die Teilnahme als Kreditgeber im Kreditgeschäft sind die Banken verschiedenen Kreditrisiken ausgesetzt. Daher ist das Interesse der Banken nur verständlich, die Kreditrisiken auf dem Finanzmarkt auf Dritte zu übertragen und sich dadurch abzusichern. Im Folgenden soll ein Überblick über die verschiedenen Instrumente zur Risikoübertragung gegeben werden, wobei auf die Kreditderivate und Hybride Produkte als innovative Risikotransferprodukte erst im nachfolgenden Kapitel eingegangen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Überblick über die Instrumente des Kreditrisikotransfers[18]

Um Kreditrisiken auf Dritte zu übertragen, können sich Banken verschiedener Instrumente bedienen. Hierbei kann zwischen den traditionellen und den kapitalmarktorientierten Produkten unterschieden werden.[19]

2.2.1. Traditionelle Kreditrisikotransferinstrumente

Bei den traditionellen Produkten handelt es sich um Kreditversicherungen als auch um Kreditsyndizierungen. Des Weiteren können Kreditverkäufe und Asset Swaps, trotz ihrer Zugehörigkeit zu den kapitalmarktorientieren Produkten den traditionellen Produkten zugeordnet werden.

Bei einer Kreditversicherung gewährleistet der Versicherer, die aus dem Kredit entstehenden Risiken zu übernehmen.[20] Kommt es zu einem Ausfall des Kredit­nehmers, ist der Kreditversicherer in der Pflicht, für die ausstehenden Zahlungen einzutreten. Die Kreditversicherungen beziehen sich hierbei im Wesentlichen auf Exportkreditversicherungen und Warenkreditversicherungen. Folglich sind Kredit­versicherungen für Banken im Rahmen des Kreditrisikotransfers nur von geringem Nutzen.[21]

Der Grundgedanke der Kreditsyndizierung indes ist es, einen Kredit auf mehrere Banken aufzuteilen.[22] Dies bietet die Möglichkeit, vor allem Kredite mit hohen Kreditbeträgen im Rahmen eines Bankenkonsortiums zu vergeben, ohne die „Großkreditobergrenze“[23] der einzelnen Bank zu verletzen. Zudem können Klumpenrisiken aufgrund der verbesserten Risikostreuung vermieden werden.[24] Jedoch sind Kreditsyndi­zierungen zumeist mit relativ hohen Transaktionskosten verbunden.[25]

Der Kreditverkauf ist ein weiteres Transferinstrument zur Refinanzierung und Liquiditätsbeschaffung bei Banken. So können notleidende Kredite auch nach geraumer Zeit des Kreditabschlusses abgestoßen werden. Der Kredit und das damit verbundene Risiko können dabei teilweise oder vollständig auf dem Kapitalmarkt veräußert werden.[26] Abhängig von der Gestaltung des Kreditvertrages kann hierbei die Zustimmung des Kreditnehmers bei einem Kreditverkauf erforderlich sein.[27] Der Kreditverkauf hat somit einen direkten Einfluss auf das besondere Vertrauens­verhältnis zwischen dem Kunden und der Bank.

Ein wichtiges Transferinstrument im Hinblick auf die Entwicklung der Kreditderivate stellen die Asset-Swaps dar. Prinzipiell setzt sich ein Asset Swap aus einer festverzinslichen Anleihe und einem Zins-Swap zusammen, wobei die Festzinszahlungen der Anleihe gegen eine variable Zinszahlung getauscht werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Asset-Swap-Paket[28]

Im ersten Schritt emittiert der Asset-Swap-Verkäufer eine Festkuponanleihe und bietet diese dem Asset-Swap-Käufer gegen die Bezahlung des Kaufpreises an. Zudem ist der Swap-Verkäufer zur Zahlung der Kuponzahlung gegenüber dem Käufer der Anleihe verpflichtet.[29] Im zweiten Schritt kommt es zu einer Swap-Vereinbarung, bei welcher der Festzins in Höhe des Kupons der Anleihe gegen eine variable Zinszahlung getauscht wird.[30] Insofern übernimmt der Asset-Swap-Käufer das Zinsänderungsrisiko der festverzinslichen Anleihe.

2.2.2. Kapitalmarktorientierte Kreditrisikotransferinstrumente

Neben den traditionellen Produkten des Kreditrisikotransfers bilden die am Kapitalmarkt orientierten Kreditverbriefungen eine weitere Möglichkeit für die Finanzinstitute, Risiken zu transformieren. Darüber hinaus sind deren grundlegende Konzeptionen die Basis für die komplexen, hybriden Ausprägungsformen der Kreditderivate.

Zu der Kreditverbriefung (Securitization) können die Mortgage Backed Securities (MBS), Asset Backed Securities (ABS) und Collateralized Debt Obligations (CDOs) gezählt werden. Die verschiedenen Arten der Kreditverbriefung folgen dabei dem Prinzip, dass Forderungen in Wertpapierform verbrieft und dadurch handelbar werden. Bei den MBS werden ausschließlich Hypothekenforderungen verbrieft. Wohingegen die ABS verschiedene Vermögenswerte (Assets) wie z.B. Leasing-Forderungen, Kreditkartenforderungen oder Forderungen aus der Automobil­finanzierung verbriefen. Verbriefungen von Unternehmenskrediten (Collateralized Loan Obligations) oder spekulativen Unternehmensanleihen (Collateralized Bond Obligations) werden hingegen unter dem Begriff Collateralized Debt Obligations zusammengefasst.[31]

In der in Abb. 1 vorgenommenen Klassifizierung der Kreditverbriefung entsprechend der zugrundeliegenden Art der Finanzgüter tritt der Begriff Asset Backed Securities als Unterbegriff im engeren Sinne auf. Vielfach wird der Begriff Asset Backed Securities jedoch auch in der Literatur als Oberbegriff und damit synonym für die Kreditverbriefung verwendet.[32] In diesem Sinne beschreibt der Oberbegriff Asset Backed Security generell „ein Wertpapier, das sich aus den Cash Flows von Krediten, Anleihen, Kreditkartenforderungen, Hypotheken, Automobildarlehen, Flugzeugleasingverträgen und weiteren Finanzgütern zusammensetzt“[33].

Initiiert wird der Prozess der Kreditverbriefung der Finanzgüter (Assets) dadurch, dass zuerst die aus dem Kreditgeschäft entstandenen Forderungen einer Bank oder auch mehreren Banken (Originator) an eine speziell zu diesem Zweck gegründete Zweckgesellschaft, auch Special Purpose Vehicle genannt (SPV), verkauft werden. Der Orginator bündelt hierbei das Portfolio von Zahlungsansprüchen aus den Assets für den regresslosen Verkauf (True Sale) an die Zweckgesellschaft. Die Zweckgesellschaft wiederum verbrieft die Forderungen in Wertpapierform und finanziert sich durch deren Emission am Kapitalmarkt.[34] Die Bedienung der Wertpapiere „erfolgt aus den Zahlungsströmen, die sich aus den Zins- und Tilgungszahlungen für die an die Zweckgesellschaft veräußerten Forderungen ergeben“[35].

Für die Weiterreichung der generierten Cash Flows an die Käufer der Wertpapiere gibt es grundsätzlich zwei Varianten. Bei dem Pass-Through-Verfahren werden die sich aus den Assets ergebenden Cash Flows unmittelbar weitergereicht und ähneln dadurch einem Fondskonzept. Im Gegensatz hierzu werden bei dem Pay-Through-Verfahren die Cash Flows nicht direkt durchgeleitet, sondern diese Zahlungsströme durch die Zweckgesellschaft hinsichtlich ihres Risikogehaltes gemanagt.[36] Der Vorteil des Pay-Through-Verfahren liegt somit in der Nutzung eines flexiblen Zahlungsmanagements und bildet die gängigste Variante der Asset Backed Securities. Hierzu werden durch die Zweckgesellschaft die Cash Flows aus den Assets in einzelnen Tranchen mit unterschiedlichem Risikogehalt zerlegt und an Investoren verkauft. In der in Abb. 3 dargestellten Grundstruktur einer ABS-Transaktion sind beispielhaft drei verschiedene Tranchen dargestellt. Die niedrigste Rendite besitzt die Senior-Tranche (AAA-Rating), gefolgt von der Mezzanine-Tranche (BBB-Rating) mit einer mittleren Rendite und der Equity-Tranche ohne Rating mit der höchsten Rendite aber auch dem höchsten Risiko. Die generierten Cash Flows aus den Vermögenswerten werden hierbei nach dem Wasserfallprinzip ausgezahlt, wobei zunächst die Senior-Tranche mit der zugewiesenen Rendite vollständig ausgezahlt wird, worauf nachfolgend die Rendite der Mezzanine-Tranche zur Auszahlung kommt. Sind noch weitere Mittel aus dem Cash Flow vorhanden, erfolgt eine Auszahlung an die Equity-Tranche.[37]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Grundstruktur einer ABS-Transaktion[38]

Die Struktur der Asset Backed Securities ist in der Regel immer für mehrere Jahre angelegt. Am Ende werden die Nominalbeträge, deren Höhe von den Verlusten der zugrundegelegten Vermögenswerte abhängig ist, an die verschiedenen Tranchen ausgezahlt. Die Verluste werden hierbei entgegen dem Wasserfallprinzip zugeordnet, d.h. die Verluste werden zunächst auf die Equity-Tranche verteilt, wobei deren gesamtes Nominalkapital verloren gehen kann. Weitere mögliche Verluste können dann aufsteigend bis zur Senior-Tranche übertragen werden.[39]

Abschließend lässt sich feststellen, dass Kreditinstituten bereits vor der Entwicklung von Kreditderivaten und deren hybriden Ausprägungsformen die Möglichkeit gegeben war, Kreditrisiken zu übertragen. So konnten Kreditsyndizierungen, Kreditverkäufe oder auch Kreditverbriefungen genutzt werden, um das Kreditportfolio zu optimieren. Dennoch ist anzumerken, dass sowohl die traditionellen als auch kapitalmarktorientierten Kreditrisikotransferinstrumente es nicht erlaubten, die Kreditrisiken vom Kredit zu isolieren. Eine Ausnahme bilden hierbei die Asset-Swaps, wobei das Zinsänderungsrisiko der festverzinslichen Anleihe durch den Zins-Swap auf den Asset-Swap-Verkäufer übertragen und somit selektiv nur das Kreditrisiko eingegangen wird. Aufgrund dessen können die Asset-Swaps auch als Vorläufer der Kreditderivate angesehen werden.[40] Die grundsätzlichen Finanzprodukte zur Isolation des Risikos von der zugrunde liegenden Kreditposition stellen jedoch die Kreditderivate dar, die im anschließenden Kapitel ausführlich dargestellt werden sollen.

3. Kreditderivate

In der Vergangenheit stellten der gelegentliche Verkauf von Krediten am Kapitalmarkt und die Streuung der einzelnen Kreditpositionen die wesentlichen Handlungsoptionen im Kreditrisikomanagement dar. Die hierauf aufbauenden Risikostrategien waren jedoch nicht effizient, da das Kreditrisiko nicht von der ursprünglichen Kreditposition getrennt werden konnte.[41] Dies wurde erst durch die Entwicklung der Kreditderivate möglich. Die Deutsche Bundesbank definiert Kreditderivate als „Finanzierungsinstrumente, die das Kreditrisiko von einem zugrunde liegenden Finanzierungsgeschäft separieren und anschließend dessen isolierte Übertragung an Investoren ermöglichen“[42]. Insofern nehmen die Kreditderivate neben den herkömmlichen Risikotransferinstrumenten eine bedeutende Rolle im Risikomanagement der Finanzinstitute ein.

3.1. Grundstruktur und Vertragselemente eines Kreditderivates

Wie bereits erwähnt, können Kreditrisiken durch den Einsatz von Kreditderivaten isoliert und übertragen werden. Dies geschieht, indem der Sicherungsnehmer (Protection Buyer, Risikoverkäufer) das Kreditrisiko an den Sicherungsgeber (Protection Seller, Risikokäufer) veräußert. Für die Übernahme des Kreditrisikos erhält der Sicherungsgeber ein Entgelt bzw. eine Prämie vom Sicherungs­nehmer.[43] Bei den durch Kreditderivate abzusichernden Positionen kann es sich um einzelne Kredite, Kreditportfolios oder Teile von Portfolios (Baskets) und Indizes handeln, welche als Referenzaktivum bezeichnet werden. Es ist jedoch anzumerken, dass das Referenzaktivum nicht zwingend mit der abzusichernden Vermögens­position übereinstimmen muss.[44] Hier bietet sich die Unterscheidung zwischen Referenzaktivum und Risikoaktivum an. Das „Referenzaktivum dient als Maßstab für den Eintritt eines definierten Kreditereignisses“[45], welches zur Ausgleichszahlung seitens des Sicherungsgebers führt, wohingegen das Risikoaktivum die abzusichernde Kreditposition darstellt.[46]

So kann z.B. die Anleihe eines mit einem Rating versehenen börsennotierten Unternehmens als Referenzaktivum dienen, um das Kreditrisiko eines Kredites an ein mittelständisches Unternehmen abzusichern. Das dahinter stehende Prinzip ist, dass das aus der originären Kreditbeziehung entstehende Risiko durch das Kreditrisiko von einem mit einem Rating versehenen Referenzschuldner ersetzt wird. Eine stark positiv korrelierte Bonitätsentwicklung beider Schuldner ist dabei die Voraussetzung. Anwendung findet diese Methode vor allem dann, wenn es sich bei dem Kreditnehmer um ein kleines und mittelständisches Unternehmen ohne Rating handelt, bei dem das kreditgebende Institut nur wenige Informationen über das Unternehmen hat.[47]

Wie in Abb.4 dargestellt, entsteht durch den Verkauf des Kreditrisikos zur originären

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Grundstruktur eines Kreditderivates[48]

Kreditbeziehung zwischen dem Kreditgeber und Kreditnehmer zusätzlich eine synthetische Kreditbeziehung zwischen dem Risikokäufer und dem Kreditnehmer.

Während der Kreditgeber als Sicherungsnehmer weiterhin durch die originäre Kreditbeziehung Eigentümer des vergebenen Kredites bleibt, tritt durch die indirekte, synthetische Kreditbeziehung der Sicherungsgeber als Risikokäufer in der Funktion eines Garanten auf, der die Verluste übernimmt, wenn der Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.[49]

Kreditderivate sind individuelle Verträge zwischen dem Risikoverkäufer als Sicherungsnehmer und dem Risikokäufer als Sicherungsgeber. Als zugrundegelegtes Referenzaktivum kann hierbei eine einzelne Kreditposition, aber auch ein gesamtes Kreditportfolio oder ein auf eine Gruppe von Referenzschuldnern gebildeter Kreditindex gewählt werden. Zu den wichtigsten Vertragsbestandteilen der Kreditderivate gehören das Kreditereignis, die Ausgleichzahlung, die Prämie sowie die Laufzeit.

Dem Kreditereignis (Credit Event) kommt hierbei im Rahmen der Vertragsgestaltung eine besondere Rolle zu, da von diesem später abhängt, ob der Sicherungsgeber zur Leistung einer Ausgleichszahlung verpflichtet ist. Gemäß der International Swaps and Derivatives Association (ISDA 2003 Credit Derivatives Definitions, Article IV) werden sechs generelle Kategorien von Kreditereignissen unterschieden:[50]

- Bankruptcy: Unternehmensinsolvenz, ein Konkursverfahren wird gegen
den Referenzschuldner eröffnet.
- Failure to Pay: Zahlungsversäumnis, fällige Zinszahlungen finden nicht statt.
- Obligation Default: Verbindlichkeitsverzug, wobei das Referenzaktivum vorzeitig fällig gestellt werden kann.
- Obligation Acceleration: Kreditereignis einer anderen Zahlungsverpflichtung des Referenzschuldners führt zur Fälligstellung des Referenzaktivums.
- Repudiation / Moratorium: Nichtanerkennung bzw. Zahlungseinstellung, Ver­­­weigerung der Zahlungsverpflichtungen seitens des Referenzschuldners.
- Restructuring: Schuldenrestrukturierung, Zahlungsverpflichtungen werden reduziert oder zeitlich verzögert, Neuverhandlung des Kreditvertrages.

Bei der vertraglichen Abgrenzung des Kreditereignisses können sich die Vertragsparteien zum einen an den ISDA-Definitionen orientieren, zum anderen können die Vertragspartner aber auch andere Geschehnisse individuell als auslösendes Kreditereignis definieren.

Mit Eintritt des Kreditereignisses ist der Sicherungsgeber seinem Vertragspartner gegenüber zur vertraglich festgelegten Ausgleichszahlung verpflichtet. Bei den Ausgleichzahlungen kann zwischen der physischen Lieferung (Physical Settlement) und dem Bargeldausgleich (Cash Settlement) unterschieden werden.[51] Bei einem Physical Settlement liefert der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber das Risikoaktivum. Dieser kauft den ausfallbehafteten Kredit, wobei der Sicherungs­nehmer eine Zahlung in Höhe des aktuellen Nominalwertes vom Sicherungsgeber erhält.[52] In diesem Fall gehen der Kredit und die damit verbundenen Forderungen auf den Sicherungsgeber über. Dies erlaubt „die Mitwirkung [des Sicherungsgebers] am Insolvenzverfahren, so dass er gegebenenfalls einen (...) Restwert erstreiten kann“[53], der höher ist, als der kurz nach dem Kreditereignis ermittelte Restwert. Bei der zweiten Variante, dem Cash Settlement, erhält der Sicherungsnehmer einen Bargeldausgleich. Bei dem Bargeldausgleich wiederum handelt es sich um die Differenz zwischen dem ursprünglichen Nominalbetrag des Risikoaktivums und dem nach dem Kreditereignis eingetretenen Rest-Marktwert.[54] Mittels einer Umfrage bei verschiedenen Banken (Dealer Poll), kann der vorliegende Restwert der Referenzeinheit bestimmt werden.[55]

[...]


[1] o.V. (2012), o.S.

[2] Vgl. Hörschgen (1992), S. 270.

[3] Vgl. Feldbausch (1991), S. 134.

[4] Vgl. Feldbausch (1991), S. 134.

[5] Vgl. Hölscher (2001), S. 1372.

[6] Vgl. Baxmann (2009), S. 5.

[7] Vgl. Martin et al. (2006), S. 2.

[8] Vgl. Baxmann (2009), S. 8.

[9] Vgl. Martin et al. (2006), S. 2.

[10] Vgl. Rehnert (1999), S. 389-390.

[11] Vgl. Wolke (2008), S. 104.

[12] Vgl. Offermann (2001), S. 217.

[13] Vgl. Büschgen (1999), S. 241-249.

[14] Vgl. Kretschmer (1999), S. 361.

[15] Vgl. Hull (2011), S. 356.

[16] Oehler/Unser (2001), S. 382.

[17] Vgl. Kretschmer (1999), S. 362.

[18] Darstellung in Anlehnung an Burghof/Henke (2005a), S. 106.

[19] Vgl. Burghof/Henke (2005a), S. 106.

[20] Vgl. Feldbausch (1991), S. 140.

[21] Vgl. Burghof/Henke (2005a), S. 107 f.

[22] Vgl. Burghof/Henke (2005a), S. 109.

[23] Kreditwesengesetz (2011), S. 185 f.

[24] Vgl. Rudolph et al. (2012), S. 16.

[25] Vgl. Burghof/Henke (2005a), S. 119.

[26] Vgl. Rudolph et al. (2012), S. 21.

[27] Vgl. Burghof/Henke (2005a), S. 113.

[28] Darstellung in Anlehnung an Rudolph/Schäfer (2010), S. 174.

[29] Vgl. Rudolph/Schäfer (2010), S. 173 f.

[30] Vgl. Oehler/Unser (2001), S. 114.

[31] Vgl. Rudolph et al. (2012), S. 41-51.

[32] Vgl. Rudolph et al. (2012), S. 44.

[33] Vgl. Hull (2011), S. 404.

[34] Vgl. Rudolph et al. (2012), S. 48.

[35] Deutsche Bundesbank (1997), S. 58.

[36] Vgl. Rudolph et al. (2012), S. 52.

[37] Vgl. Hull (2011), S. 404 f.

[38] Darstellung in Anlehnung an Struffert (2006), S. 12 u. Hull (2011), S. 405.

[39] Vgl. Hull (2011), S. 405.

[40] Vgl. Rudolph/Schäfer (2010), S. 173 f.

[41] Vgl. J.P. Morgan (1999), S. 7.

[42] Vgl. Deutsche Bundesbank (2012), o.S.

[43] Vgl. Rudolph et al. (2012), S. 70.

[44] Vgl. Böhm-Dries/Kruse (2008), S. 854.

[45] Cremers/Walzner (2007), S. 9.

[46] Vgl. Cremers/Walzner (2007), S. 9.

[47] Vgl. Böhm-Dries/Kruse (2008), S. 854 f.

[48] Darstellung in Anlehnung an Rudolph/Schäfer (2010), S. 176.

[49] Vgl. Rudolph/Schäfer (2010), S. 176.

[50] Vgl. International Swaps and Derivatives Association (2003), S. 4 u. Landry/Radeke (1999),

S. 567 ff.

[51] Vgl. International Swaps and Derivatives Association (2003), S. 5 ff.

[52] Vgl. Hüttemann (1999), S. 31 f.

[53] Neske (2005), S. 58 f.

[54] Vgl. Landry/Radeke (1999), S. 566.

[55] Vgl. Neske (2005), S. 58.

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Kreditderivate. Instrumente zur Risikosteuerung von Kreditportfolios
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Institut für Bank-, Finanz- und Rechnungswesen)
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
77
Katalognummer
V232204
ISBN (eBook)
9783656481737
ISBN (Buch)
9783656481522
Dateigröße
1707 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kreditderivate, Risikosteuerung, Kreditportpolios
Arbeit zitieren
Clemens Pudewill (Autor:in), 2013, Kreditderivate. Instrumente zur Risikosteuerung von Kreditportfolios, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232204

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