Computereinsatz in der Volksschule: Möglichkeiten und Grenzen

Am Beispiel von Lernsoftware für den Mathematikunterricht


Masterarbeit, 2011

78 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Einleitung

1. Kinder und Medien
1.1. Charakterisierung von Medien
1.2. Bedeutung von Medien
1.3. Mediennutzung
1.4. Medienerziehung
1.5. Medienkompetenz
1.5.1. Kompetenzbegriff
1.5.2. Digital literacy
1.5.3. Medienkompetenz in der Institution Schule
1.6. Auswirkungen von Medienkonsum
1.6.1. Digital divide
1.6.2. Auswirkungen auf die Psyche und das Lernen
1.7. Zwischenfazit

2. Computer und Internet in der Schule
2.1. Voraussetzungen
2.1.1. Medienausstattung von Schulen
2.1.2. Curriculare Vorgaben
2.2. Didaktische Überlegungen
2.2.1. Lerntheoretische Betrachtungen
2.2.2. Der Lehrer
2.2.3. Medien und Differenzierung / Individualisierung
2.2.4. Computerunterstützter Unterricht
2.2.5. Lernen mit Software
2.3. Grenzen

3. Lernsoftware für den Mathematikunterricht
3.1. Bildungsstandards und Mathematikunterricht
3.2. Anforderungen an Software für Grundschulkinder
3.3. Umsetzung des Projektes
3.3.1. Planung
3.3.2. Umsetzung
3.3.3. Erfahrung aus der Praxis

4. Zusammenfassende Bewertung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Im Masterstudiengang Bildung und Medien: eEducatio n an der FernUniversität Hagenlernte ich verschiedenste Einsatzmöglichkeiten von Computer und Internet in der Lehrekennen. In allen Modulen und Themenbereichen versuchte ich stets, eine Verbindung zumeinem eigentlichen Tätigkeitsfeld als Lehrerin in der Volksschule zu schaffen und unter-suchte, ob und in welchem Rahmen die bearbeiteten Tools und Themen im Grundschul-bereich einsetzbar sind. Ich erkannte, dass es viele Möglichkeiten des Einsatzes dieserMedien auch schon für 6- bis 10-jährige Kinder gibt, trotz aller positiven Aspekte auchNachteile und Grenzen existieren. So konkretisierte sich in den letzten fünf Semestern fürmich folgende Forschungsfrage:

Bietet der Einsatz von Computern in der Volksschule einen Mehrwert f ü r das Lernen der Kinder, in welchem Rahmen ist ein Einsatz sinnvoll und wie muss der Unterricht gestaltet werden, um dieses Ziel zu erreichen?

Da ich in meinem Unterricht Computer und Internet bereits einsetze, interessieren mich die theoretischen Hintergründe, die die möglichen Vorteile dieser Medien für meinen Unterricht bekräftigen. Besonders wichtig ist mir in diesem Zusammenhang das Thema Medienerziehung, dessen Ziel es ist, Kindern Medienkompetenz anhand praktischer Beispiele zu vermitteln. Wie bei vielen anderen Erziehungsthemen wird diese Aufgabe vermehrt der Schule zukommen, da viele Eltern aufgrund fehlenden Wissens oder Informationslücken selbst nicht kritisch genug im Umgang mit Medienangeboten sind.

Mit der geplanten Masterthesis soll der rote Faden, der sich bisher durch mein Studium ander FernUniversität Hagen zog, weitergeführt werden. Die Arbeit reiht sich als Abschlussin die Themen der vorangegangenen Hausarbeiten ein. Wurden darin spezielle Themen-bereiche wie Differenzierung für begabte Kinder, E-Learning in der Lehrerfortbildung, Er-stellung eines Weblogs zu einem bildungswissenschaftlichen Thema oder Erstellung ei-nes Podcasts für die Volksschule, bearbeitet, so soll hier ein Überblick über die Theorieund Möglichkeiten des Einsatzes von Computer und spezieller Software im Grundschul-bereich gegeben werden. In der vorliegenden Arbeit werden die theoretischen Hinter-gründe und Grundlagen erörtert, wobei sich der Bogen vom Kind ausgehend über Vo-raussetzungen für den Computereinsatz in der Schule bis hin zu einem praktischen Pro-jekt, bei dem dieses Wissen umgesetzt wird, spannt.

In der Literatur (Grimus, 2000; Mitzlaff, 2007a) gibt es viele positive Stimmen, aber auchkritische Betrachtungen (Spitzer, 2008), vor allem den Medienkonsum von Kindern betref- fend. In dieser Arbeit wurden diese aufbauend auf den bisherigen Arbeiten speziell im Hinblick auf die Forschungsfrage erfasst und die positiven und negativen Argumente ausgewertet, miteinander verglichen und gegeneinander abgewogen.

Die Aktualität der Diskussion über Computer und Internet in der Schule allgemein und inder Volksschule speziell zeigt sich anhand der vielen Fortbildungsangebote, die es fürLehrer gibt und der Fülle an Publikationen (Schrack & Nárosy, 2009; Schrack, Schwarz &Nárosy, 2010), die an die Schulen gesandt werden. Die Angebote reichen von erstenSchritten mit dem Computer über den Einsatz dieser Medien in der Volksschule bis hin zureinen E-Learning Seminaren. Dem Lehrer[1] als Schlüsselfigur kommt eine besondereRolle zu. An ihm, seiner eigenen Medienkompetenz, seinem technischen und didakti-schen Vorwissen und seiner Vorbereitung liegt es, ob Unterrichtssequenzen, die mitComputer und Internet angereichert und unterstützt werden, einen Mehrwert für die Schü-ler bieten. Welche Kompetenzen ein Lehrer aufweisen sollte, um zum Gelingen dieserUnterrichtsangebote beizutragen, wird ebenso erläutert wie die veränderte Rolle, die ihmim Unterricht zukommt. Die Tatsache, dass Medien nicht nur vielfältige Chancen für einenzeitgemäßen Unterricht bieten, sondern auch Risiken für Sozialisation, Erziehung undBildung bergen, macht eine Reflexion über diese Thematik erforderlich (Tulodziecki, 2007, S. 125).

2009 wurde in Österreich der Grundstein zur Einführung der Bildungsstandards fürDeutsch und Mathematik bei Schülern der vierten Klasse Volksschule gelegt, um die vor-handenen Grundkompetenzen zu überprüfen. Die Bildungsstandards für diese beidenFächer, die unter Mitwirkung von Lehrern und Fachdidaktikern entwickelt wurden, stellenein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung im Bildungsbereich dar. Auf der Grundla-ge dieser festgeschriebenen Kompetenzen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen ist esnotwendig, den traditionellen Mathematikunterricht zu überdenken und die Unterrichtsme-thoden zu verändern (BIFIE, 2011). Im Rahmen der Entwicklung einer CD-Rom-Reihe zueinem Mathematikbuch für die Volksschule war es unerlässlich, sich mit den theoreti-schen Hintergründen von Computereinsatz und Bildungsstandards zu beschäftigen, umdarauf aufbauend ein adäquates Produkt zu erstellen. Die praktische Umsetzung diesesProjektes wird in Kapitel 3 detailliert beschrieben.

1. Kinder und Medien

Medien spielen in allen Bereichen der Gesellschaft, in öffentlichen und privaten Institutionen, in Wissenschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft, eine große Rolle. Folglich haben Medien für Kinder einen hohen Stellenwert und sind selbstverständlicher Bestandteil ihres Lebens, mit denen sie bereits eine Fülle an Vorerfahrungen machen können (Grimus, 2007; Tulodziecki & Herzig, 2010).

Seit 1999 erforscht die Studienreihe KIM (Kinder + Medien, Computer + Internet) das Me-dienverhalten von 6- bis 13-jährigen Kindern. In der Studie werden jährlich Daten zu „Ge-räteausstattung und Medienbeschäftigung, Verzichtbarkeit und Wichtigkeit der Medien,Nutzungsmuster bei Radio und Fernsehen, Computer- und Internetaktivitäten und derUmgang mit dem Handy“ (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2011, S. 3) erhoben. Zusätzlich werden Eltern zu ihrer Mediennutzung, ihren Einstellungen zu Me-dien und dem Medienverhalten in der Familie befragt. Das Ergebnis zeigt, dass für fastalle befragten Kinder Freunde und Freundschaften am wichtigsten sind. Nach Musik,Sport und Schule reihen sich Computer- / Konsolen- / Onlinespiele erst auf Platz 4, ge-folgt von Kino und Filmen, Internet und Computer, ein. Das Handy ist für 57% der Kinderinteressant, etwas abgeschlagen ist der Bereich Bücher / Lesen mit 47% (ebd., S. 5). In einer 2007 in Oberösterreich durchgeführten Studie zeigte sich, dass drei Viertel der 6-bis 10-jährigen Kinder Zugang zu Computern hatten, vier Fünftel der Kinder kannten die Arbeit am Computer vom Zusehen. 2010 stieg dieser Wert weiter und bereits 90% der Haushalte verfügten über Computer und Internet, wobei die Qualität der Ausstattung mit dem Einkommen der Eltern steigt.

Die Kinder sind zunehmend besser mit eigenen Geräten, vor allem Spielkonsolen undHandys, ausgestattet. Die Geräte werden vorwiegend zu Hause am Nachmittag und inerster Linie für Computerspiele genützt. Erst ab einem Alter von etwa neun Jahren sehendie Kinder im Computer vermehrt ein Arbeitswerkzeug, das beim schulischen Lernenwertvolle Dienste leisten kann, zum Beispiel in Form von Lernprogrammen. Die unter-suchte Gruppe nützt bereits das Internet, vorwiegend zur Informationssuche, aber auchschon für erste Schritte im Social Web und zum Versenden von E-Mails (BildungsMedi-enZentrum, 2007, S. 3 f.; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2011).

In der Bedeutung, die Computer für Mädchen und Jungen im Grundschulalter haben, undin welcher Weise sie sich diesem Medium nähern, konnten in einer zweijährigen Beo-bachtungsphase geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt werden. Es wurde deut-lich, dass sowohl Jungen als auch Mädchen den Computer vorwiegend zum Spielen ver-wenden, sich allerdings Unterschiede in der Art der Spiele und in der Spieldauer zeigen.Den Zugang zu Computern finden Jungen häufiger über eigene Computer oder Spielkon- solen als Mädchen, welche am ehesten über männliche Familienmitglieder mit diesem Medium in Berührung kommen. Jungen haben ein deutlich größeres Interesse an derComputertechnik und zeigen ihre erworbenen Kompetenzen offensiver. Mädchen spielenweniger und verwenden den Computer häufiger zum Lesen und Schreiben in Verbindungmit sozialen Kontakten als ihre männlichen Altersgenossen (Jansen-Schulz, 2007).Infolge einer Studie, die Cottmann (1998, S. 144 ff.) an Schülern der dritten Klasse durch-führte, differenziert sie hinsichtlich des Verständnisses über Computer drei Typen:

- Anthropomorpher Typ: Die Begriffe Computer und Maschine haben für die Kinder
keinen Zusammenhang, dem Computer werden psychische Attribute zugeordnet. Das Vertrauen in die Fähigkeiten eines Computers ist sehr hoch.
- Prototypizistischer Typ: Die Kinder verstehen Computer als Maschinen, allerdings
zählen für sie die Ergebnisse, die Prozesse dahinter haben für sie keine Bedeutung. Auch dieser Typ ordnet dem Computer psychische Attribute zu.
- Distanziert-elaborierter Typ: Die Kinder sehen Computer sehr abstrakt und verste- hen, dass er aus vielen Einzelteilen besteht, menschliche Arbeit unterstützen kann, jedoch über keine psychischen Attribute oder Kognitionen verfügt.

Der Aufbau von Medienkompetenz, also nicht nur der Umgang mit der Technik, sondernauch das kritische Betrachten von Informationen, ist wesentlicher Bestandteil einer gutenMedienerziehung in der Grundschule. Kinder kommen sowohl privat, als auch im Umfeldvon Institutionen, mit Medien in Berührung, die Mediatisierung vermehrt sich in allen ge-sellschaftlichen Teilsystemen und somit muss Erziehung gleichzeitig Medienerziehung,Bildung zugleich Medienbildung und Sozialisation Mediensozialisation sein. Medienkom-petenz ist für jedes Mitglied der Gesellschaft notwendig geworden (Süss, Lampert &Wijnen, 2010, S. 14).

Jedes Medium übt eine andere Art der Faszination aus. Faktoren wie beispielsweise Alter,soziale Herkunft, Bildungshintergrund, berufliche Stellung oder Wohnregion sind ent-scheidend für die Rolle, welche Medien für den Einzelnen spielen (Baacke, 2007, S. 4).

1.1. Charakterisierung von Medien

Dem Begriff Medien liegen viele Auffassungen zugrunde, und es existieren mindestensebenso viele Definitionen und Begriffsbeschreibungen wie Medien. Gemein ist all diesenErklärungen, dass es sich bei Medien um eine Mittlerrolle handelt. Je nachdem, welche Sichtweise (pädagogisch, psychologisch, medienwissenschaftlich) im Vordergrund steht, unterscheidet sich deren Definition (Reinmann, 2008, S. 51).

Tulodziecki & Herzig (2010, S. 12 ff.) fassen verschiedene Erklärungen zusammen: Eskann sich bei Medien sowohl um Menschen, als auch um konkrete Dinge oder Elementehandeln. Menschen werden als Medien bezeichnet, wenn sie im übersinnlichen Bereichbesondere Fähigkeiten haben, ebenso Personen, die sich für Experimente zur Verfügungstellen. Auch der Lehrer in der Klasse kann in seiner Rolle als (Ver)Mittler als Mediumbezeichnet werden. Medien bezeichnen reale Dinge wie Unterrichtsmittel, Einrichtungenoder technische Apparate zur Vermittlung von Meinungen oder Informationen (Film, Funk,Fernsehen, Presse). Ein Medium kann ein vermittelndes Element, beispielsweise Musikoder Sprache sein, mit dem man seine Gefühle und Gedanken ausdrücken kann. In derPhysik und Chemie werden Träger bestimmter Eigenschaften als Medien bezeichnet, hierwäre die Luft als Medium zur Ausbreitung von Schallwellen beispielhaft zu nennen.

In der Medienpädagogik macht es wenig Sinn, all diese Beschreibungen des BegriffesMedium zu berücksichtigen. Vielmehr ist es notwendig, deutliche Merkmale zu beschrei-ben. Der Bereich der Medienpädagogik mit seinen Untergliederungen in Mediendidaktik,Medienerziehung, Medientechnik, Medienforschung, Medientheorie und Medienpraxis hatsich erst mit der fortschreitenden Ausbreitung technisch vermittelter Informationen durchFilm, Fernsehen und Radio entwickelt. Bei Tulodziecki & Herzig (2010, S. 18) werdenMedien „als Mittler verstanden, durch die in kommunikativen Zusammenhängenpotenzielle Zeichen mit technischer Unterstützung übertragen, gespeichert,wiedergegeben, angeordnet oder verarbeitet und in abbildhafter und/oder symbolischerForm präsentiert werden“.

McLuhan (Hartmann, 2008) unterscheidet zwischen heißen und kalten Medien. Zu heißenMedien zählt er etwa Radio oder Film, die nur wenig Beteiligung des Rezipienten verlan-gen und kalte Medien sind Medien, die eine hohe Beteiligung und sinnliche Vervollständi-gung erfordern. Dazu zählen zum Beispiel das Telefon oder das Fernsehen.

Für Reinmann (2008, S. 53) vereinen Neue oder digitale Medien „Multimedialität, Interak-tivität, Simulation, Kommunikation und Kooperation“ und ermöglichen diese über einegroße räumliche und zeitliche Distanz. Neue Medien werden häufig als neue Informations-und Kommunikationstechnologien (ICT) bezeichnet, was auf zwei wichtige Grundpfeilerdes Lernens hinweist: Information und Kommunikation. Der Mehrwert wird jedoch erstdurch Interaktivität, die das Lernen mit neuen Medien einzigartig macht, deutlich (ebd.).

Moser (2007, S. 143) unterteilt digitale Medien je nach Art ihres Einsatzes im Unterricht indrei Gruppen: Präsentationsmedien, mediale Lernhilfen und Kommunikationsmedien.Präsentationsmedien, beispielsweise Beamer, werden dort eingesetzt, wo der Lehrer denSchülern Inhalte präsentieren will. Kommunikationsmedien sollen Lehrern und Schülern in Form von E-Mails, Foren oder dergleichen zum Austausch dienen. Mediale Lernhilfen haben sich in den letzten Jahren verändert. Zu Beginn der 1990er Jahre fand im Unterricht in erster Linie Lernsoftware Verwendung, in der Gegenwart werden immer häufiger Internetangebote wie WebQuests als Lernhilfen eingesetzt.

Für alle pädagogisch orientierten Auseinandersetzungen mit Medien im Allgemeinen hat sich sowohl für die Theorie, als auch für die Praxis der Begriff Medienp ä dagogik etabliert.

Diese übergeordnete Bezeichnung beinhaltet die Teilbereiche

- Mediendidaktik (wie können Medien, Medienangebote oder Medienbeiträge ziel-führend gestaltet und im Unterricht eingesetzt werden)
- Medienerziehungstheorie (Ziele, die erziehungs- und bildungsrelevant sind)
- Medientechnik (technische Voraussetzungen für medienpädagogisches Handeln)
- Medienforschung (wissenschaftliche Aussagen mit Medienbezug)
- Medienpraxis (Mediengestaltung, -verwendung oder -erziehung) (Baacke, 2007, S. 4; Tulodziecki & Herzig, 2010, S. 249 f.).

Im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit kann nicht auf alle Bereiche gleichermaßen eingegangen werden, die Teilbereiche Medienerziehung und Mediendidaktik werden im Vordergrund stehen.

1.2. Bedeutung von Medien

Medien gehören für die Menschen im 21. Jahrhundert, sowohl in der Freizeit, als auch in Beruf und Schule, untrennbar zum Lebensalltag. Die zur Verfügung stehenden Medien wie Fernsehen, Radio, Handy, DVD, MP3, Computer und Internet dienen dabei der Unterhaltung, Kommunikation und Information.

Die fortgeschrittene Computertechnologie hat dazu geführt, dass menschliche Handarbeitautomatisiert werden konnte. Auch im Bereich geistiger Arbeitsfelder übernehmen Com-puter immer mehr Tätigkeiten, die bis vor kurzem noch von Menschen durchgeführt wur-den. Durch das Internet und die damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten istnicht nur der Arbeits-, sondern vielfach auch der Privatbereich eng an die Computertech-nologie gebunden. Schon 6- bis 13-jährige Kinder können sich ein Leben ohne Medien,allen voran den Fernseher, nicht mehr vorstellen. Da Kinder im Grundschulalter täglichdurchschnittlich mehr als 1,5 Stunden vor dem Fernseher und etwa eine halbe Stunde vordem Computer verbringen, macht dies einen beträchtlichen Teil der zur Verfügung ste-henden Freizeit aus. Die Zeitangaben variieren in den verschiedenen Studien (BildungsMedienZentrum, 2007; Medienpädagogischer Forschungsverund Südwest, 2011) stark, daher ist es schwierig, eine objektive Meinung zu finden. Trotz des hohenmedialen Zeitaufwandes führen das Spielen, sowohl drinnen als auch draußen, die Zeitmit Familie und Freunden und Sport die Liste der häufigsten Freizeitaktivitäten gleicher-maßen an. Mit dem Alter der Kinder steigt für sie die Bedeutung technischer Geräte, be-sonders von Computer, Internet und Handy (Lanners & Schintgen, 2007; Feierabend,2007).

Medien spielen beim Tagesrhythmus von Jugendlichen eine wichtige Rolle. So sehen viele während der Mahlzeiten fern, wohingegen mobile Geräte wie MP3-Player oder Handy hauptsächlich außer Haus ihren Einsatzbereich haben. Musik hören die Kinder gerne während der Hausaufgaben oder abends. Computer und Internet prägen den Tagesablauf in der Altersgruppe der Volksschulkinder weniger deutlich (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2011).

In der KIM-Studie wurde die subjektive Wichtigkeit der verschiedenen Medien erhoben und dabei konnte gezeigt werden, dass sich mehr als die Hälfte der Kinder (insgesamt 58%) den Fernseher nicht mehr aus ihrem Leben wegdenken kann, 25% der Befragten erachten Computer und Internet als wichtigste Medien, wohingegen nur 8% dies von Büchern behaupten. Auch hier zeigte sich deutlich, dass mit steigendem Alter Computer und Internet deutlich wichtiger werden als der Fernseher.

Neben der Bedeutung, die Medien für 6- bis 13-jährige Kinder haben, wurden die Eltern als wichtige Sozialisationsfaktoren nach ihren Einstellungen und Einschätzungen befragt. So zeigte sich, dass etwa die Hälfte der befragten Eltern an der Thematik Kinder und Medien interessiert ist, wobei das Interesse mit höherem Bildungsabschluss steigt. Vor allem dem Internet, aber auch dem Fernsehen, stehen viele Eltern mit diffusen Ängsten und Befürchtungen gegenüber und schreiben dem Medium Buch die positivsten Eigenschaften zu. Die Eltern äußern einen Informationsbedarf den Umgang mit dem Internet und den damit verbundenen Gefahren, wie beispielsweise Cybermobbing, betreffend. Das Engagement steigt wiederum mit dem Bildungsabschluss.

Auch die Erwachsenen nützen Medien, hauptsächlich Fernseher, Computer und Internet, sehr intensiv, wohingegen das Lesen von Büchern je nach Bildungshintergrund stark variiert. Vergleicht man die Ergebnisse der Befragungen zu den Konsumationszeiten von Medien von Kindern und Eltern, so drängt sich die Frage auf, ob es sich hier wirklich um objektiv verwertbare Meinungen handelt (ebd., 2011).

1.3. Mediennutzung

Beim Vergleich von Medien und Alter der Menschen, erkennt man, dass verschiedeneAltersstufen von unterschiedlichen Leitmedien geprägt sind. Leitmedien sind Medien, dievon einer Gruppe besonders zahlreich, intensiv und häufig genützt werden und somit sig-nifikant wichtiger sind als andere Medien. Vielfach werden Kinder und Jugendliche heuteals Digital Natives bezeichnet, was eine hohe Affinität zu digitalen Medien beschreibt(Süss u.a., 2010, S. 15).

Bereits für Kindergarten- und Vorschulkinder spielen Medien eine große Rolle, da dasAufwachsen der Kinder von Beginn an durch Medien geprägt und von Medien begleitetwird. Sie lernen in der häuslichen Umgebung eine Vielzahl unterschiedlicher Medien, vomFernseher über das Radio, von Handy bis zu Computer, kennen und damit umzugehen.Bei regelmäßig ausgeübten Medienaktivitäten steht das Fernsehen gemeinsam mit Er-wachsenen oder anderen Kindern an der Spitze, auch das Hören von Musik oder Ge-schichten zählt zu häufig durchgeführten Aktivitäten. Am weitesten abgeschlagen in die-ser Altersgruppe ist der Computer. Für die Eltern der untersuchten Kinder spielen Medienin ihrem Alltag ebenfalls eine große Rolle, wobei auch hier der Fernseher als Leitmediumbezeichnet werden kann, gefolgt von Zeitungen, Radio, Zeitschriften und Büchern. Inte-ressant erscheint der Umstand, dass Computer und Internet einen relativ niedrigen Stel-lenwert besitzen. Die Hauptfunktionen für den Fernsehkonsum können mit den Schlag-worten Information, Entspannung und Spa ß zusammengefasst werden (Feierabend &Mohr, 2007).

Je älter die Kinder werden, umso mehr verändert sich der Umgang mit Medien. BeiGrundschulkindern ist der Fernseher das Leitmedium, wobei Computer und andere elekt-ronische Geräte zunehmend an Bedeutung gewinnen. Kinder kommen immer früher mitComputer und Internet in Berührung, was nicht nur die Folge der wachsenden Ausstat-tung der Haushalte, sondern auch mit den immer vielfältiger werdenden Angeboten fürKinder zu erklären ist. Der Großteil der Kinder hat Zugang zu Computer und Internet undviele davon nützen ihn für Computerspiele, für kreative Tätigkeiten wie Text- und Bildbe-arbeitung, arbeiten für die Schule oder mit Lernprogrammen, hören Musik oder sehenFilme an. Das Internet nützen die Kinder alleine, gemeinsam mit anderen, mit den Eltern,Geschwistern oder Freunden, wobei hier die Informationssuche die Online-Spiele domi-niert. Im schulischen Umfeld werden Computer vermehrt eingesetzt, hier steigt die Häu-figkeit mit dem Alter der Kinder. Trotzdem wird der Computer im außerschulischen Be-reich von Kindern im Grundschulalter vergleichsweise häufiger genützt als im Unterricht(BildungsMedienZentrum, 2007; Grimus, 2007; Feierabend, 2007).

In einer Studie von Six, Gimmler & Frey (2000, S. 111), bei der Lehrer über Medienerzie- hung befragt wurden, konnte gezeigt werden, dass die tatsächliche Mediennutzung vonder von Pädagogen erwarteten deutlich abweicht. Vor allem die Zeit, die Kinder vor demFernseher verbringen, wird deutlich überschätzt. Interessant ist, dass der häusliche Com-puterbesitz der Kinder und der Umgang mit Computern im außerschulischen Bereich ehermit höheren schulischen Leistungen assoziiert wird, wohingegen hoher Fernsehkonsum inden Augen der Lehrer das Gegenteil bewirkt. Computer werden in der Schule am häufigs-ten zum Spielen, aber auch für Aktivitäten im Internet oder zur Kommunikation genützt.Lernprogramme werden zur Unterstützung der schulischen Aktivitäten verwendet, wobeisich ein Großteil der Kinder eine verstärkte Nutzung im Unterricht wünschen würde(Clements & Sarama, 2007; Seib, 2006, S. 33).

Zunehmend entwickelt sich unsere Gesellschaft weg von einer Industriegesellschaft hinzu einer Wissens- oder Netzwerkgesellschaft. Im privaten, beruflichen, politischen undpädagogischen Bereich gewinnen vor allem elektronische Medien immer mehr an Bedeu-tung. Mit diesen Entwicklungen verändert sich sowohl das Leben jedes Einzelnen, alsauch die Gesellschaft. Durch die Vernetzung wurden die Kommunikationsmöglichkeitenbereits vervielfacht, und der Zugang zu Informationen und die Verfügbarkeit von Wissensind um ein Vielfaches einfacher geworden. Aufgrund dessen ergeben sich neue Möglich-keiten für Lernen und Lehre (Bastiaens, Schrader & Deimann, 2008, S. 11 f.).

Digital Natives

Kinder und Jugendliche werden in der Literatur häufig als Net Generation oder Digital Na tives bezeichnet, was deutlich macht, dass Kinder gegenwärtig ganz selbstverständlich mit den unterschiedlichsten Medien aufwachsen, ihnen der Umgang damit scheinbar leicht fällt und sie bereits früh über ein großes Wissen darüber verfügen. Bei der großen Anzahl an Kindern, die Zugang zu Computer und Internet haben und diese auch für ihre Zwecke verwenden, sind diese Begriffe nicht verwunderlich, benützen doch schon unter Dreijährige Computer (Clements & Sarama, 2007).

Ob dies positiv oder negativ zu bewerten ist, ist nicht klar definiert und hängt sowohl vomAutor, als auch vom Gegenstand der Betrachtung ab. So gibt es auf der einen Seite Be-fürworter, die beispielsweise positive Eigenschaften von Vielspielern im Alltag erkennenkönnen. Andererseits meinen die Gegner, negative Auswirkungen wie Konzentrations-schwierigkeiten beobachten zu können (Süss u.a., 2010, S. 16 f.; Tapscott, 1997).Schulmeister (2009, S. 10) unterstreicht, dass die Diskussionen rund um die Net Genera- tion oder Digital Natives einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung aufgrund empiri-scher Daten bedarf. Vielfach stützen sich Meinungen von Autoren auf Einzelfall-Berichte,eigenes Erleben oder ungeprüfte Meinungen.

Prensky (2001, S. 1) nennt die Jugend unserer Zeit Digital Natives, „native speakers“ der digitalen Welt: „They have spent their entire lives surrounded by and using computers,videogames, digital music players, video cams, cell phones, and all the other toys andtools of the digital age.” Dem gegenüber stellt er den Begriff Digital Immigrants und meintdamit Menschen, die erst im Erwachsenenalter mit diesen Medien in Berührung kommen.Prensky (2001) macht deutlich auf die Bedürfnisse dieser Generation aufmerksam undfordert von den Lehrern, diese ernst zu nehmen, angemessen darauf zu reagieren undihren Unterricht anzupassen, auch wenn sie sich aus eigener Erfahrung nicht vorstellenkönnen, was es bedeutet, diese Grundkenntnisse ganz selbstverständlich gelernt zu ha-ben. Er vergleicht den Vorsprung, den Kinder gegenüber Erwachsenen haben mit Men-schen, die in einer anderen, für sie bisher fremden Kultur leben. Hier finden sich die Kin-der leichter und schneller zurecht, die Erwachsenen akzeptieren das und lernen von denKindern. Prensky fordert diese Reaktionen auch im Bezug auf den Umgang mit elektroni-schen Medien. Er schlussfolgert, dass Kinder und Jugendliche leichter und vor allem an-ders lernen als die Generationen davor und dass Unterricht, wie er für diese gedacht wur-de, verändert werden muss.

Schulmeister (2009, S. 16) kritisiert Prensky scharf, vor allem sieht er einige seiner Be-hauptungen als zu wenig wissenschaftlich gestützt. Besonders die Aussage, das Gehirnder Jugendlichen zeige durch den starken Medienkonsum Veränderungen im Vergleich zuden Generationen davor, hält er für wenig glaubwürdig. Er widerspricht Prenskys These,der digitale Urknall habe plötzlich stattgefunden und untermauert seine Meinung mit dergeschichtlichen Entwicklung der verschiedenen Medien, vom mp3-Player bis zum Compu-ter. Die Meinung Prenskys, Kinder und Jugendliche würden mehr von Computern verste-hen als die Erwachsenen, teilt Schulmeister nicht. Zwar sind ihnen Existenz und Handha-bung der verschiedenen Programme bekannt, allerdings nicht die zugrundeliegendentechnischen Komponenten. Digitale Medien würden von ihnen hauptsächlich zur Unterhal-tung und für soziale Dienste genützt. „Dafür muss ich keine digitalen Methoden beherr-schen, digitale Konzepte denken, eine digitale Sprache sprechen (was immer das ist)“(ebd. S. 21).

Trotz Prenskys und Schulmeisters Diskurse und Meinungsverschiedenheiten kannPrenskys Forderung, sich im schulischen Bereich intensiv der Lebensumwelt der Kinderund damit auch der neuen Medien anzunehmen und diese zu integrieren, als sinnvoll er-achtet werden. Schule soll keine gesonderte Einheit, sondern einen weiteren Lebensbe-reich der Kinder darstellen und die außerschulischen Bereiche ergänzen.

Oblinger & Oblinger (2005), die sich nur auf andere Autoren beziehen, aber nie eine eige-ne Studie durchgeführt haben, schreiben der Net Generation, wie sie die Kinder und Ju-gendlichen nennen, aufgrund ihrer Literaturrecherche Eigenschaften zu, die auch Schul- meister anführt, aber ebenfalls kritisch beleuchtet. Nach Oblinger & Oblinger würden sich die Mitglieder der Net Generation durch die Fähigkeit zum Multitasking, einer vornehmlich visuellen Orientierung, großer Offenheit gegenüber Minoritäten, der Fähigkeit, in Teams zu arbeiten, hoher Leistungsorientierung und der Bevorzugung von Selbsttätigkeit und entdeckendem Lernen auszeichnen (ebd.; Schulmeister, 2009, S. 28).

1.4. Medienerziehung

Besonders junge Kinder brauchen bei der Vielfalt an vorhandenen und zugänglichen Me-dien Hilfe, Anleitung, Beratung und Begleitung von Erwachsenen, um den Überblick nichtzu verlieren und adäquate Medien auszuwählen. Neben den Eltern sind auch die Päda-gogen in diversen Institutionen, besonders in der Schule gefragt, Medienhandhabung und -nutzung so in ein pädagogisches und didaktisches Konzept zu integrieren, dass alle Kinder angesprochen werden. Dadurch können Potentiale erschlossen und vorhandene Risiken minimiert werden. Medienerziehung sollte als gemeinsame Aufgabe von Elternhaus und Schule verstanden werden. Dies hilft Eltern, die nicht die Möglichkeit haben, ihre Kinder im Umgang mit Medien zu unterstützen, die Potentiale, die sich für die Kinder eröffnen, zu erkennen (Wilde, 2007).

In vielen Grundschulen wird dem Bereich der Medienerziehung noch zu wenig Bedeutungbeigemessen. Dies liegt einerseits an der schlechten medialen Ausstattung der Schulen,andererseits an den fehlenden medienpädagogischen Kompetenzen der Volksschullehrer(Tulodziecki, 2000).

Medienerziehung ist ein Teilbereich der Medienpädagogik. Tulodziecki & Herzig (2010, S.249) beschreiben Medienpädagogik als „Gesamtheit aller pädagogisch relevanten hand-lungsanleitenden Überlegungen mit Medienbezug einschließlich ihrer medientechnischenund medientheoretischen bzw. empirischen und normativen Grundlagen“.

Tulodziecki (2000, S. 20) geht beim Verständnis von Medienerziehung „von der allgemei-nen Zielvorstellung eines sachgerechten, selbstbestimmten, kreativen und sozialverant-wortlichen Handelns in einer von Medien stark beeinflussten Welt aus“.

Er definiert folgende Leitideen, die in integrativer Weise zu berücksichtigen sind:

- Bewahrung vor schädlichen Einflüssen und Pflege des Wertvollen,
- Wertschätzung des Films als Kunstwerk und Kultivierung des Medienurteils,
- mündiger Umgang mit Medien zur Förderung von Bildung und Demokratie,
- Ideologiekritik und Produktion eigener Medien,
- Medienhandeln als Rezeption und Produktion im Sinne kommunikativer Kompetenz (ebd., S. 20).

In einer Untersuchung beschreibt Tulodziecki (ebd., S. 21) folgende Aufgabenbereiche, die für schulisches Arbeiten von Bedeutung sind:

- Auswählen und Nutzen von Medienangeboten,
- Gestalten und Verbreiten eigener Medienbeiträge,
- Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen,
- Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen,
- Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und Medien-verbreitung.

Er geht davon aus, dass der letztgenannte Bereich für die Grundschule nicht von ebensogroßer Bedeutung sei wie für höhere Schulen. Für den Bereich der Grundschule arbeiteteder Autor daher Teilaufgaben heraus. Demnach sollen die Kinder fähig sein, Medienan-gebote für Unterhaltung und Spiel, für Information und Lernen oder Problemlösen undEntscheidungen reflektiert auszuwählen und zu nutzen. Kinder in der Grundschule kön-nen auch schon eigene Medienbeiträge zur Dokumentation von Ereignissen oder ihrerInteressen gestalten und verbreiten und dabei selbst kreativ werden (Fotos, Hörbeiträge,Videos, aber auch Zeitungen oder Internetseiten). Sie sollen Darstellungsformen, Gestal-tungstechniken und Gestaltungsabsichten verstehen und bewerten können, die damitverbundene Reduktion der Wirklichkeit kennen lernen und zwischen Bericht, Meinung,Dokumentation, Inszenierung, Realität, Fiktion, Aufklärung und Werbung unterscheidenlernen. Gefühle, Vorstellungen und Verhaltensorientierungen, die durch Medien beein-flusst sind, werden einem eigenen Aufgabenbereich zugeordnet.

Diese Aufgaben werden in der Grundschule nicht in einem eigenen Fach bearbeitet, vielmehr ist eine fächerübergreifende, schulbezogene und möglicherweise sogar jahrgangsübergreifende Beschäftigung notwendig (ebd., S. 22; Tulodziecki, 2007, S. 128 f.). Medienerziehung, die integrativ, aber nicht mit herkömmlichen Instruktionskonzepten vermittelt wird, bezieht alle Medien, mit denen die Kinder in Berührung kommen, mit ein. Das Spektrum reicht vom Buch über den Fernseher bis zum Computer und führt verschiedenste Lernbereiche wie Leseförderung und Hör- und Fernseherziehung zusammen (Hauf-Tulodziecki, 2007; Lanners & Schintgen, 2007).

Medienerziehung in der Grundschule hängt zu einem großen Teil vom Medienwissen desLehrers ab, aber auch davon, als wie wichtig er diesen Teilbereich für seinen Unterrichtund als Aufgabe der Grundschule erachtet und wie hoch seine Erwartungen sind, in die-ser Hinsicht etwas bewirken zu können. Gemeint ist sowohl seine eigene Kompetenz imUmgang mit Medien, aber auch das Wissen um Medienbesitz, Mediennutzung und Medi-enumgang der Kinder. Für eine gute Medienerziehung ist das Bewusstsein um den Ein-fluss, den Medien auf Kinder haben und ob Medien für diese Altersgruppe eher eine Ge- fahr oder eine Bereicherung darstellen, bedeutsam. Ist der Lehrer in diesem Bereich selbst kompetent und medial gut ausgebildet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er medi-enerzieherisch tätig wird. Einen weiteren Einfluss auf Medienerziehung im Unterricht übendie Vorstellungen und Motive für einen Einsatz aus. Je mehr Chancen und positive As-pekte ein Lehrer im Einsatz von Medien im Unterricht erkennt und je mehr pädagogischesHintergrundwissen er zu dieser Thematik hat, umso engagierter wird er diesen Bereich inseinem Unterricht thematisieren. In Zusammenhang damit stehen der individuelle Medi-enumgang und das persönliche Medienwissen des Pädagogen. Erachtet er dieses Medi-um als wichtig, wird er damit kompetent umgehen und sein Wissen erweitern. Interessantist in diesem Zusammenhang das private Umfeld der Lehrer. Lehrer mit eigenen Kindernim Grundschulalter kennen die Mediengewohnheiten von Kindern besser als Pädagogen,die keine eigenen Kinder in diesem Alter haben. Diese Ergebnisse gehen aus einer reprä-sentativen Telefonbefragung von 500 Lehrern in Nordrhein-Westfalen im Frühling 1999hervor (Six u.a., 2000). Des Weiteren konnte anhand dieser Studie gezeigt werden, dassLehrer trotz des hohen Stellenwertes im Leben der Kinder deren präferierte Computer-und Videospiele kaum kennen. Obwohl sich die Pädagogen bei der Befragung medien-skeptisch zeigten, sind sie sich dennoch der positiven Aspekte des Mediums Computerbewusst, anders als beim Medium Fernseher, dem sie sehr kritisch gegenüberstehen. ImVergleich zu anderen Erziehungs- und Lernbereichen beurteilen sie den Bereich der Me-dienerziehung als weniger wichtig. Bei spezifischen Teilfragen zur Medienerziehung er-achten Lehrer den Bereich „Befähigung zum durchdachten Auswählen und Nutzen vonMedienangeboten für unterschiedliche Zwecke“ (ebd., S. 147) signifikant am wichtigsten.Zu dieser Fragestellung gibt es keine weiterführenden Untersuchungen, eine Entwicklungund Veränderung der Antworten der Lehrer innerhalb der letzten 12 Jahre ist ein interes-santes Forschungsfeld, welches neu aufgegriffen werden sollte.

1.5. Medienkompetenz

Wenn über Menschen und Medien, das Leben und Lernen in der mediatisierten Welt derGegenwart und deren Auswirkungen, Möglichkeiten und Grenzen gesprochen wird, isteine Beschäftigung mit dem Begriff Medienkompetenz, egal ob im pädagogischen, politi-schen, wirtschaftlichen, technischen oder rechtlichen Bereich, notwendig. Der Begriff leitetsich aus dem Englischen digital literacy ab. Trotz viel Kritik an diesem Begriff versuchensich unzählige Definitionen diesem unscharfen, mehrdeutigen Begriff zu nähern. Durchdie rasante Entwicklung auf dem Mediensektor müssen diese Definitionen immer wiederangepasst und verändert werden. Beschreibt man den Begriff Medienkompetenz, so zer- legt man das Wort in seine Teilbegriffe Medien und Kompetenz und betrachtet diese vor- weg getrennt voneinander. Mediale Berichterstattungen beschreiben Medienkompetenz neben Lesen, Schreiben und Rechnen als „vierte Kulturtechnik“ (Kübler, 2008, S. 98; Groeben, 2002; Sutter & Charlton, 2002, S. 129). Vor dem Hintergrund dieser großen Forderung an die Pädagogik werden in diesem Kapitel verschiedene Definitionsversuche und Sichtweisen des Begriffes Medienkompetenz diskutiert.

Die Annäherung an den Begriff Medienkompetenz erfolgt zuerst über einen allgemeinenKompetenzbegriff, der dann konkretisiert und auf den schulischen Bereich übertragen wird.

1.5.1. Kompetenzbegriff

Unter Kompetenzen versteht Weinert (2003, S. 27 f.) „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“.

Kompetenz ist ein gedankliches Konstrukt, das nicht unmittelbar beobachtbar ist, wohlaber die Ergebnisse des dahinter stehenden Problemlöseprozesses. Nach Weinerts Defi-nition werden kognitives Wissen und Handlungswissen miteinander verbunden, was überein reines Verständnis der Informationen hinausgeht. Ein wichtiger Faktor dabei ist dieMotivation, die grundlegend für erfolgreiches Handeln und damit im schulischen Bereichvon besonderer Bedeutung ist. Kompetenzen geben daher „in dreifacher Hinsicht Aus-kunft darüber, was jemand kann: im Blick auf seine Kenntnisse, seine Fähigkeiten, damitumzugehen, und seine Bereitschaft, zu den Sachen und Fertigkeiten eine eigene Bezie-hung einzugehen“ (Rothböck, 2010, S. 261).

Ein Mensch, der kompetent handelt, agiert demnach ernsthaft, verantwortungsvoll, auffachlich hohem Niveau und nicht egoistisch. Der Kompetenzbegriff wird in direkter Ab-hängigkeit zur kommunikativen Kompetenz gesehen, da der Mensch durch seine Fähig-keit zum sprachlichen Handeln aktiv am gesellschaftlichen Leben und seiner Veränderungteilnimmt. Dadurch ist es möglich, dass der Mensch auf beliebig viele verschiedene neueSituationen angemessen reagiert. „Eine kommunikative Kompetenz ist die Fähigkeit desMenschen, potenziell situations- und aussagenadäquate Kommunikationen auszugebenund zu empfangen, ohne an Reize und von ihnen gesteuerte Lernprozesse gebunden zusein“ (Baacke, 2007, S. 52).

Baacke (ebd., S. 54) bringt den Begriff Handeln in die Diskussion ein. Handlungen sindebenso wie Kommunikation absichtlich und die beiden Komponenten bedingen einander,denn Sprache schafft die Voraussetzung für gemeinsames Handeln und Handlungen können durch die Sprache bewertet werden. Somit zeichnet sich der kompetente Mensch durch ein hohes Maß an Kommunikations- und Handlungskompetenz aus. Der englischeBegriff digital literacy weist mit dem Wort literacy als „Lese-, Schreib- undVerstehensfähigkeiten“ (Bastiaens u.a., 2008, S. 27) auf den sprachlichen Zusammen-hang hin.

Wustinger (2009, S. 38) beschreibt die Kompetenzstufen nach Bandura, welche die Entwicklung von Kompetenzen in vier aufeinander aufbauende Stufen gliedern:

1. Unbewusste Inkompetenz: Auf dieser Stufe kann der Mensch etwas Bestimmtesnicht, weiß aber auch nicht davon, dass es die Möglichkeit dieses Könnens gäbe.

2. Bewusste Inkompetenz: Der Mensch stellt auf dieser Stufe seine Inkompetenz ineinem Bereich fest und steigt in den Lernprozess ein, falls er sich dazuentscheidet, die ihm fehlende Kompetenz zu erwerben.

3. Bewusste Kompetenz: Durch Lernen hat sich der Mensch eine Kompetenzangeeignet und ist sich des Vorhandenseins dieser bewusst, gegebenenfallspräsentiert er dieses Können und Wissen auf dieser Stufe anderen.

4. Unbewusste Kompetenz: Auf dieser Stufe kann und weiß der Mensch etwas, istsich der Präsenz dieses Wissens aber nicht (mehr) bewusst, er hat es alsointernalisiert.

1.5.2. Digital literacy

Beim Begriff digital literacy, also Medienkompetenz handelt es sich wie beim Begriff Kom-petenz um ein theoretisches Konstrukt, das viele Autoren zu definieren und zu beschrei-ben versuchten. Die folgenden Beschreibungen weisen viele Gemeinsamkeiten auf, den-noch wird Medienkompetenz abhängig von der Zielgruppe, der Zielsetzung und des schu-lischen Kontextes unterschiedlich definiert. Gemeinsam ist den Definitionen, dass es sichnicht um die Medienkompetenz handelt, sondern dass sie sich aus einer Vielzahl diver-genter Kompetenz- oder Fähigkeitsbereiche zusammensetzt (Bauer, 2007; Seib, 2006).

Für Baacke (2007, S. 4), der den Begriff Medienkompetenz prägte und von seinem Kon-zept der kommunikativen Kompetenz ableitet, zählt er zum wichtigsten Teilbereich derMedienpädagogik. Kommunikationskompetenz braucht somit auch soziale Kompetenz,die jeder Mensch erwerben sollte, denn nach Baackes Verständnis sind alle Menschen,egal ob Kind, Erwachsener oder alter Mensch, kompetente Lebewesen. Medienkompe-tenz ist demnach für ihn die Fähigkeit, sich in der mediatisierten Welt zurechtfinden zukönnen und „die neuen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung auch souverän hand- haben zu können“ (ebd. S. 98). Um genau diese Fähigkeiten zu erlangen, ist es notwen- dig, dass alle Menschen Zugang zu den technischen Gegebenheiten haben. Baacke (ebd., S. 98) unterteilt Medienkompetenz in vier Arbeitsfelder, die bearbeitet werden sollten und teilt diese den Dimensionen Vermittlung und Zielorientierung zu. Die Felder Medienkritik und Medienkunde zählen zu ersterer, wobei die Dimension Zielorientierung die Felder Mediennutzung und Mediengestaltung umfasst.

- Medienkritik

Problematische gesellschaftliche Prozesse, wie etwa Konzentrationsbewegungensollen analytisch erfasst und dieses Wissen reflexiv auf einen selbst und seinHandeln angewandt werden können. Der Mensch soll dabei analytisches Denkenund reflexiven Rückbezug ethisch, also sozialverantwortet, abstimmen und definie-ren können.

- Medienkunde

Der medienkompetente Mensch soll im Rahmen der informativen Dimension klassisches Wissen über Medien aufbauen und diese bedienen können, was Baacke (ebd., S. 99) als instrumentell-qualifikatorische Dimension bezeichnet.

- Mediennutzung

Die Nutzung von Medien wird auf zwei Arten, rezeptiv / anwendend und interaktiv / anbietend erlernt.

- Mediengestaltung

Gestalten Menschen Medien aktiv, so tun sie dies innovativ oder kreativ.

Aufenanger (2001) weist darauf hin, dass Medienkompetenz entweder als Kompetenz imtechnischen Bereich, also dem Kennen von Medien und dem zielgerichteten Umgangdamit oder als das Zurechtfinden eines Menschen in der mediatisierten Gesellschaft be-schrieben wird. Er unterstreicht, dass Medienkompetenz nicht nur auf digitale Medien,sondern auf alle Medien bezogen werden muss. Aufenanger arbeitet sechs Dimensionenzur Bestimmung von Medienkompetenz heraus. Grundlegend ist die kognitive Dimension,also die Kenntnis über Medien, Mediensysteme, Codierungen und Symbole. Darauf bautdie moralische Dimension auf, bei der ethische Aspekte wie Menschenrechte oder unter-schiedliche Konventionen, die soziale Verträglichkeit und mediale Auswirkungen betrach-tet und beurteilt werden. Bei der sozialen Dimension werden die Auswirkungen von Medi-en im sozialen Kontext thematisiert, wobei die ästhetische Dimension diesen ergänzt undden Kommunikationsbereich thematisiert. Um Medien aktiv mitgestalten und damit expe-rimentieren zu können, ist die Handlungsdimension bedeutend. Wenn Menschen früh mitMedien in Berührung kommen, können sie besser damit umgehen. Ein handlungsorien- tierter Zugang, also das aktive Tun und Ausprobieren, fördert den Erwerb von Medien- kompetenz. Die meisten Kinder erwerben diese in erster Linie im Elternhaus. Dennoch besteht die Notwendigkeit, dass sich auch Lehrer im Laufe ihrer Ausbildung Grundlagen zur Vermittlung von Medienkompetenz und das zugrundeliegende Hintergrundwissen aneignen, da in der Schule auf den Vorerfahrungen und dem Vorwissen der häuslichen Umgebung aufgebaut werden muss.

Der Erwerb von Medienkompetenz kann nicht als abgeschlossen betrachtet werden, dasich die Technik immer weiter entwickelt und somit neue Herausforderungen mit sichbringt. Der Erwerb von Medienkompetenz ist demnach ein lebenslanger Lernprozess(Bauer, 2007).

Kübler (2008, S. 111) stellt in seiner Auffassung die der Medienkompetenz zugrunde lie-genden Fähigkeiten, vor allem handlungsbezogene Aspekte, in den Vordergrund undfasst vier Dimensionen zusammen: Kognitiv-analytische (technische Kenntnisse, Medien-angebote verstehen und untersuchen), evaluative und kritische (die vielfältigen Kriterienvon Medien einschätzen und kritisch beurteilen), sozial-reflexive (sich der eigenen Bezie-hungen zu Medien bewusst werden und diese gegebenenfalls zu ändern) und handlungs- orientierte, produktive F ä higkeiten (technische Handhabung bis zu eigenen medialen Pro-duktionen).

Tulodziecki (2000, S. 21; Tulodziecki & Herzig, 2010, S. 238 ff.) arbeitet im Rahmen sei-ner Forschungsarbeit fünf Aufgabenbereiche heraus, die Erziehungs- und Bildungsaufga-ben der Medienpädagogik beschreiben. Er gibt bereits konkrete Beispiele für die unter-richtliche Umsetzung dieser Ziele: Die Kinder sollen aus dem breiten Angebot die am bes-ten zur Situation und Lernaufgabe passenden Medien ausw ä hlen und n ü tzen. Danebenkönnen gegebenenfalls auch nicht-mediale Möglichkeiten, wie der Besuch eines Muse-ums in Betracht gezogen werden. Kinder sollen zudem lernen, eigene Medienbeiträge,beispielsweise ihre eigene Meinung zu einem Thema, zu gestalten und verbreiten. Daskann vom Erstellen eines Geschichtenbuches bis hin zu Videobeiträgen oder Computer-anwendungen reichen. Um Medieneinfl ü sse erkennen und aufarbeiten zu können, müs-sen die Kinder zuerst die zugrunde liegenden Mediengestaltungen verstehen und bewer-ten lernen. Die beste Voraussetzung dafür sind eigene, konkrete Erfahrungen. Erst wennsie durch selbst erstellte Beiträge die differierende Wirkung verschiedener Medien erfah-ren, können die Schüler erkennen, welchen Einfluss Medien auf sie selbst haben und wiesie diesen begegnen können.

[...]


[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit auf die Nennung beider Geschlechter verzichtet. Selbstverständlich sind immer männliche und weibliche Vertreter gemeint.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Computereinsatz in der Volksschule: Möglichkeiten und Grenzen
Untertitel
Am Beispiel von Lernsoftware für den Mathematikunterricht
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
78
Katalognummer
V232050
ISBN (eBook)
9783656480075
ISBN (Buch)
9783656480150
Dateigröße
2845 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
computereinsatz, volksschule, möglichkeiten, grenzen, beispiel, lernsoftware, mathematikunterricht
Arbeit zitieren
Sabine Apfler (Autor:in), 2011, Computereinsatz in der Volksschule: Möglichkeiten und Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232050

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