Ursachen und Folgen der Kinderarmut in Deutschland


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Sozialpolitik in Deutschland

Armut in Deutschland
3 Merkmale der Armut

Das Gesicht der Armut: Ergebnisse der Bepanthen -Kinderarmutsstudie
Messung der Armut

Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung
Entwicklung der Haushalts- und Familienstrukturen
Gesamtwirtschaftliche- und gesellschaftliche Entwicklungen
Finanz- und Wirtschaftskrise
EU-Armutsrisikogrenze

Kinderarmut
Aktuelle Lagen; Betroffenheit
Betroffene Kinder
Armutsrisikoquoten von Kindern

Mögliche Ursachen für Armut
Soziales Umfeld

Folgen für die Kinder
Gesundheitsprobleme aufgrund von Armut
Bildungsmängel als Folge von Armut

Bekämpfung der Kinderarmut
Weltkindertag

Politische Maßnahmen

Projekte

Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

Ein Tag wie immer, mitten in der Woche in Berlin. Felix wohnt in einem Stadtteil, den man sozialen Brennpunkt nennt. Er lebt zusammen mit seinen Eltern und den drei Geschwistern in einer Neubausiedlung der ehemaligen DDR, dem Plattenbau. Unter Kindern wird nur von der Platte gesprochen.

In seinem Zimmer steht ein Fernseher, eine Playstation, alte Möbel und nicht viel mehr. Seine Eltern spielen nie mit ihm, sie haben immer keine Zeit, sagt Felix. Immer wieder brüllt ihn sein Vater hinterher, dass er sich den Fernseher anstellen und endlich ruhig sein soll. Oft hört er auch seine Eltern streiten, dann hält er sich einfach die Ohren zu und versteckt sich in seinem Geheimversteck. Das ist in seinem Kleiderschrank. Er sagt, er hat dort einfach ein Brett rausgenommen und passt nun gut rein. Auch wenn seine Eltern wiedermal sauer auf ihn sind, weil er etwas angestellt hat, versteckt er sich dort.

Sein Vater geht arbeiten und seine Mutter hat einen Minijob. Aber das Geld ist trotzdem jeden Monat knapp und das stützende ALG II reicht auch nicht viel weiter.

Nur unter seinen wenigen Freunden, da fühlt er sich gut und ist er einer von ihnen. In ihrer Freizeit streichen sie durch die Plattensiedlung und pöbeln andere Leute an. Das ist cool, meint er. Manchmal prügeln sie sich auch einfach so aus langer Weile.

Felix besitzt kein Fahrrad, er hat nur Kleidung aus der Kleiderkammer und wenig gebrauchtes Spielzeug. Mit seiner Mutter geht er jede Woche zur Tafel, um Lebensmittel abzuholen.

Nach der Schule kann er direkt zur Arche wo er sein erstes Essen am Tag bekommt. Er freut sich über ein kostenloses Glas Orangensaft, das gibt es zu Hause nicht.

In den Ferien kann er gleich früh zur Arche gehen und bekommt dann schon Frühstück. Danach ist er dann auch viel zu Hause und schaut einfach nur fern. Sein Fernseher läuft mindestens 3 Stunden am Tag, er schaut auch nachts oft fern, sagt er. Da muss er nur aufpassen, dass seine Mutter das nicht erfährt, sonst bekommt er wiedermal Ärger.

In der Nachbarschaft wohnt ein älteres Ehepaar. Von denen bekommt er hin und wieder eine Kleinigkeit zu essen. Er freut sich darüber.

In der Schule läuft es nicht gut. Sein Hausaufgabenheft ist voller roter Einträge, weil ihm Unterrichtsmaterialien fehlen oder seine Eltern die Arbeiten nicht unterschrieben haben. Sein Notendurchschnitt liegt bei 4,2 und schon wieder wird er die Versetzung in die nächsthöhere Klasse nicht schaffen. Von den Lehrern bekommt er keine Unterstützung und von seinen Klassenkameraden wird er ständig gemobbt, beschimpft, geschubst und getreten, immer wieder. Dort hat er keine Freunde, er ist ein Einzelgänger.

Vor geraumer Zeit hatten seine Eltern oft von Scheidung gesprochen. Sie stritten sich täglich und immer wieder ging es um das Geld und die Schulden. Kurze Zeit später trennten sich seine Eltern. Er bleibt mit seinen Geschwistern und seiner Mutter in der Wohnung zurück und sein Vater zog in die Berge zu Freunden. Zum Abschied hat er Felix in den Arm genommen, ihn gedrückt und ein Überraschungs-Ei geschenkt. Seitdem schreibt Papa ihm manchmal einen Brief.

Dies ist der traurige Alltag, den viele Kinder in Deutschland erleben. Sie müssen von klein auf täglich gegen Mobbing und Verlust kämpfen.

Kinderarmut ist ein gesellschaftliches Problem, welches bekämpft werden muss. Hier stellt sich die Frage, wie viele Kinder betroffen sind und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dem Problem zu entgegnen.

Sozialpolitik in Deutschland

In Deutschland werden drei Systemprinzipien unterschieden. Darunter zählen das System der Sozialversicherung, das System der Sozialhilfe bzw. der Fürsorge und das System der Versorgung.

Das System der Sozialversicherung ist durch eine lohnbezogene Beitragserhebung, eine gleichrangige Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer und die Gleichwertigkeit von Beitrag und Leistung charakterisiert und wird als „Bismarck`sches System“ benannt.

Das System der Sozialhilfe oder Fürsorge geht auf die Armenpolitik zurück und wird in der Regel durch Steuern aus kommunalen Haushalten finanziert. Hier wird der Bedarf am soziokulturellen Existenzminimum gemessen und es besteht eine Nachrangigkeit gegenüber Vermögen, Unterhaltsansprüchen in einigen Fällen und Einkommen sowie Rückzahlungsverpflichtungen. Dieses Systemprinzip wird auch als „Beveridge-Typ“ benannt, welcher als bedarfsorientierte staatsbürgerliche Grundversorgung populär ist.

Das System der Versorgung wird, wie das System der Sozialhilfe, durch Steuern subventioniert. Kennzeichnend für dieses System ist das Finalprinzip, es ist stets auf Ergebnisse orientiert und misst sich am Bedarf. Ursprünglich wurde es zur Versorgung der Kriegsopfer und Beamten entwickelt. Als Beispiele kann man hier das Kindergeld oder Elterngeld nennen.

Ein viertes System ist das System der Volksversicherung oder Bürgerversicherung. Dieses ist in Deutschland noch nicht realisiert worden. Einen Ansatz findet man aber mit der Pflegeversicherung, die in Deutschland bereits existiert. Es orientiert sich nicht an der Erwerbsarbeit sondern ist multiorientiert und bemisst die Beiträge an der Einkommenssteuer. Bei diesem System spielt die systematische Eingliederung von Grundeinkommenselementen, wie bspw. Pauschaliertes Pflegegeld ohne dass es von einer Vorleistung abhängig ist.[1]

Der deutsche Sozialstaat ist lohnarbeits- und familienzentriert. Ein wichtiger Aspekt bei der finanziellen Belastung ist der Familienstand.[2]

92 Prozent in Ostdeutschland und 82 Prozent in Westdeutschland bejahten im Jahr 2004 die Aussage, dass der Staat dafür sorgen muss, dass der Bürger auch im Alter, bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Not abgesichert ist. Für den Bürger stellt der Sozialstaat die Gleichheit der Lebenschancen dar und steht ebenso für die Vergemeinschaftung von Lebensrisiken.[3]

Die fünf wichtigsten Zweige in der Sozialpolitik sind die Altersversicherung, die Arbeitslosenversicherung, die Kranken- und Unfallversicherung, sowie die Familienunterstützung. Diese wurden in Deutschland in den Jahren von 1884 (Unfallversicherung), 1883 (Krankenversicherung), 1889 (Rentenversicherung), 1927 (Arbeitslosenversicherung) und die Familienunterstützung im Jahre 1954 eingeführt. Deutschland steht im Vergleich zu anderen Ländern mit der Einführung der Sozialpolitik auf dem ersten Rang.[4]

Nach dem 2. Weltkrieg entstand in Deutschland ein eigenständiger Politikbereich zur Absicherung des Existenzminimums. So wurde als Beispiel die soziokulturelle Teilhabe allen Bürgern mit der Einführung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) im Jahre 1961 gewährt.[5]

Der Anteil der Arbeitslosen ist zwar hoch, aber es kann noch nicht als Massenarbeitslosigkeit bezeichnet werden. In Bezug auf die Arbeitslosigkeit ist auch der Unterschied von Ost- und Westdeutschland relevant. So gibt es in einigen Regionen in Ostdeutschland eine sehr hohe Arbeitslosigkeit, welche zur Massenarbeitslosigkeit tendiert. Auch die drohende Gefahr von Arbeitslosigkeit der Erwerbstätigen ist in Ost- und Westdeutschland ungleich verteilt. In Ostdeutschland haben 20 Prozent der Erwerbstätigen Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Im Gegensatz dazu sind es in Westdeutschland nur 6 Prozent der Erwerbstätigen, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben.[6]

Fördert der Sozialstaat eine Massenarbeitslosigkeit? Dies wird von dem Spiegel-Redakteur Gabor Steingart kritisiert, indem er diese Frage mit den Lohnersatzleistungen beantwortet. Da diese in deutschen Sozialstaat leicht zugänglich sind und dem Bürger im Falle der Arbeitslosigkeit abfangen. Er fordert, dass diese Lohnersatzleistungen nur begrenzt zugänglich werden sollen und die Arbeitsentgelte von Sozialaufschlägen befreit werden. So gewinnt die Erwerbstätigkeit in der Bevölkerung wieder an Wert.[7]

Auch eine mangelnde Bildung trägt zum Wandel der Arbeit bei. In Deutschland haben mehr als 40 Prozent der Arbeitslosen keine Berufsausbildung. Von der Gesamtbevölkerung ausgehend liegt diese Zahl bei 16 Prozent.[8]

Diese Änderungen in der Erwerbstätigkeit ziehen Folgen nach sich. So spricht man über eine Exklusion der Überflüssigen und verbindet damit den Zerfall der sozialstaatlichen Inklusion. Die familiären Bindungen werden immer schwächer, der Niedriglohnsektor expandiert und das Ergebnis ist Ausgrenzung und Armut. Armut auch mit Arbeit. Hier ist die Politik gefragt und steht vor der Frage, die Verteilungsregeln von Arbeit und Einkommen zu ändern oder diesen Part dem Arbeitsmarkt weiter zu überlassen. Indem der Arbeitsmarkt für eine Arbeitsentgeltsverteilung zuständig ist, wird eine zunehmende Exklusion riskiert, da es mehr Bürger geben wird, die ihr niedriges Arbeitsentgelt durch sozialhilfeähnliche Leistungen aufstocken müssen. In der Politik steht zur Lösung dieses Problems der Gedanke eines Grundeinkommens.[9]

Armut in Deutschland

„Wer Schweine erzieht, ist (…) ein produktives, wer Kinder erzieht, ist ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft.“(List, 1928, S. 231). Diese Kritik an der klassischen Ökonomie formulierte Friedrich List im Jahre 1841 in seinem Werk „Das nationale System der politischen Ökonomie“. Er formulierte weiter: „Es sind die, welche Schweine großziehen, Dudelsäcke oder Pillen fabrizieren, produktiv, aber die Lehrer der Jugend und der Erwachsenen, die Virtuosen, die Ärzte, die Richter und Administratoren sind es in einem noch viel höheren Grade. Jene produzieren Tauschwerte, diese produzieren produktive Kräfte.“ (List, 1928, S. 182).

Mit diesen Worten lenkte Friedrich List den Blick auf die Familie und ihre produktive Seite, denn sie schafft das „Humankapital“ der Gesellschaft mit der Sozialisation der Kinder.[10]

Bis zu 500.000 Euro kostet ein Kind seine Eltern in Deutschland. Bei diesem Betrag sind Unterhaltskosten, der Verdienstausfall der Eltern und niedrigere Renten sowie die Kosten für die Kinderbetreuung und die Bildung berücksichtigt, die der Staat und die Eltern bis zur eigenen Erwerbstätigkeit der Kinder aufbringen müssen.[11]

Armut ist ein gesellschaftliches Phänomen, welches von den sozialen und politischen Rahmendaten abhängt. Diese Vorgaben werden durch die Gesellschaft und Politik gestaltet.[12]

Einheitlich ist Armut nicht definiert, aber innerhalb der EU gilt die Grundlage des Beschlusses vom Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft vom 19. Dezember 1984. Danach wird von einem allgemeinen Verständnis ausgegangen, dass jene Menschen als arm gelten, die durch die ihnen zur Verfügung stehenden materiellen, kulturellen und sozialen Mittel so gering sind, dass sie am Minimum der Lebensweise, welche in dem Mitgliedsstaat annehmbar ist, nicht teilhaben können. Demzufolge stellt Armut eine individuelle Lebenslage dar, die durch die jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Staates bestimmt werden. Diese individuelle Lebenslage kann durch verschiedene Merkmale bestimmt werden.

3 Merkmale der Armut

Zum einen gilt ein Mensch als arm, wenn er sich in der relativen Einkommensarmut befindet. Damit sind Personen gemeint, die über zu wenig Einkommen verfügen, um angemessen an dem Lebensstandard der Gesellschaft teilhaben zu können. Hier gelten die vorgegebenen Maßgaben der EU-Armutsdefinition.

Zum anderen kann sich eine individuelle Lebenslage auch durch eine defizitäre Lebenslage bestimmen. In einer defizitären Lebenslage befinden sich Menschen, deren Handlungs-, Lebens- und Entscheidungsspielräume begrenzt sind. Sie sind mit materiellen und immateriellen Gütern der Grundversorgung, der Gesundheit, dem Sozialem und der Bildung unterversorgt, was die Chancen in der Zukunft einschränkt.

Das dritte Merkmal einer individuellen Lebenslage ist die soziale Ausgrenzung. Darunter ist die Teilhabe des Menschen am sozialen Austausch und die Partizipation zu verstehen, also eine aktive Beteiligung und Mitgestaltung an gesellschaftlichen Prozessen, die begrenzt und eingeschränkt ist.

Nach diesen 3 Merkmalen, die unter anderem eine individuelle Lebenslage bestimmen und verdeutlichen, wird Armut bestimmt. Demnach gilt ein Mensch nicht nur als arm, wenn er wenig Geld hat. Armut nimmt dem Mensch ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit. Der Mensch ist nicht in der Lage, selbst über sein Schicksal zu entscheiden.[13]

Das Gesicht der Armut: Ergebnisse der Bepanthen -Kinderarmutsstudie

Armut hat für Kinder kein einheitliches Gesicht. Dem einen sein größter Wunsch ist ein eigenes Fahrrad, der andere hat ein eigenes Fahrrad aber kaum Zeit mit ihm zu fahren, da er seine Eltern in seiner Freizeit im eigenen Imbiss unterstützen muss um das Familieneinkommen aufrecht zu erhalten.

Diese Erkenntnisse gehen aus der Bepanthen - Kinderarmutsstudie 2009 hervor.

Rund 200 Kinder aus Hamburg und Berlin, die in Armut aufwachsen, wurden befragt, wie sie ihre eigene Situation einschätzen und was ihnen wichtig ist. Dabei wurde deutlich, dass mehr Zuwendung, Unterstützung, Liebe, genug zu essen und Freunde ihnen am Wichtigsten sind.

[...]


[1] Vgl. Opielka, Michael, 2008: Sozialpolitik. Grundlagen und vergleichende Perspektiven. 2. Aufl.

Rowohlt Taschenbuch Verlag, S. 25/26

[2] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 30/31

[3] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 23

[4] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 39-41

[5] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 75

[6] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 60

[7] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 61

[8] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 62

[9] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 74

[10] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 99

[11] Vgl. Opielka, Michael, 2008: S. 106

[12] Vgl. Holz, Gerda / Richter-Kornweitz, Antje (Hrsg.),2010: Kinderarmut und ihre Folgen. Wie kann

Prävention gelingen?, S. 32

[13] Vgl. Holz, Gerda / Richter-Kornweitz, Antje (Hrsg.),2010: S. 32

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Ursachen und Folgen der Kinderarmut in Deutschland
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena
Veranstaltung
Sozialpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
34
Katalognummer
V232035
ISBN (eBook)
9783656486909
ISBN (Buch)
9783656490449
Dateigröße
790 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
ursachen, folgen, kinderarmut, deutschland
Arbeit zitieren
Carola Baumgart (Autor:in), 2013, Ursachen und Folgen der Kinderarmut in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232035

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