Ibn Halduns (Ibn Khaldun). Sein Leben, seine "Gesellschaftstheorie" und die Rolle des asabiyya Begriffs darin


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Leben und Werk Ibn ËaldÙns

3 Der ÝaÒabiyya Begriff in der Muqaddima
3.1 Der Aufbau der Muqaddima
3.2 Ibn ËaldÙns Gesellschafstheorie
3.3 Die Bedeutung des ÝaÒabiyya-Begriffs

4 Resümee

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Durch seine monumentale 7-bändige „Weltgeschichte“ (das KitÁb al-ÝIbar) und vor allem durch deren ersten Band, die „Einführung in die Geschichte“ (muqaddima), gelangte Ibn ËaldÙn im arabischen Raum schon zu Lebzeiten zu großem Ruhm. Im „Westen“ wurde sein Werk im 19.Jhdt. entdeckt und weckt bis heute das Interesse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Arnold J. Toynbee schrieb z.B. über die Muqaddima:

„Undoubtly the greatest work of its kind that has ever been created by any time or place…. The most comprehensive and illuminating analysis of how human affairs work that has been made anywhere.”1

Doch was ist das Besondere an der Muqaddima?

Ihr Verfasser genoss nicht nur eine sehr gute wissenschaftliche Ausbildung, sondern er nahm selber schon früh am politischen Leben aktiv teil. Er arbeitete für verschiedene Fürsten in unterschiedlichen Regionen und reiste - meist im Rahmen seiner Tätigkeiten - viel. Durch die politischen Wirren im Nordafrika jener Zeit, fiel er jedoch auch das eine oder andere Mal in Missgunst seiner Vorgesetzten.

Seine wissenschaftliche Ausbildung und seine politische Erfahrung durch den Dienst an unterschiedlichen Höfen tragen dazu bei, dass die Muqaddima auf Ibn ËaldÙns eigenen Beobachtungen und Erfahrungen beruht und dadurch sehr authentisch wirkt, das sie von ihm immer wieder reflektiert und überarbeitet wurde und seine Darstellungen durch sein Wissen mit unendlich vielen Beispielen belegt wurden. Ibn ËaldÙn war kein Schreibtischhistoriker. Im Grunde genommen hat er einfach das, was er beobachtet hat - nämlich die menschliche Gesellschaft mit allen ihren unterschiedlichen Facetten - niedergeschrieben und versucht zu erklären.

Im Rahmen seiner „Gesellschaftstheorie“ kommt Ibn ËaldÙn immer wieder und wieder auf den ÝaÒabiyya-Begriff zu sprechen. In der vorliegenden Hausarbeit soll [nach der Biografie Ibn ËaldÙns] seine „Gesellschaftstheorie“ und die Rolle des ÝaÒabiyya Begriffs darin, erörtert werden.

2 Leben und Werk Ibn ËaldÙns

Walter J. Fischel unterteilt die Biografie Ibn ËaldÙns in zwei große Phasen:

1. die turbulente „MaghribÐ period“ bis 1382 und

2. die konstantere und produktive „Egyptian period“, von 1382-1406.2Beginnen wir mit der ersten Phase:

Ibn ËaldÙn, Walī ad-Dīn ʿAbd ar-Raḥmān b. Muḥammad b. Muḥammad b. Abī Bakr Muḥammad b. al-Ḥasan wurde am 27.05.1332 / 1. Ramadan 732H in Tunis geboren. Seine Familie stammte ursprünglich aus der Region des heutigen Jemen und siedelte im 8.Jahrhundert nach Spanien über. Dort spielte seine Familie in Sevilla eine große politische Rolle. Anfang des 13. Jahrhunderts musste sie wie viele andere muslimische Familien nach dem Verfall des Almohadenreiches (Al-Andalus ging 1235 verloren, an die Christen 1248) auswandern und landete über Umwege in Tunis.

Während Ibn ËaldÙns Großvater noch in der Politik tätig war, entschied sich Ibn ËaldÙns Vater sein Leben der Wissenschaft zu widmen, insbesondere der Sprachwissenschaft. Er ermöglichte seinem Sohn eine sehr gute klassische Ausbildung in Koran, Hadith, der arabischen Sprache und den Rechtswissenschaften.

Als die MarÐniden für kurze Zeit Nordafrika eroberten und deren Sultan AbÙ-l-Íasan 1347 in Tunis einzog, lernte Ibn ËaldÙn bei den verschiedenen Gelehrten, die mit dem Sultan nach Tunis kamen und am Hof angestellt waren.

Durch Aufstände verschiedener Stammesführer wurden die MarÐniden schon bald wieder aus Tunis vertrieben und 1349 kam es zudem zu einer schweren Pestepidemie, durch die Ibn ËaldÙn seine Eltern verlor.

In Tunis war er noch kurze Zeit als Sekretär des ḤafÒiden-Sultans angestellt, bevor er 1354 nach Fez ging und dort beim marinidischen Sultan AbÙ ÞInÁn als Sekretär arbeitete. Durch die schwierigen Machtverhältnisse in Nordafrika begann eine Zeit des hin und her. 1357 kam er - in Ungnade gefallen - ins Gefängnis und wurde erst nach AbÙ InÁns Tod 1358 wieder freigelassen. Danach arbeitete er noch kurze Zeit für AbÙ InÁns Nachfolger AbÙ SÁlim. In der Folgezeit waren die politischen Verhältnisse in Fez sehr unstabil - Sultan AbÙ SÁlim wurde 1362 ermordet - und Ibn ËaldÙn bat um seine Entlassung. Diese wurde ihm mit der Auflage genehmigt, dass er Nordafrika verlassen muss, und so emigrierte Ibn ËaldÙn nach Spanien. Bei seinem Aufenthalt in Granada (1362-1365) lernte er den bedeutenden Dichter und Geschichtsschreiber LisÁn ad-DÐn Ibn al-ËaÔÐb, der auch Stellvertreter des Herrschers MuÎammad b. al-AÎmar war, kennen, mit dem er sich geistig austauschte und anfreundete. In Granada erlebte Ibn ËaldÙn einen der Höhepunkte seiner politischen Karriere, als er von MuÎammad V. beauftragt wurde, mit König Pedro I. (1334-1369) von Kastilien in Sevilla einen Friedensvertrag zu schließen.

Pedro war so fasziniert von Ibn ËaldÙn, dass er anbot, ihm die Besitztümer seiner Familie zurückzugeben. Ibn ËaldÙn lehnte jedoch das Angebot ab und kehrte zurück nach Granada. Beim Sultan von Granada genoss er so hohes Ansehen, dass er angeblich den Neid mancher Höflinge auf sich zog und sie gegen ihn intrigierten, so dass er 1365 Granada verließ und daraufhin in hohen Stellungen für die Fürsten in Bougie, Tlemcen und Fez arbeitete. Nach seinem regen und wechselnden politischen Engagement zog er sich 1368 nach Biskra zurück, wo er sich seiner wissenschaftlichen Tätigkeit widmete.

Kurz darauf kehrte er aber für 7 Jahre zurück in die Politik, bis er sich 1374 auf der Festung QalÝat Ibn SalÁmah (in der Provinz Oran)- fernab aller Geschäfte - mit seiner Familie niederließ und seine Muqaddima abzufassen begann, die er 1377 beendete, jedoch immer wieder überarbeitete. Da ihm in seiner Abgeschiedenheit jedoch nicht die notwendige Literatur zur Verfügung stand, wendete er sich an den Machthaber von Tunis, den ÍafÒiden-Sultan AbÙÞlÝAbbÁs, der ihn bei der Vollendung des Werkes unterstützte.

Da ihm dasselbe Schicksal wie in Granada drohte - die Missgunst anderer Höflinge - begab er sich 1382 auf die Pilgerreise nach Mekka.

Nun begann die zweite, konstantere Phase Ibn ËaldÙns in Ägypten:

Am 08.12.1382 erreichte er Alexandria und nachdem er dort ca. einen Monat blieb, kam er am 06.01.1383 nach Kairo. Kairo muss Ibn ËaldÙn tief beeindruckt haben, er schrieb dann auch: „I saw there moons and stars shining among its scholars: on seeing the Nile, I thought I was seeing the river of paradise; one would say its waters came from heaven, and spread everywhere good health, as well as fruits, flowers, and riches. I saw the city filled with passers-by, and its bazaars of merchandise. We did not stop talking about this city for a long time and admiring its great and beautiful buildings.“3

Sein wissenschaftlicher Ruf schien schon bis hierher gedrungen zu sein und er wurde gebeten, an der al-Azhar Universität Vorlesungen zu halten. Der Emir AlÔunbuÈÁ al-ǦÙbÁnÐ brachte Ibn ËaldÙn in Kontakt mit der höchsten Instanz des Landes, Sultan al-Malik aÛ-ÚÁhir AbÙ SaÝÐd BarqÙq (regierte von 1382-1399), Begründer der noch jungen Mamlukendynastie (von 1382 bis 1516). Zwischen Ibn ËaldÙn und dem Sultan entwickelte sich eine enge Freundschaft. BarqÙq setzte sich persönlich beim Sultan von Tunis dafür ein, dass Ibn ËaldÙns Familie die Erlaubnis bekam Tunis zu verlassen und nach Ägypten überzusiedeln. Es war Ibn ËaldÙns größter Schicksalsschlag, als seine Frau mit den gemeinsamen fünf Töchtern auf der Reise von Tunis nach Ägypten bei einem Schiffsunglück im August 1384 ums Leben kam. Mit seinen Kontakten in die höchsten Regierungskreise im Maghreb und Spanien war Ibn ËaldÙn für Sultan BarqÙq ein nützlicher Berater und nahm aktiv am politischen Geschehen teil. BarqÙq verlieh Ibn ËaldÙn 1384 eine gut bezahlte Professur für malikitische Rechtssprechung an der QamÎÐya Madrasah und später an der al-BarqÙqÐya. Diesen Posten musste er jedoch auf Druck hoher Bediensteter des Hofes räumen. Wahrscheinlich kurz darauf setzte Ibn ËaldÙn am 27.09.1387 seine bereits 1382 geplante Pilgerreise fort. Nach seiner Rückkehr ca. 1389 arbeitete er wieder an verschiedenen Schulen. Von 1384-1385 hatte Ibn ËaldÙn auch die Position des kairener OberqÁdÐs der malikitischen Rechtsschule inne4. Durch seine Unbestechlichkeit und seine enge Beziehung zum Sultan kam es zu Eifersüchteleien unter einigen hohen Gelehrten und sie drängten Sultan BarqÙq, solange Ibn ËaldÙn zu entlassen, bis er ihn nicht mehr im Amt halten konnte. 1389 kam es zu einer kurzen Rebellion gegen Sultan BarqÙq. In einer Anklageschrift gegen den Sultan setzte auch Ibn ËaldÙn seine Unterschrift und gab so seine Loyalität gegenüber dem Sultan auf. Als dieser jedoch im Februar 1390 seine Macht wieder vollständig restauriert hatte, war er sehr enttäuscht über die Illoyalität Ibn ËaldÙns. Für die nächsten 10 Jahre stand er nicht mehr in der Gunst des Sultans und bekleidete keinerlei öffentliches Amt.

[...]


1zitiert in: Rosenthal, Franz: The Muqaddimah - An Introduction to History, Princeton University Press, erste Auflage 1967, diese 2005, siehe reviews

2Fischel, Walter J.: Ibn Khaldun in Egypt, His public functions and his historical research, 1382-1406, University of California Press, Berkley, 1967, s.S.2

3übersetzt in: Fischel, Walter J.: Ibn Khaldun in Egypt, His public functions and his historical research, 1382- 1406, University of California Press, Berkley, 1967, s.S.19

4 al-mālikiyya, al-mālikiyyūn, eine der vier traditionellen Rechtsschulen{madhÁhib} des sunnitischen Islams 6

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Ibn Halduns (Ibn Khaldun). Sein Leben, seine "Gesellschaftstheorie" und die Rolle des asabiyya Begriffs darin
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Arabistik)
Veranstaltung
Die Muqaddima des Ibn Haldun. Welthistorische und wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungen eines arabischen Historikers.
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V231966
ISBN (eBook)
9783656480785
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ibn Chaldun, Ibn Haldun, Ibn Khaldun, Arabische Geschichte, Islam, Orient, orientalische, Araber
Arbeit zitieren
Magister Artium Gregor Postler (Autor:in), 2009, Ibn Halduns (Ibn Khaldun). Sein Leben, seine "Gesellschaftstheorie" und die Rolle des asabiyya Begriffs darin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231966

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