Kommunikative Strategien zur Vermeidung und Bewältigung von Konflikten im telefonischen Kundenkontakt

Eine empirische Erhebung über den Einsatz mediativer Kommunikationselemente in Call Centern


Masterarbeit, 2008

80 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Forschungsfrage und Hypothese
Forschungsfrage
Hypothesen

2. Allgemeine Einführung in die Terminologie und die Aufgaben eines Call Centers
2.1. Definition Call Center
2.2. Call Center Terminologie
2.3. Organisationsstruktur
2.4. Anforderungen an einen Call Center Mitarbeiter
2.5. Charakteristische Merkmale der Arbeit im Call Center
2.5.1. Frequenz
2.5.2. Servicelevel und Wartezeit
2.5.3. Mitarbeiterfluktuation
2.5.4. Distanz
2.6. Psychologie der Dienstleistung
2.6.1. Kundenanliegen: zwischen Bedarf und Bedürfnis
2.6.2. Emotionsarbeit und emotionale Dissonanz
2.6.3. Das Dilemmata Modell von Holtgrewe und Kerst
2.6.4. Belastungsfaktoren und Stressoren unabhängig vom Kundenkontakt

3. Mediative Gesprächstechniken
3.1. Definition des Begriffes Mediation
3.2. Definition des Begriffes Konflikt
3.3. Definition mediative Gesprächstechniken – mediative Kommunikation
3.4. Verschiedene Kommunikationsmodelle
3.4.1. Das Modell von Paul Watzlawick
3.4.2. Die Modelle von Friedemann Schulz von Thun
Das Kommunikationsquadrat
Das innere Team
Das Situationsmodell
Das Teufelskreis Modell
Werte und Entwicklungsquadrat
3.4.3. Harvard Konzept
3.4.4. Gewaltfreie Kommunikation nach Marshal Rosenberg
3.4.5. Transaktionsanalyse
3.4.6. Themenzentrierte Interaktion
3.5. Gesprächstechniken in der Mediation und in der Call Center Praxis
3.5.1. Gesprächstechniken in der Mediation
3.5.1.1.Aktives Zuhören
3.5.1.2. Spiegeln
3.5.1.3. Rapport
3.5.1.4. Reframing
3.5.1.5. Neutralisieren
3.5.1.6. Normalisieren
3.5.1.7. Fokussieren und Strukturieren
3.5.1.8. Lob
3.5.1.9. Monologisieren
3.5.1.10. Doppeln
3.5.1.11. Fragetechniken
3.5.2. Spezielle Gesprächstechniken in der Call Center Praxis
3.5.2.1. Positive Formulierungen verwenden
3.5.2.2. Konkrete Formulierungen verwenden
3.5.2.3. Kunden mit Namen ansprechen
3.5.2.4. Unterstreichen des Service
3.5.2.5. Betonung der Gemeinsamkeiten
3.5.2.6. Aktiv formulieren
3.5.2.7. Vereinbarungen und Abschlüsse zusammenfassen
3.5.2.8. Lösungsoptionen anbieten – Wunschlösung zum Schluss

4. Erhebungsverfahren
4.1. Explorative Interviews mit Call Center Agenten und Trainern
4.1.1. Ziel der Interviews
4.1.2. Interviews mit Trainern
Die Trainer als Interviewpartner
Die Aufwärmphase
Anforderungen an den Agenten
Umgang mit Konflikten im Kundenkontakt
Welche typischen Situationen führen besonders häufig zum Konflikt?
4.1.3. Interviews mit Agenten
Die Agenten als Interviewpartner
Die Aufwärmphase
Umgang mit Konflikten im Kundenkontakt:
Hilfreiche Kommunikationstechniken:
Zusätzliche Stressoren:
4.2. Stellvertreter Rollenspiel
4.2.1 Das Konzept
4.2.2. Die Durchführung
4.2.3. Auswertung des Fragebogens zum Stellvertreter Rollenspiel
Fazit
4.3. Quantitative Erhebung zu Gesprächstechniken und Stressoren im Call Center
4.3.1. Beschreibung der Erhebung
4.3.1.1. Ziel der Erhebung
4.3.1.2. Statistisches Verfahren
4.3.1.3. Auswahl der Stichprobe und Rücklauf
4.3.2. Ergebnisse
4.3.2.1. Zusammenfassung der allgemeinen Daten
4.3.2.2. Anforderungen an den Call Center Agenten
Anmerkungen der Agenten zu den Anforderungen im Call Center
4.3.2.3. Umgang mit konfliktriskanten Situationen
Vermeidung von Konflikten
Umgang mit Konflikten
Tipps und Tricks der Agenten:
4.3.2.4. Kränkende, schwierige Situationen
Kränkende Situationen aus Sicht von Männern und Frauen:
nach Altersgruppen:
nach Betriebszugehörigkeit:
Anmerkungen der Agenten zu kränkenden Situationen
4.3.2.5. Gesprächstechniken
Bewertung der Gesprächstechniken durch die Agenten
Gesprächstechniken aus Sicht von Männern und Frauen
nach Brachen- und Betriebszugehörigkeit:
4.3.2.6. Arbeitsplatz Call Center
Der Arbeitsplatz aus Sicht von Männern und Frauen:
nach Inhouse und Agenturen:
nach Alter:
nach Betriebszugehörigkeit:
Fazit:
Anmerkungen der Agenten zum Arbeitsplatz:

5. Zusammenfassung und Fazit
Hypothese 1:
Hypothese 2:
Hypothese 3:

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Einleitung

In den letzen Jahrzehnten veränderte sich unsere Gesellschaft weg von einer Produktionsgesellschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Der Anspruch an die Qualität der Dienstleistung – vor allem im Zusammenhang mit Kundenorientierung und Serviceleistung - ist damit gestiegen.

Dass Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit als unternehmerische Ziel- und Steuerungsgrößen eine bedeutende Stellung einnehmen ist unbestritten (Madlen, 2006) und ist auch Gegenstand zahlreicher Publikationen im Bereich Management und Marketing.

So auch im Band 7 der Reihe Arbeits- Organisations – und Wirtschaftspsychologie:

„Kundenorientierung wird in einer Gesellschaft in der es am Markt im Vergleich von verschiedenen Anbietern ähnliche Produkte gibt und Dienstleistungen einen immer höheren Stellenwert einnehmen, zu einem wichtigen Gut. [ …] vor allem die Möglichkeit, schnell und bequem Kontakt zum Unternehmen aufnehmen zu können, um Informationen und Auskünfte zu erhalten, Aufträge zu erteilen, eine Beschwerde vorzubringen oder ein Produkt zu bestellen.

Durch Bedarf der professionellen Übernahme solcher Aufgaben boomt der Call – Center Markt“

(Kirchler, (Hg.) 2007, S. 7).

Seit den 90iger Jahren des 20. Jahrhunderts ist das Wachstum in der Call Center Branche auch in Österreich zu verzeichnen. Unterschiedliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Ursachen wie: geänderte Ansprüche an die Erreichbarkeit, kürzere Produktzyklen, internationaler Druck und kostengünstige und mobile Telefoniemöglichkeiten haben dazu geführt, dass täglich viele tausend Kundenanfragen in den Call – Centern der unterschiedlichsten Branchen und Unternehmen eingehen.

Laut der Contact Center Marktstudie Österreich 2007 gibt es in Österreich rund 500 Contact Center, wovon etwa 42 % auf externe Call Center Dienstleister entfallen und rund 58% auf Inhouse Call Center. Als mit Abstand wichtigste Aufgabe der Call Center gelten Kundenservice und die Kundenbetreuung, aber auch Informations- und Auskunftsdienste spielen eine große Rolle. Zwischen 32 000 und 37 000 Personen sind derzeit in Österreichs Call Centern als Agenten beschäftigt, wodurch der Call Center Branche auch eine durchaus wichtige Rolle am heimischen Arbeitsmarkt zukommt. (Contact Center Marktstudie 2007, CNS Austria im Auftrag des call–center – forum.at)

Den Kunden verheißen Call Center die Chance auf kundenorientierte, qualitativ hochwertige und vor allem hochverfügbare Dienstleistung. Für die Unternehmen stellen sie eine Organisationsstruktur dar, die durch die Standardisierung von Abläufen und den damit verbundenen kurzen Gesprächs- und Bearbeitungszeiten wirtschaftliche Vorteile verspricht, da dies eine deutliche Effizienzsteigerung in der Bearbeitung von Kundenwünschen darstellt.

Somit könnte man sagen, dass Call - Center eine harmonische Entwicklung für beide Seiten, Kunden wie auch Dienstleister, darstellen, allerdings scheiden sich die Geister mitunter dort, wo es um die Erfüllung der Erwartungen von Kunden und Unternehmen geht. Vereinfacht betrachtet, erwarten sich Kunden möglichst viel an Leistung und Service für möglichst geringen Aufwand und niedrige Kosten, was mit geänderten Vorzeichen auch die Erwartung der Unternehmer ist. ( Holtgrewe, Kerst, 2001)

Die divergierenden Erwartungshaltungen von Kunden und Unternehmen führen nicht selten zu konfliktriskanten Gesprächssituationen für die Mitarbeiter in Call Centern.

Die Aufgabe der Call Center Agenten ist es nun inmitten dieses Spannungsverhältnisses sowohl den Anliegen und Wünschen des Kunden service- und kundenorientiert zu begegnen als auch im Einklang mit den Vorgaben und Interessen des Unternehmens zu handeln.

Dass sich aus den unterschiedlichen Anforderungen und den teilweise in Widerspruch zu einander stehenden Erwartungshaltungen ein beachtliches Konfliktpotential ergibt, liegt auf der Hand.

1.Forschungsfrage und Hypothese

Im Rahmen dieser Arbeit soll primär die Kommunikation zwischen Kunden und Call - Center Agenten in Inboundgesprächen betrachtet werden.

Untersucht werden die von den Agenten eingesetzten kommunikativen Strategien um im Umgang mit Kunden Konfliktsituationen zu vermeiden oder diese zu bewältigen.

Dazu wurde unter Call Center Agenten eine Befragung durchgeführt. Zur Erstellung des Fragebogens dienten explorative Interviews mit Call Center Trainern und Agenten. Außerdem wurden im Zuge einer Call Center Schulung Rollenspiele durchgeführt um die Akzeptanz mediativer Gesprächstechniken auszuloten.

Forschungsfrage

Welche Strategien zur Vermeidung und Bewältigung von Konflikten setzten Call Center Agenten im telefonischen Kundenkontakt ein?

Häufig ist die Ursache eines Konfliktgespräches im Call Center bereits vor dem Anruf zu suchen, etwa weil ein Produkt nicht den Erwartungen entsprochen hat, der Kunde bereits eine negative Erfahrung im Kontakt mit dem Unternehmen hat, Verrechnungsdetails den Kunden belasten oder die Grundeinstellung des Kunden dem Unternehmen gegenüber eine negative ist.

Viele Gespräche entwickeln sich aber auch erst während des telefonischen Kontaktes zum Konfliktgespräch. Grund dafür kann ein Missverständnis sein, der vom Vorkunden belastete Gesprächseinstieg des Agenten, die Auswirkung von Monotonie oder Überforderung.

Ziel ist es, im Gespräch mit dem Kunden eine nachhaltige Lösung für das Unternehmen, den Kunden und letztlich auch den Call – Center Agenten zu finden um eine langfristige Kundenbindung zu erreichen und/oder teure Folgekontakte zu vermeiden. In anderen Worten könnte man sagen, die Aufgabe des Agenten ist es eine „Win – Win – Win“ Lösung herbeizuführen, eine Lösung die für alle Beteiligten zufrieden stellend ist.

Wie in jeder anderen Lebenssituation auch, werden Gespräche im Call Center wesentlich davon beeinflusst, ob die hinter den Wünschen, Forderungen und Positionen stehenden Bedürfnisse des Gesprächspartners erkannt und verstanden werden und ob es gelingt, dieses Verständnis auch dem Gegenüber zu vermitteln.

„ Vielfach übersehen wird, dass der/die KundIn nicht nur einen konkreten sachlichen Bedarf hat, sondern auch emotionale Bedürfnisse.“(Kirchler, (Hg.) 2007, S. 83)

Genauso gilt das auch für die Bedürfnisse des Agenten; am Arbeitsplatz werden diese jedoch hintangestellt. In den letzten Jahren haben aber bereits viele Call Center Verantwortliche erkannt, dass nur motivierte Mitarbeiter auf Dauer gute Serviceleistungen erbringen können. Deshalb wird versucht den emotionalen Druck mit begleitenden Maßnahmen zu mildern (z.B.: Coachings, Supervision, Pausenregelungen).

Da die Mitarbeiter im Call Center schon aufgrund der Frequenz an Kundenkontakten und aufgrund der besonderen Aufgabe mit einer großen Anzahl an Konfliktgesprächen konfrontiert sind, ist für die Ausübung dieses Berufes ein hohes Konfliktlösungspotential notwendig. Auch wenn die Kommunikation im Call Center zusätzlich erschwert wird durch die Distanz die das Telefon mit sich bringt, den Zeitdruck, die psychischen Belastungen aufgrund organisatorischer und technischer Bedingungen, welchen Mitarbeiter im Call Center ausgesetzt sind (Maaß, 2001), wirken doch die selben Dynamiken bei der Entstehung von Konflikten und deren Bewältigung wie in anderen zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen auch.

Hypothesen

Aus dem vorher gesagten ergeben sich folgende Hypothesen:

1. Agenten setzten mediative Gesprächselemente zur Konfliktvermeidung und Konfliktbewältigung teils intuitiv, teils erlernt ein.
2. Schulungsbeauftragte und Trainer vermitteln Gesprächstechniken, wie sie auch in der Mediation eingesetzt werden.
3. Der gezielte Einsatz mediativer Kommunikationselemente wirkt sich im telefonischen Kundenkontakt positiv auf den Verlauf des Kundengespräches aus und kann damit zur Konfliktvermeidung und Konfliktbewältigung beitragen.

2. Allgemeine Einführung in die Terminologie und die Aufgaben eines Call Centers

2.1. Definition Call Center

Aufgabe eines Call Centers ist es, mit Unterstützung moderner Technologien zur Informations- und Sprachübermittelung die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden möglichst serviceorientiert und effizient abzuwickeln.

Nach einer Definition von Wiencke und Koke sind:

„Call Center […]Unternehmensabteilungen oder eigenständige Firmen, die unter Wahrung von Unternehmens- und Marketingzielen und mit Hilfe modernster Informations- und Telekommunikationstechnik einen serviceorientierten Dialog des Unternehmens mit Kunden , Interessenten und Lieferanten gewährleisten.“

(Wiencke und Koke, 1999, nach Kirchler, (Hg.) 2007, S.28)

Holtgrewe und Kerst schreiben sehr anschaulich von Call Centern als Grenzstellen die - spezialisiert auf telefonischen Kundenkontakt - Organisationen mit ihren Umwelten verbinden. ( Holtgrewe, Kerst, 2001)

2.2. Call Center Terminologie

Um die Kommunikation und die spezielle Situation in einem Call Center zu verstehen ist es notwendig, einen Überblick über die wesentlichsten Strukturelemente und organisatorischen Grundlagen zu haben. Aus diesem Grund möchte ich vorab kurz auf die Terminologie der Call Center Branche eingehen.

Grundsätzlich wird zwischen Inbound­telefonie und Outboundtelefonie unterschieden. Bei Outbound Gesprächen handelt es sich um Telefongespräche die durch den Agenten, also den Call Center Mitarbeiter, initiiert werden, etwa zum Zweck des Verkaufes, der aktiven Informationsweitergabe, für Umfragen und ähnliches. Bei Inboundgesprächen kontaktieren die Kunden ein Unternehmen und der Agent reagiert als erste Ansprechperson des Unternehmens am Telefon. Typische Inbound Call Center sind Informationshotlines, Beschwerdehotlines, Auskunftshotlines oder Call Center zur Bestellannahme.

Im Allgemeinen wird ein einlangender Anruf von einer ACD Anlage (Automatic Call Distribution) dem Agenten zugeteilt. Üblicherweise werden über die Telefonanlage eine Reihe von Daten und Kennzahlen erhoben, die zur Planung und Steuerung des Personaleinsatzes herangezogen werden. Typische Kennzahlen sind unter anderem Erreichbarkeit, durchschnittliche Wartezeit, durchschnittliche Gesprächszeit, Anzahl der angebotenen und bearbeiteten Anrufe. Die Nutzung dieser Kennzahlen im Zusammenhang von mitarbeiterbezogenen Auswertungen zur Leistungsbewertung wird zunehmend kritisch hinterfragt und, vor allem bei Inhouse Call Centern, durch spezielle Vereinbarungen mit dem Betriebsrat geregelt.

Häufig werden die Anrufe im Vorfeld durch IVR Systeme (Interactive Voice Response) vorqualifiziert und einem entsprechend geschulten Mitarbeiter zugeordnet. In diesem Fall wird mit Hilfe eines „Skill based routings“ die Verteilung der Anrufe gesteuert.

Von CTI (Computer Telefonie Integration) spricht man, wenn zwischen der Telefonanlage und der Kunden- oder Produktdatenbank eine Verbindung besteht, zum Beispiel um die Kundendaten mittels Screen Pop Up (automatische Anzeige der Kundendaten am Schirm) anhand einer erkannten Telefonnummer oder einer vom System abgefragten Kundennummer anzuzeigen. Damit wird ein Teil des Anrufes automatisiert erledigt und die tatsächliche Gesprächsdauer zwischen Kunden und Call – Center Agenten verkürzt.

Häufig stehen den Agenten Informationssysteme wie Intranet und Wissensdatenbanken zur Verfügung um die rasche Abfrage und Weitergabe von Informationen zu ermöglichen. Zudem gibt es, je nach Aufgabe des Call Centers, mehr oder weniger regulierten Zugriff auf die Datenbanken des Unternehmens um die Bearbeitung des Kundenanliegens innerhalb der festgelegten Kompetenzen zu ermöglichen.

2.3. Organisationsstruktur

Innerhalb der Call Center finden sich zumeist folgende Unterstrukturen:

First Level – hier gehen alle Anrufe ein. Ziel ist es möglichst viele Anrufe nach möglichst kurzer Wartezeit und in möglichst kurzer Gesprächszeit zu bearbeiten.

Second Level – Eskalationsgespräche, besonders langwierige Beschwerden aus dem First Level werden übernommen. Kundenanliegen, die ein weiterführendes Wissen oder weiterreichende Kompetenzen erfordern, werden ebenfalls im Second Level betreut.

Backoffice – häufig ident mit dem Second Level, „nachfolgende“ Arbeiten wie etwa der Versand von Unterlagen, E-Mail Bearbeitung, technische Einstellungen und ähnliches werden im Backoffice erledigt.

Supervisor / Teamleiter – Teams von 5 – 20 Agenten werden jeweils von einem Teamleiter betreut, wobei sich die Zuständigkeit jeweils auf eine Schicht oder auf eine spezielle Gruppe von Agenten beziehen kann. Häufig werden die Teamleiter von Senior Callern in den Führungsaufgaben unterstützt.

Aufgrund der Schichtdienste und aus Kostengründen wird in vielen Fällen mit „Desksharing“ gearbeitet, das bedeutet, dass den Call - Center Agenten keine fixe Arbeitsplätze zugeteilt werden, sondern diese nach Verfügbarkeit pro Schicht zugeteilt oder von den Agenten gewählt werden.

2.4. Anforderungen an einen Call Center Mitarbeiter

Als allgemeine Voraussetzungen für Call Center Mitarbeiter finden sich in der Literatur[1] Eigenschaften wie: Stressresisdenz, hohe Frustrationstoleranz, Flexibilität, Freundlichkeit, Eloquenz, kommunikative Fertigkeit, angenehme Telefonstimme, deutliche Sprechweise, schnelles Reaktionsvermögen, rasche Auffassungsgabe.

Allein aus dieser Auflistung der erwünschten Fähigkeiten lässt sich erkennen, wie viel Bedeutung den so genannten „soft skills“ beigemessen wird.

Während Call Center Anfang der 90iger Jahre des 20. Jahrhunderts häufig einfache Organisationsbestandteile waren, aufgebaut ganz im Sinne neotayloristischer Unternehmensführung, gekennzeichnet durch einen stark arbeitsteiligen Ablauf der den Mitarbeitern kaum Freiraum ließ, zeichnet sich mit dem – durchaus wirtschaftlich begründet – stärker werdenden Service- und Dienstleistungsbekenntnis der Unternehmen zumindest teilweise ein Trendwandel in der Branche ab.

Auf Seiten der Unternehmen stehen nach wie vor ökonomische Überlegungen im Vordergrund; das bedeutet zum Einen, dass der Agent möglichst wenig Zeit für das Telefonat samt Nacharbeit benötigen soll, dem Kunden keine oder wenige Kosten verursachende Zugeständnisse machen und im Idealfall den Anruf noch als Vertriebsmöglichkeit nutzen soll.

Zum anderen soll der Kunde durch Kundenorientierung und Service überzeugt werden, gilt doch, wie auch Madlen erklärt: „Kundenzufriedenheit […] als Voraussetzung für Kundenbindung und –loyalität und somit für die Realisierung ökonomischer Unternehmensziele wie Umsatz und Gewinn.“(Madlen, 2006)

Um diesem Auftrag gerecht zu werden, werden nicht mehr „nur“ Telefonisten, die vorgegebenen Gesprächsleitfäden folgend Stückzahlen abtelefonieren, benötigt, sondern zunehmend mittel bis hoch qualifizierte Facharbeiter.

Diesen kommt die Aufgabe zu nach außen die, von Marketing Experten und Unternehmern geschürten, oftmals „entgrenzten“ Erwartungen der Kunden sozial kompetent abzufedern und nach innen entsprechende Entscheidungen und Folgeaktivitäten auszulösen. (Holtgrewe, Kerst, 2001)

Am Beginn jeder Call Center Tätigkeit stehen üblicherweise Schulungen deren Ziel neben der Vermittlung der firmenspezifischen Sachinhalte auch die Förderung der kommunikativen Kompetenz und das Training spezieller Gesprächstechniken ist.

Die Anforderungen, die von einem Mitarbeiter im Call Center im Rahmen der Call Center spezifischen Schulung erworben werden sollen, lassen sich im Wesentlichen in drei Kompetenzbereiche einteilen:

„ Fachkompetenz: Kenntnisse über Produkte, Wissen über Kundenbedürfnisse, Kundenprobleme und Reklamationsgründe, Wissen über Abläufe und Serviceleistungen und über die Unternehmensleitbilder.

Systemkompetenz: Beherrschung der Telefon- und Computertechnik sowie

anwendungsbereites Wissen über die Software.

Kommunikative Kompetenz: Beherrschung von kommunikativen Fertigkeiten

in den verschiedensten, auch konfliktbehafteten Gesprächssituationen.“ ((Wiencke und Koke, 1997; Köpf 1998; nach Metz, Rothe, Degener; Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie; 45; 2001, S. 5)

2.5. Charakteristische Merkmale der Arbeit im Call Center

Spricht man vom Call Center wird in vielen Fällen das Bild von der „Visitenkarte des Unternehmens“ strapaziert. Der Mitarbeiter im Call Center repräsentiert das Unternehmen am Telefon, es kann sogar davon ausgegangen werden, dass in einer beachtlichen Anzahl der Interaktionen der Call Center Agent vom Kunden „als das Unternehmen selbst“ wahrgenommen wird.

Unterstützt durch eine Reihe technologischer Werkzeuge hat der Mitarbeiter im Call Center den Auftrag Kunden zu betreuen und zwar so, dass er den Großteil der an ihn herangetragenen Anliegen, Probleme, Beschwerden, usw. selbstständig abwickelt oder zumindest die Problemstellung richtig erkennt und einordnet und an die entsprechende Stelle weiterleitet. Für eine effiziente und kundenverträgliche Abwicklung der Anfragen am Telefon ist eine Kombination aus fachlich versierter Problemlösungskompetenz und hoch entwickelten sozialen Kompetenzen gefordert.

Der Arbeitsplatz Call Center und im speziellen die Arbeit des Call Center Agenten im Kontakt mit dem Kunden zeichnen sich durch einige Charakteristika aus, die im Folgenden kurz beschrieben werden.

2.5.1. Frequenz

Die durchschnittliche Dauer eines Telefonates im Call Center hängt von der Komplexität firmenspezifischer Inhalte und der durchschnittlichen Beschwerde- und Reklamationstendenz zum Produkt oder zum Unternehmen ab. Zwischen drei und vier Minuten dauert ein Gespräch samt Nachbearbeitungszeit in vielen Branchen (Metz, Rothe, Degener, 2001) was bedeutet, dass sich ein Call Center Agent im Durchschnitt täglich etwa 120 verschiedenen Gesprächspartnern und verschiedenen Gesprächsituationen stellen muss.

Die Herausforderung möglichst jeden dieser Gesprächspartner mit standardisierter Freundlichkeit zu betreuen, sich auf seine Sprache, seine Erwartungshaltung, seine emotionalen Reaktionen einzustellen ist beachtlich und wird von vielen Mitarbeitern im Call Center als große Belastung wahrgenommen.

2.5.2. Servicelevel und Wartezeit

In diesem Zusammenhang muss auch auf ein wesentliches Kriterium, durch welches die Serviceleistung eines Call Centers definiert wird, den Service Level als Parameter für die Erreichbarkeit des Unternehmens, hingewiesen werden. Das Erreichen bestimmter, durch interne Zielvorgaben oder vertraglich festgelegter Servicelevel, ist ein wesentlicher Faktor bei der Gestaltung der Call Center Führung und wirkt sich somit unmittelbar auf die Gesprächsführung und die Belastung der Agenten aus. Zudem beeinflusst die Wartezeit das Gesprächsverhalten und die Konfliktbereitschaft der Kunden erheblich.

In der Fachliteratur wird von einem Standardservicelevel 80/20 gesprochen, was bedeutet, dass 80 Prozent der Anrufer innerhalb von 20 Sekunden an einen Agenten verbunden werden. Das Bestreben des Unternehmens ist es im Regelfall eine ausgewogene Balance zwischen Serviceleistung und Kosten zu finden. Sinnvollerweise werden im Vorfeld Erhebungen über die spezifische Wartebereitschaft des eigenen Kundensegmentes durchgeführt.

Einige Untersuchungen haben gezeigt, wie unterschiedlich die subjektive Wahrnehmung hinsichtlich der gewarteten Zeit ist. So scheinen Männer weniger gut mit längeren Wartezeiten am Telefon zu Recht zu kommen als Frauen und auch das Alter scheint eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der gewarteten Zeit zu haben. Fraisse geht davon aus, dass mit zunehmendem Alter die Zeiteinschätzung immer kürzer wird (Fraisse, 1985), eine Hypothese die im Rahmen einer Erhebung zu Wartezeiten am Telefon jedoch nicht bestätigt werden konnte. Einigkeit herrscht jedoch über Faktoren welche die Zeit subjektiv lang, z.B.: Monotonie, Desinteresse, unangenehme Situation u.ä. oder subjektiv kurz, z.B.: angenehme Situation, aktive Reize, schwierige Aufgaben u.ä. erscheinen lassen. (Kirchler, (Hg.), 2007)

Wienke und Koke warnen vor der „Ungeduld der Anrufer durch die „unsichtbare“ Warteschlange“ (Wienke; Koke, 1999). Kunden und Interessenten am Telefon sind wesentlich rascher über Wartezeiten verärgert als sie es im direkten Kundenkontakt sind, was entweder zur Folge hat, dass der (potentielle) Kunde bei allzu langer Wartezeit auflegt und im besten Fall einen späteren, bereits vorbelasteten Versuch startet oder, dass die Verärgerung über die lange Wartezeit das folgende Gespräch mit dem Agenten implizit oder explizit negativ belastet.

Zu beobachten ist, dass mit steigender Wartezeit einerseits, bedingt durch Wahlwiederholer, die Anzahl der angebotenen Anrufe steigt und, dass sich andererseits nach einer längeren Wartezeit die durchschnittliche Gesprächsdauer merklich verlängert. Beides führt dazu, dass sich der Druck auf die Call Center Führung und damit auf die Agenten weiter erhöht. Wobei die „kritische Wartezeit“ als branchenabhängig zu vermuten ist. Nach eigenen Beobachtungen scheint sie bei Informationshotlines im öffentlichen Bereich in bei etwa 60 Sekunden zu liegen, ein Richtwert der auch in anderen Branchen als gerade noch kundenverträglich gilt.

Wird diese „kritische Wartezeit“ überschritten, reagieren viele Kunden indem sie entweder die Wartezeit selbst thematisieren bevor sie den eigentlichen Grund des Anrufes ansprechen oder indem sie weitere, über ihr ursprüngliches Anliegen hinausgehende Informationen wünschen um eine nochmalige Wartezeit für einen weiteren Anruf zu vermeiden.

2.5.3. Mitarbeiterfluktuation

Auffallend ist, dass die Mitarbeiter - Fluktuation in der Call Center Branche im Vergleich zu anderen serviceorientierten Tätigkeiten recht hoch ist. Obwohl sich in diesem Punkt eine leichte Besserung bemerken lässt, liegt sie laut einer aktuellen österreichischen Studie bei durchschnittlich 13,1%, wobei sich ein deutlicher Unterschied zwischen Inhouse Call Centern mit 10,8% und Agenturen 18,7% zeigt. (Contact Center Marktstudie 2007)

Positiv ist anzumerken, dass sich insbesondere im Bereich der Inhouse Call Center ein gewisser Trend zur Mitarbeiterbindung abzeichnet, was sich einerseits in den stabileren Dienstverhältnissen zeigt und sich andererseits auch an den vermehrten Schulungs- und Coachingmaßnahmen ableiten lässt. Zurückzuführen ist das sowohl auf die, im Vergleich zu externen Dienstleistern hohen Kosten für Rekrutierung und Ausbildung (FORBA, 2005) als auch auf die zunehmend höhere Bedeutung der Servicequalität für die Unternehmen. Dafür sprechen auch die Ergebnisse der Contact Center Marktstudie 2007 aus der hervorgeht, dass Qualität und Steigerung der Kundenzufriedenheit als wesentliche Erfolgsfaktoren an Platz eins und zwei gereiht wurden. Passend dazu wurde der Aus- und Weiterbildung von Agenten noch vor der Neukundengewinnung die höchste Priorität zugemessen.

Nicht zu vernachlässigen ist allerdings auch die Tatsache, dass sich die rechtliche Situation hinsichtlich der Art des Dienstverhältnisses der Call Center Mitarbeiter in den letzten Jahren maßgeblich geändert hat. Bis vor wenigen Jahren war es üblich Call Center Agenten als Freie Dienstnehmer zu beschäftigen. Die aktuelle gesetzliche Lage ermöglicht das nicht mehr, Agenten müssen angestellt werden.

2.5.4. Distanz

Im Zuge einer Studie an der Universität Salzburg zeigte sich, dass mit Reduktion der Distanz zum Kommunikationspartner die Bereitschaft zur Überschreitung sozialer Normen steigt. Im Rahmen des 1973 durchgeführten Experimentes wurde gezeigt, dass „die Anzahl aggressiver Verbaläußerungen bei der schriftlichen Form signifikant höher war als in der telefonischen Befragung“. (Stollreiter, Ebner, Völgyfy, 2007, S. 147).

Betrachtet man die Unterschiede zwischen persönlichem und telefonischem Kundenkontakt unter diesem Gesichtspunkt, ergibt sich daraus, dass sich die Kommunikation am Telefon, die ja mit einer größeren Distanz zum Kunden verbunden ist als der persönliche, direkte Kundenkontakt, konfliktriskanter gestaltet. Dazu kommt, dass im Gegensatz zum schriftlichen Kundenkontakt, der in einen bestimmten zeitlichen Rahmen abgewickelt wird, die telefonische Anfrage eine sofortige Reaktion des Agenten erfordert.

2.6. Psychologie der Dienstleistung

Etliche Studien rund um das Thema Psychologie der Dienstleistung haben sich mit den typischen Belastungsszenarien in Dienstleistungsberufen, den spezifischen Belastungsprofilen die bis zur Erkrankung der Mitarbeiter führen können und den damit einhergehenden hohen Fluktuationsraten, beschäftigt.

Im Folgenden möchte ich einige, die aus meiner Sicht die speziellen Probleme der Arbeit im Call Center besonders treffend beschreiben, kurz erläutern.

2.6.1. Kundenanliegen: zwischen Bedarf und Bedürfnis

Es ist durch eine Reihe von Forschungen nachgewiesen, dass ein wesentlicher Schwerpunkt der von den Agenten zu leistenden Arbeit nicht auf der Sachebene sondern auf der emotionalen Ebene zu sehen ist. Das trifft umso mehr zu, als auch die Auftraggeber die wirtschaftliche Bedeutung von Serviceleistung erkannt haben:

Ein nicht gedeckter Bedarf lässt sich manchmal weniger, manchmal mehr durch das Befriedigen von Bedürfnissen kompensieren. Der Trend ist jedoch, dass Freundlichkeit und Service für KundInnen immer wichtiger werden – […] Der Service – das Eingehen auf Kundenbedürfnisse – entscheidet also immer häufiger.“(Kirchler, (Hg.) 2007, S.85)

Der Arbeitsauftrag im Call Center lässt sich dementsprechend mit zwei unterschiedlichen Aufgabenfeldern beschreiben: einerseits das Aufgabenfeld der Emotions- und Beziehungsbearbeitung, andererseits das der Bearbeitung des Sachproblems.

Haase, Kleemann, Matuschek und Schulz-Nötzold halten in Ihrer Studie über soziologische und linguistische Stile in Call Centern fest, dass die telefonische Interaktion mit dem Kunden: „eine potentielle konflikt – und emotionsträchtige Gesprächsform [ist], die einer organisatorischen Vorstrukturierung und Formalisierung unterliegt“. (Brünner nach Haase, Kleemann, Matuschek und Schulz-Nötzold 2003)

Sie beschreiben, dass der Call Center Agent im Gespräch mehreren „Maximenkonflikten“ ausgesetzt wird:

- Sprache des Kunden (Laie) sprechen vs. sich als Fachmann (Experte) zeigen;
- Handeln als Repräsentant der Organisation vs. als Individuum;
- Image der Organisation positiv darstellen vs. Fehler eingestehen / Kundenperspektive übernehmen;
- Emotionale / Beziehungsebene vs. Sachprobleme bearbeiten;
- Kundenorientiert vs. organisationsorientiert kommunizieren.

(Haase, Kleemann, Matuschek, Schulz-Nötzold; 2003)

[...]


[1] Vergleiche Wiencke,

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Kommunikative Strategien zur Vermeidung und Bewältigung von Konflikten im telefonischen Kundenkontakt
Untertitel
Eine empirische Erhebung über den Einsatz mediativer Kommunikationselemente in Call Centern
Hochschule
ARGE Bildungsmanagement Wien
Veranstaltung
Masterlehrgang Mediation
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2008
Seiten
80
Katalognummer
V231952
ISBN (eBook)
9783656487531
ISBN (Buch)
9783656491743
Dateigröße
816 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konfliktmanagement, Kundenservice, Call Center, Contact Center, Beschwerdemanagement, Mediation
Arbeit zitieren
Ute Hablesreiter (Autor:in), 2008, Kommunikative Strategien zur Vermeidung und Bewältigung von Konflikten im telefonischen Kundenkontakt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231952

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