Chancen und Probleme strategischer Unternehmensführung in kleinen und mittleren Unternehmen


Diplomarbeit, 2013

128 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Unternehmen
2.2 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
2.2.1 Einstufung als Unternehmen
2.2.2 Quantitative Abgrenzung
2.2.3 Qualitative Abgrenzung
2.2.4 Familienunternehmen
2.3 Führung
2.4 Unternehmensführung
2.4.1 Theorien der Unternehmensführung
2.4.2 System der Unternehmensführung
2.4.3 Strategische Unternehmensführung

3 Probleme strategischer Unternehmensführung in KMU
3.1 Der intuitive Unternehmer
3.2 Die Überschreitung der Schwelle zur Unübersichtlichkeit
3.3 Entwicklung von Organisationsstrukturen
3.4 Unternehmensidentität und -kultur
3.5 Organisationstyp und strategische Entscheidungsfindung
3.6 Gründe gegen und Probleme bei der Durchführung
3.6.1 Mangel an der Ressource Zeit
3.6.2 Mangel an der Ressource Wissen
3.6.3 Mangel an Umsetzung

4 Chancen strategischer Unternehmensführung in KMU
4.1 Gründe für die Durchführung einer strategischen Unternehmensplanung
4.2 Formalisierungsgrad
4.3 Langfristigkeit
4.4 Flexibilität
4.5 Erschaffung einer neuen Wirklichkeit
4.6 Motivation
4.7 Zusammenhang strategischer Planung und Erfolg in KMU

5 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
5.1 Zusammenfassung
5.2 Fazit
5.3 Ausblick

Literatur- und Quellenverzeichnis

Eigenständigkeitserklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2-1: Verteilung von Unternehmen nach Größenklassen (Statistisches Bundesamt, 2011)

Abbildung 2-2: Differenzierung des Führungsbegriffs (Dillerup, et al., 2013 S. 8)

Abbildung 2-3: Unternehmensführung als funktionale Führung von Unternehmen (Dillerup, et al., 2013 S. 9)

Abbildung 2-4: Bestandteile des Systems (Dillerup, et al., 2013 S. 29)

Abbildung 2-5: Führungskreislauf (in Anlehnung an Dillerup, et al., 2013 S. 47)

Abbildung 2-6: St.-Galler-Management-Modell (in Anlehnung an Bleicher, 2011 S. 90)

Abbildung 2-7: System der Unternehmensführung (in Anlehnung an Dillerup, et al., 2013 S. 51)

Abbildung 2-8: Integriertes System der Unternehmensführung (in Anlehnung an Dillerup, et al., 2013 S. 53)

Abbildung 2-9: Evolutionsstadien strategischer Unternehmensführung (in Anlehnung an Henzler, 1988 S. 1289)

Abbildung 2-10: Strategiekonzept der Harvard Business School (Andrews, 1971 S. 21)

Abbildung 2-11: Das 7-S-Modell (Peters, et al., 1982 S. 32)

Abbildung 2-12: Strategien als hierarchisches Element der Unternehmensführung (Dillerup, et al., 2013 S. 169)

Abbildung 2-13: Kernelemente einer Strategie

Abbildung 2-14: Elemente einer Strategie (Dillerup, et al., 2013 S. 171)

Abbildung 2-15: Grundmuster von Strategien (Mintzberg, et al., 2012 S. 26)

Abbildung 2-16: Strategisches Dreieck der Wettbewerbsvorteile (Hungenberg, 2011 S. 196)

Abbildung 2-17: Systematik von Wettbewerbsvorteilen (in Anlehnung an Day, 1998)

Abbildung 2-18: Erfolgspotenzial als Vorsteuerungsgröße (in Anlehnung an Gälweiler, 1987 S. 28, 34)

Abbildung 2-19: PIMS-Auswertung der Erfolgsfaktoren Marktanteil und Qualität (The Strategic Planning Institute, 2013)

Abbildung 3-1: Zusammensetzung der Stichprobe (Deimel, 2008 S. 284)

Abbildung 3-2: Existenz und Bedeutung strategischer Planung in KMU (Deimel, 2008 S. 285)

Abbildung 3-3: Entwicklungsphasen einer Organisation (Greiner, 1972 S. 41)

Abbildung 3-4: Anzahl und Inhalt geplanter Funktionalstrategien (Deimel, 2008 S. 295)

Abbildung 3-5: Planungsintensität nach Unternehmensgrößenklassen (Deimel, 2008 S. 295)

Abbildung 3-6: Strategische Grundhaltungen im Produkt-/Marktbereich (Kirsch, 1983 S. 405)

Abbildung 3-7: Gründe gegen den Einsatz strategischer Planung in KMU (Deimel, 2008 S. 289)

Abbildung 3-8: Controlling-Aufgabenträger nach Leitungsstruktur (Deloitte Mittelstandsinstitut an der Universität Bamberg, 2013 S. 8)

Abbildung 3-9: Instrumente der strategischen Planung in KMU (Deimel, 2008 S. 293)

Abbildung 3-10: Instrumente der strategischen Unternehmensplanung (inhabergeführt vs. nicht-inhabergeführte KMU) (Deimel, 2008 S. 294)

Abbildung 3-11: Planungshorizont der strategischen Planung in KMU

Abbildung 3-12: Instrumente der strategischen Planung in KMU (Deimel, 2008 S. 293)

Abbildung 3-13: Instrumente der strategischen Unternehmensplanung (inhabergeführt vs. nicht-inhabergeführte KMU) (Deimel, 2008 S. 294)

Abbildung 4-1: Argumente für den Einsatz strategischer Planung in KMU (Deimel, 2008 S. 287)

Abbildung 4-2: Vorhandensein eines Leitbildes in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße (Sattes, et al., 1998 S. 26)

Abbildung 4-3: Zielsetzungen der strategischen Planung in KMU (Deimel, 2008 S. 291)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2-1: Elemente und Merkmale eines Unternehmens (Dillerup, et al., 2013 S. 6)

Tabelle 2-2: Anzahl der Betriebe in Deutschland nach Größenklassen in den Jahren 2009 bis 2012 (Bundesministerium der Finanzen, 2013)

Tabelle 2-3: Unterscheidung der Ebenen der Unternehmensführung (Dillerup, et al., 2013 S. 43)

Tabelle 2-4: Elemente im Führungsprozess (Dillerup, et al., 2013 S. 46)

Tabelle 2-5: Einordnung von Erfolgspotenzialen (Dillerup, et al., 2013 S. 176)

Tabelle 2-6: Klassifizierung von Strategien (in Anlehnung an Bea, et al., 2009 S. 165)

Tabelle 3-1: Auswirkungen der Strukturdimensionen auf Charakteristika des Entscheidungsprozesses (Fredrickson, 1986)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Technologien sind im ständigen Wandel. Die zunehmende Globalisierung führt zu einer höheren Dynamik der Rahmenbedingungen für Unternehmen, steigender Veränderungsgeschwindigkeit und kürzeren Marktlebenszyklen bei gleichzeitiger wachsender Komplexität technischer Lösungen. Noch nie zuvor vollzog sich dieser Prozess so schnell wie in heutiger Zeit. Dies stellt höchste Anforderungen an die Unternehmensführung. Es zwingt das Management dazu, sich immer mehr mit der Zukunft zu beschäftigen. (Malik, 1987 S. 15)

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spielen in diesem internationalen Wettbewerb eine Schlüsselrolle (Sattes, et al., 1998 S. IX). Sie bilden einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Bundesrepublik Deutschland, wie auch in Europa (Deimel, 2008) und stellen somit die Triebkräfte für wirtschaftliches Wachstum, Innovation und Beschäftigung dar (Statistisches Bundesamt, 2011 S. 1086).

Günter Verheugen, Mitglied der Europäischen Kommission, zuständig für Unternehmen und Industrie, beschreibt das in der Einleitung der neuen KMU-Definition der Europäischen Kommission (2006) wie folgt: „Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind der Motor der europäischen Wirtschaft. Sie tragen wesentlich zur Entstehung von Arbeitsplätzen bei, fördern den Unternehmergeist und die Innovationstätigkeit in der EU und spielen deshalb eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung.“

„In den 25 Mitgliedstaaten der erweiterten Europäischen Union gibt es etwa 23 Mio. KMU, die rund 75 Mio. Arbeitsplätze stellen […] (Europäische Kommission, 2006)“ Damit machen die KMU nicht nur in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2011 S. 1086), sondern auch in der erweiterten Europäischen Union 99 % des Unternehmensbestands aus (Europäische Kommission, 2006).

In Deutschland erreichten diese Unternehmen im Jahr 2009 einen Beschäftigungsanteil von über 60 %. Zudem entfielen nahezu 36 % der erzielten Umsätze, fast 45 % der Bruttoinvestitionen und gut die Hälfte der erwirtschafteten Bruttowertschöpfung aller Unternehmen in Deutschland auf KMU. (Statistisches Bundesamt, 2011 S. 1086)

Während junge KMU häufig Impulsgeber für Weiterentwicklungen, Anpassungen und Neuorientierungen der Wirtschaftsstruktur sind, sichern etablierte Unternehmen eher die Stabilität der Gesamtwirtschaft (Szyperski, et al., 1999 S. 13; OECD, 2002).

Trotz dieser hohen gesamtwirtschaftlichen Relevanz der KMU für die Wirtschaft, beschäftigen sich die Medien und die betriebswirtschaftliche Forschung hauptsächlich mit den Großunternehmen (Deimel, 2008). Dies könnte daran liegen, dass 65 % der Umsätze, 60% der Bruttoinvestitionen, 54 % der Bruttowertschöpfung und 42 % der Beschäftigung auf Großunternehmen entfielen, wie sich im Rahmen einer wirtschaftsbereichsübergreifenden Analyse des Statistischen Bundesamtes (2008 S. 4) zeigte. Aus diesem Grund, so Deimel (2008), sind die meisten Strategiekonzepte i. d. R. auf Großunternehmen ausgerichtet und für KMU zu komplex, zu aufwendig oder gar nicht brauchbar. Deshalb werden Anwendungsfehler für strategische Konzepte eher in großen Unternehmen als in KMU gesucht (Sattes, et al., 1998 S. IX) und in Fragen der Strategiefindung und -entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen bisher nur wenig beleuchtet (Deimel, 2008).

In einem Bericht über die Ursachen von Insolvenzen berichten Insolvenzverwalter über die typischen Insolvenzfälle. So haben die „typischen“ insolventen Unternehmen in 49 % der Fälle eine Umsatzgrößenklasse von unter 5 Mio. Euro, in 53 % der Fälle eine Mitarbeiteranzahl von unter 50 und sind in 82 % der Fälle inhabergeführt. (Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim e.V., 2006 S. 15)

Insbesondere die jungen, kleinen und kleinsten Unternehmen unterliegen einer hohen Sterberate (Kraus, et al., 2007 S. 377 f.). Jedoch steigt auch für die etablierten KMU, mit der Zunahme der Komplexität der Umwelt, das Risiko, durch Fehlentscheidungen den Weiterbestand des Unternehmens in Gefahr zu bringen (Sattes, et al., 1998 S. 31). Während in den 50er und 60er Jahren der Markt noch viele Fehler verzieh (Sattes, et al., 1998 S. 31), kann dies heute, angesichts knapper Ressourcen[1], besonders finanzieller Art (Ursachen von Insolvenzen, 2006 S. 3, 7), lebensgefährlich für das Unternehmen sein (Sattes, et al., 1998 S. 31). Deswegen wird es mit steigender Komplexität der Umwelt immer wichtiger das Risiko von Fehlentscheidungen so gering wie möglich zu halten (Sattes, et al., 1998 S. 31). Strategisches Management bzw. strategische Unternehmensführung könnte dazu ein Ansatz sein. Demgegenüber sind insbesondere die Kleinunternehmer häufig der Meinung, „dass man in einem Betrieb mit guten Produkten kein strategisches Denken im eigentlichen Sinne braucht. (Sattes, et al., 1998 S. 7)“ So ist die Annahme, dass das Festlegen von Strategien die Handlungsfreiheit einschränke, besonders bei den Leitern von KMU anzutreffen, mit der Begründung, dass dadurch die eigentliche Stärke der KMU verloren ginge: Ihre Flexibilität (Sattes, et al., 1998 S. 31).

1.2 Zielsetzung

Diese Arbeit soll die Frage beantworten, welche Chancen und Probleme bei strategischer Unternehmensführung in KMU existieren und daraus resultierend, welche Relevanz die strategische Unternehmensführung für das Überleben, die Konsolidierung und das Wachstum von KMU hat.

These: In KMU kann, im Kontext eines langfristigen Fortbestands und Wachstums des Unternehmens, auf eine strategische Unternehmensführung verzichtet werden.

1.3 Vorgehensweise

Diese Arbeit ist im Wesentlichen in drei Teile unterteilt. Kapitel 2 widmet sich auf Basis einer Literaturrecherche zunächst den theoretischen Grundlagen. Aufgrund der uneinheitlichen Verwendung verschiedener themenrelevanter Begriffe in Theorie und Praxis, ist es notwendig, zunächst einige begriffliche Abgrenzungen durchzuführen. In Kapitel 2.1 wird zunächst kurz beschrieben, was ein Unternehmen ist und in Kapitel 2.2 wie sich der KMU-Begriff abgrenzen lässt. Nach einer kurzen Beschreibung des Führungsbegriffs in Kapitel 2.3 geht diese Arbeit in Kapitel 2.4 intensiv auf das Thema Unternehmensführung ein. In diesem Zusammenhang werden in Kapitel 2.4.1 zunächst die Theorien und in Kapitel 2.4.2 das System der Unternehmensführung im Allgemeinen beschrieben. Anschließend wird in Kapitel 2.4.3 näher auf die strategische Unternehmensführung eingegangen. Kapitel 3 zeigt die Probleme der strategischen Unternehmensführung in KMU und der Kapitel 4 widmet sich den Chancen der strategischen Unternehmensführung in KMU. Dies resultiert im Wesentlichen aus Literaturrecherchen, ergänzt durch Beobachtungen und Befragungen. In Kapitel 4.7 erfolgt nach einer Zusammenfassung der Arbeit eine abschließende Beurteilung, inwieweit die strategische Unternehmensführung, im Kontext eines langfristigen Fortbestandes und Wachstums des Unternehmens, für die KMU relevant sein könnte und inwieweit diese Arbeit, die in der Zielsetzung genannte These, falsifizieren konnte. Des Weiteren werden die in den Kapiteln 4 und 5 formulierten Hypothesen noch einmal im Überblick aufgeführt.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Unternehmen

Bevor eine Eingrenzung auf kleine und mittlere Unternehmen erfolgen kann, ist zunächst einmal die Frage, was ein Unternehmen überhaupt ist. Für Dillerup, et al. (2013 S. 5) ist ein Unternehmen „ein komplexes System aus Zielen, Mitgliedern und Aktivitäten. Es strebt die Erreichung von Zielen an, die es zuvor weitgehend autonom festlegt. Seine Mitglieder bilden ein hierarchisches soziales System, welches auf die produktive Erbringung von Leistungen im offenen Austausch mit der Unternehmensumwelt gerichtet ist.“

„Konsequenz der Komplexität, Offenheit u.a. Eigenschaften von Unternehmen ist, daß die Führung in und von solchen Systemen eben diese Eigenschaften zu bewältigen versuchen muß, um die zielorientierte Handlungsfähigkeit des Gesamtsystems und seiner Teile zu gewährleisten. (Müller, 2001 S. 117)“

Unternehmen gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen, zu deren Klassifikation unterschiedliche Kriterien herangezogen werden (Kieser, et al., 2010): Ziele (privatwirtschaftlich oder gemeinnützig), Sektoren und Branchen (Sach- oder Dienstleistungsunternehmen), Rechtsformen und Größenkriterien. Diese Größenkriterien werden in Kapitel 2.2.2 genauer beschrieben.

Die Begriffe Betrieb und Unternehmen werden zwar umgangssprachlich meist synonym verwendet (Dillerup, et al., 2013 S. 7), benötigen jedoch im wissenschaftlichen Kontext einer genaueren Abgrenzung. Während das Unternehmen „der Oberbegriff für autonome, rechtlich-wirtschaftliche Betriebe“ ist, versteht man unter Betrieb „eine technisch-organisatorische Einheit eines Unternehmens“, wie z. B. ein Werk oder eine Verkaufsniederlassung (Dillerup, et al., 2013 S. 7). Insofern kann ein Unternehmen aus mehreren Betrieben bestehen (Wöhe, et al., 2010 S. 2 ff.). Auf eine Differenzierung zwischen dem Begriff Unternehmung, den die Organisationslehre für ein strukturiertes System verwendet, und den Begriff Unternehmen, den die Juristen als rechtliche Einheit bezeichnen, wird in dieser Arbeit verzichtet. Sie werden fortan synonym verwendet.

2.2 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

„Kleine und mittlere Unternehmen“ ist eine begriffliche Zusammenfassung von Unternehmen mit bestimmten Eigenschaften. Aufgrund der Länge dieses Ausdrucks wird häufig nur die Abkürzung KMU verwendet. Im deutschen Sprachgebrauch wird auch immer wieder vom Mittelstand oder auch deutschen Mittelstand gesprochen, was ein historisch gewachsener Begriff im deutschen Sprachraum ist, der vor allem auf die eigentümergeführten Unternehmen zurückzuführen ist (Dillerup, et al., 2013 S. 7).

Es existiert jedoch keine abgestimmte oder gesetzlich vorgeschriebene Definition, weswegen es auch nicht möglich ist, amtliche Daten zu diesem Begriff bereitzustellen. Im internationalen Sprachgebrauch der Wissenschaft und Statistik hat sich hingegen der Begriff small and medium- sized enterprises (SME) etabliert. Dieser hat sein deutsches Pendant in den KMU. (Statistisches Bundesamt, 2008 S. 1)

2.2.1 Einstufung als Unternehmen

Voraussetzung für die Einstufung als KMU ist eine Einstufung als Unternehmen. Gemäß der neuen Definition, die auch mit der Terminologie des Europäischen Gerichtshofs übereinstimmt (Europäische Kommission, 2006 S. 12), gilt als Unternehmen „jede Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

2.2.2 Quantitative Abgrenzung

Die Vergleichbarkeit statistischer Auswertungen werden durch die uneinheitliche Abgrenzung kleiner und mittlerer Unternehmen von Großunternehmen bei wissenschaftlichen Fragestellungen und wirtschaftspolitischen Diskussion erschwert (Statistisches Bundesamt, 2011 S. 1088).

Während die Europäische Union Unternehmen seit 2005 nach den Größengrenzen Beschäftigte und Umsatzerlös oder Bilanzsumme definiert[2], unterteilt das deutsche Handelsgesetzbuch Kapitalgesellschaften nach §267 HGB. Mindesten zwei der drei Merkmale Beschäftige, Umsatz und Bilanzsumme dürfen dabei an den Abschluss-Stichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschritten werden. (Dillerup, et al., 2013 S. 6)

Aufgrund dieser unterschiedlichen Verwendung von Kriterien wird häufig die Einteilung des Instituts für Mittelstandsforschung(IfM) (Brink, et al., 2011) herangezogen, die lediglich auf den beiden Kriterien Beschäftige und Umsatz basiert.

Tabelle 2-1: Elemente und Merkmale eines Unternehmens[3] (Dillerup, et al., 2013 S. 6)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Neben dieser Abgrenzung nach Größenklassen wird häufig auch zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Großunternehmen unterschieden. Dabei wird den Großunternehmen aufgrund ihres Umsatzanteils von rund 66 % in Deutschland viel Beachtung zu Teil. Jedoch gehört die überwiegende Anzahl der Unternehmen mit 99,3 % zu den KMU. Diese haben zwar mit nur 34 % einen relativ geringen Anteil am Gesamtumsatz, jedoch einen Beschäftigungsanteil von 61 %. (Dillerup, et al., 2013 S. 7)

Abbildung 2-1: Verteilung von Unternehmen nach Größenklassen (Statistisches Bundesamt, 2011)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Bundesministerium der Finanzen (2013) veröffentlichte im Juni 2013 eine Statistik, die die Anzahl der Betriebe in Deutschland im Zeitraum von 2009 bis 2012, unterteilt nach Größenklassen, wieder gibt.

Tabelle 2-2: Anzahl der Betriebe in Deutschland nach Größenklassen in den Jahren 2009 bis 2012 (Bundesministerium der Finanzen, 2013)[4]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die durchschnittliche Anzahl der Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe in den Jahren 2009 bis 2012 von rund 8,3 Mio. rechtfertigt eine Konzentration dieser Arbeit auf KMU.

2.2.3 Qualitative Abgrenzung

Weiterhin empfiehlt die EU-Kommission neben rein quantitativen Merkmalen auch qualitative Aspekte wie die Eigentums- und Entscheidungsverhältnisse zu berücksichtigen, um eine Unterscheidung zwischen KMU und Großunternehmen vorzunehmen. Demnach sollen nur Unternehmen als KMU betrachtet werden, die auch das Kriterium der Unabhängigkeit[5] erfüllen. (Söllner, 2011 S. 1088)

Um dieser idealtypischen Empfehlung gerecht zu werden, dürften weder Partnerunternehmen noch verbundene Unternehmen zur Gruppe der KMU zählen. „Partnerunternehmen sind alle Unternehmen, die einen Anteil zwischen 25 % und weniger als 50 % an einem anderen Unternehmen halten beziehungsweise bei denen sich mehr als 25 %, aber weniger als 50 % des Kapitals oder der Stimmrechte im Besitz eines oder mehrerer anderer Unternehmen befinden. Bei ‚verbundenen Unternehmen‘ beträgt der Kapital- oder Stimmrechtsanteil eines oder mehrerer anderer Unternehmen mindestens 50 %.“[6] (Statistisches Bundesamt, 2011 S. 1095)

Zur Identifizierung von Unternehmen, die direkt oder indirekt durch ein anderes Unternehmen kontrolliert werden und damit Teil einer Unternehmensgruppe sind, wurden vom Statistischen Bundesamt (2011) Informationen aus Unternehmensregistern ausgewertet, die seit dem Jahr 2007[7] der amtlichen Statistik vorliegen. Unter der Annahme, dass eine Kontrollbeziehung vorliegt, wenn das Kapital oder die Stimmenanteile mehrheitlich bei einem oder mehreren anderen Unternehmen liegen, konnten Unternehmen ermittelt werden, die zwar hinsichtlich ihres Umsatzes und der Zahl der Beschäftigten den KMU zuzuordnen sind, bei denen es sich aber um verbundene Unternehmen[8] handelt. Sie erfüllen nicht das Kriterium der Unabhängigkeit und werden fortan in der Arbeit nicht mehr betrachtet. (Statistisches Bundesamt, 2011 S. 1095)

2.2.4 Familienunternehmen

Häufig stößt man im Rahmen der Mittelstandsdiskussion neben dem Begriff kleinen und mittleren Unternehmen auch auf die Bezeichnung Familienunternehmen. Während die Abgrenzung von KMU anhand der beiden quantitativen Abgrenzungskriterien Beschäftigte und Umsatz definiert wird, basiert die Abgrenzung von Familienunternehmen völlig auf qualitativen Aspekten. Das bedeutet, dass es hierbei keine Grenzen bzgl. der Unternehmensgröße gibt. Unternehmen werden vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn dann als Familienunternehmen klassifiziert, wenn „maximal zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörigen mindestens 50 % der Anteile eines Unternehmens halten und die Geschäftsführung diesen natürlichen Personen obliegt.“ Daraus ergibt sich eine sehr große Schnittmenge zwischen Familienunternehmen und KMU. (Statistisches Bundesamt, 2011 S. 1088)

2.3 Führung

Es existieren In diesem Zusammenhang existieren zwei Bedeutungsvarianten von Führung, deren semantische Abgrenzung für die weitere Arbeit relevant ist (Hummel, et al., 2008 S. 1; Staehle, 1999 S. 65; Steinmann, et al., 2005 S. 6): Die funktionale und die institutionale Führung.

Das funktionale Führungsverständnis „beschreibt Führung als Gesamtheit der Aktivitäten, um etwas zu bewerkstelligen“ und „umfasst die erforderliche Planung, Steuerung und Kontrolle der ausführenden Handlungen.“ In dieses Führungsverständnis „fallen somit alle Mitarbeiter, die ihren Aufgabenbereich verantworten und nicht ausschließlich ausführende Tätigkeiten erbringen.“ (Dillerup, et al., 2013 S. 8)

Das institutionale Führungsverständnis „begreift Führung als eine Instanz, die eine Organisation führt. Solche Organisationen können z. B. Unternehmen, Verbände oder Parteien sein.“ Nach diesem Verständnis beinhaltet Führung „demnach alle Personen oder Gruppen von Personen, die mit Weisungsbefugnissen ausgestattet sind.“ (Dillerup, et al., 2013 S. 9)

Abbildung 2-2: Differenzierung des Führungsbegriffs (Dillerup, et al., 2013 S. 8)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da diese Arbeit im weiteren Verlauf vom funktionalen Führungsverständnis ausgeht, wird Führung wie folgt definiert: „Führung umfasst funktional alle Aufgaben und Handlungen zur zielorientierten Gestaltung, Lenkung und Entwicklung eines Systems. (Dillerup, et al., 2013 S. 9)“

Der häufig verwendete angloamerikanische Begriff Management hat viele Bedeutungen, ist weit verbreitet und wird nicht nur in der Betriebswirtschaftslehre verwendet. Insofern steht der Begriff Management je nach Kontext für etwas handhaben, durchführen, erledigen, verwalten, etwas leiten oder zustande bringen. (Dillerup, et al., 2013 S. 8)

Im Kontext dieser Arbeit ist Management „vor allem für die Entwicklung und Umsetzung strategischer Maßnahmen und die Lösung dabei auftretender Probleme zuständig“, wobei die Führungsfunktionen Planung, Kontrolle und Organisation dominieren. (Dillerup, et al., 2013 S. 8)

2.4 Unternehmensführung

Die Unternehmensführung übernimmt eine Querschnittsfunktion, da sie die einzelnen Funktionsbereiche eines Unternehmens (wie z. B. Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Absatz, Entsorgung, Personal und Organisation, Logistik, Marketing und Controlling) zu einer zielkonformen Gesamtheit zusammenfasst (Steinmann, et al., 2005 S. 8; Wöhe, et al., 2010 S. 49). Dabei steht sie „im Mittelpunkt des betrieblichen Geschehens und konzentriert sich auf die Führung des Betrachtungsobjektes Unternehmen. (Dillerup, et al., 2013 S. 9)“

Abbildung 2-3: Unternehmensführung als funktionale Führung von Unternehmen (Dillerup, et al., 2013 S. 9)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da Mitarbeiter lediglich einen Teilaspekt bei der Führung des Gesamtsystems Unternehmen bilden, und die Unternehmensführung daneben auch andere Perspektiven, wie z. B. Markt, Wettbewerb, Kunden oder Wirtschaftlichkeit umfasst, wird die Unternehmensführung auch als General Management bezeichnet.

Jedoch unterliegt der Begriff Unternehmensführung einem uneinheitlichen Verständnis und die Jahrzehnte der Managementlehre haben zu einem schwer überschaubaren Sammelsurium an Begriffen, Methoden, Techniken, Instrumenten und Modellen geführt (Malik, 2000 S. 250). Gründe dafür könnten sein, dass sich die Betriebswirtschaftslehre „in vielen Bereichen an verwandte Disziplinen wie z. B. die Psychologie oder Sozialwissenschaft anlehnt. (Dillerup, et al., 2013 S. 10)“ Gemäß Müller (2001 S. 112) könnte dies auch auf die Komplexität der zu berücksichtigenden Aspekte, die grundsätzlichen Unterschiede im Verständnis von Unternehmen und den Möglichkeiten von Unternehmensführung zurückzuführen sein. Der folgende Überblick soll die Uneinheitlichkeit der unterschiedlichen Begriffsauffassungen von Unternehmensführung verdeutlichen:

- „Unternehmensführung ist eine komplexe Aufgabe: Es müssen Analysen durchgeführt, Entscheidungen getroffen, Bewertungen vorgenommen und Kontrollen ausgeübt werden. (Ansoff, 1966 S. 9)“
- Für Malik (2000 S. 250) besteht der Zweck der Unternehmensführung darin, „dafür zu sorgen, dass die für eine erfolgreiche Anpassung, im Sinne der Erhaltung der Lebensfähigkeit der Unternehmung, erforderlichen Gestaltungs- und Lenkungsprozesse funktionieren.“
- „Unternehmensführung ist ein Prozess der Willensbildung und Willensdurchsetzung zur Erreichung eines Ziels oder mehrerer Ziele gegenüber anderen Personen unter Übernahme der hiermit verbundenen Verantwortung. (Hahn, 1996 S. 37)“
- Für Ulrich, et al. (1995) umfasst Unternehmensführung „alle zur Bestimmung der Ziele, der Struktur und der Handlungsweisen des Unternehmens sowie zu deren Verwirklichung notwendigen Aufgaben, die nicht ausführender[9] Art sind.“
- “Unternehmensführung ist zielgerechte Lenkung, Gestaltung und Entwicklung von Strukturen und Prozessen. (Schwaninger, 1994 S. 94)“
- “Unternehmensführung kann definiert werden als die Verarbeitung von Informationen und ihre Verwendung zur zielorientierten Steuerung von Menschen und Prozessen. (Wild, 1971 S. 57)“

Da der Begriff Unternehmensführung sehr uneinheitlichen Gebrauch findet, wird sie für den weiteren Verlauf dieser Arbeit wie folgt definiert: Unternehmensführung „umfasst alle Aufgaben und Handlungen zur zielorientierten Gestaltung, Lenkung und Entwicklung eines Unternehmens (Dillerup, et al., 2013 S. 10)“

2.4.1 Theorien der Unternehmensführung

Da keine allumfassende Theorie der Unternehmensführung existiert, ist es notwendig ihrer Komplexität mit unterschiedlichen Theorien zu begegnen (Dillerup, et al., 2013 S. 12). Dillerup, et al. (2013 S. 13) führen eine Reihe von Theorien der Unternehmensführung auf. Da die Unternehmensführung jedoch stark durch eine Mischung aus systemtheoretischen und evolutionsbiologischen Gedanken beeinflusst wird (Dillerup, et al., 2013 S. 36), wird im Folgenden lediglich die Systemtheorie und die Evolutionstheorie näher betrachtet werden.

2.4.1.1 Systemtheorie

Die Systemtheorie beschäftigt sich mit Fragen nach dem Verhalten und der Entwicklung von Systemen und Fragen nach gemeinsamen Eigenschaften (Ulrich, et al., 2001 S. 19). Dabei wird davon ausgegangen, dass ein System aus Elementen besteht, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen und miteinander in Beziehung stehen (Forrester, 1971 S. 13 ff.).

„Die Systemtheorie begreift ein Unternehmen als eine Anzahl von miteinander in Beziehung stehenden Elementen, die zu einem gemeinsamen Zweck miteinander operieren. […] Ein System kann durch Lenkung auf Ziele ausgerichtet werden, wobei durch Steuerung die Störungen im Vorfeld berücksichtigt und durch Regelung die Ergebnisse des Systems kontrolliert werden.“ (Dillerup, et al., 2013 S. 38, Hervorhebung durch den Verfasser)

Abbildung 2-4: Bestandteile des Systems (Dillerup, et al., 2013 S. 29)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Die Unternehmensführung ist ein Subsystem des Unternehmens, dessen Aufgabe die Koordination innerhalb des Systems sowie zwischen dem System und seiner Umwelt ist. (Dillerup, et al., 2013 S. 35)“ Dabei dient der systemtheoretische Ansatz zur Analyse und Erklärung von Unternehmen als Systeme mit dem Ziel der Komplexitätsbeherrschung (Ulrich, 2001 S. 105).

Die Systemtheorie „liefert das Grundverständnis der Unternehmensführung und erlaubt, Unternehmen als Elemente der Gesellschaft zu betrachten. (Dillerup, et al., 2013 S. 35)“

Beim Verhalten eines Systems ist Kausalität von grundlegender Bedeutung. Diese kausalen Zusammenhänge sind „unveränderliche Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Elementen […].“ Bei diesem Ursache-Wirkungs-Prinzip „wird etwas als Ursache bezeichnet, wenn diese immer im Zusammenhang mit einer Wirkung auftritt und ihre Veränderung zu einer geänderten Wirkung führt.“ Dabei wird Einfachen Ursache-Wirkungs-Ketten unterstellt, „dass Maßnahmen mit Sicherheit zu einem bestimmten Ergebnis führen“, jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. (Dillerup, et al., 2013 S. 30)

Während technische Systeme „durchaus immer das gleiche Ergebnis hervorbringen“ (Dillerup, et al., 2013 S. 30), lassen sich in dynamischen Systemen mit mehrdeutigen Wirkungsmechanismen die Wirkungen eines Eingriffs nicht mit Sicherheit vorhersagen (Ulrich, et al., 2001 S. 60).

Ein System wird als kompliziert bezeichnet, wenn es eine große Anzahl an Beziehungen und verschiedenartiger Systemelemente besitzt. Ein System, dessen Beziehungen und Systemelemente sich mit der Zeit verändern, nennt man ein dynamisches System. Von komplexen Systemen spricht man hingegen, wenn beide Eigenschaften zutreffen. Die große Variabilität komplexer Systeme führt dazu, dass vielfältige Verhaltensmöglichkeiten entstehen und dass diese schwierig vorherzusehen sind. (Dillerup, et al., 2013 S. 33)

Somit wird die Handhabung von Komplexität zum Kern der Lenkung eines Systems (Bleicher, 2011 S. 51) und somit eines Unternehmens. Dillerup, et al. (2013 S. 35) verstehen ein Unternehmen daher als „ein komplexes, sozio-technisches System. Es besteht aus einer Vielzahl verschiedenartiger Elemente. Seine Elemente und deren Beziehungen ändern sich dabei laufend. Das Unternehmen beinhaltet technische Elemente und Menschen, welche auch eigene Interessen verfolgen.“

Da die Unternehmensführung stark beeinflusst wird, durch eine Mischung aus systemtheoretischen und evolutionsbiologischen Gedanken (Dillerup, et al., 2013 S. 36), ist die Systemtheorie durch die Evolutionstheorie zu ergänzen (Dillerup, et al., 2013 S. 35).

2.4.1.2 Evolutionstheorie

„Evolutionäre Überlegungen gehören mit zu den ältesten und am stärksten verbreiteten Theorien in der Wissenschaft. (Dillerup, et al., 2013 S. 35)“ Zwar finden sich die meisten evolutionären Ansätze in der Biologie, wo sie auch ihren Ursprung haben (Dillerup, et al., 2013 S. 36), doch finden sie sich u. a. auch in Recht, Soziologie, Volks- und Betriebswirtschaftslehre (Müller-Stewens, et al., 2011 S. 137). Dabei geht es im wesentlich darum, dass Entwicklungen als dynamische Prozesse erfolgen, die aufgrund plötzlich auftretender Neuerungen ganze Systeme verändern. (Dillerup, et al., 2013 S. 36) Für die Unternehmensführung sind diese evolutionären Überlegungen insofern relevant, da sie, „neben der Steuerung und Regelung auch die Gestaltung eines Unternehmens als evolutionären Prozess“ umfasst (Dillerup, et al., 2013 S. 35). Dabei geht die Evolutionstheorie davon aus, dass sich die Wirkung von Eingriffen nicht exakt vorhersagen lässt, da Unternehmen komplexe Systeme sind. Dies begrenzt den Gestaltungsspielraum der Unternehmensführung. (Dillerup, et al., 2013 S. 36)

Die biologische Evolution wurde 1859 von Darwin als zufälliger Prozess mit folgenden Phasen dargestellt (Kunzmann, et al., 1993 S. 187):

- Variation: Zufällige Weitergabe anderer Erbanlagen bei der Fortpflanzung und Entstehung genetischer Mutationen in Form von abweichenden Lebensformen mit neuen Eigenschaften.
- Selektion: Auswahl der Lebensformen mit einer besseren Anpassung an die Umweltbedingungen durch Überschreiten der notwendigen Anzahl der Nachkommen zur Arterhaltung.
- Retention: Ausbreitung und Verfestigung der veränderten Art aufgrund der Vermehrung der überlegenen Mutation durch Weitergabe günstiger Erbanlagen.

Die Erkenntnis, dass die Bildung höherer Arten als Ergebnis eines zufälligen Prozesses und einer schrittweisen Entwicklung verstanden wird, war revolutionär. „Die Evolutionstheorie kann damit Erklärungen für das Zustandekommen eines Zustands liefern, ohne zukünftige Veränderungen vorherzusagen. (Dillerup, et al., 2013 S. 36; Dillerup, 1998)“ Solche Veränderungsprozesse[10] gibt es allerdings nicht nur bei biologischen Organismen, da auch ökonomische Systeme wesentliche Gemeinsamkeiten mit biologischen Systemen aufweisen und daher ähnlichen Wirkungsmechanismen unterliegen (Dillerup, et al., 2013 S. 36; Zahn, et al., 1996 S. 34). Die Entwicklung in Unternehmen gestaltet sich als dynamischer Prozess, bei dem z. B. organisatorische Prozesse, Wissen und Fähigkeiten durch Selektionsmechanismen im Unternehmen oder am Markt ausgewählt und weiterentwickelt werden (Dillerup, et al., 2013 S. 36). Insofern lässt sich ökonomische Evolution als die Fähigkeit eines wirtschaftlichen Systems betrachten, Wandel aus sich selbst heraus zu erzeugen (Dillerup, et al., 2013 S. 36; Witt, 1994 S. 503 ff.).

Die evolutionäre Unternehmensführung geht auf Basis dieser Gedanken von der Annahme aus, dass sich Unternehmen nicht vollständig planen und gestalten lassen (Dillerup, et al., 2013 S. 37). Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, wie das Überleben des Unternehmens sichergestellt werden kann. (Dillerup, et al., 2013 S. 37) Damit das Unternehmen so gelenkt werden kann, dass es sich wie ein lebender Organismus erhalten, anpassen und verändern kann (Schmidt, 1992 S. 42), ist die Akzeptanz der begrenzten Beherrschbarkeit komplexer Systeme und ein ganzheitliches Denken und Handeln erforderlich (Ulrich, et al., 2001 S. 12). „Unternehmen sind danach sich selbst steuernde und organisierende Systeme, in denen die Unternehmensführung wie ein Katalysator Rahmenbedingungen für günstige evolutionäre Veränderungen zu entwickeln hat. (Dillerup, 1998 S. 37)“

Folgende Leitlinien lassen sich anhand der bisherigen Überlegungen für eine evolutionäre Unternehmensführung zusammenfassen (Malik, 2002 S. 48 ff.; Servatius, 1991 S. 158):

- Unternehmensführung geht über die reine Menschenführung hinaus, da sie sich auf ein System bezieht. Sie sollte ganzheitlich und vernetzt vollzogen werden und ist Aufgabe vieler Personen.
- Unternehmensführung muss indirekt erfolgen, indem die Systemstruktur und die Rahmenbedingungen gestaltet werden, da sie nicht alle Prozesse im Unternehmen direkt beeinflussen und die Komplexität nicht vollständig beherrschen kann.
- Unternehmensführung verfolgt das Ziel der Anpassungs- und damit der (Über-)
Lebensfähigkeit des Unternehmens.

„Während die Systemtheorie die Lenkung des Unternehmens und die Gestaltung des Systems der Unternehmensführung erklärt, wird in der evolutionären Unternehmensführung der Aspekt der nicht vollständigen Beherrschbarkeit von Systemen betont. Die Unternehmensführung hat daher auch die Entwicklung des Unternehmens zu beeinflussen und damit erst Gestalt- und Lenkbarkeit zu ermöglichen.“ (Dillerup, et al., 2013 S. 37)

2.4.2 System der Unternehmensführung

Damit die Komplexität gehandhabt werden kann, umfasst die Unternehmensführung, „alle Aufgaben und Handlungen zur zielorientierten Lenkung, Gestaltung und Entwicklung eines Unternehmens. (Dillerup, et al., 2013 S. 39)“ Sie können nach ihrer Art in zwei Dimensionen unterteilt werden (Dillerup, et al., 2013 S. 39):

- „ Führungsebenen unterscheiden nach der Tragweite der Führungsaufgaben die normative, strategische und operative Ebene der Unternehmensführung.

- Führungsfunktionen untergliedern die Unternehmensführung nach den Inhalten des Führungshandelns in Planung und Kontrolle, Personal und Organisation.“

2.4.2.1 Führungsebenen

Die Literatur schlägt eine Reihe von Kriterien vor, wonach sich die Aufgaben der Unternehmensführung unterteilen lassen (Hungenberg, 2011 S. 4 ff.; Johnson, et al., 2011; Bamberger, et al., 2004 S. 10):

- Grundsatzentscheidungen lösen weiteren Entscheidungsbedarf aus, schränken zukünftige Handlungsmöglichkeiten ein und haben deswegen eine hohe Relevanz für den Unternehmenserfolg.
- „Die Bindungswirkung getroffener Entscheidungen beschreibt das Ausmaß, in dem Veränderungen wieder rückgängig gemacht oder modifiziert werden können. (Dillerup, et al., 2013 S. 40)“
- „Die zeitliche Reichweite bzw. der Zeithorizont ist ein Maß für die zukünftigen Auswirkungen einer Entscheidung. Dabei wird in lang- und kurzfristig unterschieden. Die zeitliche Abgrenzung ist jedoch relativ und hängt insbesondere von der Branche ab. (Dillerup, et al., 2013 S. 40)“
- „Der Geltungsbereich bezeichnet das Ausmaß der Entscheidungswirkungen für das Unternehmen. (Dillerup, et al., 2013 S. 40)“ Entscheidungen können sich z. B. das ganze Unternehmen auswirken oder auch nur auf Teile des Unternehmens.
- „Der monetäre Wert bezeichnet die Wirkung der Entscheidung auf die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens. (Dillerup, et al., 2013 S. 40)“
- „Der Strukturierungsgrad kennzeichnet die Ungewissheit und Ordnung der Informationen, des Entscheidungsproblems und der Lösungsalternativen. Je höher der Strukturierungsgrad, umso besser können Entscheidungen standardisiert, delegiert und automatisiert werden. (Dillerup, et al., 2013 S. 41)“

In der Literatur werden folgende Handlungsebenen der Unternehmensführung genannt, die sich nach der Tragweite der Handlungen und Zielsetzungen unterscheiden lassen:

- Strategische und operative Ebene: Diese Aufteilung gemäß angloamerikanischer Literatur (David, 2011 S. 5; Mintzberg, et al., 2003 S. 16 ff.; Wheelen, et al., 2010 S. 5) unterscheidet zwischen strategischer und operativer Ebene im Wesentlichen durch das Merkmal Erfolgspotenzial eines Unternehmens als Kombination aus Produkten, Märkten und Technologien (Zahn, 1989 S. 1903 ff.).
Die Begriffe Effektivität und Effizienz unterscheiden die Aufgaben der Unternehmensführung. Da Entscheidungen über die Effektivität darüber entscheiden, ob das Richtige getan wird, gelten diese als strategische Aufgabe. Strategie wird demnach als Schaffung und Weiterentwicklung von Erfolgspotenzialen verstanden. Wie diese Erfolgspotenziale optimal genutzt werden können, also mit Fragen der Effizienz, bzw. wie die Dinge richtig getan werden können, befasst sich hingegen die operative Unternehmensführung. Insofern befasst sich die operative Ebene mit den laufenden Aktivitäten eines Unternehmens. (Dillerup, et al., 2013 S. 41)
- Strategische, taktische und operative Ebene: Neben der strategischen und operativen Ebene unterscheiden viele Autoren noch eine weitere, dazwischenliegende taktische Ebene (Bamberger, et al., 2004 S. 9; Szyperski, et al., 1984; Töpfer, 1976; Wild, 1982). Strategische Vorgaben sollen auf dieser Ebene konkretisiert und in die operative übergeleitet werden (Dillerup, et al., 2013 S. 41). Da sich diese Ebene allerdings nicht eindeutig von den beiden anderen Ebenen abgrenzen lässt, besitzt sie auch eine nur geringe praktische Relevanz (Buchner, 2002 S. 70; Hahn, et al., 2001 S. 104; Mintzberg, et al., 2003 S. 11).
- Normative, strategische und operative Ebene: Die strategischen Aufgaben der angloamerikanischen Einteilung (Strategische und operative Ebene) werden bei dieser Unterscheidung in zwei Ebenen unterteilt. Die normative Führung „bestimmt die übergeordneten Werte, Ziele und Verhaltensnormen. Diese sichern einem Unternehmen seine Existenzberechtigung und Überlebensfähigkeit (Legitimität) sichern.“ Damit ist die normative Ebene „der Gestaltungsrahmen für die strategische Unternehmensführung im engeren Sinne.“ Die Leistungspotenziale und Vorgehensweisen zur deren Schaffung werden hingegen durch die strategische Ebene beschrieben. (Dillerup, et al., 2013 S. 41)

Aufgrund der starken Unterscheidung der Aufgaben dieser beiden Ebenen, wird eine getrennte Betrachtung als zweckmäßig erachtet und wird daher fortan in dieser Arbeit verwendet.

Gemäß dieser durchgeführten Einteilung lassen sich nun die Führungsentscheidungen zu homogenen Aufgabenfeldern zusammenfassen, die dann jeweils den Rahmen für die Aufgaben den nachgeordneten Ebene bilden (Dillerup, et al., 2013 S. 41), wodurch ein hierarchisches Ebenenmodell der Unternehmensführung entsteht (Bleicher, 2011 S. 89 ff.; Dillerup, 2009 S. 38 f.; Schwaninger, 1989 S. 191):

- „Die normative Unternehmensführung prägt den Gestaltungsrahmen, der dem Unternehmen seine Persönlichkeit und Identität verleiht […] und bestimmt die grundlegenden Ziele des Unternehmens, wie z. B. dessen Geschäftsfelder und deren Stellung im Gesamtunternehmen. Kernaufgabe der normativen Unternehmensführung ist die Gestaltung der Beziehung zwischen Unternehmensumwelt und Unternehmen. Entwicklungsfähigkeit bedeutet damit auch die Durchführung eines systematischen Wandels als Antwort auf Veränderungen der Unternehmensumwelt. Diese übergeordneten Entscheidungen haben den Charakter einer Norm. Sie beruhen auf den Wertvorstellungen der Unternehmensleitung. Zentrale Aufgabe der normativen Unternehmensführung ist es, das Selbstverständnis sowie die Werte und Ziele eines Unternehmens zu definieren. Dies wird in Form von generellen Werten, Zielen, Prinzipien, Normen, Verhaltensweisen und Spielregeln ausgedrückt und soll die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit (Legitimität) des Unternehmens sichern. Seinen Ausdruck findet die normative Unternehmensführung in einer Unternehmensvision, welche das angestrebte Zukunftsbild des Unternehmens beschreibt. Welche Ziele daraus entstehen und wie sich das Unternehmen gegenüber Bezugsgruppen wie. z. B. dem Staat, den Eigentümern und den Mitgliedern des Unternehmens positioniert, konkretisiert die Mission. […] Die normative Unternehmensführung ist damit in ihrer konstitutiven Rolle für alle Handlungen des Unternehmens maßgeblich. (Dillerup, et al., 2013 S. 41 f.)“
- „Die strategische Unternehmensführung ist dafür verantwortlich, die normativen Ansprüche an die Entwicklung des Unternehmens langfristig zu erfüllen. Innerhalb der normativen Vorgaben werden in den einzelnen Geschäftsfeldern Bündel an Maßnahmen zur Positionierung im Wettbewerb und zur Gestaltung der dazu erforderlichen Ressourcenbasis festgelegt. Auf diese Weise sollen Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten erzielt werden. Der Aufbau von Wettbewerbsvorteilen ist in den meisten Fällen nur langfristig möglich und erfordert umfangreiche Investitionen in personelle, geistige, finanzielle und materielle Ressourcen. Aus den Wettbewerbsvorteilen werden bestehende Erfolgspotenziale weiter entwickelt und neue Erfolgspotenziale geschaffen. Erfolgspotenziale sind produkt- und marktspezifische Voraussetzungen, um wirtschaftlichen Erfolg realisieren zu können und beschreiben z. B. Markpositionen, Produkte, Technologien, soziale Strukturen und Prozesse eines Unternehmens. (Dillerup, et al., 2013 S. 42)“
- „Die operative Unternehmensführung greift den Handlungsrahmen der strategischen Unternehmensführung auf und sorgt für die Umsetzung der Strategie im Rahmen des sog. Tagesgeschäfts […].“ Sie „befasst sich mit der Planung, Steuerung und Kontrolle der laufenden Aktivitäten eines Unternehmens, um die bestehenden Erfolgspotenziale möglichst effizient zu nutzen. Sie bestimmt und koordiniert konkrete Handlungen, um diese so effizient wie möglich auszuführen. Zu diesem Zweck sind detaillierte Ziele und Maßnahmen für die Funktionsbereiche eines Unternehmens zu erarbeiten und umzusetzen. Darüber hinaus werden die Handlungen zwischen den einzelnen Funktionsbereichen abgestimmt. (Dillerup, et al., 2013 S. 43)“

Da die Ebenen der Unternehmensführung eng miteinander zusammenhängen, finden zwischen ihnen vielfältige Abstimmungsprozesse statt. Während normative und strategische Vorgaben wegweisend für die operative Umsetzung sind, können operativ nicht realisierbare Ziele u. U. zu einer Anpassung der Zukunftsvorstellungen und Strategien führen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der normativen und strategischen Führung die Gestaltung des Unternehmens zusteht und der operativen Führung die Lenkung des Unternehmens (Bleicher, 2011 S. 8).

Aus diesen Ebenen der Unternehmensführung ergeben sich die jeweiligen Tätigkeitsschwerpunkte der hierarchischen Führungsebenen (Bamberger, et al., 2004 S. 9; Barlett C. A., et al., 1989 S. 23 ff.; Rahn, 2012 S. 41 f.):

- Die oberste Führungsebene leitet das Gesamtunternehmen, wozu z. B. die Geschäftsführung und der Vorstand gehören.
- Die mittlere Führungsebene beschäftigt sich im Schwerpunkt mit strategischen Führungsaufgaben und soll die Umsetzung in der operativen Führung sorgen.
- Die unteren Führungsebenen sollen im Rahmen der strategischen Vorgaben die Umsetzung in der operativen Ebene sicherstellen.

Tabelle 2-3: Unterscheidung der Ebenen der Unternehmensführung (Dillerup, et al., 2013 S. 43)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4.2.2 Führungsprozess und -funktionen
2.4.2.2.1 Führungsprozess

Komplexität kann durch Ausrichtung der Systemelemente auf Ziele, mit Hilfe von Lenkungsmechanismen, als Kombination aus Steuerung und Regelung, beherrscht werden. Dabei wird Lenkung im Unternehmen als Führungs- oder Problemlösungsprozess verstanden und kann in die Phasen Entscheidung, Steuerung und Kontrolle aufgeteilt werden, die jeweils auch die Führungsaufgaben darstellen (Dillerup, et al., 2013 S. 44 ff.):

Tabelle 2-4: Elemente im Führungsprozess (Dillerup, et al., 2013 S. 46)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dieser Führungsprozess ist allerdings „kein einmaliger und auch kein sukzessiver Durchlauf aller genannten Phasen. (Dillerup, et al., 2013 S. 46)“ Er sollte vielmehr als Regelkreis verstanden werden. Im Verständnis der Systemtheorie sind Unternehmen „integrierte, komplexe, soziale Systeme, die in ihren Wirkungszusammenhängen nicht vollständig vorhergesagt werden können. (Dillerup, et al., 2013 S. 46)“ Des Weiteren ist Planung immer mit Fehlern behaftet, da sie in die Zukunft gerichtet ist und die Realität nur bedingt vorwegnehmen kann. Um Ziele zu erreichen, sind Rückkopplungen erforderlich, da die Fehler zu Abweichungen zwischen den geplanten und den tatsächlichen Ergebnissen führen. Dazu werden laufend während des Führungsprozesses Informationen über den Zustand eines Unternehmens und über Störeinflüsse mit den Zielvorstellungen verglichen. Bei Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Zustand werden Gegenmaßnahmen eingeleitet. Die Kontrollinformationen aus den Umsetzungsergebnissen fließen dabei in nachfolgende Führungsprozesse ein und ermöglichen die Verbesserung der zukünftigen Zielerreichung, durch das Lernen aus Fehlern. (Dillerup, et al., 2013 S. 46 f.)

Abbildung 2-5: Führungskreislauf (in Anlehnung an Dillerup, et al., 2013 S. 47)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4.2.2.2 Ziele der Unternehmensführung

Innerhalb der Unternehmensführung ist die Lenkung und die Führung ein sich ständig wiederholender Prozess (Wild, 1982 S. 37). „Die Ziele der Unternehmensführung bestehen darin, das Unternehmen erfolgreich zu lenken, seine Führungskreisläufe zu gestalten und es im Hinblick auf zukünftige Anforderungen fortzuentwickeln. (Dillerup, et al., 2013 S. 48)“

Lenkung, Gestaltung und Entwicklung definieren Dillerup, et al. (2013 S. 47 f.) dabei wie folgt:

- „Die Lenkung durch die Unternehmensführung richtet das Unternehmen auf dessen Ziele aus. Durch eine Kombination aus Steuerung und Regelung werden sowohl einwirkende Störungen im Vorfeld berücksichtig, als auch die Ergebnisse des Unternehmens kontrolliert. […]
- Die Gestaltung dient dem Aufbau von Führungssystemen. Sie sichert die Handlungsfähigkeit der Unternehmensführung und ist damit eine Voraussetzung der Lenkung.
- Die Entwicklung des Unternehmens sichert die Überlebens- und Anpassungsfähigkeit und wirkt auf die Gestaltung und Lenkung der Unternehmensführung ein.“

2.4.2.2.3 Führungsfunktionen

Die Ziele der Unternehmensführung Entwickeln, Gestalten und Lenken werden durch die Funktionen der Unternehmensführung Planung und Kontrolle, Organisation und Personal erreicht (Dillerup, et al., 2013 S. 48). Diese Führungsfunktionen sind in allen Unternehmen mehr oder weniger stark ausgeprägt vorzufinden, unabhängig von deren Art, Größe und Branche (Bamberger, et al., 2004 S. 7; Bleicher, 2011 S. 94 ff.; Gälweiler, 1987 S. 204):

- „ Planung und Kontrolle: Planung ist ein systematisches, zukunftsbezogenes Durchdenken und Festlegen von Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur zukünftigen Zielerreichung. Kontrolle ist der beurteilende Vergleich zwischen zwei Größen sowie die daran anschließende Bestimmung und Analyse auftretender Abweichungen. Die Kontrolle ergänzt die Planung und erfolgt während bzw. nach der Planausführung. Planung und Kontrolle bilden eine Einheit.“ (Dillerup, et al., 2013 S. 49, 331 ff.)
- „ Organisation betrifft die zweckgerichtete Gestaltung betrieblicher Strukturen. Sie beschäftigt sich mit Regelungen, die den Aufbau des Unternehmens und den Ablauf der darin stattfindenden Vorgänge betreffen. (Dillerup, et al., 2013 S. 49, 439 ff.)“ „Während Planung den Entwurf einer Ordnung bedeutet, nach der sich der gesamtbetriebliche Prozess vollziehen soll, stellt Organisation den Vollzug, die Realisierung dieser Ordnung dar. […] Die Organisation hat also immer nur dienenden oder instrumentalen Charakter. (Gutenberg, 1983 S. 235 f.)“
- „ Personal: Die Personalfunktion umfasst alle auf die Mitarbeiter bezogenen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben (Personalmanagement) sowie die Beeinflussung der Verhaltens der Mitarbeiter im Hinblick auf die Erreichung der Unternehmensziele (Personalführung […]).“ (Dillerup, et al., 2013 S. 49, 583 ff.)

2.4.2.3 Integriertes Führungssystem

Kirsch (1997 S. 289) und Bleicher (2011 S. 95 ff.) betonen, dass in der Theorie und Praxis die Notwendigkeit eines integrierten Führungsansatzes unbestritten ist. Ulrich (2001) prägte das systemtheoretische Grundverständnis der Unternehmensführung in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre stark und begründete dazu eine umfassende Konzeption. Diese wurde dann zum St.-Galler-Management-Modell weiterentwickelt (Dillerup, et al., 2013 S. 50; Bleicher, 2011).

Dem St.-Galler-Management-Modell ist ein hoher Grad an Abstraktion zu Teil und es betont besonders ein durchgehendes System durch die Integration aller Ebenen und Funktionen der Unternehmensführung. Hier erfolgt eine Unterteilung in Strukturen, Aktivitäten und Verhalten. Dabei befassen sich die Strukturen mit Fragen der Organisation, die Aktivitäten weitgehend mit den Aufgaben der Planung und Kontrolle und das Verhalten verweist auf die Personalfunktion der Unternehmensführung. (Dillerup, et al., 2013 S. 50)

Abbildung 2-6: St.-Galler-Management-Modell (in Anlehnung an Bleicher, 2011 S. 90)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In einer eigenständigen Konzeption der Unternehmensführung kombinieren Dillerup, et al. (2013 S. 50 f.) die beiden Dimensionen Führungsebenen und Führungsfunktionen miteinander. Die Dreiecksform der ersten Dimension in der folgenden Darstellung symbolisiert die hierarchische Anordnung der Führungsebenen, wobei übergeordnete Stufen den Rahmen für nachfolgende bilden. Während die normative Ebene dem Unternehmen Identität verleiht und den Gestaltungsrahmen für die strategische Unternehmensführung schafft, innerhalb dessen sie neue Erfolgspotenziale schafft und entwickelt, beschäftigt sich die operative Ebene mit den Maßnahmen zu deren Umsetzung und lenkt dabei die laufenden Aktivitäten. Die zweite Dimension bilden die Führungsfunktionen Personal, Planung und Kontrolle sowie Organisation, die gleichberechtigt und einander ergänzend zur Lenkung, Gestaltung und Entwicklung eines Unternehmens beitragen. Diese beiden Dimensionen der Unternehmensführung werden durch Informationen miteinander verbunden, die auf allen Führungsebenen und
-funktionen eine wichtige Rolle spielen.

Abbildung 2-7: System der Unternehmensführung (in Anlehnung an Dillerup, et al., 2013 S. 51)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bedeutungen der Funktionen in Abbildung 2-6 müssen immer wieder neu aufeinander abgestimmt werden, da Wechselwirkungen zwischen Unternehmen, z. B in rechtlicher, gesellschaftlicher oder technologischer Hinsicht (Ulrich, 2001 S. 798 ff.), existieren (Dillerup, et al., 2013 S. 50). Deswegen sind die Bausteine in diesem Modell vereinfachend gleich groß dargestellt (Dillerup, et al., 2013 S. 51).

Dieses System der Unternehmensführung ist dann ein integriertes System, wenn die Elemente ein koordiniertes System mit aufeinander abgestimmten Beziehungen bilden. Die Führungsfunktionen sind dabei nicht unbedingt gleichberechtigt. Je nach Stabilität des Umfeldes oder der Unternehmenskultur, die besonders stark bei geografischen Unterschieden variiert, kann es zu Verschiebungen kommen, so dass die Personalfunktion, Planung und Kontrolle oder die Organisation unterschiedlich ausgeprägt und gestaltet sind. Dynamische Umwelten und gegenseitig abhängige Entscheidungen lassen die Integration der Führungsebenen von zentraler Bedeutung für die Unternehmensführung werden und machen eine laufende Anpassung der Führungsaufgaben unerlässlich. Durch die Koordination des Systems der Unternehmensführung über alle Funktionen und Ebenen hindurch, vertikal wie horizontal, können alle Unternehmensbereiche aufeinander abgestimmt werden. Mit Ausnahme des Planungs- und Kontrollsystems, welches sich quantifizieren lässt, basieren viele der Koordinationsprozesse innerhalb des Systems der Unternehmensführung auf Plausibilitätsüberlegungen und lassen sich nur im konkreten Fall spezifizieren. So kann die Unternehmensführung, ja nach Größe, Branche oder Umweltsituation eines Unternehmens eine hohe Komplexität annehmen. (Dillerup, et al., 2013 S. 52)

Abbildung 2-8: Integriertes System der Unternehmensführung (in Anlehnung an Dillerup, et al., 2013 S. 53)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Während in einem kleinen Unternehmen, unter Annahme eines stabilen Umfeldes, die Aufgaben der Unternehmensführung durchaus alle von einer Personen übernommen werden können, wird diese Aufgabe in größeren Unternehmen häufig auf mehrere Personen als gemeinsames Leitungsorgan verteilt. (Dillerup, et al., 2013 S. 52 f.)

Neben den Führungsfunktionen haben sich auch Unterstützungsfunktionen als spezialisierte Institutionen entwickelt, „die der Unternehmensführung in einzelnen Aufgaben oder auch bei der Koordination von Funktionen und Ebenen Hilfestellung leisten. (Dillerup, et al., 2013 S. 53)“ Diese Unterstützungsfunktionen stellen keine eigenständigen Führungsfunktionen dar, weil sie lediglich als spezialisierte Dienstleister mit Expertenwissen die Unternehmensführung bei der Bewältigung ihrer komplexen Aufgaben unterstützt. Ihre Aufgabe besteht darin, das Unternehmen auf bestimmte Ziele, wie z. B. den Markt, die Wirtschaftlichkeit oder die Qualität auszurichten. Als wesentliche Unterstützungsfunktionen sind zu nennen (Dillerup, et al., 2013 S. 53):

- Informationsmanagement: Die Aufgabe des Informationsmanagements ist, die erforderlichen Informationen als Grundlage für Entscheidungen der Unternehmensführung zu beschaffen und dafür zu sorgen, dass sie in der richtigen Menge, Qualität, zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort vorliegen (Dillerup, et al., 2013 S. 49).
- Marketing: Die Aufgabe des Marketing ist die Ermittlung der Bedürfnisse und Wünsche der Zielmärkte und deren relativ wirksamere Zufriedenstellung im Vergleich zum Wettbewerb (Kotler, et al., 2006 S. 25). „Marketing ist ein Planungs- und Durchführungsprozess der Konzeption, Preisfindung, Förderung und Verbreitung von Ideen, Waren und Dienstleistungen, um Austauschprozesse zur Zufriedenstellung der Kunden herbeizuführen. (Dillerup, et al., 2013 S. 53)“ Marketing steht dabei also nicht für den Verkauf von Produkten, sondern für die Ausrichtung eines Unternehmens auf die Anforderungen der Märkte und Kunden (Kotler, et al., 2007 S. 40 f.).
- Qualitätsmanagement: Die Aufgabe des Qualitätsmanagements ist es, „alle Mitarbeiter und Unternehmensbereiche auf die Erfüllung der Kundenanforderungen auszurichten. (Dillerup, et al., 2013 S. 54)“
- Logistik: Die Aufgabe der Logistik ist die integrierte „Planung, Organisation, Steuerung, Abwicklung und Kontrolle des gesamten Material- und Warenflusses mit den damit verbundenen Informationsflüssen. (Dillerup, et al., 2013 S. 54; Jünemann, 1989 S. 18)“
- Controlling: Die Aufgabe des Controllings ist die Sicherung der Rationalität von Entscheidungen durch Entlastung, Ergänzung, Begrenzung und Ausrichtung auf die entscheidungsrelevanten Aspekte der Unternehmensführung durch Transparenz in Ergebnissen, Finanzen, Prozesses und Strategien (Möller, et al., 2002 S. 561 ff.; Dillerup, et al., 2013 S. 54).
- Innovationsmanagement: Die Aufgabe des Innovationsmanagements ist es, neuartige Produkte und Prozesse hervorzubringen und in betriebliche Prozesse oder Märkte einzuführen (Hausschildt, et al., 2007 S. V).

2.4.3 Strategische Unternehmensführung

Die strategische Unternehmensführung „ist auf die Entwicklung bestehender und die Erschließung neuer Erfolgspotenziale ausgerichtet und beschreibt die hierfür erforderlichen Ziele, Leistungspotenziale und Vorgehensweisen. (Dillerup, et al., 2013 S. 163)“

Für Kirsch, et al. (1983b) verbirgt sich hinter dem Begriff eine Führungs philosophie, die ein Umdenken zum Ausdruck bringt, das den sozio-ökonomischen Entwicklungen gerecht wird, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. Strategisches Management muss es gestatten, so Kirsch, et al. (1983b), „die langfristige Evolution des Unternehmens zu steuern und zu leiten“.

2.4.3.1 Entwicklung und Konzepte

Ausgangspunkt für die Geburtsstunde der strategischen Unternehmensführung um das Jahr 1960 waren grundlegende Arbeiten, die selbst heute noch wichtige Fragen thematisieren (Dillerup, et al., 2013 S. 164):

- „ Chandler (1962) brachte den Strategiebegriff in die Unternehmensführung ein. Er konnte durch die empirische Untersuchung US-amerikanischer Großunternehmen zeigen, dass die Entwicklung der betrieblichen Strukturen sich an der Unternehmensstrategie ausrichtet ([..] Structure follows Strategy […]).
- Andrews (1971) beschäftigte sich mit der Strategieanalyse und -entwicklung. Er begründete das klassische Strategieverständnis, nach dem Strategien auf Basis einer Analyse der Unternehmensumwelt und des Unternehmens […] entwickelt werden.
- Ansoff (1965) erarbeitete ein Modell zur strategischen Planung. Er beschäftigte sich mit der strategischen Ausrichtung sowie mit Wettbewerbsvorteilen und Synergien.“

Die Konferenz an der Universität Pittsburgh im Jahre 1977 läutete den Beginn der strategischen Unternehmensführung in der Unternehmenspraxis ein (Dillerup, et al., 2013 S. 164). Den Anstoß für die Verbreitung strategischer Gedanken in der Praxis lieferte der Sammelband mit dem Titel Strategic Management, mit dem die Beiträge dieser Konferenz publiziert wurden (Hofer, et al., 1978).

Abbildung 2-9: Evolutionsstadien strategischer Unternehmensführung (in Anlehnung an Henzler, 1988 S. 1289)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Unterteilung der Entwicklungsstufen strategischer Unternehmensführung ist wie folgt möglich (Henzler, 1988 S. 1286 ff.; Knyphausen-Aufseß, 1995 S. 14 ff.; Zahn, 1979 S. 148 ff.; Dillerup, et al., 2013 S. 164 f.):

- Finanzplanung: Die Unternehmen befanden sich nach dem zweiten Weltkrieg in einer Phase relativ stabiler Unternehmensumfelder und stabilen Wirtschaftswachstums. Die Planung des Unternehmenswachstums wurde aufgrund dieser stabilen Bedingungen auf Basis finanzieller Größen durchgeführt und war lediglich intern ausgerichtet, so dass Unternehmensbereiche im Sinne der Ziele koordiniert werden konnten. Dabei wurden Erlöse, Kosten und Finanzmittelbedarf meist für ein Jahr in Form von Budgets vereinbart.
- Langfristplanung: Da die Unternehmen Anfang der 1960er Jahre mit höheren Wachstumsraten und veränderten Kundenbedürfnissen konfrontiert waren, stieß diese Finanzplanung an ihre Grenzen. Eine Planung der Budgets ein Jahr im Voraus konnte diesem Wandel nicht mehr gerecht werden und so wurde es erforderlich, weiter in die Zukunft zu denken und den betrachteten Zeithorizont der Planung um fünf Jahre zu verlängern. Zwar wurden dabei bereits Budgets für mehrere Jahre festgelegt sowie Ziel- und Maßnahmenplanungen verknüpft, doch blieb nach wie vor die Beschränkung der Planung auf das Unternehmen selbst. Diese Planung war vor allem geprägt von Fortschreibungen der Vergangenheit.
Das Problem dabei ist, dass wir tendenziell unser Wissen über die Welt und die Rolle des Zufalls bei Ereignissen unterschätzen. „Überzogenes Vertrauen in die Vorhersagbarkeit der Welt wird durch die illusorische Gewissheit retroperspektiver Einsichten gestützt.“ (Kahneman, 2011 S. 26)
- Strategische Planung: Zunehmende Trendbrüche, konjunkturelle Schwankungen und beschleunigter technischer Wandel erforderten immer mehr ein flexibleres Agieren. Ursache hierfür waren vor allem die erste Ölkrise und das Ende fester Wechselkurse durch Abschaffung des Bretten-Woods-Systems im Jahre 1973. Im Zuge dieser Krise entstand die Zeit der Strategie und Planungstätigkeiten in der Praxis der Unternehmen stiegen sprunghaft an. Vor allem war die Planung jetzt nicht mehr nur auf das Unternehmen beschränkt, sondern betrachtete auch das Unternehmensumfeld, woraus Chancen und Risiken systematisch erkannt und Strategien abgeleitet werden sollten. „Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass mit Strategien flexibel auf Veränderungen der Umwelt reagiert und diese sogar langfristig gestaltet werden kann. (Dillerup, et al., 2013 S. 165)“ Die strategische Planung konzentriert sich dabei auf das Planungs- und Kontrollsystem eines Unternehmens und umfasst die Formulierung von Strategien und die Zuordnung von Ressourcen. Zu diesem Zweck wurden Instrumente und Konzepte, wie z. B. Wettbewerbsanalysen und -strategien sowie Portfoliokonzepte entwickelt. Folgende Probleme bei der Umsetzung strategischer Pläne in der Praxis, die auch heute immer noch häufige Ursachen für das Scheitern von Strategien sind, traten dabei auf: Keine Akzeptanz bei den Linienmanagern, da die Konzepte meist von Stäben der Unternehmensführung entwickelt wurden; Fehlen einer Integration von strategischer und operativer Planung und Kontrolle; Isolation bei der Erstellung von strategischen und operativen Plänen; Mangelnde Berücksichtigung der zur Umsetzung der Strategie erforderlichen Ressourcen, Strukturen und Mitarbeiter.
- Strategische Unternehmensführung: Die Probleme der strategischen Planung machten eine Weiterentwicklung zur strategischen Unternehmensführung notwendig. Diese beschränkt sich nun nicht mehr nur noch auf Planung und Kontrolle, sondern umfasst nun alle Führungsfunktionen, wodurch die Funktionen Organisation und Personal ebenfalls strategische Bedeutung erhielten. Die strategische Planung entwickelte sich dabei immer mehr zu einem Hilfsmittel der strategischen Führung (Gälweiler, 1987 S. 23). Die strategische Unternehmensführung sehen einige Autoren nicht als die letzte Stufe der Entwicklung.

Im Zuge dieser Entwicklungen gewinnen selbstorganisatorische und evolutionäre Veränderungsprozesse an Bedeutung, da die Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmensführung in dynamischen Umfeldern begrenzt sind (Servatius, 1991). Dies verlangt gemäß Dillerup, et al. (2013 S. 165) ein verändertes Führungsverständnis.

Evolutionäre Unternehmensführung gibt keine konkreten Handlungen vor, sondern gestaltet einen Rahmen, in dem Handlungen von Verantwortlichen frei gewählt werden können (Dillerup, et al., 2013 S. 165 f.). Auf diese Weise kann das Unternehmen sich besser anpassen und ist flexibler (Kirsch, 1997; Dillerup, et al., 2013 S. 166).

Getrieben durch veränderte Anforderungen der Unternehmenspraxis wird weiterhin nach neuen strategischen Ansätzen gesucht (Hungenberg, 2011 S. 56), so dass die Entwicklung der strategischen Unternehmensführung noch nicht abgeschlossen ist (Dillerup, et al., 2013 S. 166). Dabei werden immer wieder neue Konzepte und Instrumente der strategischen Unternehmensführung von Wissenschaftlern, Unternehmensberatern und Unternehmen selbst entwickelt. Auf diese Weise entstehen auch Modetrends, die zeitweilig hoch gelobt werden und in aller Munde sind, dann jedoch wieder aus der Diskussion verschwinden (Kieser, 1996 S. 23 ff.).

Als Beispiel dafür könnte man das Lean Management anführen, das Anfang der 1990er Jahre den Abbau der Hierarchieebenen und die Rationalisierung der Prozesse propagiert. In Zeiten der konjunkturellen Krise stieß dieses Konzept bei den Unternehmen zwar auf großes Interesse, jedoch ist dieses Streben nach schlanken Prozessen mittlerweile wieder verschwunden. (Dillerup, et al., 2013 S. 166)

Im Gegensatz zu diesen vergänglichen Konzepten der Modetrends etablierte sich das Konzept der Harvard Business School als grundlegend (Dillerup, et al., 2013 S. 166), weswegen in der angloamerikanischen Literatur zur strategischen Unternehmensführung meist auf dieses Modell von Andrews (1971) Bezug genommen wird (Hofer, et al., 1978 S. 20 ff.; Johnson, et al., 2011 S. 15 ff.). Die Differenzierung des Strategieprozesses in Strategieformulierung und - implementierung ist der Kerngedanke des Modells (Dillerup, et al., 2013 S. 166).

Bei der Strategieformulierung „steht das Treffen strategisch wichtiger Entscheidungen im Vordergrund (Dillerup, et al., 2013 S. 166).“ Diese Entscheidungen werden vor allem von den Faktoren Chancen und Risiken, Ressourcen, persönliche Wertvorstellungen der Unternehmensführung sowie die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft beeinflusst (Dillerup, et al., 2013 S. 166), die in ihrer Gesamtheit die Unternehmensstrategie bilden (Welge, et al., 2012 S. 33 ff.).

Bei der Strategieimplementierung „sind die Strategien in einzelne Maßnahmen zu übersetzen“ und Strukturen, Prozesse, Verhalten und die Personalführung darauf aus zurichten. Die Chancen, eine Strategie umzusetzen, steigen, je besser dies gelingt. (Dillerup, et al., 2013 S. 166)

Abbildung 2-10: Strategiekonzept der Harvard Business School (Andrews, 1971 S. 21)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach einer vergleichenden Untersuchung betrieblicher Erfolgsfaktoren durch Peters und Waterman (1982) entstand als Ergebnis das von der Unternehmensberatung McKinsey entwickelte 7-S-Modell. Es stieß besonders in der Unternehmenspraxis auf großes Interesse. Der Kerngedanke dieses Modells besteht aus den sieben Faktoren, die für ein Unternehmens erfolgskritisch sind. Diese lassen sich noch einmal in harte Faktoren (Strategie, Struktur, Systeme) und weiche Faktoren (Selbstverständnis, Spezialkenntnisse, Stil, Stammpersonal) unterteilen. Das Modell betont vor allen Dingen, dass weniger explizite, rationale und quantitative (harte) Faktoren, sondern vielmehr implizite, emotionale und qualitative (weiche) Faktoren für den Unternehmenserfolg relevant sind. (Dillerup, et al., 2013 S. 167)

Abbildung 2-11: Das 7-S-Modell (Peters, et al., 1982 S. 32)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Übergang von der strategischen Planung zur strategischen Unternehmensführung wird anhand dieses Modells besonders deutlich (Dillerup, et al., 2013 S. 167).

2.4.3.2 Strategiebegriff

Dillerup, et al. (2013) sieht den Begriff Strategie „in Theorie und Praxis uneinheitlich definiert und verwendet.“ Für Henry Mintzberg (2012) ist Strategie „eines jener Wörter, die wir gern auf eine bestimmte Weise definieren, jedoch auf eine andere Weise verwenden.“ Im Folgenden soll deswegen der Strategiebegriff näher betrachtet werden. Der Vergleich mit der Militärstrategie dient dazu die Eigenarten der Unternehmensstrategie besser darstellen zu können.

2.4.3.2.1 Gründe für Strategie

Henderson (2000a) sieht den Ursprung der Strategie im natürlichen Wettbewerb, der so alt ist, wie das Leben selbst. In den Jahrmillionen der Entstehungsgeschichte unserer heutigen Welt, entwickelte sich eine Unzahl an Lebewesen, die miteinander konkurrierten. Dabei wirkte ein Prinzip, dass auch in der heutigen Unternehmenswelt Gültigkeit besitzt: „Je reichhaltiger die Umwelt, desto höher die Zahl der Konkurrenten, desto härter der Konkurrenzkampf. Je reichhaltiger das Angebot, desto geringer aber auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Konkurrenten. (Henderson, 2000a S. 26)“ Dieser Wettbewerb entsteht und steigt besonders dann, wenn benötigte Ressourcen knapp sind. So besagt das Konkurrenzausschlussprinzip nach Gause-Volterra, dass sich zwei Lebensformen entweder voneinander unterscheiden, besonders in der Nutzung der knappen Ressourcen, wobei es sich i. d. R. um Nahrung und Lebensraum handelt, oder eine der Arten wird verdrängt bzw. ausgerottet. Dabei verdrängen sie anpassungsfähigsten Arten alle übrigen (Henderson, 2000a S. 27).

Der Wert einer Strategie begründet sich dadurch, dass sie innerhalb dieses Wettbewerbs das Potenzial entwickeln kann, „mit begrenzten Mitteln in ein komplexes System einzugreifen und dadurch einen vorhersehbaren, erwünschten Wandel im Gleichgewicht des Systems herbeizuführen. (Henderson, 2000a S. 28)“

Nach Henderson (2000a S. 28) machen folgende Elemente eine Strategie wertvoll:

- „begrenzte Mittel;
- Ungewissheit über die Fähigkeiten und Absichten des Gegners;
- die unwiderrufliche Bindung von Mitteln;
- die Notwendigkeit, Maßnahmen über zeitliche und räumliche Distanz zu koordinieren;
- die Ungewissheit, wer die Initiative ergreift;
- die wichtige Frage der gegenseitigen Einschätzung beider Kontrahenten.“

Gemäß Henderson (2000a S. 28) wird Strategie „immer dann angewandt, wenn sich durch Planung der zeitlichen und sachlichen Abfolge des Mitteleinsatzes Vorteile erzielen [..]“ lassen.

Die Ursache der Notwendigkeit von Strategie ist also der Wettbewerb um begrenzte Ressourcen (Henderson, 2000a S. 28). Diese Verknappung führt zu zwei Zielen von Strategien. Einerseits die Zuteilung und Konzentration von (unternehmensinternen) Ressourcen (Henderson, 2000a S. 30) und andererseits der „Zugang zu und Kontrolle über die notwendigen Ressourcen. In der Wirtschaft zählen dazu meist Geld, Material, Märkte und Personal“, wobei Geld oder vergleichbare Mittel an erster Stelle stehen (Henderson, 2000a S. 35).

2.4.3.2.2 Herkunft des Strategiebegriffs

Strategie war ursprünglich die Kunst der Staatsführung, die damit zwangsläufig auch die Kriegsführung mit einschloss. Die Einengung auf den militärischen Bereich, die uns eher geläufig ist, wurde erst zu einer späteren Zeit vollzogen. Dabei wurde mit der Zeit aus einem sehr weitläufigen Strategiebegriff immer mehr die Kunst der Kriegsführung. bzw. die der Kriegsherrenkunst (Gälweiler, 1987 S. 66).

Im Laufe der weiteren Entwicklungen differenzierte man zwischen der Strategie, der Taktik und dem Zwischenstück der beiden, die Lehre der operativen Kriegsführung. Taktik ist die „Lehre von den Verhaltensregeln, die im Ausführungsablauf ihre Beachtung erfordern“ (Gälweiler, 1987 S. 66) Der chinesische General Sun Tsu Wu sagte dazu 500 v. Chr. (Henderson, 2000a S. 29):

„Alle sehen die Taktik meiner Eroberungen, aber niemand erkennt die Strategie, aus der der Sieg erwächst.“

Somit sind Taktik und Operation der Strategie untergeordnet. „Taktik lässt sich aus Erfahrung ableiten. Strategie nicht. (Henderson, 2000a S. 36)“

Das äußere Kennzeichen dieser Entwicklung war die Zunahme des relativen Anteils nicht-militärischer Wissenselemente. Demnach wurden immer mehr Faktoren aus dem gesamten Bereich um das militärische System herum einbezogen, die für den Erfolg wichtig sein können, wie z. B. politische, soziale, psychologische, ökonomische, technologische Elemente und Aspekte (Gälweiler, 1987 S. 66f.).

[...]


[1] Ressourcen sind „die zur Leistungserstellung eines Unternehmens erforderlichen materiellen und immateriellen Güter. (Barney, 1991 S. 101)“

[2] Die Europäische Kommission (2006) sieht die Empfehlung 2003/361/EG der Kommission, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union L 124 vom 20.5.2003, S. 36. als allein maßgeblich für die Bestimmung der Bedingungen zur Einstufung als KMU an.

[3] Richtlinien zur Errechnung der Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Werte finden sich in der neuen KMU-Definition (Europäische Kommission, 2006) und in der EU-Empfehlung in den Artikeln 2 ff. (Europäische Kommission, 2003 S. 39 ff.)

[4] Zum Zwecke der steuerlichen Betriebsprüfung werden die Betriebe vom Bundesfinanzministerium in verschiedene Größenklassen unterteilt. Die Einteilung erfolgt hierbei nach bestimmten Abgrenzungsmerkmalen, welche jeweils für einen Prüfungsturnus gelten. Die Zuordnung zu den Größenklassen erfolgt abhängig vom Umsatz und Gewinn sowie nach der Art des steuerpflichtigen Betriebes (Handelsbetriebe, Fertigungsbetriebe, etc.). Im Jahr 2012 waren in der Betriebskartei der Finanzämter rund 799.000 steuerpflichtige Betriebe mittlerer Größe verzeichnet.

[5] Das Kriterium der Unabhängigkeit wird in Artikel 3 Absatz 1 der EU-Empfehlung vom 6. Mai 2003 definiert. Statt der Bezeichnung Unabhängigkeit wird in der EU-Empfehlung der Begriff Eigenständigkeit verwendet.

[6] „Nach Artikel 3 Absatz 4 der EU-Empfehlung vom 6. Mai 2003 ist das Unabhängigkeitskriterium ebenfalls nicht erfüllt, wenn 25 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte direkt oder indirekt von öffentlichen Stellen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts einzeln oder gemeinsam kontrolliert werden.“ (Statistisches Bundesamt, 2011 S. 1095)

[7] Berichtsstand des Jahres 2005

[8] im Sinne der EU-Definition von KMU

[9] Die Ausführungsfunktionen sind im Gegensatz zu denen nicht ausführender Art, „dadurch charakterisiert, daß ihnen die wesentlichen Entscheidungen in bezug auf Ziele, Maßnahmen und Mittel bereits getroffen und vorgegeben sind. (Ulrich, et al., 1995)“

[10] Ein wesentlicher Unterschied zwischen biologischen und ökonomischen System besteht in der unterschiedlichen Länge der Entwicklungsphasen. Während diese in der Biologie über Jahrtausende ablaufen, geschieht der unternehmerische Wandel innerhalb von Jahrzehnten. (Dillerup, et al., 2013 S. 36)

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Chancen und Probleme strategischer Unternehmensführung in kleinen und mittleren Unternehmen
Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Rhein-Neckar e. V.
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
128
Katalognummer
V231667
ISBN (eBook)
9783656475231
ISBN (Buch)
9783656476115
Dateigröße
2588 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unternehmensführung, Management, Stratetische Unternehmensführung, Strategisches Management, Strategische Planung, KMU, kleine und mittlere Unternehmen, Chancen, Probleme, SME, Strategie, Mittelstand
Arbeit zitieren
Gerrit Hamann (Autor:in), 2013, Chancen und Probleme strategischer Unternehmensführung in kleinen und mittleren Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231667

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