Das Griechentum im Denken und Wirken Kaiser Julians


Hausarbeit, 2013

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. γένος? — Griechentum außerhalb Griechenlands

3. παιδεία καὶ ἀρετή — Das Griechentum des Caesars

4. θεῶν ἱερὰ — Das Griechentum des Augustus

5. De professoribus, contra Galilaeos - Das Rhetorenedikt

6. Ἀντιόχικος — Julians Hellenismus vs. Realität

7. Zusammenfassung

8. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Julian gehört ohne Zweifel zu den „griechischsten“ Kaisern, die das Römische Imperium je regiert haben. Ein stolzes Philhellenentum durchzieht all seine Schriften und viele seiner politischen Handlungen. Schon in seiner Jugend war er ein begeisterter Homer-Leser und ein glühender Verehrer Platons gewesen. So berichtet Libanios, wie der junge Julian – des Hochverrats gegen Konstantios angeklagt und in Gefangenschaft gehalten – nur einen sehnlichen Wunsch hegte: Studieren in Athen.

Julian wurde festgenommen und von bewaffneten Wächtern mit finsterem Blick und barscher Stimme bewacht [...] Die Gattin des Konstantios empfand Mitleid mit ihm, ihren Mann aber beschwichtigte sie, und durch viele flehentliche Bitten brachte sie ihn dazu, Julian, der sich nach Hellas und dessen Augapfel, Athen, sehnte, in die geliebte Stadt zu entsenden. Zeugt dies nicht von einer Seele, die wahrhaftig von den Göttern zu uns gekommen ist? Julian musste sich einen Aufenthaltsort wählen, er wünschte sich keine Gärten, keine Residenzen, keine Landhäuser, keine Ländereien am Gestade, kein Luxusleben, wie es mit seinem reichen Besitz in Ionien verbunden war, sondern was in den Augen der anderen groß erschien, das hielt er für klein im Vergleich zu der Stadt der Athene, der Mutter Platons und Demosthenes‘ und der übrigen vielfältigen Wissenschaften. Er begab sich also eilends dorthin, um sich neue Kenntnisse zu erwerben und Lehrer zu hören, die sein Wissen vermehren könnten [...] Er beabsichtigte, sein Leben in Athen zu verbringen und ebendort zu beenden, denn dies schien ihm das höchste Glück.[1]

Libanios stellt Julian hier als Philhellenen par excellence dar: Nicht nur liebt er Griechenland an und für sich (ἐρῶν τῆς Ἑλλάδος καὶ μάλιστα δὴ [...] τῶν Ἀθηνῶν), sondern er liebt den gesamten geistig-griechischen Lebensstil, die Philosophie und das Streben nach Wissen. In Athen und an seinen anderen Studienorten erwarb sich Julian somit nicht nur Wissen, sondern auch ein ziemlich exaktes Bild davon, wie ein Grieche zu leben und zu denken habe: Als der junge Mann schließlich Kaiser des Römischen Imperiums wurde, versuchte er umfassend, diese griechischen Idealvorstellungen auch politisch umzusetzen. Gerade hierin liegt meines Erachtens auch der Reiz, sich mit Julians Hellenismus zu beschäftigen: Wenn der Privatmann Julian über „den wahren Hellenen“ sinniert, so ist das ideengeschichtlich bereits interessant, doch noch spannender ist es zu beobachten, wie der Kaiser Julian das Hellenentum auf die politische Tagesordnung setzt, wie er versucht, es gegen das Christentum zu instrumentalisieren, wie er versucht, sein konservatives Griechentum gegen den Trend der Zeit durchzusetzen – und wie er mit alldem letzten Endes kläglich scheitert.

2. γένος? — Griechentum außerhalb Griechenlands

In seiner berühmten Spottschrift Misopogon schreibt Julian über sich selbst:

Obschon ich aus dem Volk der Thraker stamme, halte ich mich aufgrund meiner Studien und Lebensweisen für einen Griechen.[2]

Ein Grieche zu sein, das ist also viel mehr, als die bloße Herkunft (γένος), als die Frage, ob man von griechischen Eltern abstammt oder auf griechischem Boden aufwuchs. Natürlich kennt Julian auch „Griechen“ in diesem rein ethnischen Sinne: Dies sind die Bewohner „Kerngriechenlands“, also der römischen Provinz Achaea.[3] Doch macht Julian unmissverständlich deutlich, dass man auch durch eigene Bemühungen (ἐπιτηδεύματα[4]) zu einem Griechen werden kann: Das Griechentum à la Julian, das ist vor allem eine Art Ehrenlegion, in die man aufgenommen wird, wenn man sich entsprechend verdienstvoll gezeigt hat, es muss also aktiv erworben und gepflegt werden. Durch welche konkreten Verdienste man nun in diese griechische Ehrenlegion aufgenommen wird, das soll im folgenden näher betrachtet werden.

3. παιδεία καὶ ἀρετή — Das Griechentum des Caesars

Im vorhergehenden Kapitel war zu sehen, dass für Julian jemand „griechisch“ sein kann, ohne aus Griechenland zu stammen. Ganz in diesem Geiste ist auch seine Trostschrift über den Weggang des vortrefflichen Salustios geschrieben. In dieser Schrift lobt Julian seinen Freund Salustios, der vermutlich selber ein Kelte gewesen ist[5], über alle maßen: Er sei „einer der ersten unter den Griechen“ und besäße alle griechischen Tugenden:

Ich zähle mich nun schon zu den Kelten durch dich, einen Mann der in puncto Gesetzes­treue und Tugendhaftigkeit zu den allerersten der Griechen gehört, durch einen Meister der Rhetorik und einen Kenner der Philosophie, in der ja die Griechen am meisten erreicht haben, da sie die Wahrheit durch den Verstand zu fassen versuchten und da sie es nicht zuließen, dass wir uns unglaubwürdigen Mythen und sonderbaren Wundergeschichten hingeben, wie es ja so viele von den Barbaren tun.[6]

Folgende Bausteine benennt Julian, die seiner Meinung nach den „wahren Griechen“ ausmachen:

- εὐνομία
- ἀρετή
- ῥητορική
- φιλοσοφία

Dies sind laut Julian die vier Grundelemente des Griechentums. Die beiden ersten sind moralischer Natur, die beiden letzten gehören zur griechischen Bildung, der παιδεία. Letztere spielt überhaupt in Julians Trostschrift eine enorme Rolle. Immer wieder flicht der Autor Homer-Zitate ein, Anspielungen auf griechische Dramen oder mythische Begebenheiten: Diese Anspielungen wiederum kann natürlich ebenfalls nur ein „wahrer Grieche“ herauslesen und verstehen, der mit der παιδεία aufs engste vertraut ist.[7] Zusammenfassen lässt sich der Grundtenor der Trostschrift also mit den Worten: Bildung und Ethik ergeben zusammen den „wahren Griechen“. Auffällig ist hier nun allerdings, dass Julian ein Element ganz außer Acht lässt, das ihm sonst doch so sehr am Herzen liegt: das Heidentum. Dies erklärt sich folgendermaßen:[8] Julian verfasste seine Trostschrift im Jahre 358, als sein Vetter Konstantios noch an der Macht war. Letzterer hatte schon mehrmals bewiesen, dass er – christlichem Glauben zum Trotz – schnell und skrupellos darin war, politische Feinde und religiöse Gegner nachhaltig aus dem Weg zu räumen. Julian hütete sich somit davor, mit seinen wahren Ansichten über Griechentum und Heidentum hausieren zu gehen – zumindest solange sein Vetter noch lebte. Doch sobald Julian nach dessen Tod selbst an die Macht gekommen war, machte er keinen Hehl mehr daraus, dass seiner Meinung nach ein „wahrer Grieche“ stets auch ein praktizierende Heide sei: Hierüber mehr im nächsten Kapitel.

[...]


[1] Libanios, or. 18 (Epitaphios auf Julian), 27-31 bzw. 248-249. καὶ αὐτίκα οὗτος ἀνέσπαστό τε καὶ ἦν μέσῳ φυλάκων ὡπλισμένων ἄγριον μὲν βλεπόντων, τραχὺ δὲ φθεγγομένων [...] ἡ Κωνσταντίου γυνὴ καὶ τὸν μὲν ἠλέησε, τὸν δὲ ἐμάλαξε καὶ πολλαῖς ταῖς ἱκεσίαις ἔλυσεν ἐρῶντα τῆς Ἑλλάδος καὶ μάλιστα δὴ τοῦ τῆς Ἑλλάδος ὀφθαλμοῦ, τῶν Ἀθηνῶν, εἰς γῆν ἐρωμένην πέμψαι. τοῦτο τοίνυν αὐτὸ πῶς οὐκ ἀτεχνῶς ψυχῆς ἐκ θεῶν ἀφιγμένης τὸ καταστάντα εἰς αἵρεσιν χωρίου μήτε κήπων μήτε οἰκιῶν μήτε ὑλῶν [αὐλῶν] μήτε τῶν ἐπ’ αἰγιαλοῖς ἀγρῶν μήτε τῆς ἀπὸ τῶν ἄλλων ὄντων οὐκ ὀλίγων ἐπιθυμῆσαι τρυφῆς, ἃ πάντα ἦν ἐπὶ τῆς Ἰωνίας αὐτῷ, ἀλλ’ ἡγήσασθαι μικρὰ τὰ δοκοῦντα μεγάλα πρὸς τὴν τῆς Ἀθηνᾶς πόλιν, τὴν μητέρα Πλάτωνος καὶ Δημοσθένους καὶ τῆς ἄλλης τῆς πολυειδοῦς σοφίας; ἥκει μὲν οὖν ἐκεῖσε θέων, ὡς προσθήσων οἷς ἠπίστατο καὶ διδασκάλοις [...] Ἦν μὲν οὖν γνώμη τῷ νεανίσκ­ῳ ταῖς Ἀθήναις ἐμβιῶναι τε καὶ ἐντελευτῆσαι καὶ τοῦτο κέκριτο πέρας εὐδαιμονίας. (Übersetzung nach der Hiersemann-Ausgabe, Fatouros et al.)

[2] Julian, Misopogon, 367C. νομίσας [...] ἐμαυτὸν δέ, εἰ καὶ γένος ἐστί μοι Θρᾴκιον, Ἕλληνα τοῖς ἐπιτηδεύμασιν

[3] Vgl.: Julian, Misopogon, 348B/C. Zu Julians teilweise uneinheitlicher Verwendung des Wortes "Hellene" vgl. Kaldellis, S. 152.

[4] Dasselbe Wort verwendet Julian auch in einem Brief an die Alexandrier: Er hoffe, sie pflegten ihr Griechentum „in Denkart und Lebensform“ (ἐν τῇ διανοίᾳ καὶ τοῖς ἐπιτηδεύμασιν) – ep. 53(Weis)/21(Wright).

[5] Laut Stenger, S. 29, sowie laut Wright, S. 195 Anm. 2.

[6] Julian, or. 4, 252A-B. Κελτοῖς γὰρ ἐμαυτὸν ἤδη διὰ σὲ συντάττω, ἄνδρα εἰς τοὺς πρώτους τῶν Ἑλλήνων τελοῦντα καὶ κατ̓ εὐνομίαν καὶ κατὰ ἀρετὴν τὴν ἄλλην, καὶ ῥητορείαν ἄκρον καὶ φιλοσοφίας οὐκ ἄπειρον, ἧς Ἕλληνες μόνοι τὰ κράτιστα μετεληλύθασι, λόγῳ τἀληθές, ὥσπερ οὖν πέφυκε, θηρεύσαντες, οὐκ ἀπίστοις μύθοις οὐδὲ παραδόξῳ τερατείᾳ προσέχειν ἡμᾶς, ὥσπερ οἱ πολλοὶ τῶν βαρβάρων, ἐάσαντες. (Übersetzung frei nach Wright und der dt. Superbia-Ausgabe)

[7] Hierauf verweist insbesondere Stenger, S. 29.

[8] Die folgende Erläuterung folgt Stenger, S. 29f.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Griechentum im Denken und Wirken Kaiser Julians
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Veranstaltung
Kulturgeschichte (MA)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V231489
ISBN (eBook)
9783656478539
ISBN (Buch)
9783656479079
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zitate auf Griechisch/Latein mit deutscher Übersetzung.
Schlagworte
griechentum, denken, wirken, kaiser, julians
Arbeit zitieren
Linda Kahn (Autor:in), 2013, Das Griechentum im Denken und Wirken Kaiser Julians, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231489

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