Die strafrechtliche Beurteilung der progressiven Kundenwerbung


Seminararbeit, 2002

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Begriffsbestimmung der progressiven Kundenwerbung

III. Haupterscheinungsformen der auf vielfältiger Weise variierenden Progressiver Kundenwerbung
1. Das klassische Schneeballsystem
2. Das Pyramidensystem
3. Die Kettenbriefsysteme
3.1 Selbstläufersysteme
3.2 Kettenbriefe mit sog. Zentrale oder Verwaltung
4. Multi- Level- Marketingsysteme bzw. Strukturvertriebsysteme
4.1 Produktbindung
4.2 Stufenmäßige Organisationsgliederung
4.3 Einsatz von Laien
4.4 Erfolgsbezogene Vergütung
4.5 Gewinnung neuer Mitarbeiter
5. Zwischenergebnis: Gemeinsame Merkmale der verschiedenen Systeme
5.1 Systemmultiplikator
5.2 Systemausweitung/ progressiver Charakter
5.3 Systemimmanentes Ende

IV. Die strafrechtliche Beurteilung der verschiedenen Systeme
1 Strafbarkeit der progressiven Kundenwerbung gemäß § 6c UWG
1.1 Entstehung und Entwicklung der Norm
1.1.2 Der objektive Tatbestand des § 6c UWG
1.1.2.1 Das Handeln im geschäftlichen Verkehr
1.1.2.2 Veranlassen zur Abnahme von Waren, gewerblichen Leistungen oder Rechten
1.1.3 Das Tatmittel
1.1.4 Täterschaft und Teilnahme
1.1.5 Tatopfer
1.1.6 Subjektiver Tatbestand
1.1.7 Rechtsfolgen
1.1.7.1 Strafrechtliche Rechtsfolgen
1.1.7.2 Zivilrechtliche Rechtsfolgen
1.1.8 Konkurrenz
1.1.9 Zwischenergebnis
2. Weitere Möglichkeiten der strafrechtlichen Behandlung
2.1 Das klassische Schneeballsystem
2.2 Die Pyramidensysteme
2.3 Die Kettenbriefsysteme
2.3.1 Selbstläufersysteme
2.3.2 Kettenbriefsysteme mit Verwaltung

V. Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung:

Durch die Polizei und Verbraucherverbände, aber auch in Presseveröffentlichungen wird bereits seit Jahren immer wieder vor gewissen, dubiosen Vertriebsystemen gewarnt. Gerade jetzt kommt diesem Thema wieder besondere Bedeutung zu, denn in Zeiten einer konjunktureller Flaute, einer hohen Arbeitslosenquote und hoher Abgabenbelastungen besteht bei vielen Menschen oftmals der Wunsch, sich im Wege des Nebenverdienstes oder mit dem Schritt in die Selbstständigkeit ein weiteres Standbein aufzubauen. Nicht wenige fallen aber bei der Suche nach dem schnellen Geld auf die Verlockungen mancher Vertriebsorganisationen herein, die teilweise mit enormen Gewinnversprechungen in Zeitungen und Zeitschriften sowie im Internet damit werben, ohne eine besondere Ausbildung schnell und einfach mit Systemen der progressiven Kundenwerbung viel Geld verdienen zu können. In den meisten Fällen sind jedoch einzig die Systembetreiber diejenigen, die Kapital aus solchen Vertriebssystemen schlagen, während den Teilnehmern und Mitarbeitern oftmals ein enormer wirtschaftlicher Schaden entsteht.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, einen Überblick über die gängigen Erscheinungsformen der verschiedenen Vertriebssysteme progressiver Kundenwerbung aufzuzeigen, auf mögliche Gefahren hinzuweisen und die strafrechtliche Beurteilung darzulegen.

II. Begriffsbestimmung der progressiven Kundenwerbung

Für das seit jeher beliebte Vertriebssystem der Progressiven Kundenwerbung bestehen viele Variationsmöglichkeiten. Primär geht es aber immer um den Absatz von Waren, gewerblichen Leistungen oder Rechten mit Hilfe von Laien. Es unterscheidet sich dadurch von den herkömmlichen Vertriebsmethoden, das Endabnehmer, Verbraucher und andere Dritte aktiv in die Absatzstrategie eines Unternehmens mit einbezogen werden. Dadurch entsteht ein Multiplikationseffekt, der durch jeweils leistungsbezogene Anreize noch verstärkt wird und die Zahl der Mitarbeiter innerhalb der Vertriebsstruktur ständig anwachsen lässt. Gleichzeitig wird damit eine nachhaltige Umsatzsteigerung erzielt[1]. Der besondere Vorteil für den Laienwerber besteht gewöhnlich darin, dass er sich als Käufer einer Ware von seiner Kaufpreisschuld durch Werbung weiterer Kunden befreien kann[2], was gleichzeitig aber auch ein erheblicher Nachteil sein kann, worauf im Verlauf dieser Arbeit noch näher eingegangen wird.

Dieses Grundprinzip ist bei allen Systemen der progressiven Kundenwerbung in etwa gleich, auch wenn sie sonst sehr variantenreich sein können.

III. Haupterscheinungsformen der auf vielfältiger Weise variierenden progressiven Kundenwerbung :

1. Das klassische Schneeballsystem:

Beim klassischen Schneeballsystem, gelegentlich auch Hydra-, Gella-,Multiplex- oder Lawinenssystem genannt, steht für den Initiator des Systems der Absatz von Waren im Vordergrund.

Bei dieser Form der progressiven Kundenwerbung schließt der Unternehmer (Hersteller/Vermittler) zunächst mit einem Erstabnehmer einen Kauf- oder Franchisevertrag, der zur Abnahme von Waren und oder Zahlung von Eintrittsgebühren in das Vertriebssystem verpflichtet. Aufgabe des Erstabnehmers ist es, seinerseits die von ihm angekaufte Ware weiterzuverkaufen und zusätzlich weitere Abnehmer für das Unternehmen zu werben. Im Gegenzug wird dem Erstabnehmer durch die Unternehmensleitung in Aussicht gestellt, dass bei der Anwerbung einer bestimmten Zahl neuer Abnehmer die eigene Kaufpreisschuld ganz oder teilweise erlassen wird bzw. der bereits gezahlte Kaufpreis zurückerstattet wird. Teilweise erhält der Käufer aber die Ware auch erst bei der erfolgreichen Werbung neuer Kunden[3]. Mit den somit neu gewonnen Abnehmern und mit allen weiteren von diesen geworbenen nachfolgenden Kunden, schließt das Unternehmen dann selbst entsprechend neue Verträge wieder ab[4].

Erfüllt der Abnehmer die Bedingungen nicht, so verfallen seine Ansprüche gegenüber dem Unternehmen, beispielsweise werden bereits geleistete Kaufpreisraten nicht zurückerstattet.

Ziel dieser Art von Vertriebssystemen ist es, den Abnehmer zum Kauf von Waren oder Leistungen zu verleiten, indem der Eindruck erweckt wird, diese durch geringe Eigenleistung nahezu kostenlos erwerben zu können. Viele Abnehmer verkennen aber bereits beim Kauf der Ware, dass sie zu Aufwendungen (z.B. Werbeaufwendungen) veranlasst wurden, die sie ohne die in Aussichtstellung des kostenlosen Erwerbs erst gar nicht getätigt hätten. Hinzu kommt, dass viele der Abnehmer ihre Werbechancen überschätzen, andere zum Abschluss gleicher Geschäfte verleiten zu können. Gerade für Nichtkaufleute birgt diese Art von Vertriebssystem ein erhebliches Risiko, da durch die systembedingte Ausweitung schon nach kurzer Zeit zwangsläufig eine Marktverengung eintritt, die eine Werbung weiterer Kunden fast unmöglich macht. Es hängt dann oft vom Zufall ab, ob eine Gewinnung weiterer Kunden noch möglich ist oder nicht. Viele geraden dann schnell unter psychischen und finanziellen Druck, dem sie nicht lange standhalten können und der oft finanzielle Verluste mit sich bringt.

2. Das Pyramidensystem

Beim Pyramidensystem schließt der Unternehmer, anders als beim klassischen Schneeballsystem (s.o. III.1. S. 2 f. ), nur Kaufverträge mit den von ihm selbst angeworbenen Erstkäufern ab. Diese Kunden sind dann gezwungen, Waren oder sonstige wirtschaftliche Leistungen, die sie selbst erworben haben, an weitere von ihnen angeworbene Kunden zu veräußern, welchen wiederum das gleiche Schicksal droht. Oftmals werden die Kunden dabei zur Abnahme von Waren veranlasst, deren Menge den persönlichen Bedarf erheblich übersteigt und die zudem noch schwer verkäuflich sind. Um die erworbenen Waren wieder loszuwerden, müssen diese Kunden weitere Kunden bzw. Vertreiber anwerben. Der materielle Anreiz liegt bei dieser Form des Vertriebs nicht im unmittelbaren Verkauf von Waren oder Leistungen, sondern überwiegend oder ausschließlich in der Anwerbung von weiteren Mitgliedern der Vertriebsorganisation[5], da nur so überhaupt mögliche Gewinnaussichten zu realisieren sind. Ähnlich wie beim klassischen Schneeballsystem (s.o. III.1. S.2 f.) findet bei dieser Vertriebsform schnell eine Verengung des Marktes statt, so dass i.d.R. nur den Personen, die den oberen Rängen der Verkaufshierarchie angehören ein Absatz der Waren gelingen wird. Da die Kunden dies aber oftmals beim Einstieg in das System nicht erkennen, hängt auch hier der Werbeerfolg und damit der finanzielle Verlust bzw. Gewinn vom Zufall ab.

3. Die Kettenbriefsysteme

Bei Kettenbriefen handelt es sich um subjektbezogene Schneeballsysteme im allgemeinen gesellschaftlichen Bereich, bei denen der Absatz von Waren nicht mehr im Vordergrund steht. Oftmals handelt es sich bei diesen Systemen um reine Geldgewinnspiele mit Namen wie beispielsweise „Jump“, „Life“ , „Cash“, „Titan“ etc., die in den letzten Jahren flächendeckend in Deutschland angeboten und gespielt wurden mit einem geschätzten Umsatz, der die Milliardengrenze (in DM) überschritten hat[6]. Den Teilnehmern werden enorme Gewinne und Vorteile versprochen, die garantiert eintreten sollen, sofern es keine Unterbrechung der Kette gibt. Entsprechend der Regeln des Systems müssen demnach ständig neue Teilnehmer gefunden werden, damit die Kette nicht abreißt und somit überhaupt eine Gewinnmöglichkeit besteht. Dieses Grundprinzip ist bei allen Kettenbriefsystemen gleich. Im Lauf der Zeit haben sich jedoch zwei Grundformen unter der Vielzahl von Spielen herausgebildet, zwischen denen man im wesentlichen unterscheidet[7].

3.1 Selbstläufersysteme

Die Selbstläufersysteme , die auch nur Kettenbriefe genannt werden, zeichnen sich dadurch aus, dass sich der Initiator darauf beschränkt, den Anstoß zu geben, der weitere Verlauf des Spiels aber „selbstläuferisch“, d.h. ohne Überwachung oder Einflussnahme durch den Systembegründer bzw. Verwalter abläuft[8]. Der Spielverlauf sieht dabei wie folgt aus: Jeder neue Mitspieler muss, nachdem er den Brief mit den Spielregeln erhalten hat, der Person, die momentan an erster Rangstelle des Spielsystems steht, einen vorgegebenen Geldbetrag übersenden, dann selbst eine entsprechende Anzahl von Anschriften suchen, eine Vervielfältigung der Spielregeln vornehmen und dann die Rangliste dahingehend verändern, dass die erste Rangstelle gestrichen wird, alle anderen Positionen um einen Platz vorrücken und sich selbst an die letzte Stelle setzen. Dieser Vorgang muss sich dann i.d.R. 3 bis 5 mal wiederholen, bis die Position erreicht werden kann, bei der für einen selbst eine Gewinnchance besteht. Durch die vorgegebene Zahl der zu werbendenden Folgemitglieder findet jedoch eine enorme Potenzierung des Teilnehmerkreises statt und dadurch eine schnelle Sättigung des Marktes. Eine wirkliche Gewinnchance kann folglich nur in der Anfangszeit des Systems bestehen, die Mehrheit geht aber immer leer aus. Viele Einsteiger erkennen dies aber nicht von Beginn an. Auch bei diesem System hängt letztendlich eine Gewinnchance nur vom Zufall ab.

[...]


[1] vgl.: Baumbach A./ W. Hefermehl (2000): Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 6c UWG Rn. 1.

[2] Vgl.: Baumbach A./ W. Hefermehl (2000): Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 6c UWG Rn. 1.

[3] vgl.: Baumbach A./ W. Hefermehl (2000): Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 172.

[4] vgl.: Otto H.(1992) in : Großkommentar UWG Band 2: § 6c UWG Rn. 5.

[5] vgl.: Otto H. (1992) in : Großkommentar UWG Band 2: § 6c UWG Rn. 5.

[6] vgl.: Otto H. (1997): Geldgewinnspiele und verbotene Schneeballsysteme nach § 6c UWG: wistra S. 81.

[7] vgl.: Baumbach A./ W. Hefermehl (2000): Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 174.

[8] vgl.: Kramer F. (2000) in: Heidelberger Kommentar zum Wettbewerbsrecht: § 6c UWG Rn. 9 .

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die strafrechtliche Beurteilung der progressiven Kundenwerbung
Hochschule
Fachhochschule Kiel  (Wirtschaft)
Veranstaltung
Wirtschaftskriminalität
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
25
Katalognummer
V23135
ISBN (eBook)
9783638263191
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beurteilung, Kundenwerbung, Wirtschaftskriminalität
Arbeit zitieren
Oliver Kettner (Autor:in), 2002, Die strafrechtliche Beurteilung der progressiven Kundenwerbung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23135

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