Die Immigration der „Deutschen“ in den Medien


Forschungsarbeit, 2010

15 Seiten


Leseprobe


1. Einleitung und Theoretische Ausgangslage

Der neue Strukturwandel der Öffentlichkeit lässt sich zusammengefasst, als Ausdifferenzierung der Medien aus dem politischen Handlungsbereich und als Orientierung der Medien an der ökonomischen Handlungslogik beschreiben. (Imhof 2010:17). Das Medien lösen sich in sozialem wie ökonomischem Sinne von ihren herkömmlichen, sozialräumlich und moralisch gebundene Trägern, sprich Parteien, Verbände oder Kirchen und wandeln sich zu Medienunternehmen und Medienkonzernen, welche im freien Markt überleben müssen. Sie werden somit zu Dienstleistungsorganisationen mit beliebiger Kapitalversorgung und hohen Renditeerwartungen (Imhof 2006: 5; Imhof 2008:78).

Die Symbiose zwischen Politik und Medien, welche also bisher bestand, wird aufgelöst und durch die neue Symbiose Medien und Ökonomie ersetzt. Die Beziehungen zwischen politischen wie auch ökonomischen Akteuren und den Medien werden durch dieses marktorientierte Mediensystem grundlegend neu gestaltet. Früher waren die Medien kontrolliert durch die Politik bzw. die beiden Systeme miteinander verschränkt. Heute jedoch sind die Medien unabhängig und kommerzialisiert (Mudde 2004: 553, 556). Das unabhängige Mediensystem bringt mehr Wettbewerb mit sich. (Imhof 2006:9+ 10). Die Medien kämpfen um die Aufmerksamkeit der Konsumenten. Und so ist die Selektion, welche die Medien vornehmen, Marktorientiert und nach den Bedürfnissen des sogenannten Konsumenten ausgerichtet. Die Öffentlichkeit ist nicht länger als Bürger angesprochen, sondern als Konsument, dessen Wünsche und Nachfrage befriedigt werden muss. (Brants 2008: 5-9). Das führt dazu, dass die Medien sich neu an einem zahlendes Publikum bzw. dem zahlenden Medienkonsument in seiner Konsumationsrolle richten. Es findet anstatt wie bisher eine Orientierung am Staatsbürgerpublikum neu eine Laienorientierung statt (Imhof und Eisenegger 2006: 1; Imhof 8:18). Medien richten sich neu an einem zahlendes Publikum bzw. dem zahlenden Medienkonsument in seiner Konsumationsrolle. Es geht um Publikumsmärkte, also Kunden, welche gewonnen werden wollen. Daher werden die Medien auch politisch wie auch ideologisch offener und flexibler. (Imhof 2008:79).

Es ergeben sich neue Inputbedingungen (Nachrichtenwerte) in diesem neu kommerzialisierten Mediensystems (Marcinkwoski 2005: 375). Nachrichtenwerte, sind journalistische Routinen zur Selektion der News bzw. Hypothesen darüber, was mit der Publikumsaufmerksamkeit rechnen kann. Und diese haben sich somit als Folge des Strukturwandels der Öffentlichkeit verändert. Denn Ziel ist schließlich, die Aufmerksamkeit des zahlenden Publikums zu gewinnen eine möglichst hohe Auflage zu erreichen. Es kommt daher zu einer Favorisierung marktfähiger Themen und zu einer Popularisierung der Medieninhalte (Althoff 2008: 64).

Es werden also nur jene Informationen weitergegeben, welche für “newsworthy” befunden werden, was heißt, dass sie gewisse Kriterien erfüllen müssen (Mazzoleni 2003: 10 und 14). Nachrichtenwert besitzen nun jene Themen, welche Publikumsaufmerksamkeit maximieren, also hohe Auflagenzahlen versprechen (Eisenegger & Kamber Glossar 2010:7 ). Dies führt, so auch gemäß Mudde, zu einer Fokussierung auf die extremeren und skandalöseren Themen (Mudde 2004: 553 und 556). Die Zeitungen werden politisch und ideologisch offener und orientieren sich an neuen Selektions-, Interpretations- und Inszenierungslogiken um ihre Auflage zu erhöhen. (Imhof 2010: 9+18). Es handelt sich dabei um Selektions-, Interpretations- und Inszenierungslogiken, welche sich, wie erwähnt, an den Aufmerksamkeitsbedürfnissen des Publikums ausrichten (Imhof & Eisenegger 2006: 1). Neu sind darunter im wesentlichen folgende Merkmale zu verstehen: Personalisierung, Sensationalismus, Dramatisierung, Emotionalisierung, Skandalisierung und Simplifikation (Weinmann 2009: 38; Eisenegger & Kamber Glossar 2010:7). Dabei hat sich die mediale Skandalisierungskommunikation nicht nur intensiviert, sondern es hat sich auch die Struktur des Skandals geändert. Im Gegensatz zum klassischen Skandal, welcher sich durch einen Skandalisierer, ein Skandalmedium und einen Skandalisierten zusammensetzt, übernimmt neu im modernen Skandal, das Skandalmedium gleichzeitig die Rolle des Skandalisierers. Das heißt die Medien selber ergreifen die Initiative um einen Skandal publik zu machen und ihn anzuklagen (Imhof 2006: 6).

Ein weiterer Indikator für den Strukturwandel ist die Konfliktstilisierung. Dabei werden im Kampf um die knappe Aufmerksamkeit Konflikte zugespitzt, also verschärft dargestellt. Dabei spielt erneut Personalisierung und Dramatisierung eine Rolle, sowie die Darstellung des Ganzen in einer Sieg- Niederlage- Dynamik. Dabei ist erneut zu betonen, dass jene Darstellung auch von den Medienmachern selbst forciert wird (Eisenegger & Kamber Glossar 2010:4). Weiter lässt sich auch eine Verschiebung der Themen- und Meinungsresonanz zwischen den verschiedenen Medien feststellen. Vor dem Strukturwandel, war die Parteipresse durch eine wechselseitige Themen- und Meinungsresonanz gekennzeichnet. Es wurde also auf andere Medien Bezug genommen und es fand eine Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen (parteipolitischen) Positionen bzw. Weltanschauungen statt. Die Diskussion fand dabei auf hohem intellektuellem Niveau statt. Durch den Strukturwandel verschwand dieser Publikumsoffene Streit zwischen den Leitmedien und es kam zu einer Einschränkung auf eine reine Themenresonanz. Der Meinungsstreit nahm ab und somit kam es auch zu einer Abnahme der Anschlusskommunikation (Imhof 2006: 18-19). Viel mehr findet man heute eine stillschweigende Übernahme der Interpretationen der

Ursprungsberichterstattung, was zu einer Verbreitung gleichartiger und nachrichtenwertorientierter Berichterstattung führt (Imhof 2006:13).

1.2 Formulierung der Forschungsfrage

Es scheint nun nur logisch, dass diese strukturellen Veränderungen und die Orientierung an neuen Nachrichtenwerten, auch einen Effekt auf den öffentlichen Diskurs ausüben. Es zeigt sich eine Veränderung im Mediensystem und somit auch in der öffentlichen Kommunikation. Es stellt sich nun die Frage inwiefern der Strukturwandel der Öffentlichkeit möglicherweise die Konfliktbearbeitung im öffentlichen Raum verändert hat. Berichten Medien anders über (gesellschaftliche) Konflikte bzw. hat sich die öffentliche Diskussion verändert? Wäre es möglich, dass gewisse Konfliktsemantiken stärker den neuen Nachrichtenwerten entsprechen würden als andere? Also höhere Aufmerksamkeit erzielen? In Anbetracht der neuen Logiken des Mediensystems kommt dabei die Frage auf, welcher Konflikt den Medien wohl lieber wäre, bzw. welcher Konflikt die Auflage stärker steigern könnte? Dabei ist zu bedenken, dass gewisse Medien sich stärker an den neuen Nachrichtenwerten orientieren als Andere. Dies führt zu folgender Fragestellung:

“ Erscheinen Konflikte in Medien, welche sich stärker an den neuen Nachrichtenwerten orientieren, in anderer Form, als in jenen Medien, welche sich nicht (so stark) den neuen Logiken des Mediensystems unterworfen haben? “

1.3 Relevanz der Fragestellung

In Anbetracht der Bedeutung des Mediensystems für eine Demokratie, spielt es eine erhebliche Rolle, wie die Konfliktaustragung zwischen verschiedenen Akteuren in der Öffentlichkeit und somit in den Medien durch den Strukturwandel beeinflusst werden könnte. Denn die Öffentlichkeit erfüllt wichtige Funktionen für eine gut funktionierende Demokratie. Sie dient der Wahrnehmung, Auswahl und Diskussion der allgemeinverbindlichen zu lösenden Probleme und erfüllt somit eine Forumsfunktion. Also jenen Problemen, welche politisch bearbeitet werden sollen. Eine weitere wichtige Funktion der öffentlichen Kommunikation ist ihre Kontroll- und Legimitationsfunktion. Sie erfüllt eine Kontrollfunktion gegenüber den politischen Akteuren bzw. den Machtträgern, wenn die Staatsgewalten, also ihre Institutionen, Prozesse und die beteiligten Akteure durch die Öffentlichkeit kontrolliert und gegebenenfalls kritisiert werden.

Die Öffentlichkeit erzeugt drittens die notwendige Loyalität zwischen den Bürgern einer Gesellschaft, welche für eine sich selbst regulierende Rechtsgemeinschaft unverzichtbar ist. Dies ist die Integrationsfunktion. Das heißt, durch die öffentliche Kommunikation soll eine Selbstwahrnehmung der Bürger/-innen als Mitglieder einer Gesellschaft und eine gesellschaftliche Selbstbeobachtung möglich sein. Diese drei Leistungsfunktionen öffentlicher Kommunikation sind für eine demokratische Selbststeuerung Voraussetzung (Eisenegger & Kamber Glossar 2010:4+5). Die Öffentlichkeit hat somit, als Ort der öffentlichen Diskussion, als Ort der Konfliktaustragung zwischen verschiedenen Akteuren, als Spiegel der Gesellschaft, durch welchen sie sich selbst wahrnehmen kann, als möglichen Ausgangspunkt für den Input im demokratischen System, und Ort der (politischen) Meinungsbildung und sozusagen als vierte Gewalt in einer Demokratie, für eine Gesellschaft eine große Bedeutung. Die Qualität der Demokratie ist untrennbar mit der Qualität der Öffentlichkeit verknüpft (Eisenegger et al. Hauptbefunde 2010: 1).

Wenn man nun bedenkt, dass dem Mediensystem bzw. der Öffentlichkeit und dem öffentlichen Diskurs in einer Demokratie eine zentrale Rolle zukommt, sind mögliche Auswirkungen des neuen Strukturwandels von großem Interesse. Es ist von Interesse ob der Strukturwandel einen Einfluss auf die Konfliktdarstellung der verschiedenen Medienorgane ausübt und somit gegebenenfalls auch auf die Funktionen, welche die öffentliche Kommunikation für eine funktionierende Demokratie hat. Daher ist auch die Fragestellung relevant, ob Medienorgane, welche sich bezüglich der Orientierung an den neuen Nachrichtenwerten unterscheiden, ebenfalls in der Darstellung von gesellschaftlichen Konflikten unterscheiden .

2. Zur Klassifizierung von Konflikten

Gemäß Imhof lässt sich einerseits zwischen Routinekonflikten und Fundamentalkonflikten unterscheiden. Routinekonflikte sind institutionell eingebetete Konflikte, welche sozusagen als Leitfossilien für soziale Ordnungen betrachtet werden können. Sie sind strukturiert und institutionell bestreitbar, da sie nur ein oder zwei Politikbereiche bzw. Teilsysteme betreffen.

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Details

Titel
Die Immigration der „Deutschen“ in den Medien
Hochschule
Universität Zürich
Autor
Jahr
2010
Seiten
15
Katalognummer
V230720
ISBN (eBook)
9783656464419
ISBN (Buch)
9783656469094
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
immigration, deutschen, medien
Arbeit zitieren
lic.phil Dinah Truninger (Autor:in), 2010, Die Immigration der „Deutschen“ in den Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230720

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