Schmerzerfassung und -dokumentation bei rheumatischer Arthritis, chronischer Polyarthritis & Arthrose


Unterrichtsentwurf, 2013

34 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verortung der Unterrichtsstunde

Kompetenzen

Lernergebnisse

Abkürzungsverzeichnis

1 Bedingungsanalyse
1.1 Voraussetzungen der Lerngruppe
1.2 Voraussetzungen des Studenten
1.3 Voraussetzungen seitens des Settings

2 Einordnung der Stunde in den Unterrichtszusammenhang

3 Kompetenzen

4 Situationsanalyse
4.1 Situation
4.2 Konstitutive Merkmale
4.2.1 Objektiver Pflegeanlass
4.2.2 Subjektives Krankheitserleben und –verarbeiten der Klientin
4.2.3 Interaktionsstrukturen
4.2.4 Handlungsmuster
4.2.5 Der Pflegeprozess
4.2.6 Tätigkeitsfeld
4.2.7 Gesellschaftlicher Kontext

5 Didaktische Überlegungen
5.1 Formale Begründung
5.2 Inhaltliche Begründung
5.3 Exemplarische Bedeutung

6 Didaktische Reduktion
6.1 Horizontale Reduktion
6.2 Vertikale Reduktion

7 Lernergebnisse

8 Methoden- / Medienwahl

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Bedingungsanalyse

Dieser Unterrichtsentwurf wird für den Kurs 28 des Fachseminars für Altenpflege beim DRK Kreisverband Dortmund erstellt. Im Folgenden werden die Bedingungen der Lerngruppe, des Studenten und des Settings analysiert.

1.1 Voraussetzungen der Lerngruppe

Der Kurs 28 begann am 01.10.2012, die Schüler3 befinden sich somit im zweiten Theorie-Block des ersten Lehrjahres ihrer Ausbildung. Insgesamt besteht der Kurs aus 28 Schülern, von denen 5 männlich und 23 weiblich sind. Die meisten Schüler sind zwischen 21 und 25 Jahren (13) bzw. zwischen 18 und 20 Jahren alt (8). Drei Schüler sind zwischen 26 und 30 Jahren alt, die weiteren vier Schüler sind über 31 Jahre alt. Der Altersdurchschnitt liegt bei 24,7 Jahren. Nachdem der Kurs die Forming- und Storming-Phasen des Modells der Gruppendynamischen Prozesse nach Nellessen und Tuckman (zit. nach Pallasch, Kölln, Reimers & Rottmann, 2001, S. 431) durchlaufen hat, befindet er sich nunmehr in der Norming-Phase. Die Lerngruppe ist zusammengewachsen, Normen und Rollen wurden geklärt und ein effektives Arbeiten ist möglich.

Durch die Implementierung dieses Teil-Lernfeldes in den zweiten Theorie-Block des ersten Ausbildungsjahres ist davon auszugehen, dass die Schüler ein relativ geringes theoretisches Vorwissen bzgl. der Thematik haben. Da sie jedoch bereits den ersten Praxis-Block absolviert haben, sind die meisten Schüler bereits Senioren mit rheumatischen Krankheiten im Pflegealltag begegnet.

Als Standard-Buch für diesen Kurs wird das Lehrbuch „Altenpflege heute“ herangezogen; dies ist den Lehrern bei Bedarf zugänglich, sodass die Unterrichtsinhalte bevorzugt anhand dieses Buches bearbeitet werden sollen.

1.2 Voraussetzungen des Studenten

Der Student ist examinierter Altenpfleger und hat während seiner mehrjährigen Tätigkeit im Bereich der ambulanten Pflege ein fundiertes praktisches Wissen um das Krankheitsbild sowie die therapeutische Maßnahmen erworben. Die Begleitung von älteren Menschen mit diversen rheumatischen Erkrankungen in unterschiedlichen Krankheitsstadien und unter verschiedenen therapeutischen Maßnahmen gehörte dabei zu seinen täglichen Tätigkeiten. Darüber hinaus wurde das theoretische Wissen um Arthrose und rA sowie die entsprechenden Therapien im Studium intensiv behandelt und vertieft.

Durch seine Tätigkeit als Honorardozent hat der Student bereits Erfahrungen im Bereich der Lehre erworben. Den Kurs 28 hat er in diesem Rahmen sowie durch das Praxissemester bereits kennen gelernt und seit dem ersten Theorie-Block begleitet. Das Verhältnis zwischen ihm und dem Kurs kann beiderseits als offen, freundlich und respektvoll bezeichnet werden. Als Anrede wurden „Sie“ sowie der Nachname der Schüler vereinbart, da dies im Bereich der Erwachsenenbildung üblich ist.

1.3 Voraussetzungen seitens des Settings

Das Fachseminar für Altenpflege ist im Ausbildungszentrum des DRK Kreisverbandes Dortmund integriert. An diesem Standort finden verschiedene Aus-, Fort- und Weiterbildungen statt, die vom DRK angeboten werden. Das Fachseminar für Altenpflege ist dabei fest im ersten Obergeschoss der insgesamt vier Etagen verortet. Die Schule selbst verfügt über vier unterschiedlich große Klassenräume, einen Aufenthaltsraum, ein Sekretariat, Büroräume für die hauptamtlich angestellten Lehrer sowie einen großen Praxisraum in der zweiten Etage. Je nach Bedarf und Belegung können weitere Schulungsräume des Ausbildungszentrums genutzt werden. Die Zeiten für die theoretische und praktische Ausbildung sind jedoch so organisiert dass nach Möglichkeit nicht alle Kurse zur gleichen Zeit in der Schule sind. Auf diese Weise sind immer genug Räumlichkeiten für die anwesenden Kurse sowie als Arbeitsräume -z.B. für Gruppenarbeiten- zugänglich.

Die technische Ausstattung der Schule umfasst alle gängigen Materialien und Medien. In jedem Klassenraum ist eine Kreidetafel oder ein Whiteboard vorhanden. Ein Fernseher für VHS-Videos und DVD’s sowie ein Beamer sind nach vorheriger Reservierung ebenfalls für alle Lehrer zugänglich. Metaplanwände, OHP’s und Flipcharts vervollständigen die materielle Ausstattung der Schule. Eine große Auswahl an Fachbüchern ist sowohl den Dozenten als auch den Schülern jederzeit zugänglich.

Am Fachseminar werden derzeit drei Altenpflege- sowie ein Altenpflegehelfer-Kurs in Form von Vollzeit-Ausbildungen ausgebildet. Die Unterrichtszeiten sind in vier Blöcke zu je zwei UE organisiert. Zwischen der vierten und fünften Stunde findet eine Mittagspause von 45 Min. statt; zwischen den beiden ersten und letzten Blöcken werden jeweils Pausen von je 15 Min. eingelegt. In den Doppelstunden werden, sofern es sich thematisch realisieren lässt, 5-Minuten-Pausen eingelegt um die Aufnahmefähigkeit der Schüler auf einem hohen Niveau zu halten.

2 Einordnung der Stunde in den Unterrichtszusammenhang

Der Unterricht findet in der 19. und 20. von insgesamt 28 Stunden statt. Inhaltlich wurde die Unterrichtsreihe sinnvoll in zwei Themenkomplexe gegliedert. Der erste Themenkomplex („Krankheitserleben und -verarbeiten“) knüpft direkt an die vorangegangene Unterrichtsreihe „Herz und chronische Herzerkrankungen“ an, so dass die Schüler diese beiden Unterrichtsreihen sinnvoll miteinander verknüpfen können.

Am 15.01.2013 und 16.01.2013 sowie am 29.01.2013 und 30.01.2013 wurde der Kurs in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt. Während eine Gruppe theoretischen Unterricht beim Studenten hatte (hier wurde der Themenkomplex 1 thematisiert), war die jeweils andere Gruppe im Praxisraum und hatte theoretischen und praktischen Unterricht zum Bobath-Pflege-Konzept. Da es aus organisatorischen Gründen leider nicht möglich war, die Unterrichtsstunden des Studenten anderweitig im Stundenplan zu platzieren, konnte der erste Themenkomplex für eine der Gruppen nicht, wie ursprünglich geplant, im direkten Anschluss an die vorangegangene Unterrichts-Reihe angeknüpft werden.

Darüber hinaus ist dieser Theorie-Block aufgrund interner Planungen (siehe Kapitel 1.3) mit einer Dauer von fünf Wochen sehr kurz gehalten. Daher ist geplant, dass diese Unterrichts-Reihe im nächsten Theorie-Block fortgeführt wird.

Im zweiten Themenkomplex wurde bislang das Krankheitsbild „Rheuma“ differenziert, da hierunter etwa 200 einzelne Erkrankungen zusammengefasst sind (vgl. Hill, 2005, S. 48). Weiterhin wurde zunächst auf die Einteilung rheumatischer Erkrankungen sowie auf die beiden häufigsten Krankheitsbilder der beiden Obergruppen „Degenerative rheumatische Erkrankungen“ und „Entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankungen“ eingegangen. Dies sind im Einzelnen die Krankheitsbilder „Arthrose“ und „rheumatische Arthritis“ bzw. „chronische Polyarthritis“. Hier wurden insbesondere die Risikofaktoren, die Entstehung sowie der Krankheitsverlauf, die therapeutischen Möglichkeiten sowie die pflegerischen Maßnahmen thematisiert. Diese werden in der geplanten Unterrichtsstunde abgeschlossen. Weitere rheumatische Erkrankungen, der systemische Lupus erythematodes sowie Morbus Bechterew, werden im nächsten Theorie-Block thematisiert. Zum Abschluss der Unterrichtsreihe wurden zwei an Morbus Bechterew Erkrankte Menschen für den Unterricht eingeladen. Der Kontakt wurde über die deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e.V. hergestellt.

3 Kompetenzen

Die Kompetenzen, die durch diese Unterrichtsreihe angebahnt werden sollen, sind auf Seite III aufgeführt.

4 Situationsanalyse

Im Folgenden wird eine berufstypische Situation dargestellt, die nach dem Situationsorientierten Ansatz von Kaiser, modifiziert von Hundenborn & Knigge-Demal (2006, S. 177ff), analysiert wird.

4.1 Situation

Frau Mielke (78) ist gestern aus ihrer norddeutschen Heimatstadt in das Dortmunder „Altenpflegeheim am See“ eingezogen, da sie in der Nähe ihres Sohnes wohnen möchte. Zu Hause kam sie nur noch schlecht alleine zurechtkommt; schon alltägliche Bewegungen ihrer Hände verursachten ihr große Schmerzen. Die Altenpflegerin Frau Lohse hat Frau Mielke auf der Station begrüßt und das Aufnahme-Gespräch durchgeführt. Dabei hat Frau Mielke angegeben, dass sie seit elf Jahren Arthrose und chronische Polyarthritis in mehreren Gelenken habe. Eine Operation ist nicht möglich. Da immer wieder Schübe in den betroffenen Gelenken auftreten, hat Frau Mielke fast kontinuierlich Schmerzen und nur wenige Phasen, in denen sie schmerzfrei ist. Um die Schmerzen zu dokumentieren, führt Frau Lohse mithilfe eines Schmerzerfassungs-Bogens ein Eingangs-Assessment durch. Für etwaige Umstellungen ihrer Schmerz-Therapie durch den neuen behandelnden Rheumatologen vor Ort, muss jedoch auch eine langfristige Schmerzdokumentation erfolgen.

4.2 Konstitutive Merkmale

Im Folgenden werden die konstitutiven Merkmale in Bezug auf die in Kapitel 4.1 beschriebene Situation aufgeführt und analysiert.

4.2.1 Objektiver Pflegeanlass

Um zunächst ein einheitliches Krankheitsverständnis zugrunde zu legen, orientiert sich der Autor an der Definition nach Arthur (in: Hill, 2005, S. 67): „Der Begriff rheumatische Erkrankung wird benutzt, um die vielen Erkrankungen des Bewegungsapparates zu bezeichnen. Sie können Knochen, Gelenke, Bindegewebe und Muskeln betreffen“. Da hierunter jedoch etwa 200 verschiedene Krankheitsbilder zu verstehen sind, werden weitere Obergruppen unterschieden (vgl. ebd., S. 67). Im Kontext dieses Unterrichtsentwurfes sind jedoch lediglich die rheumatische Arthritis und die chronische Polyarthritis (beide im Folgenden Arthritis genannt) sowie die Arthrose relevant. Sie werden zu den beiden Obergruppen e ntzündliche Gelenkerkrankungen und degenerative Gelenkerkrankungen gezählt und können ineinander übergehen (vgl. ebd., S. 67). Im Gegensatz zur Arthrose verläuft die Arthritis schubweise (vgl. ebd., S. 68).

Der objektive Pflegeanlass ergibt sich aus der Anamnese der Bewohnerin Frau Mielke und lässt sich in drei Teilbereiche gliedern: 1) Sicherstellung der Schmerztherapie 2) Hilfe bei der Körperpflege und 3) Beratung. Da Frau Mielke unter chronischen Schmerzen leidet und aufgrund ihrer rheumatischen Erkrankungen nicht regelmäßig in der Lage ist ihre Medikamente selbstständig zu stellen, ist sie in diesem Bereich auf Hilfe angewiesen. Die Sicherstellung der medikamentösen Therapie gehört in einem Altenpflegeheim zu den gängigsten Maßnahmen und stellt an sich keine große Herausforderung dar (vgl. Elsevier GmbH, 2010, S. 609f). Da Frau Mielke durch ihre Erkrankungen auf die regelmäßige Einnahme der Medikamente angewiesen ist, müssen die Pflegenden diese regelmäßig zu festen Zeiten vorbereiten bzw. ihr bringen, um einen möglichst effektiven Nutzen zu erzielen (vgl. ebd., S. 612). Darüber hinaus müssen auch Bedarfs-Medikationen für Frau Mielke ständig vor Ort und für die Pflegenden zugänglich sein.

Einen weiteren Aspekt stellt die langfristige Therapie dar. Einerseits hat Frau Mielke durch den Umzug sowohl einen neuen Hausarzt als auch einen neuen Rheumatologen. Beide kennen weder sie noch ihren Krankheitsverlauf oder die vorangegangenen therapeutischen Maßnahmen, was das medizinische Handeln bei einem erneuten Schub oder einer sonstigen Krankheitsbedingten Veränderung erschwert. Daher ist es angebracht, zunächst eine Schmerzerhebung durchzuführen. Das Führen eines Schmerz-Tagebuches bietet sich in Frau Mielkes Fall ebenfalls an, da hierdurch ersichtlich wird, wann die Schmerzen an welchen Stellen stärker oder schwächer werden und wodurch sie ausgelöst oder gelindert worden sein könnten. Auch die Krankheitsfortschritte in den einzelnen Gelenken lassen sich hieraus z.T. ableiten. Da sie selbst aufgrund ihrer Schmerzen diese Dokumente nicht regelmäßig führen kann, fällt dies in den Aufgabenbereich der Pflegenden. Um die Ergebnisse vollständig und lückenlos zu dokumentieren, empfiehlt es sich, Frau Mielkes Schmerzen mehrfach täglich abzufragen bzw. zu beobachten und entsprechend zu dokumentieren (vgl. Lektorat Pflege & Menche, 2011, S. 528).

Der zweite Teilaspekt, die Hilfe bei der Körperpflege, ergibt sich aus dem Krankheits-verlauf. „Viele Menschen, die an einem fortgeschrittenen Stadium der chronischen Polyarthritis leiden, sind in ihrer Selbstständigkeit durch die schmerzhafte Bewegungs-einschränkung der Hände bedroht.“ (Bremer-Roth, 2011, S. 468). Inwieweit dies die Betroffenen bei welchen konkreten Maßnahmen betrifft, muss im Einzelfall erhoben werden. Auch hierauf kann ein tägliches Assessment Aufschluss geben. Um jedoch nicht nur die Gesamtschmerzen des ganzen Körpers zu erheben, sondern ein differenziertes Bild zu bekommen, ist es ratsam einen höheren Zeitaufwand zu investieren. Auf diese Weise kann bspw. erhoben werden, in welchen Gelenken genau die Schmerzen wie stark sind. So sind für Frau Mielke z.B. andere Hilfestellungen notwendig wenn sie starke Schmerzen in den Knien hat, als wenn ihr ein Krankheitsschub in den Handgelenken das Benutzen der Hände fast unmöglich macht, sie aber laufen und stehen kann (vgl. Lektorat Pflege & Menche, 2011, S. 882ff).

Der letzte Teilaspekt ist einer der wichtigsten, da durch die Beratung eine langfristige, weitgehend selbstständige Lebensführung trotz der Schmerzen erreicht werden kann. Häufig sind selbst kleine (Pflege-)Hilfsmittel wie bspw. Essbesteck mit dicken bzw. verbogenen Griffen oder Greifhilfen für kleine Gegenstände sehr effektiv, wobei die Betroffenen oder deren Angehörige diese oftmals nicht kennen (vgl. Köther, 2011, S. 554). Aber auch nicht-medikamentöse Schmerz-Therapien lassen sich fast überall durchführen, z.B. das Kühlen von arthritischen Gelenken bei akuten Schüben oder die Wärme-Behandlung in einer schmerzfreien Phase (vgl. ebd., S. 554). Ebenso können regelmäßig durchgeführte gezielte Bewegungsübungen das Krankheitsbild positiv beeinflussen (vgl. ebd., S. 554). Auf der anderen Seite können Schonhaltungen, z.B. während eines akuten Schubes, Muskelverspannungen hervorrufen, die wiederum vermehrte Schmerzen in bislang nicht betroffenen Körperregionen auslösen können (vgl. Broome & Jellicoe, 1999, S. 23). Sofern diese Maßnahmen durch Hausärzte oder Rheumatologen nicht angesprochen werden, ergibt sich eine Indikation für ein Beratungsgespräch durch professionell Pflegende. Auch dies lässt sich im Rahmen eines Schmerz-Assessments erheben.

Darüber hinaus muss zusätzlich beachtet werden, dass Frau Mielke durch ihre Erkrankungen ein erhöhtes Sturzrisiko aufweist. Auch wenn rheumatische Erkrankungen nur die Handgelenke betreffen, werden Krankheiten, die mit einer Veränderung des Bewegungsapparates einhergehen, in der Fachliteratur als intrinische bzw. endogene Sturzrisikofaktoren gesehen (vgl. DNQP, 2005, S. 18; Schneider & Welling, 2002, S. 32). Ziganek-Soehlke erläutert dies genauer: „Wer Schmerzen hat, bewegt sich ungern und zugleich unharmonisch oder unkoordiniert. So kommt es bei andauernden Schmerz-zuständen zwangsläufig zur Inaktivitätsatrophie. Sie steigert fast alle vorhandenen Sturzrisiken.“ (2008, S. 50). Daher ist vor allem durch das schubweise Auftreten von Frau Mielkes Schmerzen in diesen Phasen von einer erhöhten Sturzgefährdung auszugehen. Durch das Führen eines Schmerz-Tagebuches könnten die Phasen der erhöhten Gefährdung erkannt und ihnen entsprechend entgegengewirkt werden.

4.2.2 Subjektives Krankheitserleben und –verarbeiten der Klientin

Wie bei allen chronisch progredient verlaufenden Krankheiten steht zunächst vor allem das Krankheitserleben und -verarbeiten sowie die Wahrnehmung, einen gestörten Körper zu haben, im Mittelpunkt (vgl. Corbin & Strauss, 2004, S. 66f). Bei rheumatischen Erkrankungen sind insbesondere der häufig schubweise Verlauf sowie die Schmerzen und die damit einhergehenden Einschränkungen im Rahmen der Bewegung, also den Einbußen im Alltag, hervorzuheben. Darüber hinaus kann auch die Mitteilung, dass eine Heilung nicht möglich ist, für die Patienten niederschlagend und entmutigend sein (vgl. ebd., S. 46f).

Für chronisch kranke Menschen ist insbesondere relevant, „[…] auf welche Weise körperliche Funktionseinschränkungen die Ausübung lebenslang erworbener Gewohn-heiten, Vorlieben und Hobbys [sic!] beeinträchtigen, welche bislang an zentraler Stelle des persönlichen Sinnsystems standen.“ (Moers, Schiemann & Schnepp, 1999, S. 40).Vor allem bei chronischer Polyarthritis, die schubweise verläuft und i.d.R. nur symptomatisch zu behandeln ist, können sich schnell Hoffnungslosigkeit und Hilfslosigkeit einstellen; insbesondere, wenn sich durch Medikamente unterdrückte Symptome wieder verstärken (vgl. Hill, 2005, S. 142). Corbin und Strauss drücken es optimistischer aus: „Wenn eine schwere chronische Krankheit in das Leben eines Menschen einbricht, dann wird die Person der Gegenwart zwangsläufig von der Person der Vergangenheit getrennt, und alle Bilder, die er von sich für die Zukunft hatte, werden beeinträchtigt oder sogar zerstört. […] Neue Konzeptionen davon, wer und was man ist – also Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft -, müssen aus dem entstehen, was noch übrig ist“ (2004, S. 66). Hier wird zum einen deutlich, dass auch eine schwere chronische Krankheit nicht zwangsläufig das Ende des Lebens und der Lebensqualität bedeutet, sondern dass die Zukunft, wie sie sich Frau Mielke bspw. vorstellte, hinsichtlich der veränderten gesundheitlichen Umstände umgestaltet werden muss. Dies bedeutet natürlich ein intensives Auseinandersetzen mit den eigenen Ressourcen und Einbußen. Rückblickend hätte sie evtl. schneller handeln sollen, da ein deutlich verlangsamter und milderer Krankheitsverlauf möglich ist, sofern die Therapie rechtzeitig eingeleitet wird. Wenn eine cP frühzeitig erkannt wird, können die Symptome u.U. durch die operative (Teil-) Entfernung der entzündeten Synovialmembran gestoppt werden (vgl. RKI, 2010, S. 18ff; Müller-Ladner, 2007, S. 38). Dass durch solche positiven Erfahrungen im Kampf gegen eine chronische Krankheit die Compliance und schließlich auch eine andere Coping-Strategie entwickelt werden können, steht dem Krankheitsverarbeitungs-Prozess positiv gegenüber.

Langfristig ist eine Kausal-Therapie nach heutigem medizinischem Stand nicht möglich, sodass Frau Mielke dauerhaft auf Analgetika angewiesen sein wird. Zwar können entzündete Anteile des Knorpels bzw. der Synovialmembran entfernt werden. Dies ist jedoch nur unter bestimmten Umständen möglich und bringt i.d.R. keine Heilung, sondern lediglich eine Verzögerung mit sich (vgl. Elsevier GmbH, 2010, S. 726). Günstigstenfalls kann jedoch ein Krankheitsstillstand erreicht werden (vgl. RKI, 2010, S. 28). Darüber hinaus werden auf diese Weise nicht betroffene Anteile mit entfernt und somit das Gelenk z.T. zerstört (vgl. RKI, 2010, S. 19). Große Gelenke können zwar durch Total-Endo-Prothesen ersetzt werden (vgl. RKI, 2010, S. 18ff). Für kleinere, wie bspw. die Fingergelenke, stehen solche Prothesen heute jedoch (noch) nicht zur Verfügung. Dennoch reicht eine rein medikamentöse Therapie u.U. nicht aus, da sie „[…] meist nicht den gewünschten Erfolg [bringt]. Erst wenn die emotionalen Probleme aufgegriffen und bearbeitet werden, hat man gegen die körperlichen Probleme eine Chance.“ (Harms, 2009, S. 10). In der Psychologie gibt es diverse Schmerztheorien, die u.a. auf gelerntem Schmerz, einer Überlastung des Schmerzzentrums und einer depressiven Grundstimmung beruhen (vgl. ebd., S. 11). Das Adaptionsmodell nach Roy greift diese Ansätze z.T auf. Hier heißt es, dass „[…] sich das menschliche System in bezug [sic!] auf die Umwelt nicht passiv verhält, […] [sondern] mit der Umwelt in konstanter Wechselbeziehung [steht]“. (Roy & Andrews in: Meleis, Moers, Schaeffer & Steppe, 2008, S. 233). Intrinsische Faktoren, wie bspw. Schmerzreize, können ergo durch Faktoren der unmittelbaren Umwelt beeinflusst werden. Inwiefern und in welchem Ausmaß dies konkret bei Frau Mielke möglich ist, kann an dieser Stelle nicht hinreichend geklärt werden. Insbesondere, da es sich nicht um nur einen Reiz handelt, der darüber hinaus noch leicht bis mittelschwer ist. Hier müssen vor allem die Vielzahl der Schmerzreize sowie deren Schwere und der schubweise Verlauf berücksichtigt werden.

4.2.3 Interaktionsstrukturen

Die Interaktion in der o.g. Pflegesituation bezieht sich auf die Durchführung eines Assessments. Hier stehen vor allem das Schmerzerleben der Bewohnerin sowie die daraus resultierenden körperlichen Einschränkungen im Vordergrund. Daher ist zunächst zu beachten, dass nach Grond jede Pflegehandlung „[…] Kommunikation oder die Chance zu einer Begegnung von Mensch zu Mensch [ist].“ (2000, S. 47). Von der Pflegenden Frau Lohse sollte dies entsprechend berücksichtigt werden, insbesondere, da die Situation nicht in einem Krankenhaus sondern in der eigenen Wohnumgebung der Bewohnerin stattfindet (siehe Kapitel 4.2.6). Darüber hinaus sind hier vor allem die Grundsätze des aktiven Zuhörens nach Rogers, Echtheit, positive Wertschätzung und einfühlendes Verstehen, in doppelter Hinsicht elementar (vgl. Rogers, zit. nach Reichert, 1999, S. 15f). Auf der einen Seite sollten sie im Umgang mit Pflegebedürftigen selbstverständlich sein. Auf der anderen Seite ist Frau Mielke eben erst in das Pflegeheim eingezogen, noch dazu in einer fremden Stadt, daher ist es enorm wichtig ihr diese drastisch veränderte Lebenssituation so angenehm wie möglich zu gestalten und ihr und ihren Schmerzen empathisch gegenüberzustehen, sie ernst zu nehmen und wertzuschätzen. Insbesondere im Hinblick auf die sich ständig verändernden Schmerzen von Frau Mielke ist es relevant, diese Grundsätze dauerhaft umzusetzen. Dies hat eine hohe Relevanz, da Schmerzen nicht objektivierbar sind, sondern als subjektive Empfindungen verstanden werden (Beebe, Latham & McCaffery, 1997, S. 9ff). Darüber hinaus sollten die Angehörigen von Frau Mielke, insbesondere der in der Nähe lebende Sohn, sie v.a. in den ersten Tagen und Wochen begleiten, da sich dies nach Roy positiv auf das Schmerzerleben auswirken kann (vgl. Kapitel 4.2.2).

Da Frau Mielke durch die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen dauerhaft Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens erlebt, ist sie ebenso dauerhaft auf Hilfe bei den täglichen Verrichtungen angewiesen. Dies ist insbesondere relevant, da der Mensch nach Orem ein „[…] Wesen [ist], das für sich selbst sorgt, d.h. das es als positiv empfindet, für sich selbst zu sorgen.“ (Orem, zit. nach Fawcett, 1996, S. 294). In ihrem Modell betrachtet sie die Selbstpflege als „[…] erlerntes und zielgerichtetes Verhalten, das aus Aktivitäten besteht, die Menschen ausführen, um am Leben zu bleiben, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu erhalten […]“ (ebd., S. 294). Die Selbstpflege bezieht sich ergo nicht nur auf selbstständig ausgeführte Handlungen; vielmehr stellt auch das Akzeptieren von Hilfe durch andere einen Teil der Selbsthilfe dar. Daher ist es letztendlich belanglos, wer die entsprechenden Handlungen ausführt; im Kern steht das Sorgen und Versorgen für sich selbst bzw. das sich Versorgen lassen, dass ebendiese Selbstpflege ausmacht. (vgl. ebd., S. 294).

4.2.4 Handlungsmuster

Aus der o.g. Situation geht das Handlungsmuster von Frau Lohse klar hervor. Hier steht die Durchführung des Assessments im Mittelpunkt; es handelt sich also zunächst um ein reines Abfragen des Schmerzerlebens der Bewohnerin. Da diese Maßnahme im Rahmen der Aufnahme von Frau Mielke geplant ist, hat Frau Lohse genügend Zeit eingeplant um diese vollständig und mit den notwendigen Erklärungen und Ausführungen durchzuführen. Um ein möglichst exaktes Bild der Einschränkungen durch die rheumatischen Erkrankungen zu bekommen, ist es v.a. wichtig dass sie nicht nur das Schmerzerleben bzw. die Intensität des Schmerzes abfragt, sondern sieht, wo bei Frau Mielke die Schmerzgrenze liegt.

Darüber hinaus ist eine langfristige Erhebung der Einschränkungen und des Schmerzerlebens wichtig, um ggf. die medikamentöse Schmerz-Therapie umzustellen. Hierzu ist es notwendig die Erhebung mehrmals täglich durchzuführen. Als Assessment-Instrument kann hierzu entweder der gleiche Bogen genutzt werden, oder aber ein Schmerz-Tagebuch. In beiden Fällen sind die Items, die mehrmals täglich erhoben werden, die gleichen, sodass Frau Mielke bereits nach wenigen Durchführungen weiß welche Daten erhoben werden. Dies hebt zum einen die Selbstbestimmung hervor und macht die Durchführung transparenter, indem sie weiß wozu diese Daten erhoben werden und welcher Nutzen daraus hervorgehen kann. Zum anderen erleichtert es langfristig die Datenerhebung, da Frau Lohse nicht mehr alle Items nacheinander abfragen muss, da die Bewohnerin alle relevanten Daten angeben kann, die Frau Lohse benötigt.

Eine selbstständige Dokumentation des Schmerzerlebens ist selbstverständlich ebenfalls möglich. Dies erhält vor allem die Integrität und Selbstständigkeit der Bewohnerin, was einem konkreten Grundsatz der stationären Altenhilfe entspricht (siehe Kapitel 4.2.6). Zudem zieht es eine Entlastung der Pflegenden nach sich. Inwiefern dies Frau Mielke jedoch täglich, und vor allem zu mehreren Zeitpunkten, möglich ist, kann nicht aus der Situation abgeleitet werden. Die Gründe hierfür sind vor allem die durch Arthrose und cP veränderten und schmerzenden Hände, die das Führen eines Stiftes sehr wahrscheinlich nur bedingt möglich machen. Darüber hinaus kann nicht vorhergesagt werden wann und mit welcher Intensität ein Krankheitsschub eintritt, was die selbstständige schriftliche Erhebung zusätzlich erschwert. Um dennoch dem Grundsatz der Ressourcenförderung nachzukommen, wäre eine Absprache ideal, nach der Frau Mielke diese Daten selbstständig in die Formulare einträgt, sofern es ihr zum jeweiligen Zeitpunkt möglich ist.

Ein weiterer Aspekt des Handlungsmusters ist die Beratung. Im Rahmen der Erhaltung der Selbstständigkeit sowie der (Pflege-) Hilfsmittelnutzung gibt es zahlreiche Möglichkeiten die kompensatorisch genutzt werden können, d.h. die den Auswirkungen der Krankheiten, also dem Pflegebedarf der durch die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen entsteht, entgegenwirken können (vgl. Köther, 2011, S. 554). Auch hier wird nicht nur die Selbstständigkeit von Frau Mielke gefördert und erhalten, sondern auch das Personal entlastet.

4.2.5 Der Pflegeprozess

Der Pflegeprozess nach Fiechter & Meier (zit. nach Graudenz, 2008, S. 18) umfasst die sechs Schritte Informationssammlung, Erkennen von Problemen und Ressourcen, Festlegen der Pflegeziele, Planung der Pflegemaßnahmen, Durchführung der Pflege sowie Beurteilung und Wirkung der Pflege. Die o.g. Situation ist der Informationssammlung bzw. dem Erkennen von Problemen und Ressourcen zuzuordnen. Einerseits bedeutet die Durchführung eines Assessments eindeutig das Sammeln von Informationen. Auf der anderen Seite kann die Pflegende schon im Zuge der Erhebung erste Probleme und Ressourcen von Frau Mielke erkennen. Diese basieren zwar ausschließlich auf der Grundlage ihrer aktuellen Schmerzen; da diese sich jedoch innerhalb weniger Tage bis Stunden verändern können, verändert sich somit auch der Pflegebedarf (siehe Kapitel 4.2.1).

4.2.6 Tätigkeitsfeld

Das Setting stationäre Altenhilfe wirkt mit seinen spezifischen Anforderungen und Gegebenheiten auf die o.g. Situation ein. Im Laufe der letzten zwei Dekaden war ein deutlicher Wandel der Bewohner-Struktur auszumachen (vgl. Maciejewski & Sowinski, in: Rennen-Allhoff & Schaeffer, 2004, S. 691f). Die Bewohnerklientel ist heutzutage durch einen hohen Pflegebedarf sowie eine ansteigende Multimorbidität gekennzeichnet. Darüber hinaus machen verwitwete Frauen nach wie vor den Großteil der Klientel aus (vgl. Heinzelmann, 2004, S. 36f). In Altenpflegeheimen gilt der Grundsatz der aktivierenden Pflege bzw. der Ressourcenfördernden und -erhaltenden Pflege (vgl. Maciejewski & Sowinski, in: Rennen-Allhoff & Schaeffer, 2004, S. 701). Finanziert wird diese durch den Pflegebedarf, der seine Legitimation im elften Sozialgesetzbuch hat (vgl. ebd., S. 700f). Für das Jahr 2030 geht das Statistische Bundesamt (2010, ¶1) von einem Anstieg pflegebedürftiger Menschen um etwa eine Millionen auf 3,4 Mio. aus. Dies dürfte zwar die Rolle der alternativen Wohnformen stärken; der Bedarf an Pflegeheimplatzen wird jedoch ebenso zunehmen.

[...]


3 In der vorliegenden Arbeit bezieht sich die Formulierung „Schüler“ immer auf beide Geschlechter. Für eine bessere Lesbarkeit wird in dieser Ausarbeitung nur die maskuline Form verwendet.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Schmerzerfassung und -dokumentation bei rheumatischer Arthritis, chronischer Polyarthritis & Arthrose
Hochschule
Fachhochschule Bielefeld
Note
2,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
34
Katalognummer
V230703
ISBN (eBook)
9783656470984
ISBN (Buch)
9783656471448
Dateigröße
2489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schmerz, Schmerzskala, Schmerz-Skala, Pflege, Altenpflege, Ausbildung
Arbeit zitieren
B.A. Anleitung und Mentoring / cand. M.A. Berufspädagogik Pflege und Gesundheit Tobias Beckmann (Autor:in), 2013, Schmerzerfassung und -dokumentation bei rheumatischer Arthritis, chronischer Polyarthritis & Arthrose, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230703

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