Petrarkistische Elemente und Innovationen in der Liebeslyrik von Sibylle Schwarz


Hausarbeit, 2013

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Einleitung: Sibylle Schwarz als unerhörte Dichterin unter Männern

Im Leistungskurs Deutsch behandelten wir das Thema Barocklyrik. Besprochen wurden dabei ausschließlich männliche Autoren wie Martin Opitz, Andreas Gryphius, Daniel von Czepko und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, welche bis heute die Epoche des Barock repräsentieren. In dieser insgesamt männerdominierenden Epoche, die eine Bindung an Metrik und Form verlangt, war es fast eine Unmöglichkeit, angesichts der institutionellen Bildungssperre für Frauen, dass eine Dichterin sich in diesen Kanon einbinden konnte. Die Auswahl der in der Oberstufe besprochenen Autoren spiegelt dies unverkennlich wider. Umso überraschender erscheint es, dass Marina Dahmen dieses Selbstverständnis mit ihrer Unterrichtsreihe „Die Stimme einer Frau in der Barocklyrik“1 durchbricht und so Sibylle Schwarz in den Kanon der männlichen Barockdichter einreiht.

Im Folgenden soll zunächst der für die Barocklyrik zentrale Begriff des Petrarkismus erläutert werden und anhand von zwei Sonetten von Sibylle Schwarz überprüft werden, inwieweit sie die entsprechenden Inhalte, Motive und Techniken aufgreift und ob es ihr gelingt, durch eigene Innovationen die Individualitätsbarrieren des Zeitgeistes zu überwinden. Es soll außerdem erläutert werden, wie es ihr als Frau gelingt, sich in das Schema des Petrarkismus, wo ein Mann eine Geliebte bedichtet, einzuordnen. Auch ihr Vorbild Martin Opitz soll in den Blickwinkel rücken, da Sibylle ihn kannte und sie neben seiner Stillehre auch seine Liebesauffassung und Haltung zur Erlebnislyrik und Äußerung von Gefühlen verinnerlicht haben könnte.

I. Biographischer Abriss

Sibylle Schwarz wurde am 14. Februar 1621 in Greifswald an der Ostsee als jüngstes Kind einer wohlhabenden Familie geboren. Ihr Vater war Stadtrat von Greifswald und wurde 1631 zum Bürgermeister der Stadt gewählt. Sibylle erwarb eine für die damalige Zeit für Frauen überdurchschnittlich gute Ausbildung durch intensive Schulung und durch persönliche Kontakte zu ihren Brüdern und Freunden, welche auf der Universität in Greifswald studierten. Ihre Familie litt äußerst stark unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges. So war Greifswald durch Wallenstein und später durch Schweden besetzt. Ihre Mutter starb 1630 und zwischen 1629 und 1631 musste der Vater eine Verwaltungsposition in Stettin übernehmen, ohne sich um die Kinder kümmern zu können. Sibylle verfasste Sonette, Gelegenheitsgedichte, ein Susanna-Drama nach biblischem Vorbild, eine bukolische Novelle und viele Briefe, in denen sie ihre große Bildung reflektierte. Im Alter von 17 Jahren erkrankte sie schwer und starb am 31. Juli 1638 in Greifswald. Ihre Gedichte wurden 1650 postum von ihrem Lehrer Samuel Gerlach unter dem Titel „Deutsche Poëtische Gedichte“ in zwei über je 100 Gedichte umfassenden Teilen veröffentlicht.2

II. Petrarkismus

1. Liebesauffassung, Motive und Stilistik

Der Begriff Petrarkismus leitet sich vom italienischen Dichter Francesco Petrarca ab und zielt auf die Nachahmung dessen Liebeslyrik ab. In dessen Hauptwerk, dem „Canonziere“, welches 1470 zum ersten Mal gedruckt wurde und das 366 Gedichte enthält, „spiegelt sich seine Seele in seiner Haltung zu Laura, die er einerseits mit allen seinen Sinnen begehrt, andererseits von der Vernunft her ablehnen muß“.3 In dieser Haltung spiegelt sich nach Hoffmeister ebenfalls Petrarcas Rolle als Humanist wider, in der er als „Übergangsfigur zwischen Mittelalter und Renaissance die Problematik des Menschen in seiner Zeit kunstgerecht ausdrückt“.4 Schneider Hazard beschreibt das Liebesverständnis Petrarcas folgendermaßen:

Petrarcas literarisches Vermächtnis steht am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Die Grundstimmung von der Unerfüllbarkeit der Liebe erinnert einerseits an die Liebesklage[...] während andererseits rein sinnliches Verlangen, von Petrarca wohl ausgesprochen, doch durch die Vernunft auf die spirituelle Ebene göttlicher Liebe erhoben wird und somit die Schwelle zur sinnesfreudigen Renaissance noch nicht überschreitet5

Es zeigt sich somit in der Folge der Leitgedanke barocker Liebesdichtung als ein 'wankelmütiger Gewissenskonflikt' zwischen Liebesklage und Hinwendung zur Vernunft. Die angebetete Laura wird daher gleichgesetzt mit der göttlichen Tugend, sodass der Zwiespalt der Seele durch das Heil im Glauben besiegt wird. Die unglückliche Liebe der Seele, die nicht erfüllt wird, führt durch den Tod der Schönheit Laura somit im letzten Schritt doch zur Reue und himmlischen Schönheit.6 Laura, stellvertretend für alle angebeteten Frauen, steht somit auch für die 'Distanz zur geliebten Frau', mit der Gefahren verbunden sind, die letztlich nicht zur erhofften himmlischen Schönheit führen könnten. Das Motiv der Laura steht also gleichzeitig auch immer sowohl für die irdisch-verhängnisvolle Liebe, als auch für die göttlich-tugendhafte Liebe.

Die petrarkistische Liebesauffassung beinhaltet verschiedene Motive, die Petrarca jedoch zum Teil auch aus der antiken, bzw. mittelalterlichen Liebesdichtung entnommen hat, wie z.B. die antik-mythologische Allegorie des Amor, bzw. Cupido „als koketten Knaben, der Pfeile vom Baume schießt“.7 Er ist somit auch als Erneuerer und Vermittler dieser Motive anzusehen. Sein Pendeln zwischen „verhaltenem Werben und schmachtender Verehrung […] für die wirkliche Frau aus Fleisch und Blut, deren Schönheit ihn betört und deren physische Gegenwart ihn verzückt“8 führt somit zur Beschreibung der körperlichen Attribute der Geliebten, die zur Entwicklung des 'Schönheitskataloges' im gesamten petrarkistischen System führen. Dazu zählen u.a. nach Hoffmeister folgende typische Attribute: „goldene Haare, die fesseln, aber schwarze Augen, die wie Sonnen strahlen und Glut durch ihr Blitze erregen“.9 In der Beschreibung konzentriert man sich somit auf einzelne Körperteile wie Augen, Haare, Hände oder Lippen, da „alle Liebe durch die Sinneswahrnehmung des Sehens beginnt“.10

Der bereits deutlich gewordene 'wankelmütige Gewissenskonflikt', in den die Geliebte den Liebenden versetzt, wird unterstützt durch einfache gegensätzliche Bilder, die einen Kontrast hervorrufen wie Hitze-Kälte, Flamme-Eis, Krieg-Friede, die Kerze, den Salamander, das Schiff auf hoher See, sowie Tränen und Sonne.11 Diese antithetischen Bilder sind somit gleichzeitig ein Abbild der Psyche des Liebenden :

Der Eindruck des Geliebten in ihrer Schönheit, mit ihrem Gesang und Saitenspiel in der Natur, ist ganz überwältigend auf den Dichter: die Pfeile ihrer Augen durchbohren sein Herz und zünden darin Feuer, er erleidet liebeskrank die Qualen der Hölle, da er zugleich friert in der Glut und brennt in der Kälte.12

Die Liebesauffassung Petrarcas und dessen Einbindung von antiken Liebesallegorien verlangt also zwangsweise die Verwendung von Antithesen, welche den Aufbau und die Struktur einzelner petrarkischer Gedichte bestimmen - Oxymora, Metaphern, Amplifikationen und Topos. Die barocke Antithese bekräftigt zudem die Stellung der Frau zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Widerspruch zwischen dem Einfluss der petrarkistischen Renaissance-Liebesauffassung als Erhöhung der Frau und Verkörperung göttlicher Liebe, mit der laut Berent sogar nicht zwangsweise der Druck der Sündhaftigkeit verbunden sein musste und die Position der Frau als geistloses Geschöpf in einer erniedrigenden Lage. Dieses Nebeneinander von Mittelalter und Renaissance führt auch hier wieder zur barocken Antithese.13

[...]


1 In: Deutschunterricht, Extra August 2007, 60. Jahrgang, Westermann-Verlag, S. 4-13.

2 Die bibliographischen Angaben wurden entnommen aus: Classen, Albrecht: Frauen in der deutschen Literaturgeschichte. Die ersten 800 Jahre; ein Lesebuch. New York: Lang, 2000.

3 Hoffmeister: Petrarkistische Lyrik, S.12.

4 Ebd. S.12.

5 Schneider Hazard: Rolle von Liebe und Freundschaft, S.20.

6 Vgl. Hoffmeister: Petrarkistische Lyrik, S. 12.

7 Ebd., S. 25.

8 Forster: Europäischer Petrarkismus, S. 424.

9 Hoffmeister: Petrarkistische Lyrik, S. 26.

10 Berent: Auffassung der Liebe, S. 73.

11 Vgl. Forster: Europäischer Petrarkismus, S. 427.

12 Hoffmeister: Petrarkistische Lyrik, S. 27.

13 Vgl. Berent: Auffassung der Liebe, S. 69.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Petrarkistische Elemente und Innovationen in der Liebeslyrik von Sibylle Schwarz
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V230465
ISBN (eBook)
9783656464020
ISBN (Buch)
9783656468844
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Barock, Sibylle Schwarz, Barocklyrik, Petrarkismus, Ist Lieb ein Feur, Liebeslyrik, Greifswald, Germanistik, Epoche, Petrarca, Martin Opitz
Arbeit zitieren
Michael Dahmen (Autor:in), 2013, Petrarkistische Elemente und Innovationen in der Liebeslyrik von Sibylle Schwarz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230465

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