GREEN DRIVE – eine empirische Untersuchung zur Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl von Berufspendlern in Potsdam


Masterarbeit, 2012

113 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhangsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Nachhaltige Mobilität als Herausforderung der Gegenwart
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Landeshauptstadt Potsdam als Untersuchungsgebiet
2.1 Allgemeine Informationen zur kreisfreien Stadt Potsdam
2.2 Verkehrsentwicklung und Verkehrsverhalten
2.2.1 Bestimmung verkehrswissenschaftlicher Grundbegriffe
2.2.2 MIV (motorisierter Individualverkehr)
2.2.3 ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr)
2.2.4 Modal Split
2.2.5 Daten zum Berufsverkehr
2.3 Auswirkungen der Verkehrsentwicklung
2.4 Stadtentwicklungskonzept Verkehr

3 Konsumtheoretische Erklärungsversuche der Verkehrsmittelwahl
3.1 Modellierung der Verkehrsmittelwahl
3.2 Verkehrsmittelwahl und Konsumentenverhalten
3.3 Verkehrsmittelwahl als Kaufentscheidung
3.3.1 Modelle der Kaufentscheidung
3.3.2 Allgemeiner Ablauf von Entscheidungsprozessen
3.3.3 Arten von Kaufentscheidungen
3.3.4 Entscheidungsverhalten bei der Verkehrsmittelwahl
3.4 Kaufentscheidungskriterien bei der Verkehrsmittelwahl
3.4.1 Einfluss von Verkehrsmitteleigenschaften
3.4.2 Einfluss von persönlichen Eigenschaften
3.4.3 Einfluss der Gewohnheit
3.5 Verkehrsverlagerungspotential

4 Empirische Untersuchung zur Beeinflussung der beruflichen Verkehrsmittelwahl
4.1 Forschungsproblem und -ziel
4.2 Methodische Vorentscheidung
4.3 Testverfahren: Conjoint Analyse
4.4 Untersuchungsdesign
4.5 Durchführung und Auswertung der Conjoint Analyse
4.5.1 Pretest
4.5.2 Stichprobe
4.5.3 Durchführung der Hauptuntersuchung
4.5.4 Kernergebnisse der Hauptuntersuchung
4.5.5 Diskussion der Ergebnisgüte

5 Handlungsempfehlungen für Potsdam und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kfz-Verkehrsbelastung nach räumlichen Verkehrsarten

Abbildung 2: Motorisierungsgrad nach statistischen Bezirken

Abbildung 3: ÖPNV-Belastung nach räumlichen Verkehrsarten und -mitteln

Abbildung 4: Entwicklung des Potsdamer Modal Split von 1977-2008

Abbildung 5: Pendlerströme von/ nach Potsdam pro Tag

Abbildung 6: Entwicklung der CO2-Emissionen in Potsdam von 1996-2008

Abbildung 7: Vergleich des Modal Split 2008 und 2025 im Binnenverkehr

Abbildung 8: Strukturmodell der Kaufentscheidung

Abbildung 9: Phasen des Kaufentscheidungsprozesses

Abbildung 10: Modal Split im Berufsverkehr gesamt und in der Stichprobe

Abbildung 11: Multimodalität der Berufspendler in der Stichprobe

Abbildung 12: Angaben über die Entfernung und die Fahrzeit bzw. -kosten in der Befragung

Abbildung 13: Durchschnittliche Teilnutzenwerte je Verkehrsmitteleigenschaft

Abbildung 14: Präferenzordnung ausgewählter Mobilitätskonzepte

Abbildung 15: Bedeutung und Erfüllungsgrad ausgewählter ÖPNV-Merkmale

Abbildung 16: Relevanz weiterer Verkehrsmitteleigenschaften aus Kundensicht

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht Verhaltenswissenschaften

Tabelle 2: Verlagerungsstrategien

Tabelle 3: ÖPNV-/ MIV-Reisezeiten für verschiedene Pendlerstrecken

Tabelle 4: Zusammenfassung der Merkmale und Merkmalsausprägungen

Tabelle 5: Schritte zur Bereinigung der Fragebögen

Tabelle 6: Altersklassen in der Stichprobe nach Geschlecht

Tabelle 7: Schulabschlüsse in der Stichprobe nach Geschlecht

Tabelle 8: Einkommensklassen in der Stichprobe nach Geschlecht

Tabelle 9: Abfahrtsorte der Befragten

Anhangsverzeichnis

Anhang 1: Durchschnittliche Reisezeit in die Potsdamer Innenstadt, unterteilt nach den Verkehrsarten ÖV und IV

Anhang 2: Werktägliche Fahrleistung des Potsdamer ÖPNV 2010

Anhang 3: Modal Split 2008 im SrV Vergleich

Anhang 4: Modal Split für verschiedene räumliche Distanzen

Anhang 5: Modal Split für verschiedene Wegezwecke

Anhang 6: Vollständiges und reduziertes Erhebungsdesign

Anhang 7: Fragebogen zur Mobilitätsstudie in Potsdam

Anhang 8: Multimodalität nach Verkehrsmitteln

Anhang 9: Multimodalität nach Alter

Anhang 10: Geschätzte Wegelängen der Befragten

Anhang 11: Geschätzte Fahrzeit der Befragten

Anhang 12: Geschätzte Kosten der Befragten

Anhang 13: Ergebnisse der differenzierten Conjoint Analyse

Anhang 14: Einordnung der Freitext-Kommentare zu den zentralen Leistungsmerkmalen

1 Einleitung

Co2-Emissionen, Luftschadstoffbelastungen und Verkehrslärm sollen nur einige genannte Stichwörter sein, die aktuell rund um das Thema nachhaltige Mobilität diskutiert werden und zeigen, dass die individuelle Fortbewegung langfristig die Lebensqualität in einer Region beeinflussen kann (vgl. BMU 2008).

1.1 Nachhaltige Mobilität als Herausforderung der Gegenwart

Die Landeshauptstadt Potsdam, als eine der aufstrebenden Wachstumsgebiete Brandenburgs, steht vor der Herausforderung, die stetig wachsenden Verkehrsmengen zu bewältigen. Besonders Pendlerströme, die auf intensiven Arbeitsmarktverflechtungen zwischen Potsdam und dem angrenzenden Umland basieren, tragen zu den verkehrsinduzierten Gesundheits- und Umweltbelastungen bei. (Vgl. LHP 2011a, S. 18 ff.) Allein im Jahr 2010 pendelten nahezu 73.000 Berufstätige zwischen Potsdam und Brandenburg bzw. Berlin und verantworteten damit den Hauptanteil des werktäglichen Verkehrsaufkommens (vgl. LHP 2011b, S. 4 f.). Doch nicht nur die Anzahl der Fahrten, sondern auch die stark einseitige Präferenz für den motorisierten Individualverkehr (MIV), begründen das Problem (vgl. BMVBS 2010, S. 93). Die zentrale Aufgabe der Stadt besteht darin, sowohl eine ausreichende Mobilität zur Sicherung wirtschaftlicher Austauschbeziehungen zu ermöglichen, als auch die damit verbundenen negativen Mobilitätseffekte zu reduzieren. Mit dem Stadtentwicklungskonzept (StEK) Verkehr wurden erste Szenarien entwickelt, die darauf abzielen, ein Verkehrssystem zu etablieren, dass wirtschaftliche Effizienz mit ökologischer Nachhaltigkeit vereint. Die in diesem Zusammenhang entwickelten Maßnahmen sollen das Verhalten der Konsumenten dahingehend beeinflussen, dass diese einen Wechsel vom Pkw zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Betracht ziehen. (Vgl. LHP 2011a, S. 13 ff.) Das bis dato erhobene Datenmaterial gibt Auskünfte über das beobachtbare Mobilitätsverhalten von Berufspendlern, lässt jedoch die Wechselbereitschaft sowie die Mobilitätspräferenzen weitgehend unergründet. Vor dem Hintergrund einer sparsamen und effizienten Haushaltsführung der öffentlichen Hand sind diese Erkenntnisse jedoch essentiell. Das Wissen um diese Variablen ermöglicht die Auswahl geeigneter Maßnahmen und erhöht damit die Erfolgswahrscheinlichkeit, das Konsumentenverhalten im Sinne einer nachhaltigen Verkehrsgestaltung zu beeinflussen.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Die zuvor skizzierten Verkehrsprobleme der Stadt Potsdam machen eine Verlagerung des Verkehrs vom Pkw auf ressourcenschonendere Verkehrsmittel notwendig. Das erklärte Ziel der Landeshauptstadt den MIV-Anteil zu reduzieren, setzt die Modifizierung des ÖPNV-Angebotes nach den Bedürfnissen der Verkehrsteilnehmer voraus. Nur ein leistungsstarker ÖPNV ist in der Lage, mit den motorisierten Individualverkehrsmitteln in Konkurrenz zu treten und den Kunden eine echte Alternative zu bieten. Ausgangspunkt für dieses Vorhaben ist die Kenntnis der Mobilitätsanforderungen der Nachfrager. Bisherige Studien zu diesem Thema kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, abhängig von der gewählten Untersuchungsmethode bzw. der betrachteten Region. Die hiesige Arbeit möchte aus den genannten Gründen einen Beitrag zur Erforschung des beruflichen Verkehrsmittelwahlverhaltens in Potsdam leisten. Vordergründiges Anliegen ist die Identifizierung der Verkehrspräferenzen auf dem Weg zur Arbeit. Fraglich ist, welche Verkehrsmitteleigenschaften den größten Nutzen stiften und demnach, kombiniert in einem Angebot, den stärksten Impuls zum Wechsel geben.

Die Arbeit untergliedert sich in fünf Hauptkapitel. Nach der Einleitung folgt im zweiten Teil die Beschreibung des Untersuchungsgebietes Potsdam. Einführend finden sich allgemeine Fakten zur Landeshauptstadt. Mit dem Abschnitt 2.2 beginnt die Darstellung des verkehrlichen Status quo. Für ein einheitliches Verständnis der Verkehrsproblematik werden anfänglich die wesentlichen Grundbegriffe definiert. Darauf aufbauend erfolgt die Analyse des motorisierten Individualverkehrs sowie des öffentlichen Nahverkehrs. Die Bestandsaufnahme wird mit dem Blick auf den städtischen Modal Split abgerundet. Der Entwicklung des beruflichen Verkehrsgeschehens wird ein gesonderter Abschnitt gewidmet, da der Pendlerverkehr als wichtigster Verursacher der Verkehrsbelastung gilt. Zum Abschluss des Kapitels werden die Auswirkungen des Mobilitätsverhaltens kurz umrissen als auch das StEK Verkehr vorgestellt.

Im dritten Teil schließen sich die Ausführungen zu den theoretischen Grundlagen an.

Der erste Abschnitt beginnt mit einer wissenschaftlichen Zuordnung der Verkehrsmittelwahl zu dem verhaltensorientierten, disaggregierten Ansatz und der Einbettung der Wahlentscheidung in die Theorie des Konsumentenverhaltens. Fortan wird die Verkehrsmittelwahl als spezielle Art der Kaufentscheidung betrachtet. Ausgehend von dieser Annahme wird der Kaufentscheidungsprozess, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Verkehrsmittelwahl, modelliert und die entscheidungsrelevanten Determinanten bestimmt. Zum Ende des Theorieparts wird die Frage nach dem Verlagerungspotential vom MIV auf den ÖPNV beleuchtet.

Auf der Grundlage des theoretischen Wissens werden im vierten Kapitel das Forschungsproblem und -ziel formuliert. Im Abschnitt 4.2 erfolgt erst die Herleitung der Conjoint Analyse, als geeignetes Verfahren zur Präferenzmessung und anschließend deren methodische Beschreibung. Hieran wird das Untersuchungsdesign entwickelt. Der Schwerpunkt des vierten Kapitels bildet die Darlegung der Erhebung sowie die Vorstellung und Diskussion der Studienergebnisse zur beruflichen Verkehrsmittelwahl in Potsdam.

Aus den empirisch gewonnenen Erkenntnissen werden im fünften Kapitel Handlungsempfehlungen für die verhaltenswirksame Konzeption nachfragerorientierter ÖPNV-Angebote erarbeitet. Abschließend wird ein Ausblick auf zukünftige Forschungsfragen gegeben.

Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf eine Unterscheidung des grammatischen Geschlechts verzichtet. Stattdessen wird das maskuline Genus verwendet, welches stellvertretend für beide Geschlechter steht.

2 Landeshauptstadt Potsdam als Untersuchungsgebiet

Die Lösung bestehender Verkehrsprobleme setzt ein erweitertes Verständnis für das untersuchte Verkehrsgebiet voraus. Zu Beginn werden die wesentlichen Daten und Fakten zur Stadt Potsdam dargelegt, einschließlich der geographischen Lage und Ausdehnung, der Bevölkerungsstruktur, der wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Arbeitsmarktlage. Die anschließenden Abschnitte betrachten die verkehrlichen Gegebenheiten der Landeshauptstadt, wobei der thematische Fokus auf dem Personennahverkehr liegt.

2.1 Allgemeine Informationen zur kreisfreien Stadt Potsdam

Potsdam ist die Hauptstadt Brandenburgs und befindet sich südwestlich von Berlin, am mittleren Lauf der Havel. Die Landeshauptstadt umfasst circa 187 km², wobei die Ausdehnung des Stadtgebietes das Resultat mehrerer Eingemeindungen ist. (Vgl. LBV 2006, S. 252 ff.) Der letzte Eingliederungsprozess von sieben Gemeinden wurde 2003 durchgeführt, im Zuge dessen erweiterte sich die Fläche um 60 Prozent (vgl. StBA 2007).

Innerhalb der kreisfreien Städte im Bundesland Brandenburg ist Potsdam zudem die Bevölkerungsreichste. Es residieren insgesamt 157.361 Einwohner in den acht Stadtbezirken. Der bevölkerungsstärkste Bezirk ist Potsdam Süd mit 29.366 Einwohnern, gefolgt von Potsdam Südost mit 28.629. Die nördlichen Vorstädte bilden das Schlusslicht mit nur 8.789 Einwohnern. Zusätzlich zu den Bewohnern, die mit ihrem Hauptwohnsitz in Potsdam gemeldet sind, kommen weitere 6.233 Personen, die in der Stadt eine Zweitwohnung unterhalten. (Vgl. LHP 2012a, S. 2) Im Gegensatz zu vielen anderen Städten der neuen Bundesländer verzeichnet Potsdam seit dem Jahr 2000 ein stetige Bevölkerungszunahme und wächst jährlich im Durchschnitt um 1.500 Personen (vgl. LHP 2011c). Zuzüge, aber auch der hohe Geburtenüberschuss, begünstigen das Wachstum (vgl. LHP 2012a, S. 2). Basierend auf diesen Kenngrößen werden für das Jahr 2020 rund 166.800 Einwohner prognostiziert (vgl. LHP 2010a, S. 1). Betrachtet man anschließend die Altersstruktur der Bevölkerung, so nimmt die Stadt Potsdam auch in diesem Bereich einen guten Platz im Bundesvergleich ein. Mit durchschnittlich 42,1 Jahren ist Potsdam die viertjüngste Landeshauptstadt Deutschlands. (Vgl. LHP 2012b, S. 17)

Die Wirtschaft der Landeshauptstadt wird in erster Linie vom tertiären Sektor geprägt. Rund 92,9 Prozent der Erwerbstätigen arbeiteten 2009 im Dienstleistungsgewerbe und erwirtschafteten 89 Prozent der Bruttowertschöpfung. (Vgl. AfS Berlin-Brandenburg 2011a, S. 16 ff.; vgl. LHP 2012c, S. 1) Insgesamt hatten sich 2011 12.513 kleine und mittelständige Unternehmen in Potsdam niedergelassen, 350 mehr als im Vorjahr (vgl. LHP 2012a, S. 2). Historisch gesehen ist Potsdam ein Verwaltungsstandort. Die Landesregierung Brandenburg, diverse Ministerien und weitere öffentliche Dienstleister sind in der Stadt ansässig. (Vgl. Hahn 2003, S. 121) Heutzutage ist Potsdam jedoch ein regionaler Wachstumskern mit mehreren Kompetenzfeldern. Zum Einen verfügt die Stadt über eine vielfältige Forschungslandschaft, die drei öffentliche Hochschulen sowie mehr als 40 Forschungsinstitute umfasst (vgl. LHP o. J.). Darüber hinaus hat sich Potsdam, seit der Eröffnung des Filmstudios Babelsberg im Jahr 1912, zu einer der erfolgreichsten Medienstädte der Bundesrepublik entwickelt (vgl. Studio Babelsberg 2012). Circa 120 Unternehmen mit über 3.500 Mitarbeitern realisieren jährlich mehrere hundert Film- und Fernsehproduktionen (vgl. LHP 2012d, S. 1). Die letzte große Branche, die zum dynamischen Wirtschaftswachstum der Stadt beiträgt, ist der Tourismus. Die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges zeigt sich in den wachsenden Fremdenverkehrskennziffern. Zwischen 2007 und 2011 erhöhte sich das Bettenangebot um 615 auf 5.335 und 391.727 Gäste, 25.045 mehr als im Ausgangsjahr, besuchten die Stadt. (Vgl. LHP 2012e, S. 171)

Die zuvor skizzierte positive Wirtschaftsentwicklung wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus. 2011 waren 77.846 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der kreisfreien Stadt tätig (vgl. LHP 2012a, S. 2). In einem statistischen Vergleich der Landeshauptstädte 2010 belegte Potsdam mit einem Beschäftigungsanteil von 36,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung den ersten Platz (vgl. LHP 2012b, S. 4). Schätzungen zufolge soll die Zahl der Arbeitsplätze bis zum Jahr 2025 auf 82.000 anwachsen (vgl. LHP 2012f, S. 30). Die Arbeitslosenquote hingegen lag mit 7,9 Prozent im Jahr 2011 über dem Bundesdurchschnitt, jedoch unter dem Niveau der neuen Bundesländer (vgl. BA 2012, S. 182; vgl. LHP 2012a, S. 2). Die gute Arbeitsmarktlage spiegelt sich auch in der Kaufkraft wieder. Mit einer Kaufkraftkennziffer von 96,5 Prozent verfügen die Potsdamer über das höchste frei verfügbare Einkommen aller ostdeutschen Städte (vgl. LHP 2012b, S. 5).

2.2 Verkehrsentwicklung und Verkehrsverhalten

Die folgenden Abschnitte widmen sich dem Verkehrsgeschehen der Stadt Potsdam. Einleitend wird ein terminologischer Bezugsrahmen gesetzt, um ein einheitliches Verständnis für die verwendeten Begriffe und Zusammenhänge zu schaffen. Die nachfolgende Verkehrsbetrachtung umfasst die Analyse des MIV und des ÖPNV, wobei auf die eingehendere Untersuchung des nicht-motorisierten Individualverkehrs (NIV) verzichtet wird. Sowohl der Rad- als auch der Fußverkehr sind auf längeren Strecken keine Alternative zu motorisierten Verkehrsträgern und spielen daher nur eine untergeordnete Rolle. Nach der Darstellung der Verkehrsarten folgt zunächst ein Beitrag zu den stadtspezifischen Besonderheiten des Berufsverkehrs und abschließend zum Modal Split der Stadt.

2.2.1 Bestimmung verkehrswissenschaftlicher Grundbegriffe

Mobilität und Verkehr sind zentrale Ausdrücke in den Verkehrswissenschaften. Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, dass eine Reihe von Definitionen existiert, die die inhaltliche Bedeutung der Termini auf unterschiedliche Weise wiedergeben. Im Rahmen der Arbeit werden deshalb die immer wiederkehrenden, zentralen Merkmale dargestellt.

Mobilität rührt aus dem lateinischen ‚mobilitas‘ her und bedeutet so viel wie Beweglichkeit, Schnelligkeit, Gewandtheit (vgl. Zängler 2000, S. 19). Die räumliche Mobilität, die in dieser Arbeit näher betrachtet wird, definiert sich grundlegend als Fähigkeit, eine bestimmte Distanz zu überwinden (vgl. Bundesminister für Verkehr 1988, S. 14; vgl. Nuhn/ Hesse 2006, S. 19). Das Wort Fähigkeit impliziert dabei die Möglichkeit, dass eine Person sich fortbewegt, nicht die Notwendigkeit. Die tatsächliche Umsetzung des Vorhabens unterscheidet die Mobilität von dem Begriff Verkehr. Laut Hettner (1977, S. 5) bezeichnet Verkehr den wiederkehrenden Transfer von Personen über eine Strecke, die eine spezifische Mindestentfernung aufweist. Hettner schließt in die Definition auch die Übermittlung von Mitteilungen und Gütern mit ein, die jedoch für den Personenverkehr unerheblich sind. Zusammengefasst beschreibt Verkehr die tatsächliche physische Bewegung von Verkehrsmittel innerhalb eines Verkehrsnetzes und ist demnach die Folge von Mobilität (vgl. Nuhn/ Hesse 2006, S. 18; vgl. Zängler 2000, S. 22). Der Anteil der einzelnen, verkehrlichen Mittel am Gesamtverkehr bezeichnet man als Modal Split oder auch Verkehrsteilung. Dieser Terminus beschreibt, wie sich die Zahl beförderter Personen innerhalb einer Region auf die einzelnen Verkehrsmittel verteilt. (Vgl. Groß 2011, S. 333; vgl. Held 1980, S. 49) Der Modal Split unterteilt sich in den Individualverkehr (IV) und den öffentlichen Personennahverkehr (vgl. Schmucki 2001, S. 65). Die beiden Verkehrsarten werden im Weiteren nur für den Nahverkehr definiert, da der Fernverkehr für die Fragestellung nach der beruflichen Verkehrsmittelwahl keine Relevanz besitzt. Nahverkehr meint hierbei den Quell- Ziel-Verkehr zwischen Wohnort und Arbeits- bzw. Freizeitstätte (vgl. Labs 1971, S. 9). Der IV umfasst sowohl den motorisierten Individualverkehr mit Pkws, Motorrädern, Mopeds sowie andere motorisierte Zwei- und Vierräder, als auch den nicht-motorisierten Individualverkehr mit Fahrrädern oder zu Fuß. Der ÖPNV schließt die Verkehrsmittel Bus, Straßenbahn, Regionalbahn, U- und S-Bahn und weitere schienengebundene Transportmittel mit ein. (Vgl. Gfeller/ Ledermann 1982, S. 36) Die Erhebungen zur Verkehrsverteilung liefern wesentliche Erkenntnisse zur Effektivität verkehrspolitischer Maßnahmen im Hinblick auf die Beeinflussung einer nachhaltigen Verkehrsmittelwahl.

2.2.2 MIV (motorisierter Individualverkehr)

Potsdam verfügt über eine gute verkehrliche Infrastruktur. Zahlreiche Investitionen in den Um- und Ausbau des Straßennetzes sowie die bedarfsgerichtete Optimierung der Parkraumbewirtschaftung tragen zur Attraktivität des Verkehrsnetzes bei. (Vgl. AK IHK Berlin-Brandenburg 2011, S. 2 f.; vgl. LHP 2011a, S. 25 f.) Ferner hat die Stadt durch ihre Nähe zu Berlin einen guten Zugang zu weiteren wichtigen Verkehrswegen, wie beispielsweise die Bundesautobahn oder den Berliner Ring. Die gute Verkehrsinfrastruktur des Standortes begünstigt den Kfz-Verkehr. Die Abbildung 1 skizziert die Verkehrsbelastungen der Straßen in der Region.

Abbildung 1: Kfz-Verkehrsbelastung nach räumlichen Verkehrsarten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: LHP 2011d, S. 8

Der Durchgangsverkehr im Stadtbereich selbst ist gering. Lediglich die Autobahnabschnitte BAB A10 und A115, die in Teilen durch Potsdam führen, weisen eine hohe Belastung auf. Der Quell-Ziel-Verkehr konzentriert sich primär auf die Zubringerstraßen zwischen Potsdam und Berlin (z. B. Nuthestraße) sowie den umliegenden Gemeinden (z. B. Zeppelinstraße, Potsdamer Straße). Eine weitere Verkehrskonzentration ergibt sich auf den beiden innerstädtischen Havelübergängen, der Humboldtbrücke und der Langen Brücke. Der Binnenverkehr nimmt in Richtung Innenstadt kontinuierlich zu und überlagert sich teilweise mit dem Quell-Ziel- Verkehr. (Vgl. LHP 2011d, S. 8)

Die Reisezeit von den einzelnen Stadtbezirken bis in die Innenstadt beträgt höchstens 35 Minuten (siehe Anhang 1, rechte Karte ). Die Gebiete um das Zentrum herum liegen 15 bis 20 Minuten entfernt. Von den Ortsteilen im Potsdamer Südosten und Norden, ausgenommen Sacrow, benötigt man bis zu 25 Minuten und lediglich für die Strecke von den nördlichsten Bezirken in die Stadtmitte bedarf es der maximalen Fahrzeit. (Vgl. LHP 2011d, S. 11)

Die weiteren Analysen zum MIV beziehen sich vornehmlich auf die Kennzahlen zum Pkw. Hintergrund ist einerseits die Dominanz des Verkehrsträgers, aber auch das weitreichende Potential zur Entlastung der Umwelt.

Im Jahr 2011 waren 84.356 Kfz in Potsdam gemeldet, rund 77 Prozent davon waren Autos. Setzt man den Pkw-Bestand ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung der Stadt, so ergibt sich ein Motorisierungsgrad von 415 Pkw/ 1000 Einwohner. Dieser liegt zwar unter dem Bundesdurchschnitt, aber über dem Motorisierungsgrad Berlins. Rechnet man die Personen unter 18 Jahren heraus, besitzt sogar fast jeder zweite Führerscheinberechtigte (49 Prozent) ein eigenes Auto. Rückblickend betrachtet, sank der Motorisierungsgrad seit 2003 um rund 8,6 Prozent, was zunächst auf ein verändertes Mobilitätsverhalten hindeutet. Jedoch zeigt sich ab dem Jahr 2007 wieder eine steigende Tendenz. (Vgl. LHP 2012e, S. 161 ff.) Laut den Ergebnissen des Systems repräsentativer Verkehrserhebung (SrV) verfügen 41,2 Prozent der Haushalte über einen Pkw und 8,2 Prozent der Haushalte besitzen sogar zwei. Dabei steigt der Pkw-Besitz mit zunehmendem Nettohaushaltseinkommen. (Vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 44 ff.) Die Abbildung 2 zeigt den Motorisierungsgrad, verteilt auf die statistischen Bezirke der Stadt. Potsdam Süd und Potsdam Nord weisen den höchsten Grad der Motorisierung auf, während die bevölkerungsreicheren Gebiete im Südosten sowie in der erweiterten Potsdamer Innenstadt mit weniger als 200 Pkw/ 1000 Einwohner am niedrigsten motorisiert sind. (Vgl. LHP 2011d, S. 4)

Abbildung 2: Motorisierungsgrad nach statistischen Bezirken

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: LHP 2011d, S. 5

Neben der Pkw-Dichte ist für die umweltpolitische Bewertung vor allem die Pkw- Nutzung von Bedeutung. Zum Erhebungszeitpunkt der Studie wurden 54 Prozent der Autos tatsächlich gefahren. Der Schnitt ostdeutscher Großstädte liegt hingegen bei rund 63 Prozent, wodurch Potsdam einen vergleichsweise niedrigen Gebrauch aufweist. In der Regel legt jeder Potsdamer drei Mal am Tag eine Strecke von 7,9 Kilometer zurück und benötigt dafür 22,6 Minuten. Für den Verkehr innerhalb der Stadt gilt, dass der Pkw vorwiegend für mittlere Strecken von durchschnittlich 10,4 Kilometern, der ÖPNV indes zur Überwindung längerer Entfernungen präferiert wird. (Vgl. Ahrens et al. 2010, S. 15 ff.) Im Binnenverkehr liegt der Anteil des MIV bei circa 32 Prozent. Betrachtet man den Quell-Ziel-Verkehr, verschiebt sich die Relation. Rund 55 Prozent aller regionsüberschreitenden Wege werden mit dem MIV zurückgelegt. Im Städtevergleich liegt Potsdam mit einem MIV-Anteil von 37 Prozent am Gesamtverkehr unter dem deutschlandweiten Mittelwert von 42 Prozent. (Vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 62; vgl. Ahrens 2009b, S. 103) Insgesamt betrug die Pkw-Jahresfahrleistung im Jahr 2008 15.700 Kilometer und lag damit 300 Kilometer über der Fahrleistung von 1998 (vgl. SVP 2009, S. 1).

Eine weitere wichtige Einflussgröße in Bezug auf die Nachhaltigkeit des Verkehrs ist das Pkw-Alter. Die in Potsdam zugelassenen Autos sind durchschnittlich 8,9 Jahre alt und liegen damit 0,6 Jahre über dem deutschen Durchschnitt. In den letzten Jahren wurde der private Pkw über einen immer längeren Zeitraum gefahren, sodass heutzutage bereits über 21.500 Fahrzeuge zehn Jahre und älter sind. (Vgl. LHP 2012e, S. 162 ff.)

Statistische Auswertungen zu den demographischen Merkmalen der Pkw-Halter ergaben, dass mehr Männer (62 Prozent) als Frauen (38 Prozent) über ein eigenes Auto verfügen. Weiterhin liegt das durchschnittliche Alter der Pkw-Besitzer bei 49,5 Jahren, wobei rund 63 Prozent der Halter der Altersklasse von 35 bis 65 Jahren zugeordnet werden. (Vgl. ebenda, S. 164) Beim Führerscheinbesitz hingegen besteht nur noch ein geringfügiger Unterschied zwischen den Geschlechtern. Einzige Ausnahme bildet dabei das ältere Segment ab 65 Jahren. Während Männer dieses Alters bereits mehrheitlich (annähernd 90 Prozent) über einen Führerschein verfügen, liegt die Führerscheinquote der Frauen um fast die Hälfte niedriger. (Vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 78) Der Rückblick auf den letzten Erhebungszeitpunkt der Verkehrsstudie zeigt zudem, dass der Führerscheinbesitz der älteren Generation von 2003 bis 2008 zugenommen hat, während der Anteil im jungen Segment (18 bis 30 Jahre) leicht gesunken ist. Die Entwicklung deutet auf eine Verschiebung der Bedeutung des Pkws als Fortbewegungsmittel für die unterschiedlichen Altersgruppen hin. (Vgl. Follmer et al. 2010, S. 21)

2.2.3 ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr)

Das öffentliche Transportsystem der Stadt Potsdam umfasst die Verkehrsmittel: Straßenbahn, S-Bahn, Regionalbahn, Stadt- und Regionalbus und Fähre.

Der Verkehrsbetrieb Potsdam GmbH (ViP) ist hauptverantwortlich für die Personenbeförderung im innerstädtischen Verkehrsbereich. Mit acht Straßenbahnlinien, 22 Stadtbuslinien und einer Fährverbindung deckt das Unternehmen insgesamt 389 Kilometer des Stadtgebietes ab. Das Straßenbahnnetz schließt die größten Wohngebiete sowie die wichtigsten Gewerbe- und Wissenschaftsstandorte an die Innenstadt an. Der Busverkehr hingegen bedient die Nebenstrecken. (Vgl. ViP 2011) Die S-Bahn als auch die Regionalbahn sind Verkehrsträger des Deutschen Bahn Konzerns und verbinden die kreisfreie Stadt Potsdam mit der Hauptstadt Berlin. An dieser Stelle sei kurz angemerkt, dass die Strecke der Regionalbahn aufgrund von Bauarbeiten seit Dezember letzten Jahres gesperrt ist. Die Anbindung an die umliegenden Landkreise erfolgt über die Regionalbuslinien der Havelbus Verkehrsgesellschaft mbH sowie der Verkehrsgesellschaft Belzig mbH. (Vgl. VBB 2011) Alle Verkehrsmittel sind seit 1998 im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) zusammengefasst und unterliegen einem gemeinsamen Tarifsystem (vgl. VBB 2012).

Die regelmäßige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bedingt den Besitz bzw. die Verfügbarkeit über eine ÖPNV-Zeitkarte. In Potsdam sind allgemein weniger als ein Viertel der Haushalte mit einer Zeitkarte ausgestattet. Ein-Personen-Haushalte verfügen mit rund 16 Prozent über die wenigsten Fahrkarten. Mit zunehmender Personenanzahl im Haushalt steigt die Verfügbarkeit und ein Drei-Personen- Haushalt besitzt durchschnittlich die doppelte Anzahl an Zeitkarten. (Vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 47)

Die Verteilung der Verkehrsnachfrage im ÖPNV ergibt sich aus der Abbildung 3 .

Abbildung 3: ÖPNV-Belastung nach räumlichen Verkehrsarten und -mitteln

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: in Anlehnung an LHP 2011d, S. 9 f.

Die Darstellung veranschaulicht die durchschnittliche Belastung des ÖPNV-Netzes an einem Werktag. Die Karte auf der linken Seite gibt dabei den Belastungsgrad nach den räumlichen Verkehrsarten wieder und die rechte Karte nach den einzelnen Verkehrsmitteln. Die Zusammenfassung verdeutlicht, dass sich die Netzbelastung primär aus dem Binnen- und dem Quell-Ziel-Verkehr ergibt, die sich im Stadtkern bündeln. Der Durchgangsverkehr spielt nur eine untergeordnete Rolle. (Vgl. LHP 2011d, S. 9) Die Verkehrserhebung SrV 2008 ergab, dass rund 15 Prozent der regionalen und 40 Prozent der überregionalen Wege mit dem ÖPNV zurückgelegt werden (vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 62). Im Städtevergleich treten zwei gegenläufige Entwicklungen zum Vorschein. Während der Wegeanteil des ÖPNV im Binnenverkehr Potsdams um drei Prozent niedriger liegt als der deutsche Durchschnitt, ist der Anteil im Quell-Ziel-Verkehr um 18 Prozent höher. (Vgl. Ahrens et al. 2009b, S. 103) Für die Strecken innerhalb Potsdams nutzen die Verkehrsteilnehmer verstärkt die Straßenbahn und den Bus. Routen, die über die Stadtgrenze hinaus führen, werden hingegen vermehrt mit der S-Bahn oder der Regionalbahn gefahren.

Auffällig ist, dass der Teil des Streckennetzes, der die Landeshauptstadt mit dem Umland verbindet, nur gering belastet ist. (Vgl. LHP 2011d, S. 9 f.) Die Gegenüberstellung der einzelnen Verkehrsmittelarten auf Basis ihrer werktäglichen Fahrleistungen zeigt, dass der Bus mit fast 390.000 Personenkilometern die größte Entfernung zurücklegt, während die S-Bahn nur rund ein Viertel der Busstrecke bewältigt (vgl. LHP 2011a, S. 33). Die detaillierte Aufstellung ist dem Anhang 2 zu entnehmen.

Ein Grund für die teilweise geringe Netzauslastung könnte die vergleichsweise längere Reisezeit im ÖPNV sein (siehe Anhang 1, linke Karte ). Von den am Rand gelegenen Wohngebieten im Südosten Potsdams und den 2001 neu eingegliederten Gemeinden im Norden, kann die Reisedauer mitunter mehr als 35 Minuten betragen. Die südlichen Bezirke sind bis zu 30 Minuten vom Stadtkern entfernt, wohingegen die stadtnahen Gebiete nördlich des Zentrums zwischen 15 bis 25 Minuten benötigen. Lediglich der Innenstadtbereich, der eine Reisezeit von höchstens 15 Minuten aufweist, ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schneller zu erreichen. (Vgl. LHP 2011d, S. 12)

2.2.4 Modal Split

Die anschließende Betrachtung des Modal Split der Stadt Potsdam gibt Aufschluss über die Verteilung des Verkehrs auf die Verkehrsträger des MIV und des Umweltverbundes (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr). Die Abbildung 4 stellt die Veränderung des Modal Split im zeitlichen Verlauf ab 1977 dar.

Abbildung 4: Entwicklung des Potsdamer Modal Split von 1977-2008

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: in Anlehnung an SVP 2009, S. 2

Zu Beginn wurden die Wegstrecken überwiegend zu Fuß und mittels öffentlicher Verkehrsmittel zurück gelegt. In den Jahren Ende der 80er ist diesbezüglich eine Veränderung zu erkennen. Unter Berücksichtigung einer zunehmenden Pkw- Mobilität dominierten fortan die Verkehrsmittel des MIV. Auch 2008 hielt der MIV mit 36,8 Prozent den größten Anteil am Verkehrsaufkommen, erfährt jedoch seit circa 1994 eine Abwärtsbewegung. (Vgl. SVP 2009, S. 2) Eine Untersuchung des Karlsruhe Institute of Technology zu den Trends des Mobilitätsverhaltens in Deutschland führt die abnehmende Präferenz für die Fahrt mit Auto auf eine Reihe von Faktoren zurück. Steigende Pkw-Kosten, zunehmend attraktiv gestaltete Verkehrsangebote im Umweltverbund und ebenso das höhere Bildungsniveau der Verkehrsteilnehmer führen dazu, dass zur Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse nicht mehr nur ein Fortbewegungsmittel genutzt wird, sondern stattdessen multimodale Verkehrslösungen bevorzugt werden. (Vgl. Chlond 2010, S. 15) Einen dem MIV-Verkehr entgegengesetzten Entwicklungsverlauf nimmt der Radverkehr, der seit 1991 kontinuierlich ansteigt und zum Erhebungszeitpunkt 2008 bereits ein Fünftel des Verkehrsaufkommens ausmacht (vgl. SVP 2009, S. 2). Die intensivere Nutzung des Fahrrads ist auf Förderungsmaßnahmen im Rahmen des Radverkehrskonzeptes 2008 zurückzuführen. Neben dem Ausbau des Radroutennetzes hat die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zu einem fahrradfreundlichen Klima beigetragen. (Vgl. LHP 2010b, S. 5 ff.) Trotz der ansteigenden Präferenz für das Fahrrad ist der Fußverkehr, mit einem Anteil von 23,8 Prozent am Gesamtverkehr, weiterhin die zweitwichtigste Fortbewegungsart. Die Entwicklung der Verkehrsteilung seit 1977 lässt einerseits einen Anstieg des Zu- Fuß-Gehens im Jahr 1998 zu Lasten des ÖPNV erkennen, dokumentiert dennoch insgesamt eine sinkende Tendenz. Den geringsten Wegeanteil haben schließlich die öffentlichen Verkehrsmittel mit 19,3 Prozent. Die Nachfrage nach den Verkehrsleistungen im ÖPNV verzeichnet seit dem Jahr 1991 einen relativ gleichbleibenden Verlauf, der im Zeitraum von 2003 bis 2008 sogar leicht rückläufig war. (Vgl. SVP 2009, S. 2) Im SrV Städtevergleich (siehe Anhang 3 ) zeigt sich, dass Potsdam zwar verglichen mit Berlin einen höheren MIV-Anteil am Modal Split besitzt, jedoch gegenüber anderen Oberzentren, als auch in Bezug auf den gesamten Städtepegel, ein besseres Verhältnis von Umweltverbund zu MIV erreicht (vgl. Ahrens et al. 2009c, S. 39; vgl. Ahrens et al. 2010, S. 42).

Die Verkehrsmittelwahl ist keine allgemeingültige Entscheidung, die einmalig für alle Strecken getroffen wird. Vielmehr differenziert sie sich nach der Länge sowie dem Zweck des Weges. Die Unterteilung des Modal Splits nach räumlichen Distanzen (siehe Anhang 4 ) führt zu folgenden Ergebnissen: Auf Nahstrecken bis drei Kilometer dominiert der Fußverkehr. Mittlere Wege bis sieben Kilometer werden überwiegend mit dem MIV, aber auch bevorzugt mit dem Fahrrad zurück gelegt. Zwischen sieben und zehn Kilometern steigen die Verkehrsteilnehmer vom Fahrrad auf den ÖPNV um bzw. nutzen weiterhin die motorisierten Individualverkehrsmittel. Im Langstreckenbereich, ab einer Entfernung von mehr als zehn Kilometern, nimmt der MIV-Anteil ab und die öffentlichen Verkehrsmittel werden stärker präferiert. (Vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 77; vgl. LHP 2010b, S. 3)

Mittels der wegezweckspezifischen Verkehrsteilung (siehe Anhang 5 ) ist festzustellen, dass motorisierte Verkehrsmittel vornehmlich für den Weg zur Arbeit gewählt werden. Rund 45 Prozent der Erwerbstätigen geben hierbei dem MIV dem 14 Vorrang und 32 Prozent nehmen die Dienstleistung des ÖPNV in Anspruch. Ein weiterer Fahrzweck, bei dem der MIV einen hohen Anteil am Verkehrsaufkommen belegt, ist der Einkauf, für den mehr als 40 Prozent der Verkehrsteilnehmer das Auto bzw. ein motorisiertes Zweirad nutzen. Entgegengesetzt verhält es sich mit der Strecke zwischen Wohnort und Ausbildungsstätte, die zu circa 56 Prozent mit den Fortbewegungsmitteln des nicht-motorisierten Individualverkehrs bewältigt wird. (Vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 63)

2.2.5 Daten zum Berufsverkehr

Zum Abschluss der Analyse der Potsdamer Verkehrssituation soll die Problematik des regionalen Berufsverkehrs eingehender betrachtet werden. Diese zweckgebundene Verkehrsform spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung des städtischen Verkehrsaufkommens und liefert dementsprechend optimale Ansatzpunkte zur nachhaltigen Gestaltung des Verkehrs.

Insgesamt 10,5 Prozent aller Wege im Gesamtverkehr werden mit dem Ziel zurückgelegt, zum eignen Arbeitsplatz zu gelangen (vgl. Ahrens et al. 2010, S. 57). Wie im Kapitel 2.2.4 bereits gezeigt wurde, liegt der MIV-Anteil für diesen Wegezweck bei rund 45 Prozent (vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 63). Vor dem Hintergrund der hohen Nutzungsintensität des MIV im Berufsverkehr ist es nicht verwunderlich, dass die erwerbstätige Bevölkerung zu rund 90 Prozent einen Führerschein besitzt, während im städtischen Durchschnitt nur drei Viertel der Verkehrsteilnehmer über eine Fahrerlaubnis verfügen (vgl. Ahrens et al. 2009a, S. 79). Die Berechtigung Auto zu fahren, wirkt sich wiederum auf die Pkw-Besitzquote aus. Wie ein Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2006, S. 35) zeigt, liegt der Motorisierungsgrad von Erwerbstätigen mit 623 Pkw/ 1000 Einwohner weit über dem deutschen Mittel.

Gemäß den Ausführungen in Kapitel 2.1 waren im Jahr 2011 77.846 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Potsdam tätig (vgl. LHP 2012a, S. 2). Die Hauptarbeitsstätten der Stadt konzentrieren sich primär auf den Innenstadtbereich sowie den Stadtbezirk Babelsberg (vgl. LHP 2011a, S. 21). Diese beiden Gebiete bilden demnach die Zielpunkte des Berufsverkehrs und bestimmen das Verkehrsaufkommen, wie den Abbildungen 1 und 3 zu entnehmen ist.

Zu dem berufsbedingten Stadtverkehr kommen noch die Pendlerströme aus den Umlandgebieten. Im Jahr 2011 wurden 45.599 Einpendler und 28.482 Auspendler erfasst. Der Einpendlerüberschuss von 17.117 ist ein Indiz für die Attraktivität des lokalen Arbeitsmarktes. (Vgl. LHP 2012a, S. 2) Zur Veranschaulichung des Ausmaßes und der Verteilung des Pendlerverkehrs dient die folgende Abbildung 5 .

Abbildung 5: Pendlerströme von/ nach Potsdam pro Tag

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: LHP 2011d, S. 3

Wie der Umfang der abgebildeten Verkehrsströme zeigt, pendelt der größte Teil (rund 26.000) der Erwerbstätigen zwischen Potsdam und Berlin. Das Verhältnis von Ein- zu Auspendlern hält sich hierbei die Waage. Darüber hinaus existieren zahlreiche Pendlerbeziehungen in die umliegenden Orte. Circa 37.800 Arbeitnehmer, 27.300 Einpendler und 10.500 Auspendler fahren täglich zwischen den einzelnen Gemeinden Brandenburgs hin und her. Die Schwerpunkte des Pendlerverkehrs sind die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming, Havelland sowie die kreisfreie Stadt Brandenburg an der Havel. ( Vgl. LHP 2011d, S. 3)

2.3 Auswirkungen der Verkehrsentwicklung

Die vorangestellte Untersuchung des verkehrlichen Status quo in Potsdam hat gezeigt, dass der MIV, sowohl im Binnen- als auch im Quell-Ziel-Verkehr, eine zentrale Stellung einnimmt. Die häufige Nutzung motorisierter Individualverkehrsmittel führt zu einer Reihe negativer Mobilitätseffekte, welche die Lebensqualität der Potsdamer Bevölkerung erheblich beeinträchtigen. Die zentralen Problembereiche werden im Folgenden überblicksartig erläutert.

Ein wesentlicher Nachteil des motorisierten Verkehrs ist der Ausstoß von Abgasemissionen , primär Kohlenstoffdioxid (CO2), die im erheblichen Maße die Umwelt belasten. Zur Prävention vor negativen Folgen hat sich die Stadtverordnetenversammlung zum Ziel gesetzt, den CO-Ausstoß zwischen 2005 und 2020 um 20 Prozent zu senken. (Vgl. LHP 2010c, S. 1) Gemäß dem Klimaschutzbericht der Landeshauptstadt Potsdam (2009, S. 22) betrugen die gesamtstädtischen CO2-Emissionen im Jahr 2008 853.200 Tonnen. Mehr als ein Viertel (242.800 Tonnen) des CO2-Ausstoßes wurde durch den allgemeinen Verkehrssektor verursacht, wovon fast 50 Prozent allein auf den MIV zurück zu führen waren (vgl. LHP 2010c, S. 116 ff.) Die Abbildung 6 veranschaulicht die Entwicklung der CO2-Emissionen von 1996 bis 2008.

Abbildung 6: Entwicklung der CO2-Emissionen in Potsdam von 1996-2008

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: in Anlehnung an LHP 2009, S. 22

Der blaue Verlauf stellt den Gesamtausstoß der Stadt dar, während der rote Verlauf die Verkehrsemissionen widerspiegelt. Die allgemeine Entwicklung der CO2- Emissionen folgt einem leicht U-förmigen Verlauf. Nach einem anfänglichen Rückgang des CO2-Ausstoßes von 1996 bis 1999 setzte im Jahr 2000 ein leichter Anstieg ein. 2003 erfolgte schließlich der bislang größte Sprung nach oben. Die Analyse der Zeitreihen ab dem Basisjahr 2005 zeigt, dass die Gesamtemissionen entgegen der Zielsetzung der Stadtverordnetenversammlung um 10.390 Tonnen zugenommen haben. Hauptemittent, mit einem anteiligen Wachstum von fast 79 Prozent, ist hierbei der Verkehr. (Vgl. LHP 2009, S. 22)

Eine weitere Problemstellung, die sich durch den motorisierten Verkehr ergibt, ist die Luftschadstoffbelastung . Der Straßenverkehr ist der Hauptemittent von Feinstaub und Stickstoffdioxid. Feinstaub steht für in der Luft schwebende Partikel, deren aerodynamischer Durchmesser weniger als 10 Mikrometer (PM10) beträgt. Die feinen Teilchen entstehen durch Verbrennungsprozesse oder aber sind das Ergebnis von Materialabrieb bzw. Staubaufwirbelungen. Stickstoffdioxid (NO2) indes ist ein giftiges Gas, welches ebenfalls aus der Verbrennung von Treibstoffen hervorgeht. Höhere Konzentrationen NO2 beeinträchtigen das ökologische Gleichgewicht und tragen zur Entstehung von Ozon bei. Neben der Umweltbelastung können sich beide Schadstoffe negativ auf die Atemwegs- und Kreislauffunktionen des Menschen auswirken. Zur Vermeidung derartiger Luftverunreinigungen wurden von der EU Grenzwerte festgesetzt, die für Feinstaub und Stickstoffdioxid jeweils 40 µ/m³ im Jahresmittelwert betragen. Untersuchungen an den Belastungsschwerpunkten1 der Stadt haben ergeben, dass die Grenzwerte für PM10 bereits weiträumig eingehalten werden, jedoch in den letzten Jahren einen Aufwärtstrend erkennen lassen. Die NO2- Konzentration der betrachteten Verkehrszonen lag hingegen durchschnittlich um 3,2 µ/m³ über den Vorgaben und wies ebenfalls einen leichten Anstieg auf. (Vgl. MUGV 2012, S. 11 ff.)

Der letzte Mobilitätseffekt, der im Rahmen dieser Arbeit betrachtet wird, ist der Verkehrslärm . Generell gilt, dass der Lärmpegel eines Verkehrsabschnittes sich nach der Höhe der Verkehrsbelastung sowie der Art der Bebauung richtet. Enge, verdichtete Wohnviertel mit starkem Fahraufkommen weisen demnach hohe Lärmwerte auf. Zur Vermeidung lärmbedingter Gesundheitsschädigungen hat das Land Brandenburg Lärm-Richtwerte für verschiedene Tageszeiten definiert. Tagsüber liegt die Lärmgrenze bei 65 dB(A) und ab 22 Uhr bis 6 Uhr bei 55 dB(A). (Vgl. MUGV 2012, S. 48 ff.) Lärmmessungen im Jahr 2010 haben gezeigt, dass vor allem im nächtlichen Zeitraum der Lärmpegel den vorgegebenen Grenzwert überschreitet. Rund 20.000 Einwohner waren zum Messzeitpunkt der höheren Lärmbelastung ausgesetzt. Während des Tages sind circa 13.000 Einwohner, vornehmlich in den Belastungsgebieten der Stadt (z. B. Potsdamer Straße, Zeppelinstraße oder Breite Straße), störenden Geräuschen ausgesetzt. (Vgl. LHP 2011a, S. 35)

2.4 Stadtentwicklungskonzept Verkehr

Die Verkehrssituation der Landeshauptstadt ist gekennzeichnet durch eine hohe PkwBelastung. Die Präferenz zur Nutzung motorisierter Individualverkehrsmittel, vor allem im Pendlerverkehr, resultiert in einer messbaren Schädigung der Umwelt und nicht zuletzt der Gesundheit. Der beträchtliche Pkw-Anteil im Stadtverkehr stellt die Verkehrsverantwortlichen Potsdams vor den Zielkonflikt einerseits eine ausreichende Mobilität zu gewährleisten, andererseits die Lebensqualität der Einwohner zu sichern bzw. zu verbessern. Wie sich den vorangegangenen Ausführungen entnehmen lässt, waren die bisherigen Bemühungen, Qualitätsstandards für die Luftreinhaltung und den Lärmschutz durchzusetzen, nur bedingt erfolgreich.

Vor diesem Hintergrund erarbeitete die Landeshauptstadt Potsdam in Zusammenarbeit mit der Verkehrsmanagementzentrale Berlin das StEK Verkehr. Ausgangsbasis für das Konzept ist der Verkehrsentwicklungsplan 2001, welcher die verkehrspolitischen Zielsetzungen für Potsdam bis zum Jahr 2015 festlegt. Die Fortschreibung bis 2025 dient der Anpassung der Nahverkehrsplanung an die gegenwärtige Verkehrssituation der Stadt, wobei die Grundintention erhalten bleibt. Wie bereits elf Jahre zuvor, streben die verkehrsplanerischen Tätigkeiten die Reduzierung des MIV an. Erklärtes Ziel ist es, die Verkehrsteilnehmer zu einem Umdenken in Richtung nachhaltige Mobilität zu bewegen und damit den Modal Split der Stadt zu Gunsten des Umweltverbundes zu verändern. (Vgl. LHP 2011a, S. 1 ff.)

Im Planungsverlauf wurden auf Basis aktueller SrV Verkehrsdaten, als auch der Gesamtverkehrsprognose für Berlin und Brandenburg, drei mögliche Zukunftsszenarien entwickelt. Das Basisszenario beschreibt lediglich den derzeitigen verkehrlichen Status quo Potsdams. Das Fortschreibungsszenario umfasst zusätzlich die Realisierung in Planung befindlicher Verkehrsmaßnahmen und das Szenario ‚Nachhaltige Mobilität‘ ist auf die ganzheitliche Entwicklung hin zu einem umweltorientierten Verkehrssystem gerichtet. Letzteres Szenario bildet die Grundlage für die Verkehrsentwicklung und die Investitionsplanung der Stadt bis 2025 und beinhaltet folgenden Aktionsplan:

-Verbesserung der Attraktivität des Umweltverbundes mittels
- Entwicklung bedarfsgerechter ÖPNV-Angebote, unter anderem Einführung eines betrieblichen Mobilitätsmanagements
- Ausbaus des Straßenbahnnetzes
- effizienteren Gestaltung des Verkehrssystems durch Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger
- Optimierung der Verkehrsbeziehung zwischen Stadt und Umland
- Beschleunigung der Reisezeit
- Investition in eine fußgänger- und radfahrgerechte Infrastruktur
- Schwächung des motorisierten Individualverkehrs mittels
- intensiver Parkraumbewirtschaftung, unter anderem Erhöhung der Parkgebühren und Etablierung stadtweiter Parkleitsysteme
- Verminderung der Straßenüberlastungen durch Maßnahmen der Verkehrslenkung und den Bau neuer Netzelemente
- Förderung des multimodalen Verkehrsverhaltens durch Park+Ride-Systeme2 (Vgl. ebenda, S. 46 ff.)

Die Umsetzung der genannten Maßnahmen führt laut Berechnungen zu einer größtmöglichen Annäherung an den Soll-Zustand. Die Abbildung 7 illustriert die antizipierten Modal Split Veränderungen im Binnenverkehr. Neben der Reduzierung des MIV zum Vorteil des Umweltverbundes wird weiterhin die Erreichung der Zielwerte im Bereich der Abgasemissionen (NO2, PM10) prognostiziert.

Abbildung 7: Vergleich des Modal Split 2008 und 2025 im Binnenverkehr

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: LHP 2011a, S. 52

Im Hinblick auf die Lärmbelastungen wird eine deutliche Verbesserung in den Belastungsgebieten vorhergesagt und der CO2-Ausstoß verringert sich erwartungsgemäß um 14 Prozent. (Vgl. ebenda, S. 50 ff.)

3 Konsumtheoretische Erklärungsversuche der Verkehrsmittelwahl

Nach der Betrachtung des verkehrlichen Status quo in Potsdam sollen im dritten Kapitel die theoretischen Grundlagen gelegt werden. Einleitend wird die Verkehrsmittelwahl in den Kontext der Konsumentenforschung eingeordnet und im weiteren Verlauf als Kaufentscheidungsprozess näher beleuchtet.

3.1 Modellierung der Verkehrsmittelwahl

Die Verkehrsmittelwahl ist eines der zentralen Untersuchungsobjekte der Verkehrswissenschaften der vergangenen Jahrzehnte. Die Frage nach der Entstehung einer Nutzenvorstellung bezüglich verschiedener Mobilitätsvarianten sowie die daraus resultierende Entscheidung für ein bestimmtes Verkehrsmittel wurden von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen aufgegriffen und mit Hilfe zahlreicher Ansätze erforscht. (Vgl. Zemlin 2005, S. 41)

Um für die vorliegende Arbeit einen geeigneten Forschungsansatz zu wählen, wird zunächst eine Klassifizierung möglicher Modelle vorgenommen. In der wissenschaftlichen Literatur findet sich eine Vielzahl uneinheitlicher Kriterien zur Einteilung von Verkehrsnachfragemodellen, wodurch eine eindeutige Einordnung nur schwer möglich ist. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die für die Arbeit wesentlichen Unterscheidungskriterien.

Im ersten Schritt werden, je nach Aggregationsgrad der statistischen Datenbasis, aggregierte und disaggregierte Verkehrsnachfragemodelle unterschieden. Erstere untersuchen das Verkehrsgeschehen auf makroskopischer Ebene. Ausgangspunkt der Untersuchungen sind hierbei Strukturdaten einer Verkehrszelle, auf deren Basis Prognosen für das Verkehrsverhalten der jeweiligen statistischen Raumeinheit insgesamt abgeleitet werden. Unberücksichtigt bleiben bei dieser Art der Modellierung Verhaltensweisen bestimmter Teile des Aggregats bzw. einzelner Verkehrsteilnehmer, was zu fehlerhaften Schlussfolgerungen bezüglich der Entwicklung des Verkehrsnachfrageverhaltens führen kann. Disaggregierte Modelle hingegen sind nicht räumlich aggregiert und betrachten das Verkehrsgeschehen sachlich differenziert auf Ebene des Individuums. Mit der Reduktion des Aggregationsgrades der Datenbasis können Auswirkungen verkehrsplanerischer Maßnahmen auf das Verkehrsverhalten untersucht und verhaltensdeterminierende Kenngrößen bestimmt werden. (Vgl. Knapp 1998, S. 119 f.)

Die zweite Einteilung erfolgt danach, ob ein verhaltensorientierter oder ein empirisch-korrelativer Ansatz gewählt wird. Verhaltensorientierte Ansätze beschreiben kausale Zusammenhänge im Konsumentenverhalten mit Hilfe von Ursachen-Wirkungs-Beziehungen. Im Fokus stehen hierbei die Modellierung von Entscheidungsprozessen sowie die Formulierung allgemein gültiger Aussagen. Empirisch-korrelative Ansätze indessen betrachten statistische Zusammenhänge. Bei Korrelationsstudien wird zunächst die Beziehungsstruktur der relevanten Variablen identifiziert und anschließend quantitativ-systematisch analysiert.

Alle vier erläuterten Modellansätze lassen sich prinzipiell miteinander kombinieren. In der Praxis jedoch werden für die Untersuchung der Verkehrsnachfrage häufig disaggregierte, verhaltensorientierte Ansätze gewählt. (Vgl. ebenda S. 120)

Durch die Betrachtung der Entscheidungsfindung auf Basis des einzelnen Entscheidungsträgers erreichen diese Modelle einen größtmöglichen Detaillierungsgrad, der sich positiv auf die Prognosegüte auswirkt. Aggregierte und empirisch-korrelative Ansätze hingegen lassen nur schwer Ursache-Wirkungs- Beziehungen erkennen, da sie lediglich das Gesamtverkehrsgeschehen einer vordefinierten Verkehrszelle abbilden. Nur unter der Bedingung völliger Verhaltenshomogenität der betrachteten Personengruppen, bezüglich der zu erklärenden Variablen, können verlässliche Aussagen zum Mobilitätsverhalten gemacht werden. In allen anderen Fällen erweisen sich disaggregierte Modelle den aggregierten Modellen als überlegen.

Zusammengefasst wird deutlich, dass die Modellierung der individuellen Verkehrsmittelwahlentscheidung von Berufspendlern explizit nach einem verhaltensorientierten, disaggregierten Ansatz verlangt. Nur so können die für die Entscheidung maßgeblichen Verkehrsmitteleigenschaften erfasst und konkrete Ansatzpunkte zur Beeinflussung des Mobilitätsverhaltens der Konsumenten bestimmt werden.

3.2 Verkehrsmittelwahl und Konsumentenverhalten

Nach der Festlegung des grundsätzlichen Forschungsansatzes wird im Folgenden die individuelle Verkehrsmittelwahl im Kontext des Konsumentenverhaltens näher erläutert.

Den Terminus Konsumentenverhalten findet man in zahlreichen Publikationen zum Teil mit unterschiedlichen Begriffsinterpretationen. Aus diesem Grund werden im Folgenden die am häufigsten zitierten Definitionen zusammengefasst, um ein genaues Verständnis der untersuchten Verhaltensweise zu erzielen. Die am weitesten verbreitete Auffassung des Begriffs stammt von Kroeber-Riel und Weinberg (1996, S. 3). Die Autoren unterscheiden das Konsumentenverhalten im engeren und im weiteren Sinne. Im engeren Sinne definiert es sich als das „Verhalten der Menschen beim Kauf und Konsum von wirtschaftlichen Gütern“ und im weiteren Sinne beschreibt der Ausdruck das „Verhalten der Letztverbraucher von materiellen und immateriellen Gütern“. Rosenstiel und Neumann (1991, S. 343) ergänzen die Definition und fügen an, dass dieses Verhalten mit dem Ziel erfolgt, bestehende Bedürfnisse zu befriedigen. Peter und Olsen (1999, S. 6) schließlich lösen sich von der herkömmlichen kommerziellen Auslegung des Terminus und charakterisieren das Konsumentenverhalten als „dynamic interaction of affect and cognition, behaviour, and the environment by which human beings conduct the exchange aspects of their lives.“ Demnach ist das Konsumentenverhalten ein dynamischer Austauschprozess, der durch innere und äußere Einflussfaktoren gesteuert wird.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit, unter Berücksichtigung des Aspektes der Verkehrsmittelwahl, wird das Konsumentenverhalten als menschliches Verhalten bei der Auswahl, dem Kauf sowie dem Konsum angebotener Produkte und Dienstleistungen zur Stillung von Primärbedürfnissen definiert.

Die Konsumentenforschung, als Teil der Verhaltenswissenschaften, hat seine Anfänge in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und etablierte sich nach dem zweiten Weltkrieg als fester Bestandteil der Marketingforschung. Ausgangssituation war der Wandel vom Anbieter- hin zum Nachfragemarkt, der mit einer Machtverschiebung zugunsten der Käufer einherging. Übersättigte Märkte, Verdrängungswettbewerb und eine zunehmende Wechselbereitschaft der Konsumenten machen es heute wie damals notwendig, die Angebote der Unternehmen präzise auf die individuellen Bedürfnisse der Käufer abzustimmen. Die Konsumforschung untersucht eben diese Bedürfnisse und beschreibt das Verhalten von Individuen und Gruppen, vor, während und nach dem Kauf von Produkten und Dienstleistungen. Dabei wendet sich die Verhaltenswissenschaft vom klassischen Modell des Homo oeconomicus, welches den Menschen als uneingeschränkt rational handelndes Wesen begreift, ab und widmet sich stattdessen dem reellen, menschlichen Entscheidungsverhalten. Die durch die neue Forschungsperspektive zunehmende Komplexität des Untersuchungsgegenstandes bedingt eine übergreifende, interdisziplinäre Betrachtung. Zur Analyse des Konsumverhaltens werden die Erkenntnisse der folgenden Grundlagenwissenschaften berücksichtigt: Psychologie, Soziologie und Sozialpsychologie, Verhaltensbiologie und psychologischen Verhaltenswissenschaften. (Vgl. Kroeber-Riel/ Weinberg 1996, S. 4 ff.) Die abgebildete Tabelle 1 gibt einen Überblick über die genannten Wissenschaften, die jeweiligen Erkenntnisobjekte sowie Beispiele für hypothetische Konstrukte.

[...]


1 Die Belastungsschwerpunkte sind Gebiete, die einen Jahresmittelwert für PM10 von > 31 µ/m³ und für NO2 von > 40 µ/m³ aufweisen. Im Einzelnen betrifft das die Zeppelinstraße, die Breite Straße, die Behlertstraße und die Großbeerenstraße.

2 Das Park+Ride-System folgt dem Prinzip des gebrochenen Verkehrs. Parkplätze in unmittelbarer Nähe von ÖPNV-Haltestellen ermöglichen den Verkehrsteilnehmern für die Weiterfahrt vom Pkw auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu wechseln. (Vgl. Leser et al. 1995, S. 59)

Ende der Leseprobe aus 113 Seiten

Details

Titel
GREEN DRIVE – eine empirische Untersuchung zur Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl von Berufspendlern in Potsdam
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)  (Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
113
Katalognummer
V230454
ISBN (eBook)
9783656465263
Dateigröße
4010 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
green, drive, untersuchung, beeinflussung, verkehrsmittelwahl, berufspendlern, potsdam
Arbeit zitieren
Ina Glüsing (Autor:in), 2012, GREEN DRIVE – eine empirische Untersuchung zur Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl von Berufspendlern in Potsdam , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230454

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