Die Aufnahme von Displaced Persons, Flüchtlingen und Vertriebenen in der Stadt Papenburg am Ende des Zweiten Weltkrieges


Examensarbeit, 2007

86 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Stadt Papenburg und der Nationalsozialismus

2. Das Kriegsende: Befreiung und Besatzung
2.1 Herbrum, Aschendorf, Lager Aschendorfermoor, Tunxdorf und Nenndorf
2.2 Papenburg

3. Die Aufnahme von Displaced Persons
3.1 Begriffsbestimmung
3.2 Die politische Ausgangslage: Papenburg unter britischer Militärregierung
3.3 (Erst-)Betreuung und Repatriierung der westlichen Displaced Persons
3.4 Evakuierung und Besetzung von Lagern und Siedlungen
3.4.1 Bokel und Tunxdorf
3.4.2 „Splitting I und II“
3.5 Versorgung und Verwaltung
3.5.1 (Gesundheits-)Versorgung
3.5.2 United Nations Relief and Rehabilitation Administration
3.6 Wohnungsnot
3.7 „DP-Kriminalität“ und deutsche Wahrnehmung
3.8 Schulwesen und kulturelle Aspekte
3.9 Auflösung der Lager: Repatriierung, Resettlement oder „heimatloser Ausländer“

4. Die Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen
4.1 Begriffsbestimmungen
4.2 Ankunft und Unterbringung im Westen
4.2.1 Die „Verteilung“ in Niedersachsen
4.2.2 Unterbringung in Papenburg und die Wohnungsnot
4.2.2.1 Verteilung auf den Wohnraum
4.2.2.2 Lagerunterbringung
4.3 Versorgung, Betreuung und Interessenvertretung
4.4 Folgen für Schulen und Kirchen

Schlussbemerkungen und Ausblick

Quellen- und Literaturverzeichnis
a) Ungedruckte Quellen
b) Zeitungen
c) Statistiken
d) Dokumentarfilm
e) Internetressourcen
f) Gedruckte Quellen und Sekundärliteratur

Einleitung

„Ostflüchtlinge danken“ lautet ein Artikel der Ems-Zeitung vom 31. März/1. April 1945, in welchem Heinrich Bojohr, ein Flüchtling aus Ostpreußen, über die Ankunft seiner Familie in Papenburg und deren Aufenthalt nach einer Woche in der „neuen Heimat“ berichtet.[1] Drei Wochen vor der Besetzung Papenburgs wurde hier ein geradezu idyllisches Bild voller Solidarität konstruiert.

Alle Organisationen wetteifern miteinander, uns den Übergang in das neue Leben zu erleichtern. Wir denken an den heißen Kaffee und die guten Butterbrote bei unserer Ankunft, wir sehen die Arbeitsmaiden unser schweres Gepäck schleppen, wir bewundern die Amtsleiter der Partei, die von früh bis spät unterwegs sind, um uns gut unterzubringen. Ganz besonders dankbar sind wir für die freundliche und herzliche Art und Weise, mit der uns unsere Quartiergeber aufgenommen haben.[2]

Wenn auch die Organisation der Flüchtlingsaufnahme in Papenburg jener Zeit recht gut funktioniert haben mag, so ist die beschriebene Einstellung der aufnehmenden Bevölkerung den „Neulingen“ gegenüber wohl nicht zu verallgemeinern.[3] Spätestens nach Kriegsende, als deren Anwesenheit als Daueraufenthalt absehbar wurde, war das Verhältnis von Papenburgern zu Flüchtlingen und Vertriebenen sehr belastet. Eine Folge, die auch mit der schwierigen Gesamtsituation in der Fehnstadt zusammenhing.

Neben etlichen Flüchtlingen und Vertriebenen, die in jener Zeit in Papenburg eintrafen und aufgenommen wurden, gab es weitere Gruppen, mit denen sich die Einwohner arrangieren mussten. So wurde Papenburg, wie andere emsländische Städte und Gemeinden, von polnischen Truppen besetzt. Ihre Hauptaufgabe lag in der Betreuung ehemaliger Zwangsarbeiter und Zwangsverschleppten, der sogenannten „Displaced Persons“[4], deren Aufenthalt in der Fehnstadt auch das Leben der Papenburger prägen sollte. Während die DPs aus Westeuropa und der Sowjetunion recht schnell in ihre Heimat zurückkehren konnten, verzögerte sich die Abreise vor allem der polnischen DPs. So hielten sich im Emsland noch Monate nach Kriegsende etwa 40000 DPs auf. Untergebracht wurden sie in ehemaligen Konzentrations-, Strafgefangenen- und Kriegsgefangenenlagern, beschlagnahmte Wohnhäuser dienten ebenfalls der Unterbringung.[5]

Der Forschungsstand zum Emsland, aber insbesondere zur Papenburger Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg ist als dürftig einzuschätzen. Während andere Epochen dieser Region relativ häufig in den wissenschaftlichen Fokus genommen wurden, ist die Zeitgeschichte, vor allem die DPs-, Flüchtlings-, und Vertriebenenproblematik, im Gegensatz zum Lingener Raum[6] bis dato eher stiefmütterlich behandelt worden. Schüpp sieht eine Ursache für dieses Defizit darin, dass für die unmittelbare Zeitgeschichte die entsprechende archivische Überlieferung sowohl durch fehlendes Material in den Archiven, als auch durch Sperrfristen noch nicht ausreichend zur Verfügung steht. Des Weiteren beklagt der Leiter des Kreisarchivs Emsland generell das Fehlen mehrerer örtlicher Archive, die zur Erforschung der Lokalgeschichte unverzichtbares Basismaterial zur Verfügung stellen müssten.[7]

Dem Forschungsstand entsprechend verhält es sich mit der Literatur zu besagtem Thema. So wird die Situation in Papenburg am Ende des Zweiten Weltkriegs zwar häufiger aufgegriffen, aber grundsätzlich in recht knappen Beiträgen. Im Gegensatz dazu müssen an dieser Stelle die Arbeiten von Dieter Simon Erwähnung finden, der sich in mittlerweile mehreren Publikationen auch mit der Zeitgeschichte seiner Heimatregion rund um Aschendorf und darüber hinaus beschäftigt hat.[8] Bezogen auf das gesamte Weser-Ems-Gebiet hat sich auch Günter Wegmann mit dem Kriegsende 1945 sehr sorgfältig und detailliert beschäftigt, beschränkt sich dabei allerdings ausschließlich auf rein militärische Tatbestände.[9] Dagegen zeichnet „Wege aus dem Chaos“ durch Dokumente und Quellen ein thematisch sehr umfangreiches Bild über die Situation im Emsland (und Niedersachsen) von 1945 bis 1949.[10] Es handelt sich hierbei um ein Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung, in welcher auch die Eroberung und Besetzung des Emslandes, sowie die Flüchtlings-, Vertriebenen- und DPs- Problematik dokumentiert werden. Eine wichtige Arbeit zur polnischen Besatzung im Emsland wurde von Jan Rydel, einem polnischen Autor, Historiker und Diplomaten, verfasst.[11] Auf der einen Seite hat dessen Arbeit sicherlich prinzipielle Bedeutung, da die Thematik bis dato eher weniger wissenschaftliche Beachtung fand, auf der anderen Seite aber vor allem wegen der umfangreichen Nutzung verschiedenster Archive. Dadurch, dass der Autor neben deutschen auch polnische und britische Publikationen und Quellen ausgewertet hat, konnte die Thematik der „polnischen Besatzung“ unter vielen Blickwinkeln erfasst werden. Neben den Gründen für die Anwesenheit der Polen im Emsland, dem Leben der dortigen polnischen Bevölkerung, den Beziehungen der Polen zu den alliierten Besatzungsmächten und vielen weiteren interessanten Aspekten, nehmen die DPs in dieser Arbeit ebenfalls einen beträchtlichen Raum ein. Dagegen legen Andreas Lembeck und Klaus Wessels in ihrem 1997 erschienenen Werk das gesamte Augenmerk auf die DP-Problematik im Emsland, während die „polnische Besatzung“ hier, im Gegensatz zu Rydels Arbeit, eine eher untergeordnete Rolle spielt.[12] Eine unverzichtbare und grundlegende Arbeit zum Thema Displaced Persons am Ende des Zweiten Weltkrieges und in den späteren westlichen Besatzungszonen wurde Mitte der 1980er Jahre von Wolfgang Jacobmeyer verfasst. Dieser stellt in seinem „Standartwerk zur DP-Forschung“[13] deren Nachkriegsschicksal dar und analysiert umfassend die Politik der Besatzungsmächte gegenüber den DPs.[14]

Zur Flüchtlings- und Vertriebenenthematik nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es mittlerweile zahlreiche regionale Studien aus ganz Deutschland.[15] In seiner Dissertationsschrift widmet sich Hans-Bernd Meier dem ehemaligen Regierungsbezirk Osnabrück in den Jahren von 1945 bis 1970.[16] Seine Themenschwerpunkte sind die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in der Landwirtschaft, die Geschichte der Flüchtlingsverwaltung, sowie die Auswirkungen der Zuwanderung auf strukturelle Veränderungen der Wirtschaft. Mit dem Emsland hat sich in einer noch recht jungen Arbeit Annette Wilbers-Noetzel beschäftigt.[17] Sie konzentriert sich auf die Wohn- und Wirtschaftssituation der Vertriebenen und Flüchtlinge und bewertet resümierend deren Eingliederungschancen im Vergleich mit anderen ländlichen Regionen. Die Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen im westlichen Niedersachsen wird in einer ebenfalls recht jungen Arbeit auch von Bernhard Parisius aufgegriffen.[18] Der Historiker zeigt mit Hilfe lebensgeschichtlicher Interviews auf, dass den Flüchtlingen, entgegen landläufiger Meinung, sehr wohl Wahlmöglichkeiten gegeben waren und ihr Verbleiben in bzw. Abwandern aus einer bestimmten Region häufig auf individuellen Entscheidungen beruhte. Auf Grundlage von Lebenszeugnissen (Interviews, Berichte, Erzählungen) dreier Generationen nähert sich auch Albrecht Lehmann dem Thema.[19] Der Ethnologe zeigt dabei den Einfluss von Flucht und Vertreibung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf die politische, soziale und kulturelle Geschichte Deutschlands auf. Klaus J. Bade, Begründer und Vorstand des IMIS[20] und einer der angesehensten Migrationsforscher Deutschlands, hat sich ebenfalls in zahlreichen (Herausgeber-) Schriften mit Vertriebenen und Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt.[21] „Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland“ liefert durch viele Einzelbeiträge zahlreicher Historiker einen umfassenden Überblick deutscher Migrationsgeschichte.[22] Der Sammelband reicht dabei vom Mittelalter bis in die Gegenwart und deckt die Vertriebenen-, Flüchtlings- und DPs- Thematik nach dem Zweiten Weltkrieg mit Aufsätzen von Jacobmeyer (s.o.) und dem renommierten Zeithistoriker Wolfgang Benz ab.[23] Dieser selbst hat in einem Sammelwerk die Geschichte von Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten behandelt.[24] Hier werden deren Ursachen geschildert, die bis in die Zeit der Weimarer Republik zurückreichen, bis schließlich auf die Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen und deren Integration in Westdeutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit eingegangen wird. Hellmuth Auerbach schließt mit einem kommentierten Überblick der Literatur zum Thema ab, die bis Mitte der 1990er Jahre erschienen ist.[25] Dagegen legt Bades „Fremde im Land“ in sieben Beiträgen das Hauptaugenmerk auf den niedersächsischen Raum nach dem Zweiten Weltkrieg.[26] Hier ist es vor allem Adolf Wennemann, der sich mit Flüchtlingen, Vertriebenen und deren Integrationsproblematik auseinandergesetzt hat.[27] Mit dem Begleitband zur Ausstellung „hier geblieben“ gab Bade 2002 in Zusammenarbeit mit Jochen Oltmer, Mitarbeiter des IMIS, einen weiteren Band heraus, der sich mit Migration und Integration in Niedersachsen seit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt.[28] Parisius liefert in seinem Beitrag einen Überblick über verschiedenste Aspekte der Vertriebenen- und Flüchtlingsthematik, so auch vom Vorgehen der Militärregierung und der deutschen Verwaltung über Eingliederungsangebote bis hin zu Auswirkungen der Flüchtlingsaufnahme.[29] Dabei ist der Fokus des Autors hauptsächlich auf die ehemaligen Regierungsbezirke Aurich und Osnabrück gerichtet, während Rainer Schulze die Aufnahmeregion Landkreis Celle näher unter die Lupe nimmt und dabei die schwierige Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen vor allem durch Interviewmaterial beleuchtet.[30]

Auch wenn im Titel einzig von der Stadt Papenburg die Rede ist, soll zwar schwerpunktmäßig, aber nicht ausschließlich die Stadt in den Grenzen von 1945 im Fokus stehen. Die später dazugekommenen Ortsteile sollen partiell ebenso Erwähnung finden. Nach der Gebiets- und Verwaltungsreform in den 1970er Jahren wurden die Stadt Aschendorf und die Gemeinden Bokel, Herbrum, Tunxdorf und Nenndorf in die Stadt Papenburg eingegliedert.[31] Der frühere Landkreis Aschendorf-Hümmling mit Sitz in Aschendorf, dem auch Papenburg angehörte, wurde aufgelöst und bildete fortan mit den bisherigen Landkreisen Lingen und Meppen den neuen Landkreis Emsland mit Sitz in Meppen.[32]

Einleitend wird die Arbeit in einem kurzen Überblick zeigen, inwieweit die Fehnstadt und seine Einwohner mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Verbindung standen. Dies wird mitunter zu berücksichtigen sein, wenn man das Verhältnis der Papenburger zu den in der Stadt anwesenden Opfern des Hitlerregimes bewerten will. Danach werden die Ereignisse des Kriegsendes in Papenburg und die Ausgangslage (Zerstörungen, Wohnraumsituation etc.) in der Fehnstadt dargestellt. Dabei zeigt sich, dass polnische Truppen an der Befreiung und Besetzung beteiligt waren, die später noch eine wichtige Rolle für die in Papenburg aufgenommenen Displaced Persons spielen sollten. Um diese geht es schließlich im ersten Hauptteil der Arbeit. Nachdem geklärt wurde, warum sich überhaupt so viele polnische DPs im Emsland aufhielten, soll deren Aufnahme in Papenburg näher beleuchtet werden. So mussten am Obenende zahlreiche Papenburger ihre Häuser verlassen, die Lager „Splitting I und II“ entstanden. Die Einwohner Bokels und Tunxdorfs wurden sogar vollständig evakuiert. Dabei erhielten die Einheimischen die Möglichkeit, ihre Landwirtschaft weiter ausüben zu können. Teilweise durften sie in den Ställen und Scheunen ihrer Häuser auf engstem Raum „wohnen“ bleiben. Für die Versorgung und Verwaltung der DPs sollte vor allem die auf Betreiben der Vereinten Nationen gegründete UNRRA[33] eine nicht immer unumstrittene Rolle spielen. Nachdem das Wirken dieser Organisation in Papenburg thematisiert wurde, wird sich die Arbeit der durch Aufnahme der DPs entstandenen Wohnungsnot widmen. Vor allem diese war es, die das Verhältnis zu den Polen negativ beeinflussen sollte. Dazu beigetragen hat auch die sogenannte „DP-Kriminalität“. Ob die Beschwerden über eine besonders ausgeprägte Kriminalität der Displaced Persons, die im ganzen Emsland immer wieder geäußert wurden[34], berechtigt waren, soll untersucht werden. Besonderen Wert legten sowohl Papenburger als auch Polen auf die Schulbildung ihrer Kinder. Neben diesem Aspekt soll auch das kulturelle Leben beider Gruppen in einem weiteren Punkt näher beleuchtet werden. Die „Polenzeit“ endete für die Fehnstadt spätestens im Sommer 1947, als zu diesem Zeitpunkt alle DPs die Stadt verlassen hatten und später entweder in ihr Heimatland zurückgekehrt oder nach Übersee auswanderten.

Der zweite Hauptteil beschäftigt sich mit den zahlreichen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten, die auch schon vor Kriegsende nach Papenburg kamen. Der Untersuchungszeitraum soll sich dabei generell bis zum Anfang der 1950er Jahre erstrecken, als die Flüchtlingszahlen schließlich wieder rückläufig wurden.[35] Anfangs wird rekonstruiert, wie und warum Reichs- und Volksdeutsche überhaupt in den Westen Niedersachsens kamen, obwohl der Osten des Landes prinzipiell weitaus beliebter war und demgemäß viel stärker von Flüchtlingen und Vertriebenen aufgesucht wurde. Nachfolgend wird deren Unterbringung in Papenburg thematisiert, die hauptsächlich in vorhandenem Wohnraum bei Einheimischen erfolgte. Aufgrund der beengten Wohnsituation waren Konflikte, die über Jahre Bestand haben sollten, vorprogrammiert. Ein kleinerer Teil der Flüchtlinge und Vertriebenen wurde auch in Lagern untergebracht, von denen es vier in Papenburg gab. Im Anschluss daran soll Auskunft darüber gegeben werden, wer für die Betreuung der Flüchtlinge zuständig war und in welcher Form deren (politischen) Interessen vertreten werden konnten. Für die Papenburger Schulen war die zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingskindern eine besondere Herausforderung. Auch die Kirchenlandschaft der katholischen Fehnstadt änderte sich nachhaltig, da die Mehrzahl der aufgenommenen Flüchtlinge evangelischer Konfession war. Neben diesen Aspekten soll wie bei den Displaced Persons besondere Aufmerksamkeit auf das Verhältnis zu den Einheimischen gelegt werden.

Insgesamt versucht die Arbeit, bisher Veröffentlichtes und thematisch Relevantes über Papenburg am Ende des Zweiten Weltkrieges und der frühen Nachkriegszeit zusammenzutragen und durch archivisches Material[36], gedruckte Quellen, Zeitungen[37] und Chroniken soweit zu ergänzen, dass ein noch umfassenderes und authentischeres Bild Papenburgs der unmittelbaren Nachkriegszeit gewonnen werden kann. Dabei wird es im Verlaufe der Arbeit allerdings immer wieder vonnöten sein, die Grenzen Papenburgs zu verlassen und den historischen Blick auch überregional schweifen zu lassen, um die Ereignisse in der Fehnstadt richtig bzw. besser einordnen zu können.

Anmerken möchte ich abschließend, dass die Arbeit großenteils aus deutscher bzw. Papenburger Sicht geschrieben ist. Als gebürtiger Papenburger bin ich vor allem interessiert daran, wie die Menschen meiner Heimatstadt die unmittelbare Nachkriegszeit erlebt haben. Ein entscheidender weiterer Aspekt liegt jedoch in der Tatsache begründet, dass aus den von mir besuchten Archiven die Eindrücke der Zeit, vor allem aus polnischer Sicht, nur sehr begrenzt festzumachen sind. Dieser Mangel wird besonders an der Stelle der Arbeit deutlich, wo es um die Frage nach kulturellen Aktivitäten der Polen in den Papenburger DP-Lagern geht.

1. Die Stadt Papenburg und der Nationalsozialismus

Wirft man einen Blick auf die politische Einstellung der Papenburger zur Zeit der Weimarer Republik, so lässt sich grundsätzlich konstatieren, dass es Gruppen mit rechter Gesinnung nicht leicht fiel, deren Macht in der Fehnstadt auf- und/oder auszubauen. Dies trifft im Besonderen auch auf die Nationalsozialisten zu. Der Großteil der überwiegend katholischen Bevölkerung war, auch konfessionell bedingt, Anhänger der Zentrumspartei. Entsprechend konnte der Vorläufer der CDU/CSU in Papenburg alle Wahlen zwischen 1919 und 1933 für sich entscheiden. Sie hatte somit unbestritten die politische Vormachtstellung inne[38], während in benachbarten ostfriesischen Kreisen und den meisten Oldenburger Kreisen schon 1928 Hochburgen des Nationalsozialismus entstanden.waren.[39]

Die NSDAP spielte bis 1930 als politische Kraft in Papenburg keinerlei Rolle, auch eine eigene Papenburger Organisation aufzubauen war den Nazis bis dahin nicht gelungen. In Aschendorf gab es bis 1931 keine nationalsozialistische Verbindungen. Die nationalsozialistische Keimzelle in Papenburg bestand im Sommer 1930 gerade mal aus zwei Mitgliedern. Beim Aufbau einer Parteiorganisation bedurfte es der Hilfe aus dem ostfriesischen Weener, das Papenburg zur Durchführung von NS-Versammlungen immer wieder personell unterstützte. Der Papenburger „Stützpunkt“, eine Vorstufe der NS-Ortsgruppe und erstmals im September 1930 aktenkundig, wurde bezeichnenderweise von der NS-Ortsgruppe Weener in Papenburg unterhalten. Gemäß der Entwicklung der NSDAP im übrigen Reich mehrten sich die Parteieintritte aber schließlich derartig, dass aus dem „Stützpunkt“ eine Ortsgruppe geworden war, die im Oktober 1931 zum ersten Mal polizeibekannt wurde und im November des gleichen Jahres bereits aus 120 Mitgliedern bestand. Auch wenn die NSDAP sich in der Weimarer Republik noch nicht als Massenbewegung in Papenburg durchzusetzen vermochte, so gewann sie doch immens und stetig an Einfluss. Ohne intensiver auf die Gründe dafür eingehen zu wollen, lässt sich, wie bei vielen anderen deutschen Städten auch, die prekäre wirtschaftliche Situation im Gefolge der Weltwirtschaftskrise anführen, die sich die Nationalsozialisten zunutze machten.[40] Durch die Machtergreifung Hitlers konnte sich die NSDAP schließlich endgültig in Papenburg und dem gesamten Emsland organisatorisch verankern, wo die Anzahl der Ortsgruppen bis Anfang 1935 von sieben auf 30 anstieg.[41]

Abgesehen von der sich immer besser organisierenden NSDAP, fest verwoben war die Stadt mit den Nationalsozialisten spätestens infolge der Einrichtung der Emslandlager.[42] Diese hatten in den Jahren der Naziherrschaft wechselnde Funktionen als Konzentrations-, Strafgefangenen-, Militärstrafgefangenen- und Kriegsgefangenenlager, in welchen die Insassen unter schwersten Bedingungen (über-)leben mussten.[43] Der Befehl Hermann Görings vom 18.12.1933 war folgenschwer für die Fehnstadt.

Mit dem 20.12.1933 ist eine „Kommandantur der staatlichen Konzentrationslager im Regierungsbezirk Osnabrück mit dem Sitz in Papenburg“ zu bilden. Bis zur endgültigen Besetzung der Stelle des Kommandeurs ersuche ich Sie, den Dezernenten für Schutzpolizei- und Landjägerangelegenheiten bei der Regierung in Osnabrück, Polizeimajor Hoffmann, kommissarisch mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Kommandeurs zu beauftragen. Ihnen als Oberpräsidenten übertrage ich hiermit die unmittelbare Dienstaufsicht über die Kommandantur in Papenburg und sämtliche dazugehörigen Konzentrationslager [...].[44]

Alle Lager waren von nun an der „Zentralverwaltung“ in Papenburg unterstellt unter Kommandantur des kommissarisch eingesetzten Polizeimajors Hoffmann, der 1934 durch den früheren Kommandeur des KZs Oranienburg, Werner Schäfer, abgelöst wurde. Zu Beginn des Krieges wurden die Lager VI, VIII, IX, X, XI, XII, XIII, XIV und XV der Wehrmacht als Kriegsgefangenenlager übergeben, während des Krieges wurden die Lager XII, XIV und XV aber zeitweise auch als Gefangenenlager unter der Zentralverwaltung gebraucht.[45] Die Verwaltungsgebäude der Kommandantur befanden sich zuerst in der Bahnhofsstraße, später dann in der ehemaligen Navigationsschule am Gasthauskanal.[46] Bis zum Untergang des NS-Regimes blieb die Verknüpfung der Stadt und damit auch der Einwohner Papenburgs zur Lagerwelt bestehen, die sich somit zwangsläufig mit dem alltäglichen Terror und den Verbrechen des NS-Regimes konfrontiert sahen. Doch Papenburg wurde nicht willkürlich für die Kommandantur der Emslandlager gewählt, diese sollte nach Bemühungen des Bürgermeisters Richard Janssen[47] die wirtschaftliche Situation der Stadt verbessern, was bei einigen Gewerbebetrieben auch tatsächlich der Fall war.[48] Auf der anderen Seite nahmen die Vertreter der Lagerwelt das Zepter in Papenburg in die Hand, Bürgermeister und Verwaltung der Stadt wurden immer passiver und führten als eine Art fremdbestimmter Verwaltungsgehilfen letztlich nur noch das aus, was Kreisleiter Schäfer mit seinen Führungshilfen einleitete. Die Papenburger Ortspolizei wurde durch die Gestapo für den Abtransport der Häftlinge aus den Lagern in Anspruch genommen, das Standesamt der Stadt registrierte als Beurkundungsbehörde den Tod der Lagerinsassen.[49]

2. Das Kriegsende: Befreiung und Besatzung

Obwohl die Befreiung des Emslandes und Papenburgs durch die Alliierten kurz bevorstand, versuchte der NSDAP-Kreisleiter des Kreises Aschendorf-Hümmling, Gerhard Buscher[50], noch im März 1945 über die NSDAP-typischen Durchhalteparolen, die „Volksgenossen und Volksgenossinnen“ auf den „Führer“ und den Gewinn des Krieges einzustimmen.[51] So sollte der „unzerbrechliche Glauben an den Führer“ eines Volkes, dessen Wille „größer und härter ist als alle Vernichtungspläne [der] Gegner“[52], das Blatt ´zum Guten´ wenden. Auch die Flüchtlinge und Vertriebenen, die bis zu diesem Zeitpunkt im Emsland aufgenommen wurden, sollten durch „Treue zu Führer und Volk [bekunden], dass [sie] nicht weich geworden [sind].“ „Wir halten durch bis zum Sieg, keiner kann uns wankend machen“, lautete die abschließende Parole.[53] Ob Buscher zu dieser Zeit tatsächlich noch an Hitler glaubte, oder aber dessen Sieg nur noch aus Gehorsam propagierte bzw. propagieren musste, sei dahingestellt. Wie er es mit seiner „Treue“ zu „Führer“ und Volk ein paar Wochen später hielt, sollte sich noch herausstellen.[54] Vier Tage nach Buschers Appell an die emsländische Bevölkerung erschien ein Artikel in der Ems-Zeitung mit der verharmlosenden Überschrift „Warum so nervös?“[55] Dieser versucht auf sehr lapidare Art und Weise die emsländische Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die vom Volkssturm errichteten Panzersperren „kein Zeichen dafür [seien], daß nun unbedingt mit einem feindlichen Angriff [...] gerechnet wird.“ Schließlich heißt es beschwichtigend, dass „für den Nervösen keinerlei Grund vor[liege], sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was dies oder jenes bedeutet und ob das richtig oder falsch [sei].“[56] Die Realität, die hier mehr oder weniger geleugnet wird, war eine andere. In Aschendorf und Papenburg war der Krieg bereits im April 1945 beendet.

2.1 Herbrum, Aschendorf, Lager Aschendorfermoor, Tunxdorf und Nenndorf

Am 20. April marschierten die Alliierten in Aschendorf ein, Tage zuvor waren bereits etliche emsländische Gemeinden angegriffen und/oder besetzt worden, darunter auch Lingen, Meppen, Oberlangen (Stammlager VI), Werlte und Sögel.[57] Bei den in Aschendorf einmarschierenden Soldaten handelte es sich um die 1. Polnische Panzerdivision[58] unter Befehl des 2. Kanadischen Korps. Dieses bildete zusammen mit dem 1. Korps die 1. Kanadische Armee[59], welche wiederum Teil der 21. Armeegruppe unter Führung von Feldmarshall Bernard L. Montgomery war.[60] Während die Kanadier östlich der Ems in das nördliche Emsland vorgestoßen waren, kämpften sich die Polen westlich der Ems nach Norden durch.[61]

Vor der Besetzung spielten für Aschendorf die Ereignisse am Küstenkanal eine bedeutende Rolle. Nachdem sich die Deutschen hinter dem Küstenkanal zurückgezogen und dort am 10. April sämtliche Brücken zerstört hatten, wurde der weitere Vormarsch der alliierten Truppen vorerst gestoppt.[62] Mit einem solchen Widerstand, den die gut vorbereiteten deutschen Truppen, bestehend aus Falschirmjägern und Marinesoldaten, die folgenden Tage leisteten, hatte man auf alliierter Seite ursprünglich nicht gerechnet.[63] Es folgten gelegentliche Vorstöße mit Verlusten auf beiden Seiten. Dies führte schließlich dazu, dass die Alliierten aus Empörung über deren Verluste den Befehl zur Evakuierung Dörpens gaben. Man warf hier der hiesigen Bevölkerung vor, mit den deutschen Soldaten jenseits des Kanals zu sympathisieren. Infolge wurden etliche Häuser geplündert und in Brand gesteckt; Dörpen-Haar wurde sogar vollends dem Erdboden gleichgemacht, nachdem kanadische Offiziere dort bei einem Vorpostengefecht getötet wurden.[64] Rydel hält es für wenig wahrscheinlich, dass die Einwohner Dörpens den deutschen Truppen tatsächliche Hilfe leisteten, da die emsländische Bevölkerung grundsätzlich die Beendigung der Kämpfe herbeisehnte.[65] Insgesamt starben zwischen dem 9. und 19. April 1945 mindestens 80 Soldaten aus Polen, Großbritannien, Kanada und Deutschland bei den zahlreichen Gefechten rund um Dörpen.[66] Herbrum und Aschendorf sollte es nicht besser ergehen. Durch starken Artilleriebeschuss aus Dörpener Richtung und fortwährende Fliegerangriffe gingen in Aschendorf ca. 85 Häuser in Flammen auf und etwa 150 wurden beschädigt[67], in Herbrum und Borsum waren 70 Gebäude völlig zerstört oder stark beschädigt.[68] Die damals achtjährige Aschendorferin Margret Fischer wurde Opfer dieser Ereignisse. 1995 berichtete sie über ihre Erlebnisse in der Ems-Zeitung[69]:

Gemeinsam mit meinen beiden jüngeren Geschwistern zogen meine Mutter und ich los, um an der Oldenburger Straße Kartoffeln einzugraben.[70] Als wir losgingen, war noch alles ruhig. [...] Plötzlich setzte das Artilleriefeuer ein [...]. Meine Mutter rief: „In den Graben.“ Dabei packte sie meine Schwester und warf sich gemeinsam mit ihr in den Graben. Auch mein Bruder schaffte es, sich in Sicherheit zu bringen. Rechts auf der Wiese neben mir schlugen sieben Schüsse ein und links von mir etwa drei bis vier. [...] Ich lag lang auf der Straße und schaute zur Seite. Mein rechter Arm war ab. Ich schleppte mich bis zum Graben und sagte nur: „Mama, mein Arm.“

Trotz starker Verletzung erreichten Margret Fischer und ihre Mutter das Krankenhaus, wo ihr schließlich das Leben gerettet werden konnte. Diese Ereignisse spielten sich am 14. April 1945 ab. In den folgenden Tagen, an denen sich die Angriffe noch weiter steigerten, betraten die Aschendorfer ihre Straßen nur noch in Ausnahmefällen. Zerstörungen häuften sich und bald waren auch erste Todesfälle zu verzeichnen. Einige Einwohner suchten Schutz in ihren Kellern oder selbst angelegten Bunkern, ein Großteil jedoch, auch der Einwohner Herbrums, flüchteten in die Kämpe, ins Moor oder nach Tunxdorf und Nenndorf.[71] Jedes Haus war dort mit etwa zwei bis drei Familien belegt. Auch die Kunstschätze der örtlichen Amandus-Kirche wurden in die beiden Dörfer gebracht, um sie vor drohenden Gefahren zu schützen.[72] Am 17. April[73] versammelte Kreisleiter Buscher den Volkssturm zwecks Ordensverleihungen zum Behnes Busch. Alliierte Flieger jedoch hatten die Zusammenkunft beobachtet und flogen einen Angriff, bei dem sowohl Bürger aus Aschendorf und Herbrum als auch Soldaten ihr Leben lassen mussten.[74] Ein Massengrab, welches die Toten aufnehmen konnte, wurde hinter dem Hauptkreuz des Friedhofes ausgehoben. Nachdem Buscher noch am 19. April zur der Beisetzung der Toten eine kurze unpassende Rede gehalten hatte, sollte es bis zu dessen heimlicher Abreise und der seiner Parteigenossen nicht mehr lange dauern. Hans Simon nahm an dieser Trauerfeier als Messdiener teil und konnten von den Ereignissen berichten.

Nach der Beisetzung der Toten und der kirchlichen Handlung durch den damaligen Kaplan Wesselmann schoß eine kleine Gruppe Soldaten den Ehrensalut. Danach begann ein uniformierter Vertreter [...] mit einer dem traurigen Anlaß wohl völlig widersprechenden Rede, gespickt mit den damals üblichen Parolen, worauf die Angehörigen und die meisten der wenigen Trauergäste den Friedhof demonstrativ verließen. Plötzlich unterbrach der Parteiredner wütend seine Ansprache, worauf auch wir uns vom Friedhof entfernten.[75]

Bereits am Abend hatten sich auch Buscher und seine Parteigenossen entfernt, die NSDAP-Befehlsstelle in Aschendorf war nicht mehr besetzt.[76] Am selben Tag war es der 1. polnischen Panzerdivision schließlich mit Hilfe einer polnischen Jabostaffel und britischen Sturmpanzern gelungen, den deutschen Widerstand zu brechen und den Küstenkanal zu überqueren. Bereits am Abend konnte der südliche Raum Herbrum erreicht werden, Aschendorf wurde nun ebenfalls aus dem bereits am 17. April gefallenen Rhede beschossen. Am Vormittag des 20. Aprils rollten die ersten polnischen Panzer durch Herbrum, dessen Häuser besetzt, geplündert und häufig auch in Brand gesteckt wurden.[77] Aufgrund einer schmalen Verteidigungslinie zwischen dieser Ortschaft und Aschendorf, kam es hier zu kurzen heftigen Kämpfen, in welchen mindestens 20 deutsche und 3 polnische Soldaten fielen.[78] Das fast menschenleere Aschendorf stand am Geburtstag des „Führers“ noch einmal bis in die Mittagsstunden unter heftigem Beschuss, infolge dessen weitere zahlreiche Häuser zerstört wurden. Der Einmarsch alliierter Truppen erfolgte schließlich gegen 17 Uhr. Nach Straßenkämpfen, die zwei Todesopfer forderten, konnte Aschendorf schließlich besetzt werden. Ein Offizier und etwa 80 Mann wurden gefangen genommen.[79] Einige Panzer überquerten die Felder im Osten der Stadt und zerstörten dort gelegene Gehöfte. Häuser an der Emdener Straße, die Tage zuvor von deutschen Fallschirmjägern besetzt worden waren, wurden ebenso dem Erdboden gleich gemacht.[80]

Eine Kolonne polnischer Panzer rückte auf das Lager Aschendorfermoor zu, dass insbesondere in den letzten emsländischen Kriegstagen Schauplatz trauriger Ereignisse geworden war.[81] Die ursprünglich für 1000 Gefangene ausgerichtete Belegstärke des Lagers stieg in der Schlussphase des Krieges auf 2500-3000 Menschen an, da es durch näher rückende alliierte Truppen immer mehr zum Auffangbecken für Insassen anderer Emslandlager wurde. Die Märsche zum Lager nutzten viele Gefangene zur Flucht.[82]

Am 11. April erschien im Lager II ein junger „Hauptmann“ namens Willi Herold in Fallschirmjägeruniform, der hier die Befehlsgewalt usurpierte und dabei die Vollmacht zur Hinrichtung von Flüchtlingen, Plünderern und Verrätern beanspruchte. Darauf ließ er in den folgenden Tagen auf seinen Befehl und unter seiner Mitwirkung, ohne jegliche kriegs- oder standesrechtlichen Verfahren, weit über hundert Gefangene auf bestialische Weise töten. Bei diesen handelte es sich um wieder eingefangene Flüchtlinge, Gefangene mit „schlechter Führung“ und verschärftem Strafvollzug unterliegende Fluchtverdächtige und Sicherungsverwahrte. Unterstützung erfuhr Herold dabei nicht nur von der kleinen ihn begleitenden Soldatengruppe, sondern ebenso von Justizbeamten und Wachleuten. Ohne jegliche Überprüfung seiner Identität handelte Herold auch unter Zustimmung des Kreisleiters Buscher, der dafür später vom Oldenburger Landgericht zu einem Jahr Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Unmittelbar vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht entpuppte sich der angebliche Fallschirmjägerhauptmann als einfacher Gefreiter, der von Zivilberuf Schornsteinfegerlehrling war. Die Hauptmannsuniform hatte er etwa 10 Tage vor seinem Erscheinen im Lager II zwischen Gronau und Bentheim gefunden und angezogen. Von diesem Augenblick an bewegte er sich perfekt in der Attitüde eines Fallschirmjägerhauptmanns.[83]

Neben der Schreckensherrschaft Herolds waren die Insassen des Lagers II am 15. April außerdem einem größeren Artilleriebeschuss ausgesetzt, der etwa 15 Tote und 10 Verwundete kostete. Am 19. April wurde das gesamte Lager durch alliierte Luftangriffe in Brand gesetzt und zerstört. Dabei starben, neben sechs Soldaten[84], vor allem die Unterernährten und Kranken, die nicht mehr in Sicherheit gebracht werden konnten. Ein großer Teil der anderen Gefangenen versuchte unter Beschuss der Bewachungsmannschaft ins Moor zu flüchten. Das Lager Aschendorfermoor und dessen Insassen standen allerdings nicht im Fokus der alliierten Angriffe, sondern vielmehr die deutsche Artillerie, die beim Rückzug ums Lager herum in Stellung gegangen war und dieses als Deckung genommen hatte. Da die deutschen Geschütze jedoch nicht zerstört werden konnten, dürfte man sich schließlich zur Bombardierung entschlossen haben.[85] Die Insassen, die sich ins Moor retten konnten, trafen dort auch auf geflohene Papenburger Einwohner. Diese mussten sich nun ebenfalls vor Herold und seinen Leuten fürchten, nachdem ein Mann, der sich den Feinden ergeben wollte, in Papenburg gehängt worden war.[86] Hierbei handelte es sich um den Bauer Spark aus Börgermoor, der als erster die weiße Fahne gehisst hatte und am 17. April von einem provisorischen Standgericht unter Herold zum Tode verurteilt wurde. Zur Abschreckung wurde Spark vor der Kirchbrücke der Stadt Papenburg für jedermann sichtbar gehängt.[87] Ein anderer Teil der aus dem Lager II entwichenen Häftlinge kam auf der Suche nach einer Unterkunft in Papenburg-Obenende wieder zusammen. Hier wartete man in der Splittingschule[88] und in den Baracken des ehemaligen weiblichen Arbeitsdienstes auf das Ende des Krieges.[89]

Über die Ankunft der polnischen Panzer im Lager Aschendorfermoor berichtete ein ehemaliger Gefangener im Mai 1945, der sich mit anderen Kameraden zu diesem Zeitpunkt im Lager aufhielt und versuchte, sich um die noch lebenden verwundeten Insassen zu kümmern.

Wir erhielten Panzerbeschuss. Schnell ordnete ich an, daß ein Kamerad mit einem weißen Bettlaken auf das Dach und weiter auf den Turm stieg. Was seine Kräfte hergaben, schwenkte er sein Laken, die Kugeln pfiffen ihm um die Ohren, aber er hielt aus für seine Kameraden. Bald rief er, er könne die Panzer sehen. Kurz darauf wurde das Feuer eingestellt, die Alliierten hatten uns gesehen, die Panzer rollten an, die Retter kamen. Tränen in den Augen umarmten wir uns, endlich sollte die Angst und das Elend ein Ende haben. Und dies alles an dem Tag, an dem der Mann, der Deutschland und besonders uns ins Unglück stürzte, seinen Geburtstag hatte, es war der 20. April! Nachdem ich kurz dem Offizier der Panzereinheit gemeldet hatte, daß sich nur Verwundete im Haus befänden, stiegen Offiziere und Mannschaften ab und kamen zur Wache. Sie waren erschüttert von dem Anblick meiner kurzen Schilderung. Sogleich wurden wir mit Zigaretten überschüttet. Lebensmittel und Verbandsstoff wurden ausgegeben. Auch kam sofort ein Sanitätswagen, den ein Offizier drahtlos beordert hatte und brachte weitere Medikamente und die nötigen chirurgischen Instrumente. Leider konnten die Verwundeten noch nicht transportiert werden, die Panzer mußten weiter, denn wir befanden uns noch mitten in der Hauptkampflinie, aber die ärgste Not war gelindert und neue Hoffnung den Kameraden gegeben. So halfen wir uns mit Unterstützung unseres Arztes weiter, bis eine andere Panzereinheit am 23. April schließlich Verwundete abtransportierte und wir alle als freie Menschen endlich die Stätte des Elends und des Grauens verlassen konnten.[90]

Neben Herbrum und Aschendorf konnte auch noch Tunxdorf und Nenndorf am 20. April durch die Alliierten besetzt werden. Hier war es dem Drängen der Zivilbevölkerung zu verdanken, dass es zu keinerlei Kämpfen kam, da eine in Nenndorf liegende Granatwerfereinheit dazu gebracht wurde, nicht die über einen Feldweg heranrückenden Panzer anzugreifen.[91]

Die ersten Tage nach der Besetzung Aschendorfs waren durch Unsicherheit, Plünderungen, blinde Willkür und Rechtlosigkeit gekennzeichnet und es brauchte Wochen, bis das Verhalten von Besatzung und Militärregierung für die Bevölkerung annähernd berechenbar wurde. Erste Verordnungen der Militärregierung und die Beschlagnahme zahlreicher Häuser ließen nicht lange auf sich warten.[92]

2.2 Papenburg

Eine friedliche, kampflose Besetzung ihrer Heimatstadt war den Papenburgern nicht vergönnt. Nach Einnahme Aschendorfs, Herbrums, Tunxdorfs und Nenndorfs machten sich zahlreiche Panzer auf den Weg in ihre Stadt. Papenburg erlebte bereits am 8. April den Durchzug abgekämpfter deutscher Soldaten, die bei Assen gekämpft hatten, durch das Obenende in Richtung Völlenerkönigsfehn. Ziel war es, nach Süden noch eine Linie am Campe-Dörpen-Kanal, am Dortmund-Ems-Kanal und an der Ems zwischen Brual und Rhede zu halten.[93] Wenige Tage später ging nördlich von Papenburg eine Flakeinheit in Stellung, um den Ems-Übergang bei Halte zu schützen.[94] Am 18. April starben vier Papenburger und zwei französische Kriegsgefangene durch einen Luftangriff.[95] Dabei war die Meyer-Werft, die lange Zeit von feindlichen Bombern unbehelligt geblieben war, Ziel des Angriffs. Mit zahlreichen Brandbomben setzten die Flieger die Werft in Brand, am Abend dieses Tages glich sie einem Trümmerhaufen.[96] Ein ähnliches Schicksal erlitten Brügmann & Sohn, Rieke & Meyer, die Kirchschule am Untenende und zahlreiche Papenburger Wohnhäuser.[97] Dies war einer der insgesamt 11 Luftangriffe auf das Stadtgebiet von Papenburg während des Zweiten Weltkriegs. Die Stadt musste dabei etwa 100 Sprengbomben, 300 Brandbomben und zwei Phosphorkanistern trotzen, die letztlich 24 Häuser völlig, 10 schwer, 15 mittelschwer und 287 leichter zerstört oder beschädigt haben.[98] Trotz dieser Zahlen ist unterm Strich festzuhalten, dass Papenburg im Vergleich zu anderen Städten relativ geringe Wohnraumverluste erleiden musste.[99] Sechs Soldaten und 13 Zivilisten starben bei den oben erwähnten Angriffen, während Papenburg insgesamt 423 Gefallene durch den Krieg zu beklagen hatte.[100]

[...]


[1] Ems-Zeitung vom 31.03/ 01.04.1945.

[2] Ebd. (Alle im Verlaufe der Arbeit aufgeführten Zitate werden wortwörtlich wiedergegeben. Rechtschreibfehler oder Fehler gemäß neuer deutscher Rechtschreibung werden nicht korrigiert).

[3] Vgl. Parisius, Bernhard: Viele suchten sich ihre neue Heimat selbst. Flüchtlinge und Vertriebene im westlichen Niedersachsen (Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands 79), Aurich 22005, S. 57ff.

[4] Im Folgenden auch mit „DPs“ abgekürzt. Zur genaueren Begriffsbestimmung siehe 3.1.

[5] Vgl. Lembeck, Andreas: Befreit, aber nicht in Freiheit. Displaced Persons im Emsland 1945-1950, unter Mitarb. v. Klaus Wessels (DIZ-Schriften 10), Bremen 1997, S. 9.

[6] Zum Kriegsende siehe v.a. Remling, Ludwig (Hg.): Das Kriegsende 1945 im Raum Lingen (Materialien zur Lingener Geschichte 3), Lingen 1996. Ausführlich zur Flüchtlings- und Vertriebenenproblematik siehe Eiynck, Andreas (Hg.): Alte Heimat - Neue Heimat. Flüchtlinge und Vertriebene im Raum Lingen nach 1945, Lingen 1997.

[7] Vgl. Schüpp, Heiner: Besatzungsherrschaft und politischer Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Franke, Werner u.a. (Hg.): Der Landkreis Emsland. Geographie, Geschichte, Gegenwart. Eine Kreisbe-schreibung, Meppen 2002, S. 500-528, hier S. 500.

[8] Die Publikationen Simons beruhen schwerpunktmäßig auf Erinnerungen Beteiligter. Mein Thema betreffend sind v.a. folgende Arbeiten interessant: Simon, Dieter: 45 das Blut, 46 die Flut, 47 die Glut. Aschendorf und das nördliche Emsland in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, 2. durchg. Aufl., Werlte 1993. Ders.: Das Kriegsende 1945 in Aschendorf, Herbrum, Tunxdorf und Nenndorf (Aschendorf - Beiträge und Quellen zur Geschichte 2), 2. verb. Neuaufl., Werlte 1987.

[9] Wegmann, Günter: Das Kriegsende zwischen Ems und Weser 1945, 2. erw. Aufl., Osnabrück 2000.

[10] Landkreis Emsland (Hg.): Wege aus dem Chaos. Das Emsland und Niedersachsen 1945-1949. Begleitbuch zur Ausstellung, Meppen 21988.

[11] Rydel, Jan: Die polnische Besatzung im Emsland 1945-1948, Osnabrück 2003.

[12] Literaturangabe siehe Fußnote 5. Lembeck und Wessels beschäftigten sich bereits im Rahmen ihrer Magisterarbeiten mit entsprechender Thematik. Siehe Wessels, Klaus: Displaced Persons im Emsland 1945-1948, Magisterarbeit, Münster 1994 u. Lembeck, Andreas: Displaced Persons. Die Befreiung der Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen und ihre Nachkriegssituation, dargestellt am Beispiel der Region Emsland 1945-1951, Magisterarbeit, Oldenburg 1995.

[13] Lembeck, Befreit, S. 203.

[14] Jacobmeyer, Wolfgang: Vom Zwangsarbeiter zum Heimatlosen Ausländer. Die Displaced Persons in Westdeutschland 1945-1951 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 65), Göttingen 1985.

[15] Einen Überblick über diverse Lokal- und Regionalstudien und deren wichtigste Ergebnisse liefert Parisius, Viele suchten, S. 13-23.

[16] Meier, Hans-Bernd: Vertriebene und Flüchtlinge im ehemaligen Regierungsbezirk Osnabrück 1945-1970. Zuwanderung, Flüchtlingsverwaltung, wirtschaftliche Integration und regionaler Strukturwandel (Diss.), Osnabrück 1999. Diese Arbeit ist im Internet abrufbar: <http://elib.ub.uni-osnabrueck.de/publications/diss/E-Diss129_thesis.pdf>, Zugriff: 26.12.2006.

[17] Wilbers-Noetzel, Annette: Die wohnräumliche und wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen im Emsland nach 1945 (Emsland/Bentheim. Beiträge zur Geschichte 17), Sögel 2004.

[18] Literaturangabe siehe Fußnote 3. Die Arbeit baut auf einer Studie über die Aufnahme von Flüchtlingen in Osnabrück auf, die der Autor zusammen mit Klaus J. Bade und Hans-Bernd Meier 1997 herausgegeben hat und bereits in zweiter Auflage erschienen ist. Siehe Bade, Klaus J.; Meier, Hans-Bernd; Parisius, Bernhard (Hg.): Zeitzeugen im Interview. Flüchtlinge und Vertriebene im Raum Osnabrück nach 1945, Osnabrück 21998.

[19] Lehmann, Albrecht: Im Fremden ungewollt zuhaus. Flüchtlinge und Vertriebene in Westdeutschland 1945-1990, 2. durchges. Aufl., München 1993.

[20] Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück.

[21] Davon einige im Folgenden aufgeführt.

[22] Bade, Klaus J. (Hg.): Deutsche im Ausland - Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart, München 31993.

[23] Jacobmeyer, Wolfgang: Ortlos am Ende des Grauens: Displaced Persons in der Nachkriegszeit, in: ebd., S. 367-373. Benz, Wolfgang: Fremde in der Heimat: Flucht - Vertreibung - Integration, in: ebd., S. 374-386.

[24] Ders. (Hg.): Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen, akt. Ausg., Frankfurt am Main 1995.

[25] Auerbach, Hellmuth: Literatur zum Thema. Ein kritischer Überblick, in: ebd., S. 277-294.

[26] Bade, Klaus J. (Hg.): Fremde im Land. Zuwanderung und Eingliederung im Raum Niedersachsen seit dem Zweiten Weltkrieg (IMIS-Schriften 3), Osnabrück 1997.

[27] Wennemann, Adolf: Flüchtlinge und Vertriebene in Niedersachsen: Vergangenheitsorientierung und Strukturwandel, in: ebd., S. 77-124.

[28] Bade, Klaus J.; Oltmer, Jochen (Hg.): Zuwanderung und Integration in Niedersachsen seit dem Zweiten Weltkrieg. Begleitband zur Ausstellung „hier geblieben, Zuwanderung und Integration in Niedersachsen von 1945 bis heute“, Osnabrück 2002.

[29] Parisius, Bernhard: „...und ahnten, dass hier die Welt zu Ende ist.“ Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen im Westen Niedersachsens, in: ebd., S. 37-68.

[30] Schulze, Rainer: „Wir leben ja nun hier.“ Flüchtlinge und Vertriebene in Niedersachsen – Erinnerung und Identität, in: ebd., S. 69-100.

[31] Vgl. Schüpp, Heiner: Gebiets- und Verwaltungsreform, in: Franke, Werner u. a. (Hg.): Der Landkreis Emsland. Geographie, Geschichte, Gegenwart. Eine Kreisbeschreibung, Meppen 2002, S. 528-552, hier S. 534f.

[32] Vgl. ebd., S. 543-549.

[33] Siehe 3.5.2.

[34] Vgl. Lembeck, Befreit, S. 112-116.

[35] An einigen Stellen (Abwanderung der Flüchtlinge z.B.) schweift der Blick auch mal etwas weiter, um die Entwicklung bestimmter Flüchtlingsaspekte deutlich zu machen.

[36] Zum einen aus dem Staatsarchiv Osnabrück (StAOs), in welchem sich das Depositum der Stadt Papenburg befindet. Zum anderen aus dem Kreisarchiv Emsland (KrAEL), in dessen Besitz sich die Archivalien der ehemaligen Kreisverwaltung Aschendorf-Hümmling befinden. Grundsätzlich muss gesagt werden, dass die genannten Archive hauptsächlich Akten zu Wohnungsangelegenheiten (Beschlagnahme von Wohnhäusern, Entschädigungen, Wohnungsstreitigkeiten, Wohnungsnot etc.) führen. Lembeck hat im StAOs und KrAEL zusätzlich umfangreiche Verwaltungsakten gesichtet, in denen der Aufenthalt der DPs nur Spuren als (wie er selber sagt) „Nebenprodukt“ hinterlassen hat. Vgl. Lembeck, Befreit, S. 205. Die Informationen, die er aus diesen Akten gewonnen hat, werden teilweise auch meiner Arbeit zugute kommen.

[37] Neben (zeitgenössischen) Ausgaben der Ems-Zeitung dient vor allem das für den damaligen Kreis Aschendorf-Hümmling erschienene Nachrichten- und amtliche Veröffentlichungsblatt „Die Nachrichten“ als Informationsquelle.

[38] Vgl. Mohrmann, Wolf-Dieter: Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg, in: Ders. (Hg.): Geschichte der Stadt Papenburg, Papenburg 1986, S. 203-248, hier S. 214ff. Der Autor analysiert an dieser Stelle das Wahlverhalten der Papenburger Einwohner während der Weimarer Republik. Dabei zeigt er u.a. auch erhebliche Unterschiede im Wahlverhalten zwischen den Bürgern aus Papenburg-Obenende und Papenburg-Untenende auf, wobei sich das Zentrum in beiden Stadtteilen stets als vorherrschende politische Kraft durchsetzen konnte.

[39] Vgl. Rydel, Polnische Besatzung, S. 110f.

[40] Vgl. Mohrmann, S. 217-221.

[41] Vgl. Steinwascher, Gerd: Politische Geschichte im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Franke, Werner u.a. (Hg.): Der Landkreis Emsland. Geographie, Geschichte, Gegenwart. Eine Kreisbeschreibung, Meppen 2002, S. 333-379, hier S. 372.

[42] Dazu gehörten Börgermoor (Lager I), Aschendorfermoor (Lager II), Brual-Rhede (Lager III), Walchum (Lager IV), Neusustrum (Lager V), Oberlangen (Lager VI), Esterwegen (Lager VII), Wesuwe (Lager VIII), Versen (Lager IV), Fullen (Lager X), Groß-Hesepe (Lager XI), Dalum (Lager XII), Wietmarschen (Lager XIII), Bathorn (Lager XIV) und Alexisdorf (Lager XV). Eine ausführliche Darstellung der Emslandlager kann und soll im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Mittlerweile ist die Thematik recht gut erforscht und entsprechende Literatur keine Mangelware mehr. So lieferten Erich Kosthorst und Bernd Walter 1983 eine grundlegende Dokumenten- und Quellensammlung zum Thema in 3 Bänden. Siehe Kosthorst, Erich; Walter, Bernd: Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Dritten Reich. Beispiel Emsland. Dokumentation und Analyse zum Verhältnis von NS-Regime und Justiz. Mit historisch-kritischen Einführungstexten sowie statistisch-quantitativen Erhebungen und Auswertungen zum Strafvollzug in Arbeitslagern, 3 Bde., Düsseldorf 1983.

Elke Suhrs Doktorarbeit zeichnet sich vor allem darin aus, dass die Historikerin ehemalige Lagerinsassen zu Wort kommen ließ und somit ein überaus anschauliches Werk zum Leben in den Emslandlager vorlegen konnte. Dabei wurde das gewonnene Interviewmaterial anhand schriftlicher Zeitzeugenberichte von Lagerinsassen und anderen Zeitzeugen vergleichend ausgewertet, geprüft und in Verbindung gesetzt mit diversen Akten, Fachliteratur, Zeitungen etc. Siehe Suhr, Elke: Die Emslandlager. Die politische und wirtschaftliche Bedeutung der emsländischen Konzentrations- und Strafgefangenenlager 1933-1945, Bremen 1985.

Einen knappen, aber dennoch sehr informativen Überblick zu den Emslandlagern und deren Entwicklung liefert Steinwascher, Politische Geschichte, S. 374-379.

[43] Vgl. ebd.

[44] Abgedruckt bei Döbber, Hans: Papenburg. Aus der Geschichte der Stadt, Papenburg 1981, S. 138. Im weiteren Verlauf des Schreibens geht es hauptsächlich um Anweisungen Görings bezüglich der Wachmannschaften (Einstellung, Entlassung, Uniform). Bereits am 28. Juni 1933 wurde die „Verwaltungsdirektion der staatlichen Konzentrationslager für das Emsland“ in Papenburg eingerichtet. Vgl. Steinwascher, Politische Geschichte, S. 375.

[45] Vgl. Kosthorst, Bd. 2, S. 1943f.

[46] Hier befindet sich heute das Polizeihauptgebäude der Stadt Papenburg.

[47] Ausführlich über den nationalsozialistischen Bürgermeister siehe Eissing, Uwe: Richard Janssen, Nationalsozialist und Bürgermeister von Papenburg von 1933-1945. Porträt eines deutschen Mannes (Zur Geschichte Papenburg-Aschendorfs im 20. Jahrhundert 3), Papenburg 1992. Außerdem Albers, Hans-Joachim; Reyntjes, Anton: Richard Janssen – Nationalsozialist und Bürgermeister von Papenburg. Das Bild seiner Person und Erinnerungen (1933-1945), in: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hg.): Emsländische Geschichte 5, Bremen 1996, S. 118-166. Interessante Aspekte zur Machtergreifung Janssens anhand neuer Zeitzeugen liefert Albers, Hans-Joachim: Zur NS-Machtergreifung in Papenburg/Ems – Wie Bürgermeister Jaeger gestürzt wurde: Anatomie einer Intrige, in: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hg.): Emsländische Geschichte 7, Dohren 1998, S. 33-62.

[48] Vgl. Mohrmann, S. 235. Tischler, Stuhlmacher oder Bäcker konnten ihren Umsatz steigern. Versicherungen profitierten von Wachmannschaften, für die Pflichtversicherungen abzuschließen waren. Das Marienhospital „profitierte“ von Lageropfern etc.

[49] Vgl. ebd., S. 235ff.

[50] Biografisches zur Person liefert Albers, Hans-Joachim: Gerhard Buscher, in: Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte (Hg.): Emsländische Geschichte 6, Dohren 1997, S. 182-189.

[51] Vgl. Ems-Zeitung vom 17. u. 18.03.1945.

[52] Ebd.

[53] Ebd.

[54] Dazu im Folgenden ausführlicher.

[55] Vgl. Ems-Zeitung vom 22.03.1945.

[56] Ebd.

[57] Das genaue militärische Vorgehen der deutscher und alliierter Truppen im Emsland steht im Rahmen dieser Arbeit nicht im Vordergrund, sondern soll nur ansatzweise Erwähnung finden. Zur umfassenden Beschreibung des Eindringens alliierter Truppen ins Emsland, sowie zu Kämpfen im nördlichen Emsland siehe Wegmann, S. 96-148 u. S. 231-292. Zur Strategie der Alliierten siehe auch Fickers, Manfred: Die Strategie der Alliierten und das Emsland im März und April 1945, in: Remling (Hg.), S. 9-18.

[58] Nähere Informationen zur 1. Polnischen Panzerdivision liefert Rydel, Polnische Besatzung, S.41-47.

[59] Vgl. ebd., S. 51ff.

[60] Vgl. Schneider, Ullrich: Niedersachsen 1945/46. Kontinuität und Wandel unter britischer Besatzung, Hannover 1984, S. 19. Zur 21. Armeegruppe gehörten außerdem die 9. US-Armee mit drei Korps und die 2. britische Armee mit fünf Korps. Zur Übersicht der Stoßrichtung der 1. Kanadischen Armee und den übrigen alliierten Armeen in Deutschland siehe ders., S. 20.

[61] Vgl. Landkreis Emsland (Hg.), S. 38f. u. Wegmann, S. 231.

[62] Vgl. Simon, Kriegsende, S. 7-18 (inkl. einer geografischen Karte des Raumes Dörpen auf S. 17 zur Veranschaulichung der Ereignisse).

[63] Vgl. Rydel, Polnische Besatzung, S. 59f.

[64] Vgl. Wegmann, S. 240.

[65] Vgl. Rydel, Polnische Besatzung, S. 61f.

[66] Nach Angabe der Ems-Zeitung vom 22.04.2005. Ein Ehrenmal und Soldatenfriedhof in Dörpen, auf dem 64 polnische und deutsche Soldaten ruhen, erinnert an die Schreckenstage.

[67] Vgl. Simon, Dieter: Aschendorf im Dritten Reich, in: Steinwascher, Gerd (Hg.): Geschichte der Stadt Aschendorf, Papenburg 1992, S. 173-192, hier S. 189.

[68] Vgl. ders., 45 das Blut, S. 10.

[69] Vgl. Ems-Zeitung vom 12.04.1995. Im Folgenden ein Ausschnitt ihres Interviews.

[70] Viele Aschendorfer vergruben vor dem Einmarsch der Alliierten ihr Hab und Gut. Vgl. dazu Simon, Kriegsende, S. 16.

[71] Vgl. ebd., S. 19.

[72] Vgl. ebd., S. 42..

[73] Wegmann datiert dieses Ereignis auf den 18. April. Vgl. Wegmann, S. 244.

[74] Vgl. Simon, Kriegsende, S. 20. Simon zählt an dieser Stelle die drei getöteten Männer des Volksturmes mit Namen auf, die Zahl getöteter Soldaten gibt er mit vier an. Die Ems-Zeitung spricht von sieben toten Soldaten. Vgl. Ems-Zeitung vom 12.04.2005.

[75] Simon, Dieter: Berichte und Dokumente zum Thema „Das Kriegsende 1945 in Aschendorf, Herbrum, Tunxdorf und Nenndorf“. Ergänzungsband (Aschendorfer Heimatblätter 10), Aschendorf 1987, S. 5.

[76] Vgl. Simon, Kriegsende, S. 21.

[77] Vgl. ebd., S. 26-32.

[78] Vgl. ders., Aschendorf, S. 190. Eine (unvollständige) Namensliste gefallener/gestorbener deutscher Soldaten im April 1945 zwischen Herbrum und Aschendorf liefert ders., Ergänzungsband, S. 29.

[79] Vgl. Wegmann, S. 245.

[80] Vgl. Simon, Kriegsende, S. 41.

[81] Vgl. ders., Aschendorf, S. 190.

[82] Vgl. Kosthorst, Bd. 3, S. 3089.

[83] Vgl. ebd., S. 3089-3092. Auf den Seiten 3087-3300 ausführlich zum Prozess gegen Herold und Mitbeteiligte wegen Massentötung von Gefangenen im Lager Aschendorfermoor im April 1945 (inkl. Dokumente diverser Prozessakten, Prozessberichterstattung deutscher Zeitungen sowie Ausgrabungsbericht und Bilder zur Ausgrabung). Einen von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden ausgezeichneten und als „besonders wertvoll“ eingestuften Dokumentarfilm zum Thema „Willi Herold“ ist mittlerweile auch auf DVD erhältlich. Siehe „Der Hauptmann von Muffrika“, Deutschland 1996, Regie: Paul Meyer und Rudolf Kersting, 70 Min.

[84] Vgl. Ems-Zeitung vom 26.04.1955.

[85] Vgl. Kosthorst, Bd. 3, S. 3107. Andere Historiker führen den Grund des Luftangriffs direkt auf Herold und dessen Angriff auf alliierte Truppen aus dem Lager II zurück. Vgl. Mohrmann, Wolf-Dieter: Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg, in: Ders. (Hg.): Geschichte der Stadt Papenburg, Papenburg 1986, S. 203-248, hier S. 241 u. Steinwascher, Gerd: Aschendorf und Papenburg - Das nordwestliche Emsland im Zeitraffer der Geschichte, in: Knottnerus, Otto S. u.a. (Red.): Rund um Ems und Dollart. Historische Erkundungen im Grenzgebiet der Nordostniederlande und Nordwestdeutschlands, Groningen; Leer 1992, S. 174-187, hier S. 185.

[86] Vgl. Mohrmann, S. 241.

[87] Vgl. Ems-Zeitung vom 26.04.1955.

[88] Hierbei handelte es sich um die Kirchschule II (heutige Michaelschule), die unter den Nazis den kirchlich geprägten Namen ablegen musste. Nach Angabe einer Schwester des Schwesternkonvents der Michaelschule kamen in jener Nacht über 200 Gefangene aus dem Lager Aschendorfermoor in die Schule. Vgl. Stukenborg, Ludger (Hg.): Schule im Spiegelbild der Geschichte. 200 Jahre Michaelschule Papenburg 1785-1985, Papenburg 1985, S. 138.

[89] Vgl. Mohrmann, S. 241.

[90] Kosthorst, Bd. 3, S. 3109.

[91] Vgl. Wegmann, S. 245.

[92] Vgl. Simon, 45 das Blut, S. 32-41.

[93] Vgl. ebd.

[94] Vgl. Mohrmann, S. 240.

[95] Vgl Wegmann, S. 246.

[96] Vgl. Meyer-Werft, Papenburg (Hg.): Jos. L. Meyer Papenburg 1795-1970, Hamburg 1970, S. 58f. Erst 1948 konnte der Betrieb in der Maschinenfabrik wieder aufgenommen werden. Die Wiederaufnahme des Schiffsbaus (Wiederherstellung, Fertigstellung und Neubau von Schiffen) war erst wieder ab 1949 möglich.

[97] Vgl. Wegmann, S. 246.

[98] Vgl. Döbber, Papenburg, S. 142. Laut Erschließung der Wohnungsnot von 1954 sind in Papenburg 55 Wohnungen durch den Krieg „verloren gegangen“. Vgl. KrAEL Rep. 455 ASD: Nr. 346 (Übersicht über die Erschließung der Wohnungsnot im Kreis Aschendorf-Hümmling vom 01.10.1954).

[99] Vgl. Rinklage, Hubert: Das moderne Papenburg. Die Stadt und ihre Bürger nach 1945, in: Mohrmann, Wolf-Dieter (Hg.): Geschichte der Stadt Papenburg, Papenburg 1986, S. 249-264, hier S. 249. Zu dieser Einschätzung kommt der Autor aufgrund von 1731 einigermaßen intakten Wohnbauten in Papenburg nach dem Krieg.

[100] Vgl. Döbber, Papenburg, S. 142.

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Die Aufnahme von Displaced Persons, Flüchtlingen und Vertriebenen in der Stadt Papenburg am Ende des Zweiten Weltkrieges
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
86
Katalognummer
V230435
ISBN (eBook)
9783656465379
ISBN (Buch)
9783656466802
Dateigröße
823 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herbrum, Aschendorf, Lager Aschendorfermoor, Tunxdorf, nenndorf, polnische Besatzungstruppen, polnische Kolonie im Emsland, Bokel, Splitting I und II, UNRRA, Repatriierung, Resettlement, heimatloser Ausländer, Vertreibung, Wohnungsnot
Arbeit zitieren
Gunnar Norda (Autor:in), 2007, Die Aufnahme von Displaced Persons, Flüchtlingen und Vertriebenen in der Stadt Papenburg am Ende des Zweiten Weltkrieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230435

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