Die Bedeutung Petrarcas und Boccaccios für die Herausbildung der italienischen Schriftsprache


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Anfänge der Herausbildung der italienischen Schriftsprache – ein kurzer Überblick

2. Petrarca und Boccaccio – Höhepunkt und Abschluß der Ausbauphase I
2. 1. Francesco Petrarca (*1304 in Arezzo †1374 in Arquà bei Padua) - Leben und wichtigste Werke im Überblick
2. 2. Giovanni Boccaccio (*1313 in Florenz o. Certaldo †1375 in Certaldo) – Leben und wichtigste Werke im Überblick

3. Die Bedeutung Petrarcas und Boccaccios für die Herausbildung der italienischen Schriftsprache
3. 1. Die Sprache Petrarcas und ihre Bedeutung für die Herausbildung der italienischen Schriftsprache
3. 2. Die Sprache Boccaccios und ihre Bedeutung für die Herausbildung der italienischen Schriftsprache

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis
5. 1. Internet

1. Die Anfänge der Herausbildung der italienischen Schriftsprache – ein kurzer Überblick

Um die Bedeutung Petrarcas und Boccaccios für die Herausbildung der italienischen Schriftsprache näher zu beleuchten, halte ich es zunächst einmal für sinnvoll, einen kurzen Überblick über die Anfänge der Herausbildung der italienischen Schriftsprache im Allgemeinen zu geben. Die gesamte Entwicklung der Verschriftlichung des Italienischen vollzieht sich nach T. Krefeld dabei innerhalb der folgenden fünf Hauptphasen:

1. Vorausbauphase (6. Jh.-Anfang 13.Jh.)
2. Ausbauphase I: Polyzentrismus (Anfang 13. Jh.-Ende 14. Jh.)
3. Überdachungsphase I: Literatursprache (Ende 14. Jh.-Anfang 16. Jh.)
4. Ausbauphase II: Zentrum und Peripherie (Anfang 16. Jh.-Anfang 19. Jh.)
5. Überdachungsphase II: Mündlichkeit (seit Anfang 19. Jh.)[1],

wobei ich mich jedoch ausschließlich mit der Vorausbauphase, da diese dem eigentlichen Sprachausbau unmittelbar vorangeht, sowie mit der Ausbauphase I, deren Höhepunkt die tre corone verkörpern und deren Abschluß das Todesjahr Boccaccios (1375) darstellt[2], befassen werde.

Vorausbauphase (6. Jh.-Anfang 13.Jh.)

Nach dem 6.Jh. findet man in den verschiedenen Regionen derartig gravierende sprachliche Unterschiede vor, “[...] daß es gerechtfertigt ist, jedes dieser kleineren durch sie abgegrenzten Systeme als neue Sprache anzusehen.“[3] Die darauf folgende Konsolidierung der Dialekte wird durch diverse grundlegende sozio-ökonomische Veränderungen gestützt, vor allem aber der Verfall der antiken Stadtkultur befördert diese Entwicklung.[4] Allerdings bleibt die Volkssprache weitestgehend an die Mündlichkeit gebunden und erste schriftliche Verwendungen, zumeist religiöse, kommerzielle oder juristische Gebrauchstexte, erscheinen zu diesem Zeitpunkt noch außergewöhnlich und eher zufällig.[5]

Ausbauphase I: Polyzentrismus (Anfang 13. Jh.-Ende 14. Jh.)

Im Verlauf des 13. Jh. werden den Vernakularsprachen verschiedener regionaler Zentren zunehmend schriftlichkeitsgebundene Funktionen zuerkannt, die bislang ausschließlich dem Latein als Vehikular- und Dachsprache vorbehalten waren.[6] Es muß jedoch angemerkt werden, daß diese Entwicklung keinesfalls homogen verläuft, sondern beträchtliche Unterschiede der Ausbauansätze, sowohl ihren Umfang als auch ihre gesellschaftliche Akzeptanz in den diversen Regionen betreffend, mit sich bringt, was ich im weiteren Verlauf anhand einiger Beispiele aufzeigen werde. Charakteristisch für diese Epoche, die in zweifacher, einerseits in regionaler und andererseits in funktionalstilistischer, Hinsicht als polyzentristisch bezeichnet werden kann, ist die Bindung des schriftsprachlichen Ausbaus einer bestimmten Varietät an eine spezifische kommunikative Funktion, z.B. eine literarische Gattung.[7] Hierbei legt die scuola siciliana, die am Hof des staufischen Kaisers Friedrich II (1212-1250) entsteht, zwar den Grundstein für die nichtlateinische Schreibtradition in Italien, bei der für die Lyrik verwendeten Sprache “[...] handelt es sich jedoch nicht um die Verschriftlichung einer vitalen Mundart [...]“[8], sondern “[...] vielmehr um ein stilisiertes, mit Provenzalismen und Latinismen durchsetztes “siciliano sprovincializzato“.“[9]

In Oberitalien führt die Assimilation der altfranzösischen chansons de geste zu einer eigentümlichen, ausschließlich schriftlichen Varietät: das sogenannte Franko-Italienisch, ein Sprachgemisch aus französischen und italienischen Komponenten, wird entwickelt, um die aus Frankreich übernommene, mit großem Prestige versehene Gattung mit Hilfe italienischer Elemente für das Publikum verständlicher und damit zugänglicher zu machen.[10]

Fast zeitgleich entsteht in Umbrien der Cantico di frate sole des Francesco d´Assisi (1182-1226) und bemerkenswerterweise geschieht hier die Loslösung vom Latein “[...] weder im Sinn einer aristokratischen Gesellschaftskunst, noch gehorcht sie bürgerlich-praktischer Nutzanwendung; sie steht für ein Ausdrucksbedürfnis wirklich volkstümlicher Frömmigkeit.“[11]

Seit Mitte des 13. Jh. sind auch aus Rom literarische Texte überliefert, z.B. die aus dem Latein übersetzten Storie de Troja et de Roma (1252-1258) oder die Lebensbeschreibung des Cola di Rienzo (1313-1354).

Frei von engen standes- bzw. gattungsbezogenen Vorgaben, jedoch von juristischen und kommerziellen Interessen geprägt, vollzieht sich der Sprachausbau in Venedig und Bologna, wobei die entstehenden Schriftsprache in Bologna umgehend sowohl in die Lebenswelt der sich rapide entwickelnden bürgerlichen Stadtkultur als auch in die Laienbildung integriert wird: so verfügt man beispielsweise laut den Statuti Bolognesi (1246), daß ein Notar in der Lage sein müsse, Dokumente aus dem Latein in die Vulgärsprache übersetzen.[12]

Der eindrucksvollste und historisch nachhaltigste Ausbau der Volkssprache erfolgt in der Toskana und hierbei insbesondere in Florenz.[13] Allgemein gestaltet sich die politisch-gesellschaftliche Ausgangssituation der toskanischen Zentren Pisa, Siena, Lucca und Florenz ähnlich der von Bologna: Die Entwicklung der bürgerlichen Kultur zieht die Ausbildung einer kommerziellen bzw. juristischen Gebrauchssprache nach sich.[14] In Florenz jedoch, dessen besonders eindrucksvolle wirtschaftliche Blüte der Stadt im 13. Jh. zu einer führenden Position innerhalb der Toskana verhilft[15], entsteht neben diversen in volgare verfaßten Gebrauchstexten, deren Sprache “[...] per richezza e finezza espressiva.“[16] denen anderer Zentren weit überlegen ist, zudem eine eigene ästhetisch-literarische Ausdrucksform - der dolce stil novo[17], der die Lyrik der scuola siciliana nicht nur qualitativ übertrifft, sondern das Genre aus dem höfischen Bereich in die Stadt- bzw. Bürgerkultur überführt.[18] Florenz wird nach Bologna zum zweiten Zentrum volkssprachlicher Rhetorik, die zuerst im Rechtswesen systematisch Verwendung findet.[19] Insofern scheint es kaum verwunderlich, daß die meisten Vertreter des dolce stil novo juristischen Tätigkeiten nachgehen.[20]

Wie ich bereits eingangs erwähnt habe, markieren die tre corone Dante (*1265 †1321), Petrarca (*1304 †1374) und Boccaccio (*1313 †1375) den Abschluß der Ausbauphase I, wobei durch Dante sowie Boccaccio die Prosa und durch Petrarca die Lyrik zu ihrem jeweils ersten Höhepunkt gelangen.[21]

2. Petrarca und Boccaccio – Höhepunkt und Abschluß der Ausbauphase I

2. 1. Francesco Petrarca (*1304 in Arezzo †1374 in Arquà bei Padua) - Leben und wichtigste Werke im Überblick

Als Sohn eines aus Florenz verbannten Notars wächst Petrarca teils in Italien, teils in Carpentras in der Umgebung des in Avignon befindlichen Papsthofes auf.[22] Nachdem ihm durch Convenevole da Prato eine erste grammatische und rhetorische Ausbildung zuteil wird[23], beginnt Petrarca 1316 mit dem Jurastudium in Montpellier; allerdings übt die Dichtung und insbesondere das Studium antiker Autoren wie Vergil, Cicero oder Livius bereits zu dieser Zeit eine beachtliche Faszination auf ihn aus.[24] Die Bekanntschaft mit der äußerst einflußreichen Familie Colonna verhilft ihm zu einem ersten kirchlichen Amt, welches ihm in der Folge weitere Ämter und Pfründe beschert, die sein Einkommen zeitlebens sichern, ihn jedoch zu keinerlei Dienstleistung verpflichten.[25]

[...]


[1] T. Krefeld, “Periodisierung“, in: G. Holtus/M. Metzeltin/C. Schmitt (Hg.), Lexikon der romanistischen Linguistik, Bd. IV, Tübingen, 1988, 748-762, 750-757

[2] Krefeld, 1988, 752

[3] E. Coseriu, “Das sogenannte “Vulgärlatein“ und die ersten Differenzierungen in der Romania“, in: R. Kontzi (Hg.), Zur Entstehung der romanischen Sprachen, Darmstadt, 1978, 257-291, 276

[4] Krefeld, 1988, 749

[5] Krefeld, 1988, 749

[6] Krefeld, 1988, 750

[7] Krefeld, 1988, 750

[8] Krefeld, 1988, 750

[9] Krefeld, 1988, 750

[10] Krefeld, 1988, 750

[11] Krefeld, 1988, 750

[12] Krefeld, 1988, 751

[13] Krefeld, 1988, 751

[14] B. Migliorini, Storia della lingua italiana, Firenze, 1987, 185

[15] M. Durante, Dal latino all´italiano moderno. Saggio di storia linguistica e culturale, Bologna, 1988, 106

[16] Durante, 1988, 106

[17] Krefeld, 1988, 752

[18] Durante, 1988, 107

[19] Krefeld, 1988, 752

[20] Krefeld, 1988, 752

[21] Krefeld, 1988, 752

[22] W.T. Elwert, Die italienische Literatur des Mittelalters. Dante, Petrarca, Boccaccio, München, 1980, 162

[23] F. Petrarca, Canzoniere. Eine Auswahl, Hg. u. Übers. W. Tillmann, Suttgart, 2000, 14

[24] Elwert, 1980, 162

[25] Petrarca, 2000, 17

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung Petrarcas und Boccaccios für die Herausbildung der italienischen Schriftsprache
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Romanistik)
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V22980
ISBN (eBook)
9783638261920
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Petrarcas, Boccaccios, Herausbildung, Schriftsprache
Arbeit zitieren
Nadin Meyer (Autor:in), 2003, Die Bedeutung Petrarcas und Boccaccios für die Herausbildung der italienischen Schriftsprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22980

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