Die Roboterrobbe "Paro" und ihre Anwendungsfelder


Bachelorarbeit, 2013

99 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einführung

2 Was ist Paro?
2.1 Äußeres Erscheinungsbild
2.2 Paros Innenleben

3 Forschung, Entwicklung und Vertrieb der Roboterrobbe Paro
3.1 Paros Einordnung in die Robotik
3.2 Paros Entwicklung von der Forschung bis zum Verkauf
3.3 Studie: Meinungsumfrage zu Paro in verschiedenen Ländern
3.4 Studie: Befragung von Privatkäufern und Nutzern von Paro
3.5 Motivation für die Forschung an der sozialen Robotik

4 Anwendungsbereiche
4.1 Kurze Erläuterung zur methodischen Vorgehensweise
4.2 Ältere Menschen
4.2.1 Ambulante und stationäre Einrichtungen für Senioren
4.2.2 Einschlägige Demenzstudien
4.2.3 Indirekte Auswirkungen auf das Pflegepersonal
4.2.4 Förderung der Nachhaltigkeit von Kunsttherapie bei Dementen
4.3 Kinder

5 Resümeé

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung

Der Traum des Menschen lebendige Kreaturen zu erschaffen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Durch den technologischen Fortschritt ist es heute möglich, Roboter zu entwickeln, die diesem Traum sehr nahe kommen. Paro ist ein solcher Roboter, der ein lebendig er- scheinendes Sattelrobbenbaby nachahmen soll. Er erzeugt bei Menschen Faszination und Skepsis zugleich. Für Außenstehende scheint es schwer vorstellbar, wie ein Roboter eine derartig authentische Wirkung auf Menschen haben kann. Und vor allem: Wozu soll so ein nahezu lebendig erscheinendes Artefakt wie Paro dienen? Mit dieser Fragestellung aus dem neuen, interdisziplinären und ethisch diskutierten Gebiet der sozio-emotionalen Robotik befasst sich diese Bachelorarbeit.

Schon zu Beginn der Recherche fiel auf, dass in nichtwissenschaftlichen Berichten ein gro- ßes Anwendungsgebiet von Paro im Pflegebereich, vor allem bei demenzerkrankten Men- schen, liegen soll. Dieser subjektive Eindruck konnte mittels einer stichprobenartigen Un- tersuchung von Internetquellen, welche im Anhang ab Seite 41 ausführlich beschrieben ist, bestätigt werden. Demnach wird in über 80 Prozent dieser Berichte Paro in Verbindung mit der Anwendung bei demenzerkrankten Menschen gebracht. Es fällt weiterhin auf, dass kei- ne negativen Berichte über Paro vorlagen, sondern, dass 60 Prozent neutral berichten (Vor- und Nachteile abwägend) und 40 Prozent durch eine weithin positive Berichterstattung große Hoffnungen für die Pflege von demenzerkrankten Menschen erwecken. Es ist nicht verwunderlich, dass die Vielzahl an auffallend positiven Medienberichten zu Paros Anwen- dung und Wirkung, Skepsis erzeugen kann. Deshalb bedient sich die Arbeit einschlägiger Fachliteratur, um zu ergründen, was in wissenschaftlichen Studien über die Wirkung von Paro bisher tatsächlich festgestellt wurde. Da die Erforschung von sogenannten sozialen Robotern noch Neuland ist, gibt es, bis auf wenige Veröffentlichungen von Prof. Barbara Klein von der Hochschule Frankfurt am Main, kaum deutschsprachige wissenschaftliche Literatur. Deshalb wird in der Arbeit überwiegend englischsprachige Fachliteratur verwen- det, die den nahezu vollständigen gegenwärtigen Forschungsstand darstellt. Die meisten Veröffentlichungen in dieser Thematik stammen von Dr. Takanori Shibata, dem Erfinder Paros. Ziel der Arbeit ist es, die wesentlichen Ergebnisse der einschlägigen Studien zu Pa- ro, die sich mit dessen Wirkungen in den gefundenen Anwendungsbereichen auseinander- setzen, zusammenzufassen.

Da es wenige Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Fachjournalen zu Paro gibt, besteht ein großer Teil der verwendeten Literatur aus Proceedings1, deren Ergebnisse auch von nicht-wissenschaftlichen Medien aufgenommen und zitiert werden.

Um selbst Erfahrungen mit Paro sammeln zu können, habe ich als Vorbereitung auf meine Bachelorarbeit eine Pflegeeinrichtung, in der Paro angewendet wird, kontaktiert und konnte mir somit ein persönliches Bild von Paro und seinem Wirkungskreis machen. Im folgenden Kapitel wird die äußere Erscheinung und die Verhaltenserzeugung, der neuesten, d.h. der VIII Version von Paro, beschrieben, welche seit 2003 im Einsatz ist (vgl. ParoRobots2012). Kapitel 3 informiert über die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung und des Vertriebs zu Paro, bevor im Hauptteil die einschlägigen Studien zu Paros Anwendungsfeldern vorgestellt und zusammengefasst werden. In Kapitel 5 folgt ein kurzes Resümeé zu den gewonnenen Erkenntnissen und zur Arbeit.

Folgende Hinweise zur Arbeit:

- Eine Zusammenstellung der Quellen, welche die Studien S1 bis S12 sowie die zwei Studien aus Kapitel 3, beschreiben, befindet sich gesondert im Anhang auf den Seiten 1 bis 9. Da nicht alle Quellen von diesen Studien im Text zitiert werden, werden sie auch nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt.
- Die in den Studien S1 bis S12 erwähnten Methoden werden in der Arbeit nicht aus- führlich beschrieben, um die Lesefreundlichkeit zu wahren. Eine genaue Beschrei- bung mit Beispielen, weiteren zusätzlichen Informationen und Abbildungen, wird im Anhang gegeben. Die Abkürzung „s.A. S.X“ steht für „siehe Anhang S.X“.
- Direkte Zitate werden mit (O) markiert, wenn Sie Original (deutsch) belassen wur- den. Die Mehrzahl der Zitate habe ich aus dem Englischen übersetzt. Diese werden nicht gesondert markiert, können aber im Anhang Seite 44 nachgeschlagen werden.
- Verwendete Begriffe in dieser Arbeit, wie z.B. „Demente“ dienen der Lesefreundlichkeit und des Leseflusses und bedeuten nicht, dass ältere Menschen mit einer Demenz auf ihre Erkrankung reduziert werden.
- Da Paro in den deutschsprachigen Medien am häufigsten mit „er“ bezeichnet wird, werde ich diese Bezeichnung in meiner Arbeit auch gebrauchen, ohne damit eine persönliche Sichtweise ausdrücken zu wollen.
- Die von mir selbsterstellten Abbildungen oder Tabellen in der Arbeit und dem An- hang sind dahinter mit „(Strehl)“ gekennzeichnet.

2.1 Äußeres Erscheinungsbild

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Paro Version VIII (Wada2006a, S.1)

Paro ist äußerlich einem zirka drei Wochen alten Sattelrobbenbaby nachgebildet (Abb.1). Er ist zirka 57 cm lang, 36 cm breit und wiegt etwa 2,7 kg (vgl. Wada2003a). Das weiße, flauschig-weiche Kunstfell besitzt antibakterielle und hypoallergene Eigenschaften. Er hat einen kompakten Körper, der durch 8 Aktuatoren bewegt wird. Zwei davon befinden sich in seinem Genick und bewegen den großen Kopf vertikal und horizontal. Die Hinter- und Vorderflossen können seitliche Bewegungen ausführen. In den unteren und oberen Augen- lidern und zur Rotation der großen schwarzen „Kulleraugen“ wurden ebenfalls Aktuatoren angebracht. Dadurch wird eine Vielzahl von kombinierten Bewegungen ermöglicht, die maßgeblich zu der Simulation eines mimischen Ausdrucks führen (vgl. Wada2003a).

Unter dem Kunstfell sind 10 neuartige taktile Oberflächensensoren platziert, die Berührun- gen durch Druck messen können (vgl. Shibata2004a). Paro hat weiterhin eine Nase mit Barthaaren, worin zwei Sensoren liegen, die Licht detektieren und damit nahe Bewegungen erkennen können. Temperatursensoren messen und regeln Paros „Körperwärme“. Ein Lage- Stellungssensor detektiert z.B. beim auf den Armnehmen die Raumlage. Im Mund von Paro befindet sich ein Lautsprecher mit dem die fiependen Geräusche eines Sattelrobbenbabys abgespielt werden. Zwei Mikrophone an seinen Ohren nehmen nicht nur Geräusche auf, sondern erkennen auch aus welcher Richtung diese kommen (vgl. Wada2003a).

Paros Maße erinnern in Verbindung mit seinen Bewegungen und Lauten an ein neugebore- nes Menschenbaby und erfüllen das Kindchenschema (vgl. WDRLokalzeit). Er ist elektro- magnetisch abgeschirmt, um Wechselwirkungen mit anderen Geräten, wie z.B. Herz- schrittmachern, zu verhindern (vgl. Shibata2011). Sein An- und Ausschalter ist zwischen den Hinterflossen versteckt (vgl. Taggart2005). Der geladene Akku hält eineinhalb Stunden und wird mit einem als Schnuller gestalteten Ladegerät geladen (vgl. Wada 2006a).

2.2 Paros Innenleben

Zwei 32-bit-Prozessoren lenken mit einer Steuerungssoftware das Verhalten von Paro und erzeugen insgesamt drei verschiedene Verhaltensmuster: proaktiv, reaktiv und physiologisch (vgl. Taggart2005). Das Verhalten von Paro wird durch sogenannte interne Zustände beschrieben. Diesen Zuständen können Emotionen zugeordnet werden, die mit numerischen Levels kodiert sind. Diese Emotionen sind z.B.: Freude, Ärger, Wut, Überraschung, Traurigkeit, Verlegenheit und Stolz (vgl. Weingartz2011).

Paro zeigt von sich aus ein proaktives Verhalten, welches zunächst im „behaviour-planning layer“ („Verhaltensplanungsebene“) geplant wird. Steht die nächste Handlung von Paro fest, so wird die Umsetzung der Handlung durch den „behaviour-generation layer“ („Verhaltenserzeugungsebene“) vorgenommen, der die Aktuatoren und Sensoren ansteuert und dadurch koordinierte Bewegungen, Posen und Signale erzeugt. Zusätzlich ist ein physiologisches Verhalten einer Robbe implementiert, welches z.B. durch einen Tages-Nacht- Rhythmus, gekennzeichnet ist. Dieser wird zirka viermal in der Stunde durchlaufen und sorgt dafür, dass Paro beispielsweise „müde“ wird.

Sind äußere Stimulationen vorhanden, ändern sich die numerischen Levels, also die Zu- stände von Paro, und er handelt reaktiv. Das äußert sich durch schnelle Reaktionen auf plötzliche äußere Stimuli. Es gibt prinzipiell unendlich viele „kombinierte Reaktionsmög- lichkeiten“ (vgl. Shibata2001). Auch ohne Stimulation ändern sich die Zustände nach eini- ger Zeit, weswegen die Vielzahl an Zuständen als „Zustands-Transitionsnetzwerk“ be- zeichnet wird. Das Besondere an Paro ist seine Lernfunktion, die Stimulationen aus der Umwelt in einem internen Speicher sichert. Mit Hilfe einer Spracherkennungssoftware kann er nicht nur einfache Wörter wie z.B. Begrüßungsworte oder seinen Namen erkennen, sondern auch bis zu 50 verschiedene Stimmen differenzieren und dazu die jeweiligen Ver- haltensweisen der Personen zuordnen und abspeichern. Diese Stimuli oder Verhaltenswei- sen von Personen werden zudem durch eine vorprogrammierte Software bewertet (vgl. Taggart2005). Das heißt, Paro „merkt“ sich z.B., wenn er geschlagen wird und reagiert dar- auf mit einem Verhalten, welches Wut oder Ärger ausdrücken soll. Somit entstehen Inter- aktionen, die die Bildung des „Charakters“ der Robbe mit beeinflussen können (vgl. Wa- da2004a). Das Verhalten passt sich nach einiger Zeit den Vorlieben seines Besitzers an (vgl. Shibata2001).

Im folgenden Kapitel wird Paro in die Robotik kurz eingeordnet und anschließend die Entwicklung von Forschung und Vertrieb beschrieben.

3 Forschung, Entwicklung und Vertrieb der Roboterrobbe Paro

3.1 Paros Einordnung in die Robotik

Der Name „Paro“ ist eine Abkürzung für „Personal assistive Robot“ (vgl. Pedersen2011). In der Fachliteratur gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichsten Kategorien und Bezeich- nungen für diesen Robotertyp. Paro wird in der Literatur unter anderem „social assistive robot“, „social robot“, „mental commitment robot“ oder „human interactive robot“ genannt (s.A. S.10). Noch gibt es keinen einheitlichen Konsens über die Bezeichnung und Eingrup- pierung (vgl. Mordoch2013). Einige Definitionsversuche können ebenfalls im Anhang nachgelesen werden (s.A. S.10-11). Den gemeinsamen Nenner aller Bezeichnungen sieht Barbara Klein, darin, dass emotionale bzw. soziale Roboter die soziale Interaktion mit Menschen stimulieren, indem sie mit ihrer Umwelt interagieren und auf diese reagieren. Sie entwickeln somit eine „eigene Persönlichkeit“, wodurch eine emotionale Beziehung entste- hen kann (vgl. Klein2010).

Es wird an einer Vielzahl von sozial assistiven Robotern (SAR) geforscht (s.A. S.12). Von den 23 existierenden Robotern sind bereits 4 in der Praxis getestet worden. Das sind neben Paro der Hunderoboter Aibo, der Katzenroboter NeCoRo und der menschenähnliche Roboter Bandit. Von diesen ist Paro der einzige, der auf dem Markt nach wie vor erhältlich ist (vgl. Shibata2010 und Gelderblom2010).

3.2 Paros Entwicklung von der Forschung bis zum Verkauf

Seit 1993 forscht und entwickelt Dr. Takanori Shibata und sein Forscherteam am National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) in Tsukuba, Japan an der Roboterrobbe Paro (vgl. Shibata2011). Die Entwicklung von Paro hat bis zur heutigen Ver- sion etwa 15 Millionen Dollar gekostet und gipfelte 2002 in der Eintragung Paros ins Gui- nessbuch der Rekorde (vgl. Tergesen2010). Darin wurde „[…] er als Erfinder der Roboter- robbe namens Paro mit [dem Titel] ’therapeutischster Roboter der Welt’ ausgezeichnet“ (Shibata2004b, S.1745).

Im September 2004 wurden alle Rechte an die japanische Firma „Intelligent Systems and Co., Ltd“ übertragen, welche Paro 2005 in Japan kommerzialisierte (vgl. AIST2004). Bis Juli 2011 wurden dort zirka 1500 Robben verkauft, wovon etwa 60 bis 70 Prozent Privatkäufer und zirka 20 Prozent Institutionen waren (vgl. Shibata2011). Über die offenen 10-20 Prozent wurde in der Quelle nichts erwähnt.

Der Hauptsitz für Paros Vertrieb in Europa befindet sich seit 2008 im Dänisch-Techno- logischen Institut (DTI). Auf der Homepage des DTI wird erwähnt, dass im Juni 2012 zirka 250 Robben in Dänemark in Anwendung waren (vgl. DTI2012).

Im Jahr 2009 wurde Paro in den USA von der amerikanischen Gesundheitsbehörde (Federal Drug Administration) in die Klasse II der medizinischen Geräte eingestuft. Diese Klasse beinhaltet z.B. Massagestühle und Rehabilitationsgeräte (vgl. Calo2011). Im gleichen Jahr begann der offizielle Vertrieb in den USA durch Christine Hsu in Itasca (Illinois), wobei bis März 2010 über 40 Paros verkauft wurden (vgl. Barcousky2012). Zeitgleich begann das DTI, Paro durch eigenständige lizenzierte Händler in Holland, Deutschland Norwegen, Schweden, Finnland und Spanien zu vertreiben (vgl. Shibata2011).

Der Ansprechpartner für Deutschland ist Tobias Bachhausen, der seit 1.12.2011 mit „Be- ziehungen-pflegen GmbH“ offizieller Händler ist und seitdem zirka 50 Robben verkauft hat (vgl. Schmidt2012). Zu den „Robben-Angeboten“ der GmbH zählen der „Besuchs- robbendienst“, das Mieten sowie der Verkauf der Robbe. Seit Frühjahr 2012 gibt es in Deutschland ein Wissensnetzwerk „www.fairfindung.de“. Das ist eine Plattform, die es Einrichtungen, die Paro nutzen, ermöglicht sich auszutauschen (vgl. Bachhausen). Auf die- ser Grundlage lässt sich sagen, dass weltweit mehr als 2000 Robben verkauft wurden.

Im deutschen Vertrieb kostet Paro derzeit 4799 Euro und beinhaltet ein Zertifikationstrai- ning für zwei Mitarbeitern (vgl. BachhausenInfo2012). Auf der Webseite von Japan- trend- shop kostete die Robbe ohne Schulung 3578 Euro zuzüglich Versandkosten (Stand Februar 2013) (vgl. Japantrendshop2013). Entgegen diverser Kritiken bezüglich des Preises betont Dr. Shibata, dass die laufenden Kosten gering seien und Paro so konzipiert sei, dass er min- destens 10 Jahre halte (vgl. Shibata2010a). Die technische Robustheit, Sicherheit und Qua- lität von Paro wird in verschiedenen Tests, wie z.B. Streichel-, Fall- und Spannungstests, überprüft, bevor Paro ausgeliefert wird. Da er über eine hohe Qualität verfügt, trägt er, als einziger Vertreter der SAR das europäische CE Gütesiegel (vgl. Gelderblom2010). Weil das Forschungsfeld der sozio-emotionalen Robotik noch relativ jung ist, ist es nachvoll- ziehbar, dass bis zum Jahre 2009 hauptsächlich Arbeiten zu dieser Thematik im Bereich der Robotik veröffentlicht wurden, statt in medizinischen Fachjournalen. Seitdem ist das Inte- resse und die Forschungsaktivität stark gestiegen, weswegen der Springer Verlag ab 2009 das „International Journal of Social Robotics“ eröffnet hat (vgl. Pedersen2011).

Prof. Klein von der Fachhochschule Frankfurt am Main im Fachbereich der Sozialen Arbeit und Gesundheit gilt in Deutschland als „Pionierin“ in der Erforschung und Anwendung der sozialen Roboter. Sie begleitet derzeit den Einsatz der Robbe in einer Spielgruppe für Kin- der mit Entwicklungsdefiziten, sowie bei älteren Menschen in Pflegeheimen und mit de- menziellen Veränderungen. Sie sagt: „Wichtig ist es zu erforschen welche Wirkung die Therapie tatsächlich auf die Patienten, aber auch auf die Arbeitssituation von Beschäftigten hat.“ (O)(AFI2011). Allerdings gibt es von Prof. Klein noch keine spezifischen Studien die Ergebnisse von der Untersuchung in Anwendungsfeldern zu Paro beschreiben.

Neben Prof. Klein gibt es weitere Forschungsgruppen, die Paros Effekte untersuchen. Der Anhang enthält einen Überblick über die in den nächsten Abschnitten genutzten Quellen, da nicht alle im Text direkt zitiert werden. Die Namen die bei der Recherche am häufigsten „auftraten“ sind folgende:

- Takanori Shibata, Universität Tsukuba (Japan)
- Patricia Marti, Universität Siena (Italien)
- Sherry Turkle, Massachusetts Institute of Technology (MIT) (USA)
- Gert J. Gelderbloom, Zuyd Universität Heerlen (Niederlande)
- Lorna Guse und Angela Osterreicher, Universität Manitoba, Winnipeg (Kanada)
- Soren Tramberg Hansen, DTI (Dänemark)

Im Anhang Seite 13 befindet sich ein Überblick zur Herkunft der Forschungsgruppen.

Das DTI nimmt nicht nur im Vertrieb, sondern auch in der Forschung eine wichtige Rolle in Europa ein. Es untersuchte im Rahmen des „Be Safe Projekts“ die Effizienz roboterthe- rapeutischer Hilfsmittel und versucht deren Gebrauch zu professionalisieren und zu zertifi- zieren. Damit eng verknüpft ist „The Paro-Project“, ein „ganzheitlich angelegtes Projekt“, bei dem der praktische Gebrauch von Paro bei Älteren und Personen mit geistiger Behinde- rung in Nordeuropa systematisch untersucht wird (vgl. Hansen2010). Auch wenn die Er- gebnisse dieser Projekte zeigen, „[…] dass die Roboterrobbe erfolgreich bei Personen mit verschiedenen kognitiven Erkrankungen sowie Verhaltenstörungen eingesetzt werden [kann]“, konnte während der Literaturrecherche keine wissenschaftlichen Quelle hierfür gefunden werden (O)(BachhausenInfo2012, S.1). „Ein weiteres Grundproblem ist, dass die meisten Quellen nur auf Dänisch sind.“ (Hansen2010, S.150). Deshalb konnten keine Er- gebnisse und Quellen des DTI in dieser Arbeit verwendet werden.

Paro ist ein Forschungsthema in verschiedensten Regionen der Erde. Während sein „Mut- terland“ Japan dafür bekannt ist, dass Roboter einen besonderen Stellenwert besitzen und vor allem positiv angesehen werden, sind diese in Europa und den USA eher negativ asso- ziiert (vgl. Leis2005 & Shibata2009a). Um die Sichtweisen und Meinungen zu Paro in Ländern, die sich bezüglich ihrer Kultur und Religion unterscheiden, zu analysieren, hat das Forscherteam von Shibata eine Länderstudie durchgeführt, die im nachfolgenden Unterkapitel vorgestellt wird.

3.3 Studie: Meinungsumfrage zu Paro in verschiedenen Ländern

Im Zeitraum von 2000 bis 2008 wurde in 7 Ländern eine Umfrage durchgeführt. Ziel war es, die subjektiven Einschätzungen von den Teilnehmern zur Interaktion mit Paro zu erfah- ren und statistisch zu analysieren. Besonderes Interesse bestand in der Frage: Wie wirkt sich Paro auf das gemischte Publikum aus? Dafür haben insgesamt 1419 Teilnehmer Ein- schätzungsbögen in verschiedenen Ausstellungen in den Ländern Japan, Brunei, Italien, Schweden, Großbritannien, USA und Südkorea, ausgefüllt (vgl. Shibata2009a) (s.A. S.14). Die Untersuchung fand in einem abgeschotteten Raum der jeweiligen Ausstellungen statt. Nach einer fünfminütigen Einführung zu Paro konnten alle Teilnehmer zirka 20 Minuten mit Paro interagieren. Danach hatten sie etwa 5-10 Minuten Zeit, um einen Einschätzungs- bogen auszufüllen, in dem sie 13 Aussagen bewerten sollten (s.A. S.15).

Die Ergebnisse der Studie zeigen ähnliche Bewertungen in den 7 Ländern. So wurden die Aussagen „Paro ist niedlich.“, „ Ich möchte ihn streicheln.“ und „Ich mag ihn.“ von allen sehr hoch bewertet. Lediglich die Aussage „Ich möchte mit ihm sprechen.“ wurde in England, Schweden und Italien schlechter bewertet als in den anderen Ländern, da Paro die entsprechenden Amtssprachen zu diesem Zeitpunkt nicht verstand und dementsprechend nicht auf Lob- oder Begrüßungsworte reagieren konnte (vgl. Shibata2009a).

Die Teilnehmer aus Japan und Südkorea haben die Aussage „Paro erweckt den Eindruck Interaktion zu fördern“ sehr hoch bewertet, während die Teilnehmer aus Großbritannien, Schweden und Italien bevorzugt die Aussage „Die Interaktion mit Paro gibt mir das Gefühl mit einem lebendigen Tier zu interagieren“ hoch bewerteten. Diese verschiedenen Bewer- tungen der Aussagen zwischen asiatischen und europäischen Ländern erklären die Autoren damit, dass Paro aus europäischer Sicht oft mit einem Tier als therapeutisches Medium, je- doch aus asiatischer Sicht mit einem Tier im Sinne eines Gefährten, assoziiert würde. In asiatischen Ländern würden Tiere als Gefährten akzeptiert, aber nicht als therapeutisches Medium. Die Teilnehmer aus Brunei und den USA, und dabei vor allem Frauen, bewerteten beide Faktoren sehr hoch. Das zeige, dass Paro als therapeutisches Mittel akzeptiert wird.

„[…] Auch in einem islamischen Land wie Brunei […] wurde Paro mehrheitlich akzeptiert- über religiöse Grenzen hinaus. […] [Insgesamt] tendierten die Frauen im Vergleich zu den Männern dazu, [Paro deutlich] besser zu bewerten.“(Shibata2009a, S.455). Paro ist in den meisten Ländern als therapeutisches Medium, vorwiegend in Pflegeeinrich- tungen angedacht. Nur in Japan wird Paro überwiegend von Privatpersonen gekauft. Die Gründe hierfür werden in einer Studie des Herstellers im nächsten Unterkapitel vorgestellt.

3.4 Studie: Befragung von Privatkäufern und Nutzern von Paro

Die folgende Studie befasst sich mit den Fragen: Wer sind die potenziellen Käufer von Paro? Welche Motive haben sie für diesen Kauf? und Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen den Käufern bezogen auf bevorzugte Interaktionen mit Paro? Um diese Fragen zu klären, ließen die Hersteller allen Privatkunden in Japan einen Fragebogen zukommen. Von zirka 900 Käufern (Stand 2010) antworteten 85, darunter 72 Prozent Frauen (vgl. Shibata2010b & Shibata2009b). Die Befragung wird seitdem weiterhin durchgeführt. Der Fragebogen beinhaltet sowohl Multiple-Choice-Fragen als auch offene Fragestellungen. Neben den persönlichen Daten werden Fragen über die Zuneigung zu Tieren, zum Besitz von Haustieren und zu Paro gestellt (s.A. S.16).

Über 70 Prozent der Privatbesitzer waren im Jahr 2010 älter als 60 Jahre. Die meisten Käu- fer waren verheiratete Paare, gefolgt von alleinlebenden Menschen und Mehrpersonen- haushalten. Das Profil des „potenziellen Käufers“ in Japan sind Frauen, die früher Tiere hatten und jetzt keine mehr halten können (vgl. Shibata2009b). Der hohe Frauenanteil bei den Besitzern wurde damit erklärt, dass Paro durch sein Verhalten, seiner äußeren Erschei- nung, besonders dem weichen Fell, „Muttergefühle“ ansprechen würde(vgl. Shibata2009a). Zwischen den Geschlechtern konnten keine unterschiedlichen Beweggründe für den Kauf von Paro festgestellt werden. Tabelle 1 zeigt die 6 am häufigsten genannten Gründe.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Die 6 häufigsten Gründe für den Kauf von Paro (mehrfaches Ankreuzen erlaubt) (Shibata2009b, S.4)

Der Hauptgrund, der von den meisten Käufern angegeben wurde, war ein erwarteter Gene sungseffekt. Das steht im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus anderen Paro-Studien (vgl. Shibata2009a), dass in Japan die Tierroboter eher als Haustierersatz, statt als Therapiemedium wie z.B. in europäischen Ländern genutzt werden.

Die anderen 5 Gründe zeigen, dass Paro gekauft wurde, weil er ähnliche Attribute wie ein Haustier erfüllt, aber auch gewisse Vorteile bietet, wie z.B. weniger Pflege bedarf, kein Leid hat und immer „bereit“ ist, Zuwendung zu empfangen. Ein Ziel von Paros Entwicklung war es, Haustiere in gewisser Weise ersetzen zu können (vgl. Shibata2009b). Negative Anmerkungen der Käufer bezogen sich auf Paros hohes Gewicht und auf seine kurze Betriebszeit von eineinhalb Stunden bei vollgeladener Batterie. Außerdem wünschten sich einige Nutzer, dass Paro über ein besseres Sprachverständnis verfügen solle. Eine Auswertung der Ergebnisse befindet sich im Anhang (s.A. S.16).

Die Autoren merken an, dass die Ergebnisse der 85 Antwortbögen keine allgemein gültigen Aussagen sind, sondern lediglich Tendenzen aufzeigen (vgl. Shibata2009b).

3.5 Motivation für die Forschung an der sozialen Robotik

Paro wurde aus der Motivation heraus entwickelt ein lebendig erscheinendes Wesen zu er- schaffen, um damit die Mensch-Roboter-Interaktion (MRI) zu untersuchen (vgl. Shiba- ta1996). Zunächst wurden Katzen- und Hunde-Roboter gebaut, die allerdings gewöhnliche Haustiere sind und somit auf Vorerfahrungen der Nutzer treffen, die auch negativ sein kön- nen (vgl. Shibata2001a). Deshalb haben Dr. Shibata und sein Team eine Robbe gewählt, weil an diese kaum Vorstellungen und Erfahrungen geknüpft sind, was einen unvoreinge- nommenen Umgang mit ihr unterstützt (vgl. Shibata2011 und Shibata2001a). Die Realisie- rung eines lebendig wirkenden Tierroboters, welcher dem Menschen eine Interaktion er- möglicht, die sich „echt“ anfühlt, eröffnete die Möglichkeit Tiere in gewisser Weise zu er- setzen. Im Gegensatz zu einem echten Tier benötigt ein Tierroboter kein Futter, ist immer stubenrein und stets verfügbar. Das kann als Vorteil gesehen werden, vor allem für Men- schen die zu Hause kein Tier halten oder die Verantwortung dafür nicht mehr tragen kön- nen oder dürfen. Shibata argumentiert damit, dass Krankenhäuser in Japan keine Tiere zu- lassen und somit tiergestützte Therapie, (animal-assisted therapy (AAT)), und tiergestützte Aktivität (animal-assisted activity (AAA)) nicht erlaubt sind, obwohl die positiven Effekte bekannt sind (vgl. Shibata2009a und Shibata2008). Paro wird als Lösung vorgestellt, die es ermöglicht eine tiergestützte Therapie mit einem Tierroboter durchzuführen.

Die Entwickler sehen einen Vorteil darin, dass zum einen Infektionen, Kratzer und Bisse vermieden werden und zum Anderen ein vergleichsweise geringerer Betriebsaufwand nötig ist, um ähnliche Therapieformen zu ermöglichen. Damit wird der Weg für die roboter- gestütze Therapie (robot-assisted therapy, RAT) und die robotergestützte Aktivität (robot- assisted activity, RAA) geebnet. Die Forscher sehen somit eine Anwendung für SAR wie Paro in den Anwendungsbereichen der tiergestützen Therapie (vgl. Shibata2001a). Ein gro- ßes Anwendungsgebiet ist dabei der Gesundheits- und Pflegebereich, der in den letzten Jahrzehnten durch die wachsende Bevölkerungsgruppe älterer, pflegebedürftiger Menschen unter Druck geraten ist (vgl. Shibata2004c). Vor allem demenzielle Erkrankungen werden laut Statistiken der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis 2050 auf 115,4 Millionen deutlich steigen und den Pflegesektor vieler Länder vor noch höhere finanzielle und perso- nelle Herausforderungen stellen (vgl. WHO2012). Länder wie beispielsweise Japan sehen in technologischen Neuentwicklungen eine Möglichkeit diesen Bedarf aufzufangen. Die japanische Regierung reagierte auf die Bevölkerungskrise, indem sie Roboter zur nationa- len Aufgabe erklärte (vgl. Wagner2010). Ebenso handelte die dänische Regierung auf An- raten des DTI und wollte bis Ende 2011 1000 Robben zum Einsatz im Pflegewesen kaufen (vgl. Shibata2010c). Auch wenn bisher „nur“ 250 Stück gekauft wurden, zeigen diese Bei- spiele, dass die Politik den Einsatz von sozialen Robotern als Lösungsmöglichkeit für die Auswirkungen der zunehmend alternden Bevölkerung diskutiert und teilweise umsetzt (vgl. DTI2012). Auch in der deutschen Politik sind diese Ansätze ein Thema:

„Je mehr Aufgaben die künstlichen Helfer übernehmen, desto mehr versprechen sich die Forscher große Einsparungen bei den Gesundheitsausgaben, sowie eine geringe Belastung der Angehörigen und Pfleger. Vor allem sollen die Alten und Kranken durch den Kontakt mit den elektronischen Haustieren in eine bessere seelische Verfassung versetzt werden.“ berichtet Professor Dr. Wippermann in einer Veranstaltung der Senioren Union der CDU in NRW (O)(Wippermann2004, S.20).

Zusammengefasst bedeutet das, dass Paro zum einen im Rahmen der RAT zur Optimierung der AAT dienen könnte und zum anderen von den Forschern und der Politik als Lösungsan- satz für die (Pflege-)Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft gesehen wird. Im folgenden Kapitel wird untersucht, inwiefern die Wirkungen von Paro in wissenschaftli- chen Studien belegt sind.

4 Anwendungsbereiche

4.1 Kurze Erläuterung zur methodischen Vorgehensweise

Ziel dieser Arbeit ist es, Anwendungsfelder von Paro zu identifizieren und seine Wirkungen zu erfassen. Auf der Grundlage einer Recherche in der Fachliteratur werden die bisherigen Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien zusammengefasst. Auffällig ist, dass es relativ wenige Studien gibt, die sich mit der Anwendung von Paro befassen. So konnten keine einschlägigen Anwendungsstudien aus deutschen Forschungseinrichtungen und, wie bereits in Kapitel 3 erwähnt, auch keine Studie des DTI in diese Arbeit einbezogen werden. Die ermittelten Studien befassen sich ausschließlich mit der Untersuchung und Wirkung von Paro im Bereich des Gesundheitswesens, speziell der Altenpflege. Einige wenige Studien untersuchen den Einsatz im Bereich der Therapie von Kindern. Dieses Kapitel ist entsprechend nach „Älteren Menschen“ und „Kindern“ gegliedert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Übersicht der verwendeten Studien, sortiert nach der Abfolge in der Arbeit (Strehl) Tabelle 2 listet die Studien, die in dieser Arbeit benutzt wurden, in der Reihenfolge auf, in der sie in der Arbeit erwähnt werden. Kern der Untersuchung ist die Zusammenstellung der Ergebnisse. Daher werden die Studien teilweise nicht an einem Stück und ausführlich dar- gestellt, sondern auf die Methoden und Ergebnisse reduziert. Wenn z.B. eine Forschergrup- pe in mehreren Studien die gleiche Methode anwendet, so werden alle Erkenntnisse dazu zusammengestellt. Um eine gute Lesbarkeit und Orientierung zu gewährleisten, werden die Ergebnisse im Text, durch die in Spalte 1 angegebenen „Kürzel“, den Studien zu geord- net. Im Anhang befindet sich ab Seite 2 eine Auflistung der Quellen zu den Studien.

Kapitel 4.2 befasst sich mit der Anwendung Paros in der Pflege von älteren Menschen und soll dazu beitragen, zu klären, in wiefern solche Roboter das Leben von pflegebedürftigen Menschen positiv beeinflussen können.

4.2 Ältere Menschen

4.2.1 Ambulante und stationäre Einrichtungen für Senioren

Paro wurde hauptsächlich in Studien genutzt, die sich mit älteren Menschen befassen. Es gibt vor allem eine Vielzahl von Veröffentlichungen von Dr. Shibata und seinem Team, die Kurz- und Langzeitstudien in Japan präsentieren, welche in ambulanten und stationären Einrichtungen durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich um die Studien S1 bis S4. Das Ziel der Autoren dieser Studien war es, Erkenntnisse zu den psycho- und physiologischen Einflüssen von Paro auf die MRI und für die Designtheorie von therapeutischen Robotern zu gewinnen. Außerdem sollte eine Methodologie von RAT und RAA entwickelt werden (vgl. Wada2004a).

Vor jeder Studie führte das Pflegepersonal mit den freiwilligen Teilnehmern ein Mini- Mental-State-Examination (MMSE) oder die überarbeitete Hasegawa-Demenzskala (HDSR) durch, um eine mögliche Demenz und deren Grad festzustellen (s.A. S.18). In al- len 4 Studien hatten etwa ein Viertel bis ein Drittel der Teilnehmer Demenz. Auch wenn der Anteil der Demenzerkrankten bekannt war, wurden die vorgestellten Ergebnisse nicht nach „dement“ und „nicht-dement“ differenziert, sondern vermischt und pauschal bewertet. In allen Einrichtungen lag der Anteil der Frauen zwischen 80 und 100 Prozent.

Die Quellen, die diese Untersuchungen beschreiben, erwähnen keine näheren Details zur methodischen Durchführung oder Begleitung der Interaktion mit Paro durch Pflegekräfte. Um die Effekte von Paro zu erfassen, wurden eine physiologische Untersuchungsmethode und mehrere Selbsteinschätzungs- und Beobachtungsmethoden verwendet. Die physiologische Methode war ein Urintest, bei dem Urinproben von den Teilnehmern genommen und auf die Hormonwerte 17-OHCS und 17-KS-S untersucht wurden (Studien S1 bis S4). Der 17- OHCS-Wert gilt als Stressindikator und steigt bei zunehmendem Stress an. Der 17-KS-S-Wert steht für die Fähigkeit, Stress abbauen zu können und verringert sich mit zunehmendem Alter oder bei Krankheit (s.A. S.19). Die Werte vor der Einführung von Paro galten als „Referenz“. Am Morgen nach der Interaktion mit Paro wurde der Urin gesammelt und die dabei gemessenen Änderungen als Effekt von Paro bewertet (vgl. Sai- to2002a). Auch wenn das Ergebnis der Studien zeigt, dass Paro den Stress der älteren Menschen, vor allem bei denen die Paro mochten, positiv beeinflussen konnte, sind die Datenerhebungen und Auswertungen nicht immer nachvollziehbar.

In allen Studien sank die Teilnehmeranzahl rapide ab und über einen langen Zeitraum war es, aus nicht (immer) nachvollziehbaren Gründen, unmöglich gewesen, regelmäßig Urin von den Probanden zu nehmen. Beispielsweise sank die Teilnehmerzahl in einer Tagesstätte für ältere Menschen (S1) von anfänglich 20 auf 7 Teilnehmer nach 5 Wochen ab, weil nicht regelmäßig Urin abgenommen werden konnte. Von den 7 Personen schlossen die Autoren noch zwei weitere nach der 5 Woche der Studie aus, weil sie „[…] von Anfang an kein Interesse gehabt hatten.“ (Saito2002a, S.319).

In einem anderen Fall zielte die Urinuntersuchung darauf ab, verschiedene Wirkungen zwi- schen dem originalen und einem manipulierten Paro2, welcher ein einfacheres Verhalten aufwies, zu untersuchen (S2). Auch dabei sank die Teilnehmeranzahl rapide ab, weswegen die Unterschiede der beiden Paros vernachlässigt und die Urinwerte der zwei Gruppen vermischt wurden. Anschließend fand eine Eingruppierung der Probanden in jene die „Paro mögen“ und jene die „ihn nicht mögen“ statt und die Autoren stellten eine Kausalität zwi- schen den Urinwerten und dem Verhältnis der Probanden zu Paro her. Diejenigen, die Paro mögen, haben verringerte Stresswerte im Urin, während für die, die Paro nicht mögen keine positiven Effekte für den Stressabbau beobachtet werden konnten (vgl. Saito2002b).

In der Studie S3 schreiben die Autoren nach einer deutlichen Verbesserung der Stresswerte zu Beginn der Studie, dass die „[…] Interaktion mit Paro und die Interaktion durch Paro mit anderen Menschen […] die physiologische Reaktion der lebenswichtigen Organe [verbessern].“(Wada2006b, S.3971). Nach 10 Wochen zeigte sich, dass im Gegensatz zu dem Anstieg während der ersten 4 Wochen die Stresswerte im Urin leicht gesunken waren. Die Autoren erkennen darin eine Gewöhnung an die Robbe (vgl. Wada2008).

Neben der physiologischen Stressevaluierung bestand eine weitere Methode in der direkten Befragung der Probanden mittels diverser Selbsteinschätzungsinstrumente. Dazu zählte die Gesichtsskala, die Profile of Mood States (POMS), die Geriatric Depression Scale (GDS) und eigene Bewertungsbögen. Zusätzlich wurden Beobachtungen durch das Pflegepersonal und Videoanalysen durchgeführt. Auch bei den Selbsteinschätzungsmethoden konnten kei- ne vollständigen Datensätze von allen Probanden erhoben werden und es ist fraglich, ob (schwer) Demenzkranke der Aufgabenstellung folgen konnten. Mit einem selbsterstellten Fragebogens sollte untersucht werden, welche Bedeutung Paro von den Probanden beige- messen wurde. Die Teilnehmer der Studie S4 sollten sich für eine der folgenden Aussagen entscheiden: „Paro ist wichtig.“, „Paro ist mir egal.“ und „Paro ist mir wichtig, wenn ich ihn brauche.“. Während 7 von 8 Teilnehmern nach einem Monat „Paro ist wichtig.“ bewer- teten, waren es nach zwei Monaten nur noch 4. Je zwei Teilnehmer entschieden sich für „Paro ist mir wichtig, wenn ich ihn brauche.“ und „Paro ist mir egal.“. Auch hier wird ein Gewöhnungseffekt als Grund für die Änderung genannt (vgl. Wada2007a) (s.A. S.24).

Ein weiterer Fragebogen sollte die Entwicklung des Vertrauensverhältnisses jedes Proban- den zu Paro untersuchen (S1 bis S3). Die Fragebögen haben 3 Items, die mit 0 bis 4 bewer- tet werden können. Dabei steht 0 für „Ich stimme gar nicht zu.“ und 4 für „Ich stimme voll und ganz zu.“. Die zu bewertenden Aussagen waren „Ich mag Paro.“, „Ich spreche mit Pa- ro.“ und „Paro ist für mich wie ein Kind oder Enkelkind.“. Dabei zeigte sich, dass das Ver- trauen der Probanden zu Paro stetig zunahm. Beispielsweise stieg die Bewertung der Aus- sage: „Paro ist für mich wie ein Kind oder Enkelkind.“ stark bei allen Probanden an (vgl. Wada2003b). Offen bleibt, ob die Evaluation der Entwicklung von Vertrautheit mit Hilfe dieses einfachen Fragebogens tatsächlich erhoben werden kann (s.A. S.24).

Die Gesichtsskala (s.A. S.26) dient zur Selbsteinschätzung des Befindens, wobei der Pro- band aus 20 bzw. bei der vereinfachten Form aus 7 Gesichtern, die je eine andere Stufe des Befindens kennzeichnen, ein Gesicht auswählt, das seinem Befinden entspricht (vgl. Wa- da2002a und Wada2005a). Die Probanden bewerteten (in den Studien S1 bis S3) ihr Befin- den nach der Interaktion mit Paro immer besser als vor der Interaktion. Dieser Effekt zeigte sich über den gesamten Untersuchungszeitraum der Studien. Entgegen den Erwartungen der Autoren trat diese Verbesserung sowohl mit dem originalen als auch mit dem manipulierten Paro ein (S2) (vgl. Wada2002a).

Die Autoren erwägen drei unterschiedliche Erklärungen hierfür: Zum einen könne die kurze Interaktionszeit der einzelnen Teilnehmer mit Paro ein Grund dafür gewesen sein, dass die stets gleichen Reaktionen des manipulierten Paros auf die verschiedenen äußeren Stimuli nicht erkannt worden waren. Zum anderen wird behauptet, dass ältere Menschen die Funktionsweisen von Paro wegen fehlender Neugier nicht hinterfragen würden und somit auch nicht die Manipulation der Robbe erkannt hätten (vgl. Shibata2004c). Außerdem glauben die Autoren „[…] dass die Menschen [die mit dem originalen Paro interagierten] Paro möglicherweise als unfreundlich empfanden, weil er zu viele verschiedene Reaktionen […] auf gleiche äußere Stimuli zeigte.“ (Wada2003c S.4001).

Zusätzlich wurde eine Korrelation zwischen einigen Ergebnissen der Gesichtsskalenunter- suchung und des Vertrautheitsfragebogens festgestellt: Für diejenigen Probanden, die vor dem Experiment einen Gesichtsskalenwert von 10-12 (d.h. mäßige bis schlechtere Laune) aufwiesen, wird eine Proportionalität zwischen der Vertrautheit zu Paro und der Verbesser- ung des Befindens formuliert (vgl. Wada2003b). Allerdings hatten nur 4 der 18 Teilnehmer einen Gesichtsskalenwert von 10-12 angegeben. Mit Hilfe der Abbildung 2 zeigen die Au- toren die Proportionalität, die für 3 der 4 ausgewählten Probanden zutrifft (S3).

Abb.2: Änderung der Gesichtsskalenwerte & die Vertrautheit zu Paro (Wada2003b, S.117) In S3 wurde eine vereinfachte Version der Geriatrischen-Depressions-Skala (GDS) angewendet (s.A. S.30). Hierbei handelt es sich um einen Fragebogen, der mittels „Ja-“ oder „Nein-“ Antworten von 15 Fragen den psychischen Zustand hinsichtlich einer möglichen Depression oder depressiven Verstimmung untersucht (vgl. Sheiko1986). Die durchschnittlichen GDS-Werte von 14 Probanden blieben über den gesamten dreimonatigen Untersuchungszeitraum konstant. Lediglich bei einer 89-jährigen Frau mit leichter bis mittlerer Demenz waren die GDS-Werte deutlich verbessert (vgl. Wada2005a).

Eine weitere angewandte Selbsteinschätzungsmethode ist die „Profile of Mood States“ (POMS). Das ist ein Fragebogen, in dem die Probanden 65 Adjektive bewerten, um die 6 Gemütszustände Anspannung, Depression, Wut, Ermüdung, Verwirrung und Aktivität mittels einer 5 Punkte-Skala zu messen (vgl. Shibata2001b) (s.A. S.28).

Für 4 Gemütszustände gab es durch die Interaktion mit Paro in keiner Studie signifikante Veränderungen (S1 bis S3). Eine deutlich positive Tendenz wurde für den Punkt „Depres- sion“ im Rahmen der Studie S3 festgestellt. Außerdem gab es gegensätzliche Tendenzen in der „Aktivität“. Einerseits steigerte sich die „Aktivität“ der Probanten (S1), was als aktivie- rende Wirkung von Paro bewertet wurde, während in der Studie S2 die „Aktivität“ sinkt und als Beruhigungseffekt von Paro gedeutet wird (vgl. Wada2002b und Wada2002a).

Allerdings beobachtete auch das Pflegepersonal eine erhöhte Aktivität. Sie beschreiben die Teilnehmer als freudiger und kommunikativer. Paro wurde zum Gesprächsgegenstand von den Probanden und Pflegern, und die Antriebsarmut und Weg-Lauf Tendenzen einiger Pro- banden wurden vermindert (S1) (vgl.Wada2002b). Zum Beispiel, sagte ein Mann als er Pa- ro sah: „Papa ist gekommen.“ und lachte sehr oft und eine Frau sang für Paro ein selbst- erdachtes Lied (Saito2002b, S.4). Gleichzeitig bemerkten die Pfleger bei den Probanden entspanntere Gesichtsausdrücke als vor der Interaktion mit Paro (vgl. Wada2004a).

Mit Hilfe von Videoanalysen sollten die Einflüsse auf die Veränderung der „Aktivität“ untersucht werden. Handlungen, wie z.B. das Streicheln und das Ansprechen von Paro wurden somit quantitativ erfasst und dabei erfragt, ob und welche Erfahrungen die Probanden mit Tieren hatten. Es wurde festgestellt, dass nach zwei Wochen das Alter der Probanden, sowie die Dauer und die Anzahl von Streichelaktivitäten mit der Bewertung der „Aktivität“ korrelieren würden. Nach 5 Wochen seien stattdessen die Erfahrungen mit eigenen Tieren und wie oft mit Paro gesprochen wurde, für die Bewertung der Probanden bezüglich ihrer Aktivität ausschlaggebend gewesen (S2) (vgl. Wada2002c).

Die Kausalität der Untersuchungsmethoden und Ergebnisse ist in diesem Fall zwar nicht nachvollziehbar, dennoch erklären die Autoren dieses Ergebnis wie folgt: Die Quantität der Interaktion, vor allem zu Beginn einer Beziehung mit Paro, sei wichtig für die Entstehung von „Aktivität“ während im Laufe der Zeit dafür die Qualität der Beziehung an Bedeutung gewinne. Dieses Ergebnis werde zusätzlich noch durch den Neuheitseffekt am Anfang be- einflusst.

Abb.3: Veränderung der Anzahl der Äußerungen zu Paro pro Minute (Wada2005b, S.329) Die Autoren schließen daraus, dass das Interesse an Paro deutlich nachlassen kann, wenn die Beziehung nicht von Anbeginn in ihrer Qualität zunimmt (vgl. Wada2002c). In einer anderen Videoanalyse (S3) wurden die Sprechereignisse pro Person, während der Interaktion mit Paro quantitativ erfasst. Abbildung 3 zeigt die quantitative Änderung der Sprechereignisse zu Beginn und am Ende des Untersuchungszeitraumes. 4 Personen zeig- ten nach einem Jahr regelmäßiger Interaktion mit Paro eine erhöhte Kommunikation.

Die Erhöhung der Kommunikationsfähigkeit und die damit verbundene Steigerung der so- zialen Kontakte, wurde in S4 mit Hilfe von Netzwerkkarten untersucht (s.A. S.23). Vor der Einführung von Paro und 4 Wochen danach, fand eine Analyse des Beziehungsnetzwerkes zwischen den Probanden statt und somit konnte jeweils eine Netzwerkkarte konstruiert werden (vgl. Wada2006b). Diese zeigten, dass sich die Netzwerkdichte der Teilnehmer (von 0.24 auf 0.27) nach einem Monat erhöht hatte. Das bedeutet, dass die Quantität der sozialen Beziehungen bei den Teilnehmern durchschnittlich gestiegen ist. Der Vergleich der Netzwerkkarten nach zwei Monaten zeigte gleiche Tendenzen, auch wenn hier nur noch 9 Probanden in die Analyse einbezogen werden konnten. Insgesamt berichten die Teilneh- mer von einer helleren Atmosphäre und, dass Beschimpfungen untereinander nachgelassen hätten. Zwei Teilnehmer hatten keine Beziehung zu Paro aufgebaut. Der einzige Mann, der an dieser Studie teilnahm sagte: „Ich bin zu alt, um von so einem Ding entspannt (durch das Spielen) zu werden.“ und eine Frau fügte hinzu „Ich kann nicht unbedacht mit einem Robo- ter interagieren. […] ich mag herzlos erscheinen.“ (Wada2006b, S.3970). Die anderen Teil- nehmer hatten hingegen eine mittlere bis starke Bindung zu Paro entwickelt. Auch hier wurde die Interaktion mit Paro auf Video aufgenommen. Das „Wann“ und das „Wie“ der Interaktion mit Paro, welcher in einem öffentlichen Bereich platziert war, konnte von den Bewohnern individuell bestimmt werden. Die Videos wurden hinsichtlich der Aufenthalts- dauer analysiert und ergaben, dass diese sich zunächst deutlich gesteigert hat, was an den langen Interaktionen mit Paro lag. Nach 4 Wochen wurde ein „Gewöhnungseffekt“ von den Autoren statuiert, da die Aufenthaltsdauer der Teilnehmer im öffentlichen Bereich bei Paro leicht zurückgegangen war. Dennoch blieb die Interaktion zwischen den Bewohnern deut- lich erhöht (vgl. Wada2006c). Ein Jahr nach Paros Einführung in der Einrichtung haben die Bewohner insgesamt eine höhere soziale Dichte. Die Autoren schließen daraus: „[...] dass Paro die Kommunikation der teilnehmenden Bewohner gefördert hat, wodurch möglicher- weise das Risiko von Krankheiten und kognitiven Verschlechterungen verringert wird.“ (Wada2009a, S.391). Beispielhaft werden im Anhang (s.A. S.36) ein einmonatiges und ein einjähriges Fallbeispiel für die positiven Auswirkungen auf zwei Paro-Nutzer aus S3 vorgestellt.

Die bisher erläuterten Ergebnisse stammen aus den Studien S1 bis S4, die in 38 Procee- dings und 8 Journal-Papern (s.A. S.2-9) vielfach beschrieben sind. In einem Review von 2013 wird dieser Sachverhalt wie folgt bewertet:

„Es ist oft schwierig das Design der Studien eindeutig zu durchschauen und zu entschlüsseln, welche die original primären Studien und welche nur Teile von der gleichen Studie sind.“ Außerdem wird kritisiert: „Zusätzlich, arbeiten die Autoren dieser Veröffentlichungen mit dem Erfinder von Paro, der Roboterrobbe, zusammen. Eine unabhängige Wiederholung der Studien durch andere Gruppen würde den wissenschaftlichen Wert dieser Ergebnisse stärken.“ (Mordoch2013, S.18).

Tatsächlich gibt es einige wenige Studien, die von unabhängigen Forschungsgruppen durchgeführt wurden. Die Studie S5, die ähnlich wie die „Shibata-Studien“, die Robbe in Pflegeeinrichtungen auf ihre Wirkung untersucht, wurde von Sherry Turkle und ihrer For- schungsgruppe vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) durchgeführt. Diese Feldstudie wurde in Boston in zwei Altenpflegeheimen durchgeführt, welche über „gegen- sätzliche“ personelle und finanzielle Rahmenbedingungen verfügten. Im Gegensatz zu den oben genannten Studien waren während der Interaktion in dieser Untersuchung stets ein Forscher und ein Pfleger anwesend. Genau dieser Sachverhalt stellte für eines der Pflege- heime eine große Herausforderung dar. Das finanziell schlechter ausgestattete Pflegeheim schied aufgrund des Personalmangels nach 3 von 8 Untersuchungseinheiten aus. Auch wenn die Ergebnisse dieses Pflegeheims unvollständig waren, flossen sie mit in die Aus- wertung ein (vgl. Taggart2005). Die Erkrankung Demenz wurde, wie in Shibatas Studien, ebenfalls nicht bei der Auswertung der Ergebnisse berücksichtigt.

Die Beobachtung und die Videoanalyse waren die zentralen Methoden, um die Wirkungen von Paro auf die Senioren bzw. Mensch-Roboter-Interaktion (MRI) zu untersuchen. Es wurden 3 verschiedene Settings, jeweils in Dreiergruppen, durchgeführt:

a) Paro angeschaltet

b) Paro ausgeschaltet

c) Kein Paro, sondern nur der Forschungsleiter und Pfleger (vgl. Taggart2005)

Die Auswertung der Ergebnisse für a) zeigt, dass bestimmte wiederkehrende Muster in den Interaktionen zwischen den älteren Menschen und Paro auftreten. Die Teilnehmer zeigten vielfältige Verhaltensweisen und reagierten oft überrascht, wenn sie erstmalig den Roboter sahen und in der Hand hatten. Auf Paros abrupte Bewegungen oder Laute zogen viele ihre Hand überrascht zurück. Anschließend realisierten die Menschen, dass sie es mit dem Verhalten eines „anderen Objekts“ zu tun haben (vgl. Taggart2005).

Die Forscher haben die Beobachtungen in 4 „Beziehungsmodalitäten“ eingeordnet:

1.Zuwendung und Abwendung von Paro:

Viele Teilnehmer wurden aktiv, sprachen mit Paro, streichelten ihn und stellten Fragen. Dies konnte auch bei nachfolgenden Sitzungen beobachtet werden, wenn der Neuheitseffekt erloschen war. 6 von 18 Teilnehmern haben sich abgewendet, da sie es zu „kindisch“ fanden und z.B. meinten: „Ich bin zu alt […] um mit Spielsachen zuspielen.“ (Taggart2005, S.59). Weiterhin wurde festgestellt, dass sich Teilnehmer, die generell keine Tiere mochten, oder die starke geistige Beeinträchtigungen haben, von Paro abwendeten.

2. Gemeinsame Teilhabe an der Interaktion mit Paro:

Teilnehmer, die Paro gern mochten, unterhielten sich auch gern über ihn. Pflegekräfte beobachteten, dass Paro die gegenseitige Teilhabe der Bewohner förderte.

3. Affekte:

Viele Teilnehmer zeigten Gefühle, indem sie Paros Rücken streichelten, ihn dabei küssten oder „Ich liebe dich, Paro.“ (Taggart2005, S.59) zu ihm sagten. Sie fanden ihn niedlich und behandelten ihn wie ein lebendiges Tier. Manche wollten ihn, da er eine Robbe ist, in der Wanne baden lassen, während andere Angst hatten, von ihm gebissen zu werden. Ein Teilnehmer versuchte Paro zu instruieren, den Forscher zu beißen.

4. Entdeckung:

Viele stellten dem Pfleger, dem Forscher oder Paro Fragen. Männer interessieren sich dabei für die technischen Details, während Frauen vorwiegend an der Tierart und dem Namen von Paro interessiert waren. Oft wurden geschlossene Fragen an Paro gestellt, in denen ihm Gefühle zugeschrieben wurden. Das nachfolgend gezeigte Verhalten von Paro wurde als entsprechende Antwort interpretiert.

Wenn Paro ausgeschalten präsentiert wurde, zeigte er kaum Wirkungen auf die Teilnehmer. Ihr Verhalten war ruhig und vergleichbar mit dem Verhalten gegenüber „[…] Objekten, wie es Furbies3, Aibos4, Kissmet5 und Cog6 [sind].“ (Taggart2005, S.60). Dennoch erweckte Paro die Neugierde der Teilnehmer und bewirkte Fragen, wie z.B. „Wo kommt er her?“ oder „Ist das eine Robbe oder ein Hund? (Taggart2005, S.59)“. Es wurde beobachtet, dass die soziale Aktivierung durch den aus- und den angeschalteten Paro ähnlich stark war.

Wenn Paro während der Sitzung nicht oder nur der Forscher sowie der Pfleger anwesend war, begannen die Bewohner von sich aus ein Gespräch mit dem Forscher. Er nahm die Rolle des „Neuen“ ein und erweckte das Interesse der Senioren.

Die Autoren sind der Meinung: „[…] dass die Anwesenheit des Forschers ein gleiches akti- vierendes Objekt ist, wie Paro.“(Taggart2005, S.59). Sie resümieren, dass Paro als sozialer Akteur oder aktivierendes Objekt in dem Leben älterer Menschen gesehen werden kann, welcher Neugier, Kommunikation und Affekte auslösen kann (vgl. Taggart2005).

Diese unabhängige Studie unterstützt die Ergebnisse, dass Roboter wie Paro positive Ein- flüsse auf ältere Menschen im Pflegebereich haben können und beantwortet damit tenden- ziell die Frage zu Beginn des Kapitels. Allerdings werden dabei keine konkreten Rück- schlüsse auf die Wirkung von Paro bei demenziell erkrankten Probanden geschlossen. Das folgende Kapitel stellt Studien vor, in denen alle Probanden demenziell erkrankt sind und versucht, Antworten auf die Frage „Roboter zum Kuscheln -Heilsam für Demenzkranke?“, die Anette Wagner im Titel ihrer Reportage stellt, zu finden (vgl. Wagner2011).

4.2.2 Einschlägige Demenzstudien

Sucht man in nichtwissenschaftlicher Literatur nach Berichten über Paro, trifft man, wie in der Einleitung bereits beschrieben, hauptsächlich auf Anwendungen im Zusammenhang mit Demenz. Und das, obwohl der größte Teil der Veröffentlichungen, die oben beschrieben wurden, nur teilweise demente Probanden behandelt. Deshalb wird in dieser Arbeit den ein- schlägigen Studien ein Unterkapitel gewidmet, damit keine „vermischten“ Ergebnisse fälschlich interpretiert werden.

Bei der Literaturrecherche konnten 4 Studien gefunden werden, welche ausschließlich die Wirkung von Paro auf demenziell erkrankte Menschen untersuchen.

Die Studien von Cook bzw. Marti nutzen, ähnlich wie Turkle, vor allem Beobachtung und Videoanalyse als Methode (vgl. Klein&Cook2012, Marti2006, Giusti2006). Die Ergebnisse von Cook, die in Großbritannien erzielt wurden (S6), ähneln den Ergebnissen der oben be- schriebenen Beziehungsmodalitäten und Beobachtungen in Shibatas und Turkles Studien. Beispielsweise knuddelten die Probanden Paro oft und sprachen ihn an, was aggressives Verhalten reduzieren und den Geist stimulieren könne. Weiterhin wurden Gefühlsausdrü- cke in Mimik und Gestik als Wirkung der Interaktion mit Paro interpretiert, die die soziale Interaktion stimulieren würden. Hierfür wird ein besonderes Beispiel einer schwer demen- ten Frau beschrieben, die 6 Wochen lang nicht gesprochen hatte. Durch Paro kam es zu ei- nem Gespräch mit einem anderen Teilnehmer, der sie auf ihr „niedliches Tierchen“ an- sprach worauf sie antwortete: „Ja, er ist süß“ (Klein&Cook2012, S.112).

Zusätzlich werden in dieser Veröffentlichung ähnliche Ergebnisse von Prof. Klein aus Deutschland erwähnt, die im Rahmen der studentischen Ausbildung entstanden sind.

[...]


1 Proceedings sind Fachveröffentlichungen, die im Rahmen von Konferenzen eingereicht werden. 2

2 Der manipulierte Paro zeigt ein eingeschränktes Verhalten, d.h. er kann nur mit den Augen blinzeln, die Vorder- und Rückflossen, sowie den Kopf bewegen und „heulen“ (proaktives Verhalten). Sein reaktives Verhalten besteht aus dem Bewegen des Kopfes, bei Stimulation und einem anders klingen- den „heulen“. Die beiden Robben waren für die Probanden zu keiner Zeit zusammen sichtbar.

3 Furby ist ein elektronisches Spielzeug, welches seit 1998 von der Firma HASPRO vertrieben wird

4 Aibo ist eine Abkürzung und steht für „Artificial intelligent robot“, welches von der Firma Sony produziert wurde. Er existiert seit 2006 nicht mehr auf dem Markt.

5 Kissmet ist ein humanoider Roboter aus den 90 ziger Jahren, welcher vom MIT entwickelt wurde (Die Forschungsarbeit wurde 2000 eingestellt).

6 Cog ist ein humanoider Roboter, der vom MIT entwickelt wurde.

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Die Roboterrobbe "Paro" und ihre Anwendungsfelder
Hochschule
Hochschule Merseburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
99
Katalognummer
V229676
ISBN (eBook)
9783656446491
ISBN (Buch)
9783656446743
Dateigröße
2165 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
roboterrobbe, paro, anwendungsfelder
Arbeit zitieren
Diana Strehl (Autor:in), 2013, Die Roboterrobbe "Paro" und ihre Anwendungsfelder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229676

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