Die multikulturelle Gesellschaft. Ein funktionierendes gesellschaftliches Gesamtkonzept?


Hausarbeit, 2012

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1.) Einleitung

„Wir haben ein großes Haus geerbt, ein großes Haus der Welt, in dem wir zusammen leben müssen – Schwarze und Weiße, Morgenländer und Abendländer, Juden und Nichtjuden, Katholiken und Protestanten, Muslime und Hindus – eine Familie, die in Ideen, Kultur und Interessen zu Unrecht getrennt ist, die, weil wir niemals wieder getrennt leben können, irgendwie lernen muss, in Frieden miteinander auszukommen." (Martin Luther King)

Migration ist ein aktuelles, allerdings kein junges Thema. Der Homo Sapiens erschloss sich bereits vor etwa 20.000 Jahre die Welt. Zwischen 3000 und 1000 v. Chr. fanden bereits Massenmigrationen von nahezu globalem Ausmaß statt (vgl. Düvell 2006).

Durch Entdeckung und Erschließung neuer Lebensräume in Übersee hatte besonders zwischen 1815 und 1939 eine Ausreise in die Industriezentren zur Folge.

Deutschland war zwar einst einer der größten Auswandererstaaten, die Auswanderung ging allerdings ab etwa 1895 nicht nur stark zurück. Deutschland wurde sogar frühzeitig selbst zu einem Einwanderungsstaat. Insbesondere für Migranten aus dem Osten die in die Landwirtschaft nachrücken wollten, war Deutschland ein beliebtes Ziel (vgl. Düvell 2006). Zu dieser Zeit beginnt für Deutschland die Ära der sogenannten Gastarbeiter, die fast genauso alt ist wie der Staat selbst. Aufgrund eines erkennbaren Arbeitskräftemangels durch die anhaltende Landflucht forderten 1953 südwestdeutsche Landwirte die Anwerbung von Ausländern zum Einsatz in der Landwirtschaft.In den nächsten Jahren folgten weitere Anwerbeabkommen zwischen der BRD und Spanien (1960), Griechenland ( 1960), Marokko (1963), Portugal ( 1964), Tunesien ( 1965) und Jugoslawien ( 1968). Dies erfolgte oft zum Ausgleich von deren Leistungsbilanzdefizit gegenüber der Bundesrepublik Deutschland.

Diese Tatsachen könnten vermuten lassen, dass die deutschen Bürger dank ihrer „Gäste“ an eine Multikulturalität gewöhnt sind, doch stellte der Begriff „Multikulturelle Gesellschaft“ für viele Deutsche eine provokante These dar.

Nachdem der Begriff der multikulturellen Gesellschaft erstmals in einem Thesenpapier 1980 anlässig des „Tags des ausländischen Mitbürgers“ von dem Kirchenvertreter Jürgen Mieksch auftauchte, wurde er von sämtlichen wissenschaftlichen Einrichtungen, kirchlichen Organisationen und politischen Parteien durch vermehrte Nutzung in Umlauf gebracht. Zudem fiel die Anwesenheit und der zunehmende Zuzug von Ausländern auch der Bevölkerung ins Auge.

Die zu dieser Zeit herrschende, undefinierte Begriff lies jede Menge Platz für etwaige Auslegungen und Inhaltsfüllungen und war die Grundlage für unwissenschaftliche Diskussionen in großem Umfang.

Zu diesem problematischen Mangel an Definition kam die Benutzung des Wortes „Kultur“ als neue Differenzierungskategorie.

Doch dies förderte eine neue Problematik in zweierlei Hinsicht. Zum einen war der Herder´sche Kulturbegriff noch nicht an die aktuelle Gesellschaftsstruktur und damit auch nicht an denneuen Kontext der globalen Gesellschaft angepasst und neu untersucht worden. Zum anderen führte der unreflektierte Gebrauch der Begriffe „Kultur“ und „ethnische Herkunft“ die Entstehung von Kategorien, die nahtlos an die NS- Kategorien „Rasse“ und „Abstammung“ anschließen konnten.

Die anschließenden 20 Jahre des Diskurses können in drei Phasen unterteilt werden. Zunächst herrschte die Auftaktphase der Diskussion zwischen den Jahren 1980 und 1983, gefolgt von der zweiten Phase von 1988 bis 1990/91 die von klaren Argumentationslinien charakterisiert wird und die abschließende dritte Phase von 1991 bis 1993 in dem ausufernder Rassismus herrschte (vgl. Frank 1995). In diesem Bezug können wiederum unterschiedliche Gruppierungen definiert werden. Zum einen die Befürworter der „Multikulturellen Gesellschaft“, deren Gegner und zugleich auch Kritiker der beiden teilweise extremen Ausrichtungen (ebd.)

In der wissenschaftlichen Analyse wurde in vielerlei Hinsicht der traditionelle Kulturbegriff, die neuen Strukturen und die sich damit verändernden Semantik viel Aufmerksamkeit geschenkt, doch wurden Lösungsvorschläge erst seit jüngster Zeit geboten.

Diese Lösungsvorschlage beschäftigen sich zunächst mit der Auseinandersetzung des Begriffs „Multikulturelle Gesellschaft“ um dann mit den einzelnen und neu entstanden Bedeutungen ein neues gesellschaftliches Gesamtkonzept zu erarbeiten das dem Zusammenleben der vielseitigen Kulturen in der deutschen Gesellschaft Rechnung trägt indem Tatsachen mit einbezogen werden und Lösungen für ein Miteinander gefunden werden können.

2.) Die „Multikulturelle Gesellschaft“ im Wandel der Zeit

Nachdem 1980 die „multikulturelle Gesellschaft“ von Mieksch als solche benannt wurde, brach eine gigantische Diskussion aus. Verwunderlicher Weise, denn der Begriff illustrierte lediglich etwas, was zu Beginn der 80er Jahre bereits offensichtlich war.

Multikulturalität beschrieb das, was lange Zeit geleugnet und kaschiert wurde, dabei war Deutschland bereits kein homogener Nationalstaat mit einer einzigen nationalen Leitkultur , sondern ein Einwanderungsland mit einer Vielzahl sogenannter koexistierender Kulturen. Die Anzahl der in Deutschland nebeneinander existierenden Kulturen hatte sich vervielfacht nachdem sich die Rückkehr der Gastarbeiter nach dem Anwerbestopp 1973 nach getaner Arbeit als Mythos heraus stellte ( vgl. Frank 1995).Das Gegenteil wurde bewiesen, indem die Gastarbeiter ihre Familien nachziehen ließen und in Deutschland sesshaft wurden. Durch die Gastarbeiter änderte sich die strukturelle und kulturelle Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung.

Die Gastarbeitersiedlungen wurden verlassen und teilweise aufgelöst, in denen „die Ausländer“ bislang unsichtbar für die Bevölkerung untergebracht waren. Nun wurde dieses „Fremde“ als Bedrohung der zu erhaltenden Lebenswelt wahrgenommen. In diesem Punkt setzt ein Bewusstsein ein, dass den gesamten folgenden Diskurs fest im Griff hat. Zu Beginn der 80er Jahre war die Idee zur Installation einer multikulturellen Gesellschaft ein Ziel, doch zugleich nicht mehr als ein Kompromiss zwischen den Vertretern einer moralischen Ausrichtung, die denjenigen Menschen die Deutschland in Zeiten der Not in den 50ern zuarbeiteten eine Gleichstellung und rechtlichen Legitimation ermöglichen wollten und den Vertretern der Staatsraison, die sich alternativlos für die Repatriierung der Migranten einsetzten wollten.

Das Schlagwort „Multikulti“ wurde zum Key- Word der alternativen Ausländerpolitik der 80er Jahre und in dessen Folge auch Gegenstand von gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Ziel war die systematische Widerlegung von Vorurteilen als Reaktion auf die allgegenwärtigen Fremdenfeindlichkeit.

Das utopische und dennoch prophezeite tolerante Miteinander traf allerdings nicht den Nerv der Zeit und ergab sich laut Schmideher als „großer linker Ringelpiez mit Anfassen“ (Schmid 1989). Der Versuch reichte also nicht an die Erwartungen und hoch gesteckten Ziele der Positivierung heran.

Die Realität bestätigte einen fremdenfeindlichen Gesamteindruck und kultivierte das Bild vom Ausländer als Bedrohung der homogenen deutschen Kultur. In Folge dessen hatte sich das Bild vom „sozialschmarotzenden Asylanten“ in den Köpfen der Bevölkerung festgesetzt und war in der öffentlichen Meinung legitim installiert. Dieses Phänomen ergab den Vorlauf für die Bildung radikaler rechter Gruppierungen, die vor allem in den neuen Bundesländern aufgrund der allgemeinen Perspektivlosigkeit einen immensen Zulauf hatte und in Zuge dessen Anfang der 90er zu einer Welle rechtsradikaler Gewaltakten führte die sowohl gegen etablierte Immigranten als auch gegen Asylbewerber gerichtet waren. Erst diese unfassbaren Taten ließen aufhorchen und einen Schrei der Entrüstung durch die Bevölkerung gehen. Dies war der Beginn einer Trendwende, die eine Neubesinnung stattfinden ließ, die das eingestehen der Einwanderungssituation beinhaltete und in die Integration bzw. ein machbares Miteinander und einen Austausch der Kulturen im Fokus und zum Ziel hatte.

Aber nicht nur aktuell können wie zuletzt durch die NSU ausgeführte, terroristische Anschläge gegen ausländische Mitbürger extreme rechtsradikale Aktionen aufgedeckt werden, die lange Zeit im Hintergrundlaufen konnten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die multikulturelle Gesellschaft. Ein funktionierendes gesellschaftliches Gesamtkonzept?
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen  (Soziale Arbeit)
Veranstaltung
Verstehen und verstanden werden - Vermittlung, Vertiefung und Umsetzung von interkulturellen Kompetenzen
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V229639
ISBN (eBook)
9783656450566
ISBN (Buch)
9783656451006
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gesellschaft, gesamtkonzept
Arbeit zitieren
Janike Kreinhacke (Autor:in), 2012, Die multikulturelle Gesellschaft. Ein funktionierendes gesellschaftliches Gesamtkonzept?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229639

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