Die allgemeine "Dienstpflicht"


Seminararbeit, 1998

16 Seiten, Note: 1,5

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Persönliche Vorbemerkung

1. Einleitung

2. Wurzeln der Dienstpflichtdiskussion
2.1 Die Wiedereinführung der Wehrpflicht
2.2 Der Zivildienst aus sozialpolitischer Sicht
2.3 Der Zivildienst - ein Erfolgskonzept?

3. Die Dienstpflicht - systematische Darlegung der "pros and cons"
3.1 Die Ergebnisse aus Kap.2 im Vergleich zu Seminar- Argumenten

4. Argumente FÜR- und GEGEN ein Pflichtjahr

5. Mögliche sozialpolitische Konsequenzen

6. Zum Schluß

Literaturliste

0. Persönliche Vorbemerkung

Nach meiner Ausmusterung entschloß ich mich, als freiwilliger Helfer in einem Dorf für behinderte erwachsene Menschen im Ausland zu arbeiten. Die Erfahrungen, die ich dort machen durfte, haben mein Leben in gravierender Weise verändert und beeinflußt - bis heute. Ich entschloß mich, diesen wichtigen Aspekt in meiner Biographie erkennend, am Seminar «"Schulen der Nation". Zivildienst und Militärdienst als Sozialisationsinstanzen im männlichen Lebenslauf» teilzunehmen, um mein Wissen über die Bedeutung eines solchen Dienstes zu erweitern, auch war die geschlechtsspezifische Komponente von mir noch nicht reflektiert worden.

In dem Bewußtsein der Nützlichkeit einer sozialen Tätigkeit im Übergangsalter vom Jugendlichen zum Erwachsenen, stand ich zunächst auch dem Thema "Dienstpflicht" offen gegenüber, als ich mich für die Bearbeitung dieses Gegenstandes entschloß. Ich befand mich in dem (naiven) Glauben, die Wehrpflicht könnte, über den meiner Ansicht nach viel sinnvolleren Zivildienst, durch eine allgemeine Dienstpflicht, der, nach Abschaffung des FSJ, auch auf die jungen Frauen ausgedehnt werden sollte, ersetzt werden; ich betonte für mich die Komponente des Dienstes, wohinge gen ich die Pflicht im selben Wort als vernachlässigbare Größe ansah. Das Ergebnis des Wandels bzw. Ausweitung meiner (Er- ) Kenntnisse ist in vorliegender Hausarbeit zu sehen, in der ich versucht habe, die von mir vorher noch nicht erkannte Komplexität des Themas zu zeigen.

1. Einleitung

Das Seminar «"Schulen der Nation". Zivildienst und Militärdienst als Sozialisationsinstanzen im männlichen Lebenslauf» beschäftigte sich zunächst mit den Auswirkungen, die der Zivildienst auf die Biographien der jungen Männer ausübt, die bei der Wahl zwischen Wehr- oder Ersatzdienst zwischen dem "Dienst am Menschen" oder dem "Dienst an der Waffe" zu entscheiden hatten. Hinter dem Titel des Seminars steckt die These, daß der staatliche Zwangseingriff in das Leben der heranwachsenden, männlichen Generation auf diese einen sozialisierenden Einfluß hat, den es herauszuarbeiten galt. Besonders wurde auf die geschlechtliche Komponente geachtet, vor allem weil das Militär herkömmlich als die Schule der traditionalen Männlichkeit gilt.

Um sich dieser Aufgabe zu nähern, wurde die Entwicklung des Zivildienstes seit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland mit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht genauer untersucht und nachgezeichnet. Ein Ergebnis hiervon war die Erkenntnis, daß sich der Zivildienst, der ursprünglich als eine "lästige Alternative" (MATZEN 1996, S.201) aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben eingeführt werden mußte - als von Politik und Gesellschaft unbeliebtes Anhängsel der Wehrpflicht war er ohne eigenes Staatsziel konzipiert - daß sich dieser zivile Ersatzdienst (so die ursprüngliche Bezeichnung) also in gewisser Weise verselbständigt, von der sicherheitspolitischen Herkunft emanzipiert (wenigstens im Bewußtsein weiten Teilen der Bevölkerung, der Zivildienstleistenden selber als auch der sie anstellenden Institutionen) und eine tragende Rolle im System unseres Wohlfahrtsstaates eingenommen hat.

Diese Entwicklung erkennend scheint es zwangsläufig, daß sich das Seminar auch der heutigen sozialpolitischen Stellung des Zivildienstes zuwandte. Insbesondere, weil "im Sommer 1990 schlaglichtartig erhellt [wurde], welche Bedeutung der Zivildienst für Soziale Dienste in der Bundesrepublik erlangt hatte" (BARTJES 1994, S97). Aufgrund der dramatischen Umwälzungen im Zuge der von Michail Gorbatschow begonnen Perestroika hatte sich bekanntlich die gesamte politische Landschaft extrem gewandelt, die beiden deutschen Staaten sich wiedervereinigt und der Kalte Krieg ein Ende gefunden. Selbstverständlich, daß auch die Wehr- und Sicherheitspolitik auf diese neue Entwicklung reagieren mußte, war doch die Hauptrechtfertigung für die Wiederbewaffnung, die Bedrohung der Republik durch den "bösen Kommunisten" aus dem Osten, mit einem Schlag hinfällig geworden. Forderungen nach strukturellen Veränderungen der Bundeswehr wurden laut und mündeten zunächst in einer Verkürzung der Wehrdienstzeit im Sommer 1990. Wie tief sich der soziale Sektor schon auf die ZDL verlassen hatte und wie sehr vergessen bzw. verdrängt wurde, daß der ZD ein sicherheitspolitisches Anhängsel der allgemeinen Wehrpflicht ist, zeigt sich an der fast völligen Unvorbereitetheit der Wohlfahrtsverbände und ihrer Institutionen, die praktisch von heute auf morgen ca. 35 000 ZDL entlassen mußten und nicht so schnell ersetzten konnten. Ein großes Medienecho stimmte in die Klage der Einrichtungen ein und das Gespenst vom Pflegenotstand geisterte durch die Gesellschaft. Plötzlich wurde die wehrpolitische Herkunft des Zivildienstes wieder ins Bewußtsein gerufen und angesichts starker Forderungen nach der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, die zunehmend an Stärke gewannen, wurden die Wohlfahrtsverbände, "in deren Reihen ca. 75% der ZDL ihren Dienst ableisten" (BARTJES 1994, S.2; vgl. auch: FINIS SIEGLER 1997, S.111), gezwunge n, sich mit der Frage zu beschäftigen: "Und was kommt danach?" In verschiedenen Artikeln (s. Literaturliste) wurden die unterschiedlichsten Szenarien durchgespielt und besprochen (z.B. Beibehaltung der Wehrpflicht, aber Ausweitung des ZD zu einem Pflichtdienst auch für Frauen; oder Abschaffung desselben und Etablierung eines Dienstjahres, in welchem der Wehrdienst nur eine gleichberechtigte Wahlmöglichkeit unter anderen darstellt...), und auch das Ausgangsseminar dieser Hausarbeit widmete diesem Thema während eine Sitzung. Vorliegende Arbeit versteht sich als Ergebnis des Seminarverlaufs über das Semester gesehen (so ist es dem Verfasser nicht möglich, alle Tatsachen und Gedanken, die angeführt werden, mit einer Quellenangabe zu belegen, da das Wissen über die Thematik im Verlauf des Semesters gewachsen ist und die Herkunft desselben nicht ohne weiteres zu rekonstruieren ist) und vor allem der Sitzung vom 02.07.98, in welcher das Thema Dienstpflicht eigens behandelt wurde und aus welcher heraus der Verfasser dieser Arbeit ein Protokoll anfertigte. Einige der in der besagten Sitzung behandelten Themen werden hier aufgegriffen und als Ausgangspunkt genommen für die Darstellung der Ursachen, die zu der Dienstpflichtdiskussion geführt haben. Hierfür wird insbesondere die sicherheitspolitische Herkunft des Zivildienstes hervorgehoben, in dem die Entwicklung desselben und der Wandel im gesellschaftlichen Bewußtsein hinsichtlich dessen Bedeutung nachgezeichnet werden. Ausgehend von den in der Diskussion des Seminars hervorstechendsten Argumentationslinien wird anschließend gezeigt, daß sich die Diskussion um die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht auf drei Ebenen bewegt: auf der Makroebene, in dem die politische Dimension im Mittelpunkt steht, auf der Mesoebene bezüglich der Rolle der Institutionen und auf der in dieser Diskussion oft vernachlässigten Mikro- oder Subjektebene, die die Bedürfnisse sowohl der Dienstleistenden als auch der von den Dienstleistungen abhängigen Menschen, den Klienten der sozialen Einrichtungen, in den Mittelpunkt stellt.

Eine umfassende Darstellung und Systematisierung des Themenkomplexes "allgemeine Dienstpflicht" müßte m.E. eine Mehrebenenanalyse durchführen, um keinen Aspekt zu auszulassen und die Überschneidungen und Interaktionen zwischen den einzelnen, aus analytischen Gründen unterschiedenen Ebenen sichtbar werden zu lassen. Dies kann an dieser Stelle jedoch nicht geleistet werden. Es wird sich begnügt mit einer auf das Seminar bezogenen Darstellung des Problems unter Hinweis auf die weiterführende Bearbeitungsmöglichkeit. Ebenso wird im Anschluß an die Darstellung der bei der Diskussion um die Einführung eines Pflichtjahres zu beachtenden Aspekte auf Spekulationen über verschiedene Szenarien im "Was wäre wenn..." - Stil verzichtet, und, aus der Ablehnung einer Zwangsverpflichtung ganzer Jahrgänge heraus, für die Schaffung von Strukturen plädiert, die das freiwillige Engagement der Bevölkerung in sinnvolle, zeitgemäße Bahnen lenken können.

2. Wurzeln der Dienstpflichtdiskussion

2.1 Die Wiedereinführung der Wehrpflicht

Als sich in den frühen 50- er Jahren der Kalte Krieg abzuzeichnen begann, wurden die z.T. starken pazifistischen Strömungen in der Bevölkerung des Nachkriegsdeutschlands übergangen. 1954 wird mit Abschluß der Pariser Verträge die WEU gegründet, ein gemeinsames westeuropäisches Verteidigungsbündnis, im Zuge dessen am 17.07.1956 die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht folgt (vgl. HUBATSCH 1986, S.536). Nachdem jedoch die verfassunggebende Versammlung 1949 im Artikel 4 GG die Gewissensfreiheit festschrieb und dies im Abs.3 desselben Artikels ausführte: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden," mußte mit der Wiederbewaffnung Deutschlands auch eine Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung, jedenfalls derjenigen an der Waffe, geschaffen werden. Dies entspricht dem im Art. 12a Abs.2 GG ausgeführtem Recht, aus Gewissensgründen den Kriegsdienst an der Waffe zu verweigern und der Pflicht, anstelle dessen zu einem Ersatzdienst verpflichtet zu werden, der die Länge des Wehrdienstes nichtüberschreiten darf (aber dies faktisch immer getan hat).

Der Aspekt der Wehrgerechtigkeit wird im Zusammenhang mit dem ZD immer erwähnt, d.h. es soll gewährleistet werden, daß jeder junge Mann einen Dienst zu leisten hat und nicht die z.B. Wehrdienstleistenden einseitig benachteiligt werden. Fragen der Wehrgerechtigkeit, oder der Wehr un gerechtigkeit spielen in der aktuellen Diskussion eine zunehmende Rolle, aber unter einem anderen Gesichtspunkt, als ursprünglich gedacht.

2.2 Der Zivildienst aus sozialpolitischer Sicht

Bei der Einführung des Zivildienstes 1960 war noch nicht abzusehen, daß der zivile Ersatzdienst einmal eine wichtige sozialpolitische Rolle spielen wird. Allein die Tatsache, daß auf ein unbedingtes Recht auf Kriegsdienstverweigerung verzichtet wurde, lediglich der Dienst an der Waffe durfte abgelehnt werden, zeigt die geringe Stellung, die die Politik dem Zivildienst und damit auch den Zivildienstleistenden (ZDL) zukommen lassen wollte. Um die Sollstärke der Bundeswehr durch das Verweigerungsrecht nicht zu gefährden, sollte der ZD zu einer "lästigen Alternative" (MATZEN 1996, S.201) ausgebaut und die Gewissensprüfung durch ein inquisitionsähnliches Tribunal durchgeführt werden. Seit dem Inkrafttreten des Kriegsdienstverweigerungs- Neuordnungsgesetz von 1984 jedoch besteht die Gewissensprüfung vorwiegend im Inkaufnehmen von Nachteilen, sprich einer längeren Dienstzeit. Auf einen Nenner gebracht kann man sagen, der Zivildienst hat seit seinem Bestehen "eine Entwicklung von einem Muster sozialer Devianz...hin zu einem Massenphänomen sozialer Normalität" (BARTJES/BOLAY 1995) durchlaufen.

Einige Zahlen belegen die Entwicklung des ZD hin zu einem essentiellen Stützpfeiler des sozialen Sektors in unserer Republik: die Anzahl der KDV´ler nahm von 340 im Jahr 1961 bis zu ca. 140.000 heute ständig zu; im gleichen Maße verließen sich die Institutionen, und damit auch die Wohlfahrtsverbände als Hauptträger der sozialen Einrichtungen, zunehmend auf Zivildienstleistende, so daß die Prozentzahl von Zivis im Vergleich zu ausgebildeten Fachkräften bzw. zum festangestellten Personal bis auf 12,6% wuchs (vgl. BARTJES 1994, S.91). Das sich an diese Zahlen anschließende Folgeproblem der rechtlich vorgeschriebenen Arbeitsmarktneutralität des ZD wird weiter unten behandelt.

2.3 Der Zivildienst - ein Erfolgskonzept?

Am Anfang des zivilen Ersatzdienstes läßt sich das Ansehen desselben wie folgt zusammenfassen: "Die Bekloppten haben verweigert, also schickt man sie zu den Bekloppten" (ebd. S.92; zit. n. STAUFFER 1990). Dieser Ausspruch eines Ersatzdienstleistenden der ersten Stunde zeigt, daß die Intention der Politik, die Kriegsdienstverweigerung unattraktiv zu gestalten, zunächst Erfolg hatte. Die Einrichtungen, die die ersten Zivis aufnahmen, beäugten die als suspekt eingeschätzten jungen Männer vorsichtig, und das soziale Umfeld der Verweigerer hatte ebensolche Probleme mit der Tatsache, daß sich jemand aus ihrer Mitte mit bislang als weiblich bezeichneten und somit relativ gering geschätzten Tätigkeiten beschäftigt.

Die obigen Zahlen belegen jedoch eindrücklich, daß sich diese Einstellung zutiefst gewandelt hat. Die ZDL wurden als hochmotivierte, engagierte Mitarbeiter erfahren und zunehmend geschätzt, und ihnen wurden immer mehr auch verantwortungsvolle Aufgaben zugewiesen. Ebenso wichtig für die zunehmende Wertschätzung der KDV´ler durch die Einrichtungen war, neben dem Engagement, m.E. die betriebswirtschaftliche Komponente. Die Verschränkung des ZD mit der Wehrpflicht führt dazu, daß heute die einzelnen Institutionen bis zu 33 000 DM pro ZDL Nettogewinn haben können, wohingegen der Staat, als Bezahler des Soldes, zwischen 20 000 u. 30 000 DM pro Zivi aufwenden muß (LIPPERT 1994, S.5). Die Entdeckung, in den ZDL billige Arbeitskräfte ohne arbeitsrechtlichen Schutz (aufgrund des Pflichtcharakters des Dienstes) zu finden, dürfte mit eine der Ursachen für die extreme Ausweitung des sozialen Sektors sein.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die allgemeine "Dienstpflicht"
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Soziologie)
Veranstaltung
Seminar: "Militär- und Zivildienst als Sozialisationsinstanzen im männlichen Lebenslauf"
Note
1,5
Jahr
1998
Seiten
16
Katalognummer
V22947
ISBN (eBook)
9783638261685
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit versteht sich als eine Art zusammenfassendes Resümé über die Diskussion um die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht.
Schlagworte
Dienstpflicht, Seminar, Militär-, Zivildienst, Sozialisationsinstanzen, Lebenslauf
Arbeit zitieren
Anonym, 1998, Die allgemeine "Dienstpflicht", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22947

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