Die Vertreibungspolitik der Alliierten vor der Potsdamer Konferenz


Hausarbeit, 2013

11 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Die Vertreibungspolitik der Alliierten vor der Potsdamer Konferenz

In Folge der gewaltigen ethnischen, sozialen und politischen Umwälzungen in den Jahren während des zweiten Weltkrieges – zunächst im Zuge der Umsiedlungs-und Deportationspolitik der Nationalsozialisten, dann hinsichtlich der scheinbar immer weiter und unaufhaltsam gen Westen vorpreschenden Verbände der Roten Armee - kamen im Juli 1945 die Staatsoberhäupter der alliierten Siegermächte in Potsdam zusammen,[1] um sich neben einer ganzen Reihe weiterer Angelegenheiten endlich auch der zurecht als überaus dringlich empfundenen Problematik großräumiger Vertreibungen und Flüchtlingsströme, die gegenwärtig das Bild Ost-und Mitteleuropas prägten, anzunehmen.[2] Allerdings war das Thema weitläufiger Migrationstransfers nach Kriegsende jedoch auch bereits wiederholt auf vorangehenden Zusammenkünften der Alliierten debattiert worden, ohne dass man sich dabei jedoch im Allgemeinen über deren definitive Form und Ausführung hatte einig werden können. Da nichtsdestotrotz aber gleichsam viele der später in Potsdam diskutierten Themen auf diesen Konferenzen sozusagen ihren gedanklichen Ursprung hatten bzw. erstmalig in konkret geäußerter Weise dort aufgeworfen worden waren, ist es sicherlich nicht verkehrt, sich insbesondere auch näher und eingehender mit jenen Verhandlungspunkten, die dabei einen mehr oder weniger direkten Bezug zur späteren Politik der in Mittel-und Osteuropa durchgeführten Vertreibungen erkennen lassen beziehungsweise sich letztlich als von maßgeblicher Bedeutung für deren praktische Umsetzung erweisen sollten, zu beschäftigen.

Ein erstes wichtiges Ereignis, oder vielmehr ein aussagekräftiges Dokument im Hinblick auf die Frage, wie genau die Alliierten im Falle einer Niederlage Nazi-Deutschlands über eine Neugestaltung des europäischen Kontinentes bzw. über dessen ethnische Zusammensetzung dachten, bietet die bereits im August 1941 zwischen dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und dem britischen Premierminister Winston Churchill vereinbarte Atlantik-Charta.[3] Daraus geht hervor, dass sich beide Staatschefs augenscheinlich schon recht früh darauf verständigt hatten, dass Bevölkerungsumsiedlungen im Einklang mit den Grundsätzen diesbezüglicher internationaler Vereinbarungen sowie mit dem Völkerrecht an sich zu stehen hatten. Dementsprechend wurde festgehalten, dass keine Gebietsänderungen angestrebt werden sollten, “die [] nicht mit den frei zum Ausdruck gebrachten Wünschen der davon betroffenen Völker übereinstimmen.”[4] In diesem Zusammenhäng sei jedoch angemerkt, dass die Alliierten ihre Grundsatzerklärung mit dem nicht unwesentlichen und schlussendlich folgenschweren Zusatzvermerk versahen, dass jene Bestimmungen für das nationalsozialistische Deutschland explizit keine Gültigkeit haben würden - eine Entscheidung die sodann insbesondere im Hinblick auf Aspekte wie die zwangsweise Ausweisung deutscher Volksgruppen, den Minderheitenschutz sowie auf die Wahrung grundlegender Menschenrechte an sich letztlich nicht ohne Konsequenzen bleiben sollte[5]

In konkreterer Form avancierte die Problematik der nach Kriegsende durchzuführenden Bevölkerungstransfers dann erstmalig auf der Konferenz von Teheran Ende November 1943 – über die Churchill und Roosevelt zusammen mit dem russischen Staatsoberhaupt Joseph Stalin präsidierten - in den Vordergrund. Hier gilt es allerdings sogleich anzumerken, dass jene heikle Angelegenheit nahezu von Beginn an immer auch an die Frage der territorialen Gebietsansprüche der im betroffenen Gebiet bestimmenden Parteien gekoppelt war, womit allen voran natürlich die Sowjetunion, andererseits jedoch auch die polnische Staatsführung gemeint war, wobei deren definitive Zusammensetzung und internationale Anerkennung allerdings selbst noch Gegenstand der Verhandlungen waren.

Bezüglich der polnischen Regierung ergaben sich nämlich gleich in mehrfacher Hinsicht nur schwerlich zu überbrückende Meinungsverschiedenheiten. Zum einen war nicht nur noch immer nicht geklärt worden, in welchem Ausmaße polnische Vertreter in zukünftige Verhandlungen mit einbezogen werden sollten, sondern jene Sachlage wurde zusätzlich auch noch dahingehend verschärft, als dass es gegenwärtig zwei verschiedene Regierungen gab, die Anspruch auf die alleinige Exekutivgewalt im Land erhoben – und zwar die von Großbritannien anerkannte, in London ansässige polnische Exilregierung sowie die nahezu ausschließlich aus einheimischen Kommunisten zusammengesetzte Lubliner Regierung, die auf den Rückhalt Stalins zählen konnte.[6] Dessen ungeachtet gestaltete sich ferner aber auch die Frage nach den künftigen Außengrenzen des polnischen Staates – sowohl im Osten zur Sowjetunion als auch im Westen mit Deutschland - zu einem nicht unwesentlichen Streitpunkt. Diesbezüglich machte Stalin allerdings von Anfang an keinen Hehl daraus, dass eine der Hauptforderungen der Sowjetunion in einer Ausweitung ihrer Grenzen nach Westen läge, vornehmlich mit dem Ziel, sich territorial vor einem vermeintlich erneuten Überfall Deutschlands auf russisches Staatsgebiet abzusichern.[7]

[...]


[1] Charles MEE, Meeting at Potsdam. New York 1975.

[2] Vgl. Tony JUDT, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main 2003, S. 41f.

[3] Detlef BRANDES, Der Weg zur Vertreibung 1938-1945: Pläne und Entscheidungen zum

“Transfer” der Deutschen aus der Tschechoslowakei und aus Polen. München 2005, S. 123-126.

[4] Artikel II der Atlantik Charta. Digitalisierte Fassung einsehbar unter:

http://www.archives.gov/education/lessons/fdr-churchill/#documents [7. Februar 2013].

[5] Fritz FAUST, Das Potsdamer Abkommen und seine völkerrechtliche Bedeutung. Frankfurt am

Main / Berlin 1959, S. 222.

[6] United States Department of State,Foreign relations of the United States diplomatic papers, The

Conferences at Cairo and Tehran, Pre-Conference Papers, S. 154.

[7] BRANDES, Der Weg zur Vertreibung, S. 262-270.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Die Vertreibungspolitik der Alliierten vor der Potsdamer Konferenz
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
11
Katalognummer
V229454
ISBN (eBook)
9783656452102
ISBN (Buch)
9783656452447
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vertreibungspolitik, alliierten, potsdamer, konferenz
Arbeit zitieren
Joe Majerus (Autor:in), 2013, Die Vertreibungspolitik der Alliierten vor der Potsdamer Konferenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229454

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