„Happy Raping“ als eine der vielen Formen der „Happy Slapping“-Phänomenologie?


Bachelorarbeit, 2011

80 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bullying/Mobbing unter Verwendung von neuen Medien
2.1 Cyber Bullying
2.2 Mobile Bullying
2.3 Snuff-Videos
2.4 „Happy Slapping“
2.4.1 Definition und Begriffsverwendung
2.4.2 Mögliche Formen des „Happy Slapping“
2.4.3 Zahlen und Fakten
2.4.3.1 Ergebnis der repräsentativen Basisuntersuchung der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein
2.4.3.2 Ergebnis der Jugend, Information, (Multi-)Media-Studie
2.5 „Happy Raping“
2.5.1 Presseberichterstattungen
2.5.2 Definition
2.5.3 Parallelen und Unterschiede zu anderen mit dem Handy gefilmten Vergewaltigungen
2.6 Tatmittel Handy
2.6.1 Besitz und Ausstattung
2.6.2 Der Kameraeinsatz – Inzidentielle vs. Intentionale Dokumentation
2.6.3 Verbreitungsmöglichkeiten des Clips

3. Gesetzesbestimmungen/Straftatbestände
3.1 Strafgesetzbuch - Strafbestimmungen und Deliktscharakter
3.2 Jugendmedienschutz: Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

4. Täter
4.1 Soziodemographie
4.2 Biographie und Lebenswelten
4.3 Motive
4.3.1 Erlebnismotiv: Außeralltägliche Action nacherleben
4.3.2 Geltungsmotiv: Clips als kontrollierbare Anerkennungsressource und Abschreckungsinstrument
4.3.3 Leistungsmotiv: Visueller Kompetenzcheck und Steigerung der eigenen Gewaltfähigkeiten
4.3.4 Pornographiekonsum und dessen Folgen als Motiv für eine „Happy Raping“-Tat?

5. Auswirkungen und Folgen für die Opfer
5.1 Folgen der Vergewaltigung
5.1.1 Physische Folgen
5.1.2 Psychische Folgen
5.1.2.1 Angststörungen
5.1.2.2 Essstörungen
5.1.2.3 Selbstverletzendes Verhalten
5.1.2.4 Borderline-Persönlichkeitsstörung
5.1.2.5 Posttraumatische Belastungsstörung
5.2 Folgen des Bullying und des Cyber Bullying
5.3 Folgen der „Happy Raping“-Tat

6. Resümee

7. Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Eidesstattliche Versicherung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Probleme mit dem Handy

Abbildung 2: Kenntnis bzw. Erhalt brutaler Videos oder Pornofilme auf das Handy

Abbildung 3: Angaben von Kenntnis über Filmen von Schlägereien

Abbildung 4: Handy-Besitzer 2010

Abbildung 5: Ausstattung des eigenen Handys

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob „Happy Raping“ als eine der vielen Formen der „Happy Slapping“-Phänomenologie betrachtet werden kann.

„Happy Raping“ kann aus dem Englischen wörtlich übersetzt werden mit „Fröhliches Vergewaltigen“ – zwei Begriffe, die absolut nicht zusammen passen (wollen) und in dieser Kombination mehr als makaber klingen.

Auf der Suche nach einer Praxissemesterstelle im Rahmen des Studiums der Sozialen Arbeit bin ich auf Beratungsstellen mit dem Schwerpunkt „Sexueller Missbrauch“ gestoßen. Mein Praxissemester habe ich dann bei „Zornröschen e.V“, einer Fachberatungsstelle gegen sexuellen Missbrauch in Mönchengladbach, absolviert. In dieser Zeit las ich einen Artikel, in dem das Thema sexueller Missbrauch in den neuen Medien angesprochen wurde. Hier begegnete mir erstmals das Phänomen „Happy Slapping“ – und ich war schockiert. Weitere Recherchen zu dem Thema ließen mich feststellen, dass zwar einige wenige Studien zu dem Thema existieren, keine jedoch beschäftigt sich explizit mit der Form, in der nicht eine Prügelei, sondern eine Vergewaltigung gefilmt wird. Dies warf dann die Frage auf, ob denn eine mit dem Handy gefilmte Vergewaltigung auch eine Form des „Happy Slapping“ darstellt und so entstand die Idee, die Zugehörigkeit dieser Form zum „Happy Slapping“-Phänomen zu untersuchen.

Da das „Happy Slapping“ durch die Diffamierung der Opfer in Verbindung mit der Verbreitung der Aufnahmen als eine extreme Form des Bullying anzusehen ist, werden in Kapitel zwei die wesentlich relevanten Definitionen dargelegt, um Zugehörigkeiten und Abgrenzungen vornehmen zu können. Der Leser[1] erhält zusätzlich Informationen über mögliche Formen des „Happy Slapping“ aus der aktuellen Literatur und Zahlen & Fakten, die sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse zweier Studien beziehen.

Anschließend wird durch das Herausarbeiten der gemeinsamen Merkmale aus Presseberichterstattungen und durch die bereits vorhandenen Definitionen der verwandten Begriffe der Begriff „Happy Raping“ definiert, es folgen die technischen Aspekte wie die Beurteilung des Tatmittels „Handy“ sowie die Darlegung der Verbreitungsformen. Weiterhin wird zwischen inzidentieller und intentionaler Dokumentation unterschieden und eine Abgrenzung zu ähnlichen Fällen vorgenommen.

In Kapitel drei wird ein Einblick in die Tatbestände der Paragraphen der jeweiligen Gesetze, die möglicherweise durch „Happy Slapping“-Taten und „Happy Raping“-Taten erfüllt sind, gegeben.

In Kapitel vier wird auf die Täter, unter anderem auf deren Soziodemographie und Motive eingegangen - hier spielen auch der Pornographiekonsum und seine Auswirkungen eine Rolle.

In Kapitel fünf werden zunächst gesondert die Folgen der Vergewaltigung, eingeteilt in physische und psychische Folgen, sowie die Folgen des Bullying und des Cyber Bullying beschrieben. Diese Ergebnisse werden dann als Folgen des „Happy Raping“ zusammengeführt und dargestellt.

Abschließend wird im Resümee die Frage zu beantworten versucht, ob Happy Raping als eine der vielen Formen der Happy Slapping-Phänomenologie angesehen werden kann, bevor im siebten Kapitel Anregungen für zukünftige Projekte vorgestellt werden.

2. Bullying/Mobbing unter Verwendung von neuen Medien

„Die Begriffe Bullying und Mobbing sind weitgehend gleichbedeutend“ (Grimm, Rhein, Clausen-Muradian, 2008, S. 229). Mobbing leitet sich vom englischen mob ( = Pöbel, Gesindel, Bande) bzw . to mob (= anpöbeln, über jemanden herfallen) ab. 1963 führte der Verhaltensforscher Konrad Lorenz diesen Begriff in die Fachwelt ein: Er bezeichnete damit das Verhalten einer Tiergruppe, deren Mitglieder sich verbünden, um einen stärkeren Feind in die Flucht zu schlagen. Es handelte sich dabei beispielsweise um Gänse, die sich zusammenscharrten, um einen Fuchs in die Flucht zu schlagen (vgl. Lorenz, 2007). Die erste Definition von Bullying geht zurück auf Olweus (1993, S. 9), einem schwedischen Psychologen, der sich mit Gewalt an Schulen beschäftigte: “A student is being bullied or victimized when he or she is exposed, repeatedly and over time, to negative actions on the part of one or more students.“

Der Ausdruck „negative actions“ wird im Anschluss so präzisiert, dass folgende vier Kriterien gegeben sein müssen, damit ein Verhalten als Bullying klassifiziert werden kann:

1. Repetition (Wiederholungsaspekt): Die Angriffe müssen wiederholt und über längere Zeit hinweg stattfinden.
2. Intent to hurt (Verletzende Absicht): Die Angriffe müssen gezielt darauf ausgerichtet sein, dem Opfer physischen und/oder psychischen Schaden zuzufügen.
3. Imbalance of power (Kräfteungleichgewicht): Um Bullying handelt es sich nur dann, wenn kein symmetrisches Kräfteverhältnis zwischen Täter(n) und Opfer(n) vorliegt. Die Unterlegenheit des Opfers ist ein kritisches Moment beim Bullying und hängt eng zusammen mit der
4. Helplessnes ( Hilflosigkeit): Das Opfer ist nicht in der Lage, sich zur Wehr zu setzen und fühlt sich der Situation und dem Täter hilflos ausgeliefert.

Was Punkt 3 und 4 betrifft, ist es unerheblich, ob die Unterlegenheit des Opfers und damit seine Hilflosigkeit auch real bestehen, oder ob das Opfer dies lediglich so wahrnimmt (vgl. Riebel, 2008).

2.1 Cyber Bullying

In Übertragung auf die Welt des Internet handelt es sich bei Cyber Bullying bzw. Cyber Mobbing um teils anonyme Formen eines aggressiven Verhaltens, die online gegenüber anderen Nutzern ausgeübt werden. Cyber Mobbing kann nicht nur in schriftlicher Form erfolgen. Auch mittels Fotos oder Videos werden Menschen erpresst, gehänselt, bloßgestellt oder sexuell belästigt (vgl. Grimm, Rhein & Clausen-Muradian 2008).

2.2 Mobile Bullying

Nach Grimm & Rhein (2007) handelt es sich beim Mobile Bullying um eine besondere Form des Bullying. Hier wird via Handy mittels SMS, Foto oder Video jemand bedroht, beschimpft, gehänselt, schikaniert oder sexuell belästigt. Auch falsche Gerüchte, üble Nachreden oder Verleumdungen können via Handy ohne Wissen des Opfers leicht verbreitet werden. Des Weiteren werden die Telefonnummern der Opfer missbraucht, um unter falscher Identität andere zu belästigen.

2.3 Snuff-Videos

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (2006, S. 13) definiert Snuff-Video folgendermaßen: „Der Begriff Snuff-Video leitet sich von dem englischen Verb to snuff out (=jemanden umbringen, jemanden auslöschen) ab. Es handelt sich dabei um Videoaufzeichnungen, die häufig nur wenige Sekunden dauern und die Akte brutaler Körperverletzung und Tötung – von der Vergewaltigung bis hin zur grausamen Hinrichtung – darstellen. Diese Art von Filmen kann aus dem Internet herunter geladen und anschließend via Handy weiterverbreitet werden.“ Gangloff (2006, S. 70) schreibt, dass die so genannten Snuff-Videos kursieren, seit es die Videotechnik gibt. In ihnen steckt „eine ungleich größere Gefahr als in blutigen Horrorfilmen, weil Snuff-Videos täuschend echt wirken. Der instinktive Distanzaufbau, der Menschen mit Medienerfahrung davor bewahrt, sich von drastischen Darstellungen beeinträchtigen zu lassen („alles nur gespielt“) funktioniert hier nicht.“

Nach Ackermann, Salwiczek & Schnier (2004, S. 237) wird von Snuff-Darstellungen behauptet, „dass es sich in den entsprechenden Videos um reale Szenen handelt, in denen explizit für die Erstellung des Videos Menschen von Erwachsenen, über Kinder bis hin zu Babys gequält, gefoltert oder sogar getötet werden.“

Es gibt unterschiedliche Aussagen der Autoren darüber, ob die Handlungen in den Snuff-Videos gestellt oder tatsächlich real sind.

2.4 „Happy Slapping“

2.4.1 Definition und Begriffsverwendung

Bei dem Phänomen des „Happy Slapping" handelt es sich nach Feist (2008, S. 8) „um eine Entwicklung aus England, die mittlerweile auch in Deutschland angekommen ist.“ Hilgers (2011, S. 41-42) schreibt dazu: „Sowohl die Entstehung als auch die inhaltliche Begriffsbestimmung von ‚Happy Slapping‘ ist unklar. Es wird darauf hingewiesen, dass der Begriff von Jugendlichen für ihre gefilmten Gewalthandlungen geprägt wurde. Es gibt keine einheitlich verwendete Festlegung in der Wissenschaft. Der Begriff wird vor allem in den (britischen) Medien inflationär verwendet. Unklar ist auch, wie die Jugendlichen selbst diesen Begriff verwenden und welche Handlungen sie damit verbinden“. In den von Grimm, Rhein & Clausen-Muradian durchgeführten Studien wird der Begriff „Happy Slapping“ von den Jugendlichen selbst nicht benutzt. Dies deutet darauf hin, dass dieser Begriff bislang nicht in den deutschen „Jugendjargon“ Eingang gefunden hat. Üblich sind eher die Bezeichnungen „Klopp- bzw. Prügel-Videos“ und „Schlägerei“ (vgl. Grimm & Rhein, 2007; Grimm, Rhein & Clausen-Muradian, 2008).

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (2006, S. 13) definiert „Happy Slapping“ wie folgt: „Der Begriff ‚Happy Slapping‘ leitet sich von dem englischen Verb ‚to slap‘ ab und bedeutet wörtlich ‚fröhliches Schlagen‘. Hierzu nutzen die Täter Handys mit integrierter Kamera, um zuvor geplante oder wahllos durchgeführte Gewalttaten zu filmen – immer mit der Absicht, diese Videos später im Internet bekanntzumachen oder via Handy zu versenden.“ Robertz (2010, S. 75) definiert „Happy Slapping“ als eine besondere Spielart des Cyber Bullyings. „Hierbei filmt ein Jugendlicher mit seinem Handy eine bewusst zu diesem Zweck inszenierte Schlägerei oder Körperverletzung und macht diese Aufnahmen im Internet publik bzw. verteilt sie unter Nutzung der Bluetooth- oder Infrarotschnittstelle seines Mobiltelefons an Bekannte.“ Die Definitionen gehen in dem Punkt auseinander, dass zufällig gefilmte Clips nicht zum „Happy Slapping“-Phänomen gezählt werden, sondern nur die bewusst zum Filmen inszenierten Darstellungen.

2.4.2 Mögliche Formen des „Happy Slapping“

Die in der Definition der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien unter „Happy Slapping“ genannten Gewalttaten können sich in den unterschiedlichsten Formen präsentieren. Hierzu gehören „z.B. unvermitteltes Einschlagen auf ahnungslose Passanten, Verprügelung von Mitschülern und sexuelle Attacken“ (Grimm, 2008, S. 26) genauso wie das Umkippen einer Bank, auf der ein Obdachloser liegt und das anschließende Urinieren auf den Mann (vgl. Hilgers, 2011). Feist (2008, S. 12) schreibt von einem besonders brutalen Fall: Bei diesem „wurde einem zehnjährigen Mädchen durch zwei deutsche Jugendliche mehrfach ein Stock zwischen die Beine gesteckt, um eine Vergewaltigung zu simulieren“. Eine durch Feist durchgeführte Dunkelfeldbefragung[2] an der Gesamtschule Frankfurt im Jahr 2006 ergab folgendes Bild: „Die Hälfte der Opfer wurde geschlagen, fast ebenso viele getreten. Zwei Drittel berichteten, beschimpft und beleidigt worden zu sein. Daneben gab es noch weitere Formen der Erniedrigung wie Fesseln“ (Feist, 2008, S. 12). „Im Extremfall wurden mit dem Handy auch Vergewaltigungen aufgenommen, die dann als Video weiter verschickt wurden“(Grimm & Rhein, 2007, S. 49). Auch Robertz (2010, S. 75) schreibt: „Neben eher spielerisch-harmlosen Klapsen in der Frühphase des Happy Slapping werden zunehmend Gewaltexzesse bekannt, bei denen die Opfer bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen oder vergewaltigt werden.“

2.4.3 Zahlen und Fakten

Da sich hinter einer Happy-Slapping Tat verschiedenste Straftaten verbergen können, die für sich allein nicht auf das Phänomen schließen lassen, lässt sich das genaue Ausmaß nur schwer erfassen. Außerdem ist laut Jugendhilfe und Polizei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen (vgl. Römer, 2010). Auf der Basis von zwei Studien soll hier jedoch versucht werden, einen Eindruck über die sich momentan abzeichnenden Tendenzen zu vermitteln.

2.4.3.1 Ergebnis der repräsentativen Basisuntersuchung der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein

Das Forschungsprojekt der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein war darauf ausgerichtet, für die Praxis des Jugendmedienschutzes der Landesmedienanstalten erkennbaren Nutzen zu bringen. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sollten dazu dienen, Handlungsoptionen für eine zeitgemäße Medienkompetenzvermittlung im Mobilfunkbereich aufzuzeigen (vgl. Grimm & Rhein, 2007). Im Rahmen dieser Studie wurden 804 Kinder und Jugendliche im Alter von 12–19 Jahren befragt. Von Videos mit problematischen Inhalten haben 93,1 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen schon einmal gehört. Hierzu zählen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Solche Videos bei Anderen auf dem Handy gesehen haben 42,5 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen, hauptsächlich bei Mitschülern oder Freunden. Genauer sind es 27,7 Prozent der Kinder im Alter von 12 bis 13 Jahren und 38,8 Prozent der 14– bis 15-Jährigen, die diese Videos schon einmal gesehen haben. Bei den ab 16-Jährigen sind es rund die Hälfte der Jugendlichen, mehr Jungen als Mädchen und überdurchschnittlich viele Hauptschüler bzw. Jugendliche mit Hauptschulabschluss, die in Ausbildung, berufstätig o.ä. sind. Es sind somit eher die formal weniger gebildeten männlichen Jugendlichen, die mit solchen Videos in Kontakt kommen. Die Videos stammen nach Meinung der Befragten überwiegend aus dem Internet bzw. aus dem Tausch mit Anderen, die derartige Videos aus dem Internet bezogen haben. Dennoch vermuten die Jugendlichen bei fast der Hälfte der Handyvideos, dass diese selbst gemacht sind.

Von denjenigen, die ein eigenes Handy besitzen (n=752), hatten oder haben 5,4 Prozent selbst schon einmal Videos mit problematischen Inhalten auf ihrem Mobiltelefon. Von denen (n=41) gaben 72,7 Prozent an, diese Videos von Anderen erhalten zu haben, die sie aus dem Internet hatten. Insgesamt 51,3 Prozent gaben an, die Videos selbst angefertigt oder mit Anderen getauscht zu haben, die dieses Video gefilmt haben. Das Internet wird somit als Hauptquelle solcher Videos angegeben. Diejenigen, die Gewaltvideos selbst besitzen oder besessen haben, sind überwiegend männliche Jugendliche ab 16 Jahren mit Hauptschulabschluss (vgl. Grimm & Rhein, 2007).

2.4.3.2 Ergebnis der Jugend, Information, (Multi-)Media-Studie 2010

Seit 1998 führt der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest jedes Jahr eine Basisuntersuchung zum Medienumgang der 12- bis 19-Jährigen durch. Die nachfolgend dargestellten Abbildungen wurden anhand der Befragung von 1170 Kindern und Jugendlichen erstellt, und geben die aktuellen Tendenzen wieder.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Probleme mit dem Handy

Quelle: JIM 2010, Angaben in Prozent, n=1.170 Handybesitzer

Von eigenen Schwierigkeiten wegen einer missbräuchlichen Nutzung durch das Handy berichten etwa drei Prozent der Handybesitzer. Differenziert wurde nach eigener Betroffenheit als Opfer und danach, dass gespeicherte/verschickte Dinge auf dem eigenen Handy Probleme[3] bereitet haben. Betroffene finden sich häufiger unter den älteren Jugendlichen und bei den Jugendlichen mit formal geringerer Bildung. Selbst in Schwierigkeiten durch Inhalte auf dem eigenen Handy gerieten häufiger Jugendliche mittleren Alters sowie Jugendliche mit geringerem Bildungsniveau (vgl. Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest, 2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kenntnis bzw. Erhalt brutaler Videos oder Pornofilme auf das Handy

Quelle: JIM 2010; Angaben in Prozent, n=1.170 Handybesitzer

Bei dem Versenden gewalthaltiger oder pornographischer Filme oder Bilder von Handy zu Handy handelt es sich um eine weitere Variante des Handymissbrauchs. Von der Existenz dieser Art des Handymissbrauchs wissen 75 Prozent der befragten Jugendlichen. 24 Prozent berichten von einer Konfrontation mit solchen Inhalten von Freunden und Bekannten, 6 Prozent sind selbst Adressaten gewesen (vgl. Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest, 2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Angaben von Kenntnis über Filmen von Schlägereien

Quelle: JIM 2010; Angaben in Prozent, n=1.170 Handybesitzer

Wie dieser Abbildung zu entnehmen ist, hat etwa jeder dritte Handybesitzer schon einmal mitbekommen, dass eine Schlägerei mit dem Handy aufgezeichnet wurde. Lediglich 7 Prozent geben an, dass es sich hierbei um gestellte Szenen handelte, die Mehrzahl der Nennungen verweist auf reale, tätliche Auseinandersetzungen. (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2010).

2.5 „Happy Raping“

Zu dem Begriff „Happy Raping“ existieren keinerlei Definitionen. Nachfolgend werden auf der Grundlage der zusammengetragenen Phänomene, basierend auf Presseberichterstattungen, gemeinsame Merkmale herausgearbeitet. Anschließend wird in Anlehnung der zuvor definierten Begriffe eine eigenständige Definition erarbeitet.

2.5.1 Presseberichterstattungen

- In Goslar sollen vier Jugendliche einen 14-Jährigen zu schmerzhaften sexuellen Handlungen gezwungen und Aufnahmen von der Tat ins Internet gestellt haben. Zwei etwa gleichaltrige Jugendliche hätten die Misshandlungen mit Handys gefilmt (, 06.06.2006).
- Im Ortenaukreis am Rande des Schwarzwaldes sollen drei Jugendliche eine 17-Jährige nacheinander brutal vergewaltigt haben. Ein vierter habe das mit seinem Foto-Handy gefilmte Verbrechen anschließend als Handy-Mitteilung an Freunde verschickt (, 19.06.2006).
- In Bonn sollen acht Männer (zwischen 18 und 28 Jahren) eine 20-Jährige sieben Stunden lang abwechselnd vergewaltigt haben. Einer der Täter filmte Sequenzen der Vergewaltigung mit seinem Handy, dabei soll er seine Freunde noch aufgefordert haben, bestimmte Positionen einzunehmen (, 16.01.2007).
- In London sollen drei britische Jugendliche eine 25-jährige, zweifache Mutter im Beisein ihrer Kinder vergewaltigt und ein Video von der Tat beim Internetportal YouTube veröffentlicht haben. Auf diesem sollen im Hintergrund die Schreie der beiden kleinen Kinder zu hören sein (, 22.02.2008).
- In Emmerich sollen mehrere Jugendliche eine Schülerin auf einer Party vergewaltigt haben. Die Tat soll gefilmt worden sein (, 31.10.2008b).
- Auf einer Klassenfahrt in London soll ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt worden sein, die beiden 19 Jahre alten Täter sollen die Tat mit der Handykamera gefilmt haben (, 11.05.2010).
- In Heilbronn sollen zwei 14-jährige Mädchen von zwei Teenagern vergewaltigt worden sein. Zwei weitere Jugendliche sollen zugeschaut und die Vergewaltigungen mit einem Handy aufgenommen haben (, 19.07.2010).
- In Düsseldorf soll eine 15-Jährige von vier jugendlichen Tätern vergewaltigt und verprügelt worden sein. Die Gewalttat soll mit Handy-Kameras gefilmt und die Aufnahmen unter Mitschülern herumgezeigt worden sein (, 10.12.2010).

Als gemeinsame Merkmale der beschriebenen Fälle sind folgende Kriterien festzuhalten:

- Vergewaltigung
- Filmen mit der Handykamera
- Intention, den Clip zu veröffentlichen/verbreiten
- Keine Bereicherungsabsicht
- Beteiligung von mindestens zwei Tätern
- Täter sind jugendlich oder heranwachsend.

2.5.2 Definition

Der Begriff „Happy Raping“ kann aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt werden mit „fröhliches Vergewaltigen“ und leitet sich von dem Begriff „Happy Slapping“ ab. Was diese Form der Vergewaltigung besonders auszeichnet, ist, dass in allen Fällen die technischen Möglichkeiten von Mobiltelefonen zur Aufzeichnung von Taten genutzt werden. Dabei wird das Tatmittel Handy meist von mehreren Jugendlichen oder Heranwachsenden genutzt, um geplante oder im Affekt durchgeführte Vergewaltigungen mit der im Gerät integrierten Kamera zu filmen oder zu fotografieren. Dies geschieht immer ohne Bereicherungsabsicht und mit der Intention, die gefilmten Taten anschließend im Internet zu veröffentlichen oder via Handy zu verbreiten.

Auffällig ist, dass bei der Recherche von bekannt gewordenen Fällen in allen Berichten mindestens zwei, meistens mehr als zwei Personen als Täter fungierten.

2.5.3 Parallelen und Unterschiede zu anderen mit dem Handy gefilmten Vergewaltigungen

Es können jedoch nicht alle mit einem Handy aufgenommenen Vergewaltigungen als „Happy Raping“-Tat klassifiziert werden, was folgendes Beispiel verdeutlicht: Im Oktober 2007 soll ein 41-Jähriger Hilfsarbeiter ein

10-jähriges Mädchen vergewaltigt und die Tat mit der Handykamera gefilmt haben - mit dem Ziel, die Aufnahmen zu verkaufen (Rp-Online, 14.04.2008a). Folgende Unterschiede sind festzuhalten, die diese Tat nicht als typische „Happy Raping“-Tat klassifizieren:

- Alter des Täters
- vorhandene Bereicherungsabsicht
- Alleintäterschaft.

Die alleinige Tatsache einer Aufzeichnung mit dem Handy ist demnach für das Vorliegen einer „Happy Raping“-Tat nicht hinreichend.

2.6 Tatmittel Handy

2.6.1 Besitz und Ausstattung

Den Ergebnissen der JIM-Studie zufolge, zählt das Handy für fast alle Jugendlichen zu den Alltagsgegenständen. Die aktuelle Ausstattungsquote von 97 Prozent bestätigt nahezu eine Vollausstattung der jungen Generation der 12- bis 19-Jährigen (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, JIM-Studie 2010). Die Verteilung der jugendlichen Handy-Besitzer unter den Jugendlichen auf spezifische Geschlechts-/Altersgruppen und nach Schultypen wird in der folgenden Abbildung deutlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Handy-Besitzer 2010

Quelle: JIM 2010; Angaben in Prozent, n=1.208 alle Befragten

Wie in der nachfolgenden Abbildung zu sehen, gehört eine integrierte Kamera bereits nahezu zu den Standards, ebenfalls die Bluetooth-Funktion. Eine Infrarotschnittstellen-Funktion ist insgesamt bei 38 Prozent vorhanden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Ausstattung des eigenen Handys

Quelle: JIM 2010; Angaben in Prozent, n=1.170 Handybesitzer

2.6.2 Der Kameraeinsatz – Inzidentielle vs. Intentionale Dokumentation

Hilgers (2011) führt aus, dass zwischen inzidentiellen und intentionalen Gewalthandlungen unterschieden werden kann. Bei der inzidentiellen Gewalthandlung wird diese eher beiläufig dokumentiert, bei der intentionalen wird die Gewalt mit dem Ziel ausgeführt, sie zu dokumentieren. Hilgers (2011) schreibt auch, dass in der medialen Berichterstattung und öffentlichen Meinung dieser Unterschied nicht explizit thematisiert und subsummierend mit dem Begriff „Happy Slapping“ versehen wird. Bei der intentionalen Dokumentation muss ebenfalls unterschieden werden zwischen:

- spaßhafter, simulierter Gewalt ohne Verletzungsabsicht und mit Handlungseinwilligung aller Beteiligten
- Gewaltdokumentationen mit Verletzungsabsicht und Handlungseinwilligung aller Beteiligten
- Herbeiführung echter Gewalt für die Kamera.

2.6.3 Verbreitungsmöglichkeiten des Clips

Das fertige Produkt, der Clip, kann auf unterschiedliche Weise verbreitet werden. Im Folgenden werden die gängigsten vier Möglichkeiten vorgestellt.

Bluetooth: Unter Bluetooth wird eine drahtlose Funkvernetzung von Geräten über eine Reichweite von bis zu zehn Metern verstanden. Somit bietet diese eine drahtlose Schnittstelle, über die z.B. Handys miteinander kommunizieren können. Der Hauptzweck besteht in der Erübrigung von Kabelverbindungen zwischen den Geräten. Da die Nutzung von Bluetooth in Verbindung mit einer hohen Übertragungsrate kostenlos gewährt wird, ist Bluetooth für die Verbreitung von Fotos oder Videos von einem Handy zum anderen von größter Bedeutung. Davon, dass diese Technik in den weitaus meisten Fällen verwendet wird, ist auszugehen (vgl. Rat für Kriminalitätsverhütung in Schleswig-Holstein, 2009).

Infrarot-Schnittstelle: Als Infrarotstrahlung werden elektromagnetische Wellen im Spektralbereich zwischen sichtbarem Licht und der langwelligeren Mikrowellenstrahlung verstanden. Auch über Infrarot-Verbindungen von Handys können Daten kostenlos übertragen werden. Eine Sichtverbindung zwischen den Infrarot-Ausgängen des Sender- und Empfängergerätes ist dabei Voraussetzung. Die Übertragungsrate von Infrarot ist jedoch deutlich langsamer als bei der Bluetooth-Variante (vgl. Rat für Kriminalitätsverhütung in Schleswig-Holstein, 2009).

MMS: Der Multimedia Messaging Service ermöglicht als Weiterentwicklung des Short Message Service (SMS) die Übertragung von multimedialen Nachrichten, wie z.B. Bildern oder kurzen Videosequenzen an andere mobile Endgeräte. Dieser Dienst ist jedoch kostenpflichtig (vgl. Rat für Kriminalitätsverhütung in Schleswig-Holstein, 2009).

Videoportale: Die fertigen Clips werden hier hochgeladen und veröffentlicht. Die wohl bekanntesten Videoportale sind YouTube.com, MyVideo.de und Clipfish.de (vgl. Grimm, Rhein & Clausen-Muradian, 2008). Gibt man bei YouTube den Suchbegriff „Schlägerei“ ein, werden ca. 11.400 Treffer angezeigt, bei „Happy Slapping“ sind es ca. 3.890, bei „kloppen“ ca. 2.680 und bei „Prügelei“ sind es ca. 2.610 Treffer. Für „Happy Raping“ werden ca. 758 Treffer verzeichnet. Bei MyVideo.de sind es beim Suchbegriff „Schlägerei“ 5.620 Treffer, bei „Happy Slapping“ sind es lediglich 23 Treffer, bei „kloppen“ sind es 570 und bei „Prügelei“ 553. Bei über 8.000 Treffern zu „Happy Raping“ kann keine zuverlässige Aussage gemacht werden, hier sind zu viele Videos mit anderen Inhalten verzeichnet. Inwiefern jedes verbleibende dieser Videos den jeweiligen Definitionen zuzuordnen ist, bleibt unberücksichtigt. Beim Videoportal clipfish konnten vergleichsweise nur geringe Trefferzahlen zu den genannten Suchbegriffen festgestellt werden.[4]

Ein Clip, auf dem die Beteiligten und die Gewalthandlungen zu erkennen sind, kann der Polizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht als Beweismittel dienen und zur Klärung einer Straftat beitragen. Welche Straftaten im Einzelnen in Frage kommen können, wird im folgenden Kapitel näher ausgeführt.

[...]


[1] Auf geschlechtsneutrale Formulierungen wurde aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet. Im Text sind immer beiderlei Geschlechter gemeint.

[2] Befragung einer repräsentativen Gruppe aus der Bevölkerung um die Differenz der angezeigten Straftaten und der vermutlich begangenen Kriminalität einschätzen zu können.

[3] Wie diese Probleme/Schwierigkeiten aussehen, wird in der Studie leider nicht erläutert.

[4] Datum der Zugriffe: 25.03.2011

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
„Happy Raping“ als eine der vielen Formen der „Happy Slapping“-Phänomenologie?
Hochschule
Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach  (Sozialwesen)
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
80
Katalognummer
V229413
ISBN (eBook)
9783656445364
ISBN (Buch)
9783656446019
Dateigröße
827 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
happy, raping, formen, slapping
Arbeit zitieren
Gönül Brand (Autor:in), 2011, „Happy Raping“ als eine der vielen Formen der „Happy Slapping“-Phänomenologie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229413

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