Das nationalsozialistische Deutschland und der heutige Iran. Eine Aufarbeitung nach der Friedrich-Theorie


Seminararbeit, 2003

24 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen der Wissenschaft

3. Begriffsgeschichte

4. Friedrich und Brzezinski
4.1. Die Ideologie
4.2. Terror und Propaganda
4.3. Die Partei und der Führer
4.4. Die Befehlswirtschaft
4.5. Das Waffenmonopol

5. Eine weitere Totalitarismustheorie
5.1. Hanna Arendt

6. Die Überprüfung auf einen totalitären Staat des national – sozialistischen Deutschlands nach dem Modell von Friedrich und Brzezinski

7. Zusammenfassung

8. Hintergründe im Iran
8.1. Das Politische System
8.2. Der Präsident
8.3. Das Parlament
8.4. Rat der Experten
8.5. Rat der Wächter

9. Überprüfung auf einen totalitären Staat Irans nach dem Modell von Friedrich und Brzezinski
9.1. Eine offizielle Ideologie
9.2. Terror - die Errichtung von Terrorsystemen, egal ob militärisch oder polizeilich
9.3. ein monolithisch geschlossenes Einparteienregime mit einer einzelnen uneingeschränkten Person an der Spitze
9.4. Wird auch die Wirtschaft in einer Art „Befehlswirtschaft“ zentral vom Staat gelenkt?
9.5. Das Medien- und Informationsmonopol liegt ausschließlich in den Händen des Staates bzw. der Partei
9.6. ebenso hat der Staat ein Waffenmonopol
9.7. Zusammenfassung

10. Vergleich und Schlussfolgerung der beiden Staaten

Bibliographie:

Totalitarismustheorien: das nationalsozialistische – Deutschland (1933-1945) und der heutige Iran

1. Einleitung

Sieht man sich Fernsehdokumentationen über das nationalsozialistische Deutschland, faschistische Italien oder etwa die realsozialistische Sowjetunion an, so kommt man um einen Begriff nicht herum: Totalitarismus. In einem zweiten Gedankengang könnte man als Laie der politischen Landschaft annehmen, dass spätesten mit dem Fall der Sowjetunion es keine Staaten mit solchen Regierungseigenschaften mehr gibt. Gerade deshalb soll in dieser Seminararbeit verschiedensten Fragen nachgegangen werden; was heißt Totalitarismus überhaupt und woher kommt der Begriff? Was sind die meistverbreiteten Theorien und was besagen sie? Ist ein Staat wie es das nationalsozialistische Deutschland einer war in der heutigen Zeit noch denkbar, trotz der unzähligen internationalen „Überwachungsorgane“ (UNO, OSZE, AI usw.)?

Insbesondere die letzte Frage soll die Arbeit anhand zweier realer Beispiele näher untersuchen – nämlich Nazi – Deutschland von 1933-45 und den Iran in der heutigen Zeit. Dies ist insofern interessant, da die Totalitarismustheorien großteils erst nach und anhand Nazi – Deutschlands und dem faschistischen Italien entstanden sind. Diese Theorien sollen also in zweierlei Richtungen geprüft werden – erstens bestätigen sie wirklich, dass die Kriterien der Theorien mit den Eckpfeilern des nationalsozialistischen politischen Systems Deutschlands übereinstimmen und zweitens, ob der Iran aufgrund dieser Kriterien ein heute existierender totalitärer Staat ist?

Dabei wird betont, dass die Wahl nicht auf den Iran gefallen ist, weil die Autoren besondere Feindseligkeiten gegen diesen Staat hegen, sondern rein persönliches Interesse an diesem Staat haben, da es durchaus sein könnte, dass der Iran im Zuge des zweiten Golfkrieges bald des öfteren in den Medien aufscheinen könnte. Die Wahl Hitler – Deutschlands war aufgrund des Inhalts des besuchten Seminars der Autoren sozusagen unausweichlich. Natürlich konnten die Autoren die beiden ausgewählten Staaten nicht bis ins kleinste Detail beleuchten, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde, deshalb wurde versucht, die für die Theorien notwendigen Kriterien zu ermitteln und auszuwerten.

Vorweggeschickt soll auch werden, dass aufgrund der Vielzahl der verschiedensten Theorien nur das bekanntste Modell von Friedrich und Brzezinski als Grundlage der Untersuchungen und Beschreibungen gewählt wurde. Die Autoren sind sich aber durchaus bewusst, dass es noch einige andere bedeutende Theorien über den Totalitarismus gibt. Eine weitere wird jedoch nur in einem kurzen Abriss dargestellt.

Die Arbeit wurde in zwei Großkapitel unterteilt – nämlich Hitler – Deutschland und Iran. Ersterer Teil wurde von Christian Briggl ausgearbeitet, während Dardan Gashi den Iran beleuchtete.

2. Begriffsbestimmungen der Wissenschaft

Bevor die verschiedensten Totalitarismustheorien vorgestellt und beschrieben werden, sollen, sozusagen zur Einstimmung, einige Begriffsbestimmungen aufgezeigt werden, die die Komplexität von Totalitarismustheorien schon im Vorfeld ein wenig darstellen sollen.

„Totalitarismus – Bezeichnung für eine Form der Herrschaft, die Gesellschaft und Individuen einer totalen, weder durch Grundrechte noch durch Gewaltenteilung beschränkten Kontrolle unterwerfen will.“[1]

„Totalitarismus der, Bezeichnung für Herrschaftssysteme, die eine Autonomie nicht staatlicher Bereiche (z. B. Wirtschaft, Kultur, Erziehung, Religion) und einen staatsfreien Raum des Einzelnen nicht anerkennen. Ideologische Ausrichtung und politische Mobilisierung der Bevölkerung, verbunden mit pseudodemokratischen Elementen, charakterisieren den totalitären Staat.“[2]

„Totalitarismus, politische Systeme, die durch - notfalls gewaltsame - Gleichschaltung aller sozialen, kulturellen und weitgehend auch individuellen Äußerungen nach Maßgabe einer Ideologie gekennzeichnet sind, nennt man totalitär. Damit soll der über Autoritäres weit hinausgehende Anspruch und die völlige Erfassung der Beherrschten ausgedrückt werden.“[3]

3. Begriffsgeschichte

Der Begriff des Totalitarismus bzw. des Totalitären entstand schon relativ früh im 20. Jahrhundert, nämlich in den 20 Jahren, in Zeiten der großen politischen Umbrüche (Russische Revolution - Sowjetkommunismus, Niedergang Österreich-Ungarns, italienischer Faschismus etc.) Konkret aufgetreten ist der Begriff erstmals im Zusammenhang mit der Kritik der Oppositionellen gegenüber der Minderheitsregierung von Benito Mussolini und sollte eigentlich somit Faschisten und Antifaschisten voneinander trennen. Bizarrerweise wurde der Begriff des Totalitären von Mussolini und seiner Partei nicht vermieden, da es ja eigentlich negativen Einfluss auf die „Partito Nazionale Fascista“* nehmen sollte, sondern wurde, ganz im Gegenteil, aktiv aufgriffen und man bekannte sich sogar dazu als Mussolini „1925 von dem fanatischen ‚totalitären Willen’ seiner Bewegung sprach.“[4] Erst einige Jahre später – nämlich 1929 in England – wurde der Begriff als Verbindung zwischen Faschismus und Bolschewismus benutzt. Von diesem Zeitpunkt an wurde die extreme Rechte und Linke von bürgerlichen Autoren als die gemeinsamen totalitären Feinde der Demokratie gesehen, als die zwei selben Seiten der totalitären Medaille.[5]

Die Nachkriegszeit war jene Zeit, die den Begriff des Totalitarismus durch die Arbeiten von Hannah Arendt (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft) und Carl Friedrich (Totalitarianism) nahezu „populär“ werden ließen. Dies fand in den 1950er und 1960er Jahren statt, heute gibt es jedoch an diesen Modellen massive Kritikpunkte, auf die später noch eingegangen wird.

In weiterer Folge soll das Hauptmodell, das für die Arbeit als essentiell erscheint, ausführlicher dargestellt werden und darüber hinaus auch jene Theorien wie etwa von Hannah Arendt.

4. Friedrich und Brzezinski

Wie bereits oben erwähnt ist das Theoriemodell von Carl Joachim Friedrich und Zbigniew Brzezinski eines der bekanntesten und meistverwendeten Theoriemodell der Nachkriegszeit, obwohl die Autoren – vornehmlich Friedrich – selbst bereits größere Mängel und teilweise falsche Annahmen konstatiert haben.

Im Gegensatz zu anderen TheoretikerInnen, wie später noch gezeigt werden soll, verzichten die beiden nahezu vollständig auf eine ideengeschichtliche Herleitung des Totalitarismus, sondern begnügen sich mit ungenauen Hinweisen auf die Wurzeln der totalitären Ideologie. Ihr Modell soll sowohl für den Sowjetkommunismus unter Stalin als auch für das nationalsozialistische Regime unter Hitler gleicher weise Gültigkeit haben. Dieser Gleichsetzung widersprechen aber die Autoren schon selbst in ihrer Einleitung, da sie zum Beispiel erkennen mussten, dass die Zielsetzungen beider Systeme gänzlich gegensätzliche waren.

Kershaw spricht im Rahmen dieser Theorie von einem „Sechs-Punkte-Syndrom“, dass zum Einen ein statisches und zum Anderen ein idealtypisches Verfahren darstellt. Trotz aller Mängel gelten jene Staaten, die nun folgende sechs Merkmale aufweisen als totalitäre Staaten:

1. eine offizielle Ideologie
2. die Errichtung von Terrorsystemen, egal ob militärisch oder polizeilich
3. ein monolithisch geschlossenes Einparteienregime mit einer einzelnen uneingeschränkten Person an der Spitze
4. wird auch die Wirtschaft in einer Art „Befehlswirtschaft“ zentral vom Staat gelenkt.
5. das Medien- und Informationsmonopol liegt ausschließlich in den Händen des Staates bzw. der Partei
6. ebenso hat der Staat ein Waffenmonopol

Eine der Aufgabenstellungen dieser Arbeit ist es, anhand dieser Kriterien zu untersuchen, ob diese von Nazi – Deutschland erfüllt wurden oder ob es Schwachstellen und Lücken gibt und auch, ob Iran heute diese Kriterien erfüllt.

Besonders auf die ersten vier Punkte dieser Merkmale werden von Friedrich in seiner deutschen Übersetzung „Totalitäre Diktatur“[6] eingehender behandelt. Dieser Vorgehensweise schließen sich die Autoren an.

4.1. Die Ideologie

Wenn man heute von Ideologien spricht, so fallen einem auf Anhieb drei Schlagwörter ein: Nationalsozialismus, Kommunismus und wohl auch Kapitalismus. Diese drei „Ideologien“ haben zumindest eines gemeinsam, sie sind etwa zum Alter der Politik relativ jung und ein Produkt von Parteien und Bewegungen (wobei an dieser Stelle zu hinterfragen wäre, ob der Kapitalismus ein Produkt der Parteien und Bewegungen ist oder ob nicht bestimmte Parteien das Produkt des Kapitalismus sind?).

Friedrich beschränkt sein Bild der Ideologie auf Gedanken und Ideen, die auch „einen schriftlichen Niederschlag gefunden haben“[7], also wie etwa der Nationalsozialismus in „Mein Kampf“ oder der Kommunismus im „Kommunistischen Manifest“ bzw. in den Marx – Engels – Werken.

Weiter beschreibt Friedrich Ideologien wie folgt: „ Man könnte dann etwa definieren, dass eine Ideologie ein Corpus von Ideen darüber ist, wie eine bestehende Gesellschaft zu verändern und zu verbessern sei, und zwar im Hinblick auf eine mehr oder weniger eingehende Kritik an dem, was in der bestehenden oder vorhergehenden Gesellschaft falsch ist.“[8] Diese Definition für sich alleine stehend, würde den Begriff Ideologie, der ja heute aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung eher negativ behaftet ist, doch in einem positivem Lichte erscheinen lassen und könnte bzw. muss in dieser Form Leitbild einer jeden konstruktiven Partei sein. Jetzt geht es daran den Begriff „Corpus an Ideen“ auszufüllen, da dies wohl das Um und Auf dieser Definition ist; wie verändert man die Gesellschaft zum Bessern?

Bezogen auf das Thema dieser Arbeit definiert Friedrich totalitäre Diktatur in Fortsetzung zur ersten Definition: „Eine totalitäre Ideologie wäre dann eine solche, die sich auf die totale Zerstörung und den totalen Wiederaufbau einer bestehenden Gesellschaft richtet und die daher, für die Ideologie typisch, die Gewalt akzeptiert, da sie das einzig mögliche Mittel für eine solche totale Veränderung der Gesellschaft ist.“[9] Die Gewalt als Mittel zur Zerstörung und zum Wiederaufbau ist sozusagen das Füllmittel des Corpus für totalitäre Ideologien.

Ein nicht unwesentlicher aber eher pragmatischer Teil von Ideologien sind Symbole und Mythen. „Sie (die Mythe, Anm. CB) ist das Ergebnis eines spontanen Verlangens der Machthaber, sich wirkliche Autorität zu verschaffen. Die Mythe soll ihnen dabei helfen, indem sie die ihrer Herrschaft Unterworfenen veranlasst, diese Herrschaft als legitim zu akzeptieren.“[10] Symbole wie das Hakenkreuz, Rutenbündel, Hammer und Sichel sollen zum Einen als Identifikation mit der Ideologie dienen und stellen zum Anderen eine Verbindung zwischen dem Mythos und der Ideologie her. Diese Symbole sind also für die Bewegungen von zentraler Bedeutung.

[...]


[1] Nohlen, Dieter (Hrsg.) (2. Auflage 2002): Kleines Lexikon der Politik, München, S 518.

[2] http://www.brockhaus.de/ , am 05.07.03

[3] http://www.infobitte.de/free/lex/LgD_Lex0/t/totalitarismus.htm , am 29.09.2003

* ital. Bezeichnung des Parteinamens von Mussolini

[4] Kershaw, Ian (3. Auflage 1993): Der NS-Staat – Geschichtsinterpretation und Kontroversen im Überblick, London, S 46.

[5] Vgl. Kershaw, Ian (3. Auflage 1993): Der NS-Staat – Geschichtsinterpretation und Kontroversen im Überlick, London, S 41.

[6] Friedrich, Carl J (1957): Totalitäre Diktatur, Stuttgart.

[7] Friedrich, Carl J (1957): Totalitäre Diktatur, Stuttgart, S 27.

[8] Friedrich, Carl J (1957): Totalitäre Diktatur, Stuttgart, S 27.

[9] Friedrich, Carl J (1957): Totalitäre Diktatur, Stuttgart, S 27.

[10] Friedrich, Carl J (1957): Totalitäre Diktatur, Stuttgart, S 49-50.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das nationalsozialistische Deutschland und der heutige Iran. Eine Aufarbeitung nach der Friedrich-Theorie
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V22876
ISBN (eBook)
9783638261128
ISBN (Buch)
9783638721158
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wie autoritär ist der Iran? Und sind Systeme wie der Nationalsozialismus heute noch denkbar? Eine Aufarbeitung nach der Friedrich-Theorie.
Schlagworte
Deutschland, Iran, Eine, Aufarbeitung, Friedrich-Theorie
Arbeit zitieren
Christian Briggl (Autor:in), 2003, Das nationalsozialistische Deutschland und der heutige Iran. Eine Aufarbeitung nach der Friedrich-Theorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22876

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