Doppelmodalkonstruktionen


Seminararbeit, 2003

21 Seiten, Note: sehr gut (1,3)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zur syntaktischen Beschreibung von Modalverben
1.2 Zur semantischen Beschreibung von Modalverben
1.2.1 Der epistemische Gebrauch von Modalverben
1.2.2 Der deontische Gebrauch von Modalverben

2 Doppelmodalkonstruktionen
2.1 Doppelmodalkonstruktionen in skandinavischen Sprachen
2.2 Doppelmodalkonstruktionen im Englischen
2.3 Doppelmodalkonstruktionen im Deutschen

3 Zusammenfassung und Diskussion

4 Literaturangaben

1 Einleitung

Als „Doppelmodalkonstruktionen“ (oder ‚double modals’) werden alle syntak-tischen Konstruktionen bezeichnet, die durch die Kombination von zwei Modal-verben entstehen. Dass Modalverben nicht beliebig kombiniert werden können, wird deutlich, wenn man die Sätze 1. (a) und (b) vergleicht. Während Satz (a) grammatisch ist, ist Satz (b) nicht akzeptabel, obwohl er die gleichen Modalverben (allerdings in der umgekehrten Reihenfolge) enthält.

1. (a) Hans soll kommen dürfen.

(b) *Hans darf kommen sollen.

In dieser Arbeit möchte ich untersuchen, inwieweit und wodurch die Kombination zweier Modalverben restringiert ist. Sind es syntaktische oder semantische Fak-toren, die über die (Un-)Grammatikalität eines Satzes entscheiden?

Zur Beantwortung dieser Frage werde ich zunächst auf die syntaktischen und semantischen Eigenschaften von einfachen Modalverben eingehen. Im zweiten Teil der Arbeit werden dann Doppelmodalkonstruktionen in verschiedenen Sprachen (Isländisch und Dänisch, Englisch, Deutsch) betrachtet. Ich werde ver-schiedene Ansätze vorstellen und zeigen, aus welch unterschiedlichen Perspektiven man Doppelmodalkonstruktionen betrachten und analysieren kann. Abschließend werde ich meine Ergebnisse zusammenfassen und diskutieren.

1.1 Zur syntaktischen Beschreibung von Modalverben

Welche Verben zu den Modalverben gezählt werden, ist genauso umstritten, wie die Kriterien, die zu dieser Klassifizierung herangezogen werden. Da in dieser Arbeit kein Platz für eine ausführliche Diskussion ist, werde ich mich in meiner Analyse ausschließlich auf die in der Literatur als „klassische Modalverben“[1] (oder „central modals[2]) bezeichnete Verben beziehen. Diese sind für das Deutsche dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen und für das Englische will, would, can, could, shall, should, may, might und must. Für das Dänische werden als entsprechende Modalverben ville (‚will’), skulle (‚shall’), måtte (‚must’), und kunne (‚can’) genannt, für das Isländische munu bzw. vilja (‚will’), skulu (‚shall’), mega (‚may’), hljóta bzw. verđa (‚must’) und kunna bzw. geta (‚can’)[3].

Öhlschläger (1989) nennt für die Abgrenzung der Modalverben im Deutschen u.a. folgende Kriterien:

- Modalverben weisen Besonderheiten in der Flexion auf (keine Endung in der 1. und 3. Ps. Sg. Ind. Präs.).

2. (a) ich will vs. *ich wille

(b) er will vs. *er willt

- Modalverben haben keinen Imperativ.

3. *Will!

- Modalverben können kein Passiv bilden.

4. *sie wird heiraten gewollt

- Modalverben stehen mit dem Infinitiv ohne ‚zu’.

5. *Er will zu tanzen.

Thráinsson und Vikner (1995) grenzen englische Modalverben wie folgt ab:

- Modalverben weisen Besonderheiten in der Flexion auf (keine Subjekt-Verb-Kongruenz in der 3. Ps. Sg. Präs.).

6. he can vs. *he cans

- Modalverben können keinen Auxiliaren folgen, da sie keinen Infinitiv haben.[4]

7. *She hopes to can come.

- Modalverben stehen mit dem Infinitiv ohne ‚zu’.

8. *She can to come

Für die skandinavischen Sprachen führen die selben Autoren folgende Eigenschaften von Modalverben auf:

- Modalverben verhalten sich hinsichtlich der Subjekt-Verb-Kongruenz wie alle anderen Verben der jeweiligen Sprache.

9. (a) Ég mun / Dú munt / Viđ munum koma. [Isländisch, S-V-K]

(b) Jeg vil / Du vil / Vi vil kome. [Dänisch, keine S-V-K]

Ich will / Du willst / Wir wollen kommen.

- Modalverben können Auxiliaren folgen.

10. Bengt har kunnat tala grekiska.

Bengt has can speak Greek.

‘Bengt has been able to speak Greek.’

- Manche skandinavische Modalverben stehen mit dem Infinitiv ohne ‚zu’, andere mit dem Infinitiv mit ‚zu’.

11. Ég vil (*ađ) fara heim.

I will to go home.

‘I want to go home.’

12. Detta kann *(ađ) fara illa.

This can to go badly.

‘This may go wrong.’

Es zeigt sich also, dass in syntaktischer Hinsicht Modalverben sowohl inter- als auch intrasprachlich kein einheitliches Bild aufweisen. „Zumindest syntaktisch bilden die gemeinhin unter der Bezeichnung ‚Modalverben’ zusammengefassten Verben keine homogene Klasse – ihr Beitrag zur syntaktischen Struktur der Sätze bzw. Äußerungen, in denen sie vorkommen können, ist von durchaus unterschiedlicher Art.“ (Öhlschläger, 1989).

Dagegen wird in allen Sprachen für die Modalverben eine „spezifische Semantik“ bzw. ein „modal meaning“ festgestellt, das sie wesentlich von den Vollverben der jeweiligen Sprache unterscheidet. Somit scheint die semantische Beschreibung ein geeignetes Mittel zu sein, Modalverben zu charakterisieren. Auch Bußmann (1990) definiert Modalverben als „semantisch bestimmte Teilmenge der Verben, die in Verbindung mit einem Infinitiv modale Bedeutungsaspekte ausdrücken“. Es wird sich zudem zeigen, dass die semantische Interpretation eines Modalverbs einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob und inwiefern das Modalverb in Doppelmodalkonstruktionen auftreten kann.

1.2 Zur semantischen Beschreibung von Modalverben

Während die syntaktische Beschreibung von Modalverben in den hier betrachte-ten Sprachen uneinheitlich ausfällt, lassen sich unter semantischen Gesichts-punkten zwei entscheidende Gemeinsamkeiten feststellen: Zum einen fungieren Modalverben in allen Sprachen als propositionale Operatoren, die Skopus über den gesamten Satz haben und so dessen Bedeutung manipulieren. Zum anderen haben alle Modalverben nicht nur eine mögliche Interpretation sondern sind ambig. Laut Öhlschläger (1989) spielt bei der Differenzierung verschiedener Bedeutungen der Modalverben – und zwar nicht nur des Deutschen – die Unter-scheidung zweier unterschiedlicher Gebrauchsweisen der Modalverben eine zentrale Rolle: nämlich die Unterscheidung zwischen der epistemischen und der deontischen Verwendung von Modalverben[5].

1.2.1 Der epistemische Gebrauch von Modalverben

In der epistemischen Verwendung drückt ein Modalverb die Einstellung eines Sprechers zu einem bestimmten Sachverhalt aus. Genauer gesagt, drückt das Modalverb den Grad der Gewissheit des Sprechers aus, dass ein bestimmter Sachverhalt besteht oder eintreten wird. In diesen Fällen liegt also eine subjektive Einschätzung des Sprechers vor, die er aufgrund von vorher von ihm getroffenen Inferenzen äußert.

Im Vergleich der Sätze

13. (a) Das kann der Postbote sein.

(b) Das muss der Postbote sein.

ist die Gewissheit des Sprechers über das Ereignis [es ist der Postbote] in Satz (b) größer. Während Satz (a) lediglich die Möglichkeit, dass es sich um den Postboten handelt, beschrieben wird, drückt Satz (b) dagegen die Notwendigkeit aus[6].

Dass diese Unterscheidung von Möglichkeit und Notwendigkeit auch im Englischen und Skandinavischen anhand von Modalverben getroffen werden kann, zeigen folgende Sätze:

14. (a) John may be there now.

‚John kann jetzt hier sein.’

(b) John must be there now.

‚John muss jetzt hier sein.’

(c) Det kan vaere sandt.

Das kann wahr sein.’

(d) Det må vaere sandt.

Das muss wahr sein.’

[...]


[1] Öhlschläger (1989)

[2] Mindt (1995)

[3] Thráinsson und Vikner (1995)

[4] Ich werde allerdings später zeigen, dass in einigen englischen Dialekten Konstruktionen wie I want to can do it oder I would like to could swim durchaus gebräuchlich und akzeptabel sind. Somit scheint dieses Kriterium nur auf das Standard-Englisch zuzutreffen.

[5] Für die hier gemachte Unterscheidung werden in der Literatur zahlreiche Termini verwendet und diese wiederum werden auch nicht immer einheitlich gebraucht (für eine Übersicht siehe Öhlschläger (1989) An dieser Stelle genügt aber die grobe Unterteilung in zwei Klassen, wobei ‚deontisch’ im wesentlichen als Synonym für ‚nicht-epistemisch’ verwendet wird. Eine detailliertere Klassifikation findet sich in Thráinsson und Vikner (1995).

[6] Die Unterscheidung zwischen Möglichkeit und Notwendigkeit ist zwar wesentlich, aller-dings viel zu grob und ungenau. Kratzer (1991) stellt heraus, dass modale Wörter sehr differenziert und abgestuft verwendet werden können und dass daher auch bei Modal-verben die grobe Zweiteilung nicht ausreicht. Eine differenziertere Einteilung der Modal-verben findet sich u.a. bei Thráinsson und Vikner (1995).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Doppelmodalkonstruktionen
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Linguistik)
Veranstaltung
Seminar "Modalverben"
Note
sehr gut (1,3)
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V22819
ISBN (eBook)
9783638260763
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Arbeit werden Doppelmodalkonstruktionen (d.h. Satzkonstruktionen, die zwei Modalverben enthalten) im Deutschen, Englisch und in skandinavischen Sprachen (dänisch und isländisch) untersucht. Die Analyse erfolgt unter syntaktischen und semantischen und lexikalischen Gesichtspunkten.
Schlagworte
Doppelmodalkonstruktionen, Seminar, Modalverben
Arbeit zitieren
Judith Heide (Autor:in), 2003, Doppelmodalkonstruktionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22819

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