Bestimmung der Lösungsstruktur von H-FABP aus Rinderherz mit mehrdimensionaler NMR-Spektroskopie und Molekulardynamiksimulation


Doktorarbeit / Dissertation, 2000

123 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Die Familie der Lipidbindungsproteine
1.2. Die Struktur des H-FABPs aus Rinderherz

2. Theorie und Methoden
2.1. Kern-O ver hauser-Effekt
2.2. Diederwinkel

3. Proteinstruktur in Lösung
3.1. Distanzgeometrierechnungen
3.2. REDAC Strategie
3.3. DYANA
3.4. Energieminimierung
3.5. Molekulardynamik
3.5.1. LINCS-Algorithmus
3.5.2. Periodische Randbedingungen
3.5.3. Das Kraftfeld

4. Ergebnisse und Diskussion
4.1. Distanzgeometrierechnungen
4.2. Molekulardynamikrechnung
4.3. Schlußfolgerungen

5. Zusammenfassung

6. Literatur

A. Anhang
A.1. Chemische Verschiebungen
A.2. Stereospezifische Zuordnungen
A.3. Diederwinkel
A.4. NOE-Abstandsliste
A.5. Parameterset für die Molekulardynamik

Danksagung

Die vorliegende Arbeit wurde am Institut für Biophysikalische Chemie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. H. Rüterjans im Zeitraum von April 1996 bis März 2000 angefertigt

Herrn Prof. Dr. H. Rüterjans gilt mein besonderer Dank für die interessante Themenstellung und für die Bereitstellung der hervorragenden technischen Be­dingungen zur Durchführung dieser Arbeit, sowie für Diskussion und Anregung

Herrn Dr. Christian Lücke gilt mein besonderer Dank, da er stets bemüht war, konkrete Hilfestellung zu leisten und die Arbeit voranzubringen. Die vielen anregenden Diskussionen und seine Hilfsbereitschaft wirkten in fachlicher, sach­licher und motivierender Weise über diese Doktorarbeit hinaus, Anregung und Freude zu diesen Problemkreisen der biophysikalischen Chemie zu erhalten

Herrn Diplom-Chemiker Ulrich Schieborr danke ich für die stete Hilfsbereit­schaft und die anregenden Diskussionen bei der Durchführung der Molekulardy­namiksimulationen

Allen nicht namentlich genannten Mitgliedern des Arbeitskreises danke ich für die hervorragende Zusammenarbeit und das ausgezeichnete Arbeitsklima

Mein persönlicher Dank geht an meine Eltern, ohne deren stete ideelle und materielle Hilfe diese Arbeit undenkbar gewesen wäre

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Die Familie der Lipidbindungsproteine

Es gibt eine Reihe von Proteinklassen, die Wechselwirkungen mit Lipiden ein­gehen, so zum Beispiel Membranproteine, Apolipoproteine im Serum, phospholi­pidbindende Proteine [1,2], Acetyl-CoA-bindende Proteine [3,4] oder die vor un­gefähr 30 Jahren identifizierten intrazellulären cytoplasmatischen Lipidbindungs­proteine (LBPs), zu denen im Besonderen die Fettsäurebindungsproteine (FABPs) [5] zählen. Letztere wurden oft bei der Analyse von Protein-Lipid-Wechselwirk- ungen untersucht und gehören zu den am besten studierten Klassen von Poly­peptiden. Bei diesen Studien wurden die biochemischen und biophysikalischen Eigenschaften der verwandten FABPs mit Techniken wie Röntgenkristallogra­phie, Mikrokalorimetrie, NMR-, ESR-, Fluoreszenz- und Infrarotspektroskopie untersucht [6-19] und aufgeklärt.

Die nahe Verwandtschaft der FABPs untereinander wird vor allem in ih­rer hochkonservierten Struktur deutlich, welche aus einem ß-Faß („ß-Barrel“, „ß-Clam“) besteht, sowie ihrer unimolekularen Affinität zu Monocarbonsäureli­ganden (mit Ausnahme des L-FABPs, welches bimolekulare Affinität aufweist). Ihren lipidbindenden Charakter zeigen die FABPs in mannigfaltigen Funktionen in praktisch allen tierischen Geweben. So sind zum Beispiel cytosolische Fett­säurebindungsproteine an der Regulation von Zellwachstum und -differenzierung beteiligt und die humanen M-, I-, H- und B-FABPs inhibieren die in vitro mRNA Translation konzentrationsabhängig (A-, L- und E-FABPs zeigen diesen Effekt nicht) [20].

Das in dieser Arbeit untersuchte Herz/Skelettmuskel-Fettsäurebindungspro­tein (H eart skeletal muscle f atty a cid-b inding protein, H-FABP, Abbildung 1) wurde aus unterschiedlichen Geweben wie Herz- [22, 23] und Skelettmusku-

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Abbildung 1: Sekundärstruktur und Aminosäuresequenz der pI=5,1 Isoform von Rinderherz-FABP [21].

latur [23, 24], Niere, Gehirn, Hoden, Ovarien, Bauchspeicheldrüse, Thymus und Nebennierengewebe [24-28] isoliert. Im Gegensatz zu einigen LBPs, die nur in einem oder einer kleinen Anzahl von Geweben exprimiert werden, findet man H-FABP in den meisten Geweben (siehe Tabelle 1).

H-FABP ist darüberhinaus sowohl ein nukleäres als auch ein cytosolisches Pro­tein [50]. Wie Untersuchungen zeigen, ist das ursprünglich als Wachstumsinhibi­tionsprotein aus Säugetierzellen bezeichnete MDGI („mammary-derived growth inhibitor “) eine Mischung aus H-FABP und A-FABP [47,51]. Es wird in Milch­drüsen von säugenden Rindern exprimiert [45,46]. Es konnte gezeigt werden,

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Tabelle 1: FABPs und ihr Vorkommen in verschiedenen Geweben (aus [6])

daß H-FABP bei Inkubation von Karzinom-Zellen eine Beendigung des Wachs­tums, begleitet von einer Abnahme der Thymidinaufnahme [47] und der mR- NA-Synthese bestimmter Transkriptionsfaktoren wie c-fos, c-myc und c-ras [52], bewirkt.

Immunohistochemische Vergleichsstudien von fötalem, postnatalem und adul­tem H-FABP aus Gehirn lassen eine wichtige Rolle dieser Proteine in den Ent­wicklungsstadien des Organismus’ vermuten [48]. Die Expressionsraten in den pre- und postnatalen Abschnitten von Rattenovarien korrelieren mit den Steroid­hormonspiegeln [53]. Analysen der H-FABP Verteilung ergaben, daß nur Zellen, die extensive ß-Oxidation betreiben (z.B. Herzmuskel, rote Streckmuskulatur), Steroidsynthese durchführen (z.B. Nebennierenrinde) und/oder an der Resorp­tion beteiligt sind (z.B. Speicheldrüse), H-FABP exprimieren [54]. Man kann H-FABP als kritische Komponente im Fettsäuretransport der Cardiomyocyten, insbesondere beim Weg vom Sarkolemma in das Innere der Mitochondrien, iden- tifizieren. H-FABP kann Acylcarnitine binden und scheint Acylcarnitinbewegun- gen vom Cytosol zur äußeren Mitochondrienmembran für die dort stattfindende ß-Oxidation zu modulieren [55,56].

Darüberhinaus besitzt H-FABP die Fähigkeit freie Radikale abzufangen, ins­besondere O¡-, Hydroxyl- und Hypochloritradikale [57]. Das kann insbesondere im ischämischen Zustand von Bedeutung sein [58]. H-FABP behält 86% bezie­hungsweise 73% seiner Fettsäurebindungskapazität nach einer Inkubation mit O¡- beziehungsweise Hydroxylradikalen [59].

In der medizinischen Diagnostik kann FABP als frühzeitiger Indikator eines akuten Herzinfarktes dienen. Die Plasmakonzentrationen von FABP steigen in­nerhalb von drei Stunden nach einem Infarkt deutlich an und sinken in der Regel innerhalb von 12 Stunden wieder auf ihr Ausgangsniveau. Die Indikationswirkung von FABP übertrifft die des Myoglobins [60].

H-FABP wird im Rinderherz in zwei Isoformen gefunden, die sich nur in ei­ner Aminosäure (Asp98 /Asn98 ) und ihrem pI (4,9 bzw. 5,1) unterscheiden. Die verschiedenen Isoformen von H-FABP werden durch verschiedene mRNAs ko­diert [61]. Das menschliche H-FABP-Gen wurde auf dem Chromosom 1p32-1p33 lokalisiert [62]. Die hier verwendete rekombinante Form entspricht der pI=5,1 Iso­form aus Rinderherz, besitzt jedoch am aminoterminalen Ende einen zusätzlichen Methioninrest.

1.2. Die Struktur des H-FABPs aus Rinderherz

Das Grundmotiv, welches allen FABPs zu Grunde liegt, ist eine ß-Faß-Struktur („ß-Barrel“, „ß-Clam“). Dieses besteht aus zehn antiparallelen ß-Faltblattsträn- gen (ßA-ß J) mit komplementären Wasserstoffbrückenbindungen zu den benach­barten Faltblattsträngen, um ein kontinuierliches ß-Faltblatt zu formen (sie-

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Abbildung 2: NMR-Lösungsstruktur der pI= 5,1 Isoform des Rinderherz-H-FABPs.

he Abbildungen 1 und 2). Das Wasserstoffbrückennetzwerk wird zwischen den ß-Faltblättern ßD und ßE unterbrochen, da der Abstand zwischen den Rück­gratatomen zu groß ist. Durch verbrückende Wassermoleküle und die Seitenket­ten wird ein geschlossenes System gebildet [16]. Bei der FABP-Faltung bilden der erste und der zehnte Faltblattstrang (ßA und ßJ) Wasserstoffbrückenbindun­gen zueinander aus, um einen charakteristischen up/down ß-Zylinder zu formen. Der Zylinder ist geschlossen — an einem Ende durch hauptsächlich hydrophobe Seitenketten und am anderen durch ein Helix-Turn-Helix-Motiv, das die Falt­blattstränge ßA und ßB verbindet — und stellt eine wassergefüllte Kavität (Bin­dungstasche) dar.

Die Helices werden als al und all bezeichnet. Diese werden meist auf dem ß-Faß liegend dargestellt. Die innere Oberfläche der Kavität ist sowohl durch polare als auch durch apolare Aminosäuren begrenzt, wobei die apolaren Seiten­ketten tiefer in die Bindungstasche hineinragen. Das Volumen der Bindungstasche reicht je nach FABP-Typ von 300 bis 700 Â3. Obwohl diese Kavität relativ groß ist, nimmt sie nur circa 5% des Gesamtvolumens des Proteins ein [16].

Die Fettsäure wird als Ligand innerhalb der Bindungstasche gebunden und nimmt dabei zwischen der Hälfte und einem Drittel des Gesamtvolumens ein. Bis auf den Lebertyp binden alle FABPs nur einen Liganden — L-FABP nimmt eine Sonderstellung ein und kann zwei Fettsäuren binden [63]. Bei den meisten FAB­Ps liegt die Carboxygruppe der Fettsäure innerhalb des ß-Fasses und wird durch elektrostatische Wechselwirkungen mit Arginin- und Tyrosinresten fixiert. Beim L-FABP ist eine Fettsäure mit der Carboxygruppe nach innen orientiert, die an­dere nach außen [64]. Röntgenkristallographische Untersuchungen zeigen mehrere Wassermoleküle innerhalb der Bindungstasche, einige im van-der-Waals-Kontakt mit der Fettsäure [16,65].

Der Ein- und Austritt des Liganden erfolgt über eine kleine Öffnung („Portal“, „Gap“), die durch die «II-Helix und die Loops zwischen den ß-Faltblattsträngen C/D und E/F begrenzt wird (siehe Abbildung 3). Die Öffnung ist klein genug, um einige Fettsäuren durchzulassen. Andere Lipide wie zum Beispiel Anthroyl- oxy-derivatisierte Fettsäure, welche für Bindungsstudien eingesetzt wurden, sind dafür zu groß. Allerdings können voluminöse Lipide und sulfhydryl-angreifende Reagenzien leicht durch diese Öffnung eindringen, wie durch Modifikation der in der Bindungstasche liegenden Cysteinreste im Fall des I-FABPs gezeigt wurde [18]. Das legt eine dynamische Natur der Öffnung nahe, die es ermöglichen würde, den unterschiedlichsten Liganden Zutritt zum Inneren des Proteins zu gewähren. NMR-Untersuchungen zeigen, daß es sich bei der APO-Form des I-FABPs („of­fenes Portal“) um eine flexible Struktur handelt, wohingegen das HOLO-Protein („geschlossen“) eine rigide Struktur aufweist [18,66]. Bei H-FABP ist sowohl die

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Abbildung 3: Oberfläche der pI=5,1 Isoform des Rinderherz H-FABPs. Die rot dargestell­ten Bereiche zeigen die a-Helices, grün sind die ß-Faltblattstränge ßD und ßE dargestellt, violett ist die N-terminale helicale Domäne und blau der Rest des Proteins. Die Eintritts­öffnung befindet sich zwischen den Helices und den ß-Faltblattsträngen D und E.

APO- als auch die HOLO-Form rigide (persönliche Mitteilung Christian Lud­wig).

Die thermodynamischen Daten der Bindungsspezifität verschiedener FABPs [17] zeigen, daß — im Rahmen statistischer Abweichungen — die enthalpischen Effekte mit 60-80% der gesamten Bindungsenergie die entropischen um ein Viel­faches übertreffen [67]. Diese enthalpischen Faktoren bestehen aus einer Kom­bination der elektrostatischen Wechselwirkungen der funktionellen Gruppen und H2O-Molekeln, sowie den Londonkräften entlang der Kohlenwasserstoffkette (van- -der-Waals Wechselwirkungen) innerhalb der Bindungstasche.

Durch NMR-spektroskopische Untersuchungen sind nahezu alle Protonen- und Rückgratkohlenstoffresonanzen bestimmt worden [68]. Durch NOE-Experi- mente und Distanzgeometrierechnungen wurde die Tertiärstruktur ermittelt.

In der vorliegenden Arbeit soll die Struktur der pI=5,1 Isoform von rekom- binantem H-FABP aus Rinderherz unter Zuhilfenahme von Diederwinkeln aus 3J-Kopplungskonstanten, überarbeiteten NOE-Abstandswerten und stereospezi­fischen Zuordnungen verfeinert werden und die Dynamik des Proteins in Mole­kulardynamikrechnungen unter realistischen Bedingungen (d.h. in wäßrigem Me­dium mit Gegenionen) untersucht werden.

2. Theorie und Methoden

2.1. Kern-Overhauser-Effekt

Der KERN-OvERHAUSER-Effekt („Nuclear Overhauser Effect“, NOE-Effekt) be­schreibt eine Intensitätsänderung der Resonanzfrequenz eines Kerns I nach Stö­rung der Resonanz eines zweiten Kerns S durch Einstrahlen der entsprechenden Frequenz. Dieser Effekt beruht auf der Dipol-Dipol-Kreuzrelaxation. Seine Größe ist eine Funktion des räumlichen Abstands der dipolar gekoppelten Kerne I und S [69]. Die Anzahl der verbrückenden chemischen Bindungen ist dabei unerheb­lich.

Bei der „Störung“ des Kerns S handelt es sich zumeist um eine Sättigung, also den Ausgleich des Populationsunterschiedes dieses Übergangs durch ein schwa­ches rf-Feld. Im NOE manifestiert sich der Versuch des ganzen Systems, im ther­mischen Gleichgewicht zu bleiben. Die Änderung des Populationsverhältnisses in einem Teil des Systems wird durch Änderung in anderen Teilen ausgeglichen. Allgemein gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der mikroskopischen Beschreibung des Relaxationsphänomens dürfen die Kerne nicht getrennt betrachtet werden. Nur mit Ein-Quanten-Übergängen als Relaxationswege können NOE-Effekte nicht erklärt werden, so daß auch nach den quantenmechanischen Auswahlregeln verbotene Übergänge mit[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]berück­sichtig werden müssen. Die Enstehung eines NOEs durch die Kreuzrelaxation ist in Abbildung 4 am Beispiel eines 2-Spin-(-Systems ohne J-Kopplung (Kopp­lung über chemische Bindungen) erläutert. Die Summe der Besetzungszahlen aller Energieniveaus ist 4N. Die beiden mittleren Niveaus mit je einem a— und einem ß— Spinzustand sind nahezu energiegleich und somit auch etwa gleich besetzt. Der Besetzungsunterschied für die „erlaubten“ Übergänge i und s[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]ist jeweils[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Für den Nullquantenübergang[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] mit der Übergangswahr­scheinlichkeit W0 beträgt der Besetzungsunterschied 0, für den Doppelquanten­übergang[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]mit der Übergangswahrscheinlichkeit W2 beträgt er [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Energieniveauschema für [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]System. Links sind die Populati­onszahlen für das thermische Gleichgewicht und die Wahrscheinlichkeiten einer Inversion der Spins [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]und[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] angegeben. Nach Sättigung des Überganges s und der damit verbundenen Nivellierung der Populationen der Zustände aa und ßa sowie aß und ßß können die Populationsunterschiede des thermischen Gleichgewichtes nur über die „verbo­tenen" Null- und Doppelquantenübergänge wiederhergestellt werden (rechtes Schema).

Im NOE-Experiment werden beide s-Übergänge gesättigt und die Verände­rung der Resonanzintensität aus dem i-Übergang im gestörten beziehungsweise im relaxierenden System beobachtet. Durch die Sättigung nivellieren sich die Po­pulationen aa und ßa zu jeweils[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] sowie aß und ßß zu jeweils [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Die Population nach der Störung zeigt die rechte Hälfte von Abbildung 4. Die Popula­tionsdifferenz zwischen aß und ßa ist nun ±, während sie im Gleichgewicht 0 war. Um sich wieder dem thermischen Gleichgewicht zu nähern, sind die i-Übergänge nicht geeignet, da die Populationsdifferenzen entlang dieser Übergänge mit jeweils ± bereits dem Gleichgewichtszustand entsprechen. Durch Nullquantenrelaxation wird der aß-Zustand aus dem ßa-Zustand aufgefüllt und so die Populationsdif­ferenz verringert. Dadurch wird aber die Besetzungszahldifferenz und somit die Intensität der Absorptionssignale der i-Übergänge vermindert. Bilden Nullquan­tenübergänge den dominierenden Relaxationsweg, dann führt die Sättigung der s-Übergänge zu einer Intensitätsverringerung der i-Absorptionssignale; das wird als negativer NOE an i durch[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]bezeichnet. Analog gilt für den Fall, daß die Doppelquantenrelaxation dominiert: Die Sättigung von s-Übergängen führt zu einer Erhöhung der Intensität der Absorptionssignale aus den i-Übergängen und somit zu einem positiven NOE an i durch s. Im dynamischen Gleichgewicht gilt:

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NOE-Effekte sind positiv für kleine Moleküle in nicht viskosen Lösungen (⇝ W2 dominiert) und negativ für Makromoleküle oder in sehr viskosen Lösungen (⇝ Wo dominiert). Zwischen diesen Fällen gibt es eine Region, in der sich W2 und W0 ausbalancieren und der NOE verschwindet.

Die rasche Molekülbewegung mittelt die Wechselwirkungen der magnetischen Dipole über alle möglichen Orientierungen des Moleküls. Diese rasche Reorien- tierung der dipolaren Interaktion ist die Quelle der fluktuierenden Felder, die die longitudinale Relaxation stimulieren. Die Stärke dieser dipolaren Interakti­on und damit die Kreuzrelaxation hängt vom internuklearen Abstand ab. Die zufälligen Bewegungen eines Moleküls werden durch einen einzigen Parameter angenähert, der molekularen Korrelationszeit ¿ c. Die Geschwindigkeit der Relaxation wird bestimmt durch die Intensität des ‡uktuierenden Feldes mit der Fluktuations-Frequenz[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].

Für die Relaxations-Geschwindigkeiten über dipolare Kopplungen in einem System aus 2 Spins mit Abstand r gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]bezeichnen die Resonanzfrequenzen (Lamor-Frequenzen) der Kerne i und s.

In Gleichung 2.1.2 steht der Zähler für die Netto Kreuzrelaxation:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

und der Nenner für die Gesamtrelaxation des Kerns i

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Für reine homonukleare dipolare Relaxation zwischen Spin-(2)-Kernen gilt:

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Die Gegenwart anderer Relaxationsmechanismen ohne Kreuzrelaxation wird in Form von p* berücksichtigt:

Die Nettointensitätsänderung der Resonanz I in einem Multi-Spinsystem dipolar gekoppelter Kerne I, S und X; wird durch die Solomon-Gleichung [70] beschrie-

ben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit:

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In einem homonuklearen Multi-Spinsystem eines isotrop umorientierenden starren Moleküls (einheitliche Korrelationszeiten ¿c für alle internuklearen Vek­toren) gilt bei Sättigung der Resonanz von S nach Einstellung eines konstanten Fließ-Gleichgewichts (steady-state) Sx = 0 und d¡f = 0. Der NOE fi{S} für die Resonanz des Kerns I durch die Störung der Resonanz von S kann nun mit den internuklearen Abständen korreliert werden:

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Der maximale NOE [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für ein isoliertes Zwei-Spinsystem ist

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für kleine Moleküle mit[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]ist[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], für große Biomoleküle mit[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]ist [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Gleichung 2.1.8 verdeutlicht, daß die für den NOE-Effekt verant­wortliche Kreuzrelaxation verschiedener Natur sein kann. Die direkte Kreuzrela­xation zwischen I und S ist proportional und die indirekte Kreuzrelaxation wird mit[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]beschrieben. Der zweite Term beschreibt die Vermitt­lung der Populationsstörung über das umgebende Netzwerk aus Kernen Xi, die sogenannte „Spindiffusion“.

Man muß jedoch beachten, daß es für biologische Makromoleküle wie Pro­teine keinen Sinn macht, den NOE zu messen, nachdem die Störung zu einem konstanten Fließgleichgewicht geführt hat. Der dann gemessene maximale NOE ist unabhängig von der Geometrie des Spinsystems. Bei Proteinen werden daher die Aufbauraten der NOEs mit einer Serie von Experimenten bestimmt.

2.2. Diederwinkel aus 3J-Kopplungskonstanten

Als Spin-Spin-Kopplungen oder J-Kopplungen werden magnetische Wechselwir­kungen zwischen zwei Kernen bezeichnet, die nicht über den Raum, sondern über die Elektronen der chemischen Bindungen vermittelt werden [71]. Nach dem in Abschnitt 2.1 beschriebenen Kern-Overhauser-Effekt sind vicinale J-Kopplungen die zweitwichtigste Informationsquelle für die Bestimmung der Lösungsstruktur biologischer Makromoleküle. Die Größe einer solchen Kopplung über drei Bin­dungen hängt von der Natur der beiden koppelnden und der beiden überbrücken­den Kerne ab. Substituenten dieser vier Atome (α-Sphäre) haben ebenfalls einen großen Einfluß auf die Kopplung. In der Regel vernachlässigt werden die Ein­flüsse durch Substituenten, die von den vier zentralen Atomen durch zwei oder mehr Bindungen getrennt sind (ß-Sphäre) [72]. In Proteinen mit ihrem systema-

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Abbildung 5: In dieser Abbildung werden die am häufigsten ausgewerteten Diederwinkel in biologischen Makromolekülen gezeigt.

tischen Aufbau lassen sich zahlreiche lineare Atomquartette mit identischem oder ähnlichem Substitutionsmuster finden. Abgesehen von Glycinresten besitzen alle Viererketten Hn-N-C®-H® die gleichen Substituenten an den Schweratomen. Da­her faßt man die vicinalen Kopplungen zwischen HN- und H®-Atomen aller Reste[1] zu einer Gruppe zusammen und bezeichnet sie mit [3]Jhnh« . Innerhalb einer sol­chen Gruppe vicinaler Kopplungen wird der Einfluß der chemischen Umgebung näherungsweise als konstant angesehen.

Als einzige Möglichkeit zur Beeinflussung der Kopplung verbleibt eine Än­derung der Konformation durch eine Drehung um die mittlere der drei ver­brückenden Bindungen (siehe Abbildung 5). In dieser Abbildung sind die am häufigsten ausgewerteten Diederwinkel in biologischen Makromolekülen darge­stellt. Für jeden Winkel können mehrere 3J-Kopplungskonstanten bestimmt wer­den. So kann für den 0-Winkel zum Beispiel sowohl die 3Jhnh«- als auch die 3JHNCO-Kopplungskonstante bestimmt werden. Eine Verknüpfung von Kopplungs­konstante und Diederwinkel wurde von Karplus [73,74] empirisch beschrieben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierin ist Θ der Diederwinkel, der durch die vier zentralen Atome gebildet wird. A, B und C sind empirische Koeffizienten (Karplus-Parameter) in Hz, die die oben beschriebenen Einflüsse der chemischen Umgebung berücksichtigen. Die In­terpretation vicinaler Kopplungskonstanten erlaubt somit Aussagen über die Geo­metrie entlang der involvierten chemischen Bindungen. Erschwert werden solche Analysen durch die Periodizität von Gleichung 2.2.1 (siehe Abbildung 6) und der Beeinflussung der experimentell ermittelten Kopplungskonstanten durch dynami­sche Phänomene. Die exakte Bestimmung eines Diederwinkels ist somit nur durch Messung mehrerer Kopplungskonstanten des gleichen Diederwinkels möglich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Diederwinkelabhängigkeiten der 3J-Kopplungskonstanten für verschiedene Parametrisierungen:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

3. Bestimmung der Proteinstruktur in Lösung

Um die Lösungsstruktur eines Proteins zu untersuchen, werden die aus den NMR Daten gewonnenen strukturrelevanten Parameter — wie interatomare Abstands­und Diederwinkelbeschränkungen — mit den korrespondierenden Restriktionen im Molekül wie Bindungslängen oder Bindungswinkel unter Berücksichtigung ste­rischer Limitierungen kombiniert. Die resultierenden Strukturen sind jedoch sta­tischer Natur. Mit Molekulardynamikrechnungen kann dann die Dynamik der berechneten Strukturen simuliert werden.

3.1. Distanzgeometrierechnungen

Zur Lösung dieses komplexen Problems werden meist Distanzgeometrieverfahren unter Verwendung des Algorithmus der variablen Zielfunktion [75] oder Simu­lated Annealing verwendet. Sehr häufig werden Strukturen von Proteinen auf Basis interatomarer Abstands- und Diederwinkelbeschränkungen mit Hilfe von Programmen wie DIANA [76] und DYANA [77] berechnet.

Das Programm DIANA [76] („distance geometry algorithm for NMR applica­tions“) wurde entwickelt, um die Konformationsberechnung von Biomakromole­külen insbesondere von Proteinen und DNA/RNA auf der Basis von Atom-Atom Abständen und Diederwinkeln aus experimentellen NMR-Daten zu ermöglichen. Der Algorithmus basiert auf der Minimierung einer variablen Zielfunktion, wobei die Freiheitsgrade den Dihedralwinkeln um frei rotierbare Einfachbindungen im Makromolekül entsprechen.

Das Programm arbeitet im Torsionswinkelraum, so daß Standardgeometri­en der Aminosäurereste, wie Bindungslängen und -winkel (gemäß dem ECPP/2 Kraftfeld [78]), während der Strukturberechnung erhalten bleiben. Mit der De­finition der Aminosäuresequenz wird für die !-Torsionswinkel eine cis- oder trans-Konformation festgelegt. Nach der Festlegung zweier Startpunkte am N-Ter- minus kann die Tertiärstruktur des Proteins lediglich mit einem Satz von Torsi­onswinkeleinstellungen beschrieben werden. Durch Änderung der frei drehbaren Torsionswinkel innerhalb erlaubter Intervalle werden zunächst intraresiduale Ab­standsbeschränkungen erfüllt. Anschließend werden Schritt für Schritt auch im­mer weiterreichende Abstandsbeschränkungen berücksichtigt. Eine Fehlerfunk­tion enthält alle Verletzungen der vorgegebenen Abstands- und Diederwinkel­beschränkungen sowie der zumindest erforderlichen van-der-Waals-Abstände in einer errechneten Konformation, und ist somit ein Maß dafür, inwieweit diese Konformation zur Beschreibung der experimentellen Daten dienen kann. Ziel der Strukturrechnung ist daher die Minimierung dieser Fehlerfunktion, der sogenann­ten „variablen Zielfunktion“ T durch Variation der Torsionswinkel:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der erste Summand beschreibt die Verletzung der Abstandsgrenzen für obere, untere und van-der-Waals-Abstandsgrenzen. Der tatsächliche Abstand zwischen einem Atompaar i ist ai, die zulässige Abstandsgrenze ist ci. Ic ist die Gesamt­menge aller Abstandsgrenzen. Zur Unterscheidung von unteren und oberen Ab­standsgrenzen dient die Funktion[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der zweite Summand in Gleichung 3.1.1 fasst die Verletzungen der zulässigen Diederwinkelintervalle zusammen. Dabei ist die vorzeichenbehaftete Größe der Verletzung eines der nd Diederwinkelintervalle, die mit dem Faktor wd gewichtet wird und die Halbwertsbreite des verbotenen Diederwinkelintervalls:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um die Gefahr zu verringern, während des Minimierungsprozesses der Zielfunk­tion T in ein lokales Minimum zu geraten, besteht die Menge Ic aller berücksich­tigten Abstandsgrenzen bei der Minimierung einer zufälligen Startkonformation nur aus intraresidualen Beschränkungen. Ausgehend von der erhaltenen Konfor- mation werden bei der zweiten Minimierung zusätzlich Beschränkungen zwischen Atomen benachbarter Reste berücksichtigt. In der dritten Minimierung enthält Ic zusätzlich alle Beschränkungen zwischen Atomen innerhalb von Aminosäuretri­plets. Da der für die Berechnung der Zielfunktion benötigte Datensatz schrittweise vergrößert wird und erst mit der letzten Minimierung alle experimentellen Rand­bedingungen berücksichtig werden, bezeichnet man die Zielfunktion als variabel.

3.2. REDAC Strategie

Da Distanzgeometrieberechnungen mit dem Programm DIANA viel Rechenzeit beanspruchen und bei Proteinen mit umfangreicher ß-Faltblattstruktur nur unzu­reichend konvergieren, wurde 1991 die sogenannte REDAC-Strategie („redundant dihedral angle constraints“) entwickelt [79] (siehe Abbildung 7). Dabei handelt es sich um eine Methode, die Winkeleinstellungen bereits berechneter Strukturen als zusätzliche Randbedingungen in eine neue Rechnung zu übernehmen.

Im einem „normalen“ DIANA-Lauf werden n Startkonformere mit zufällig gewählten Diederwinkeln ausgewählt, die dann einer DIANA-Minimierung gegen die experimentell bestimmten Strukturbeschränkungen (B(0) ) unterzogen werden. Für gut konvergierende Strukturlösungen kann die Zielfunktion noch weiter ge­senkt werden, indem man mit der REDAC -Strategie mehrere DIANA-Zyklen durchläuft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Fließschema der REDAC-Strategie mit dem Programm DIANA. Insbesondere bei Strukturen die hauptsächlich aus Faltblättern bestehen, können die Targetfunktionen so stark gesenkt werden. Durch Bildung von zusätzlichen Winkelconstraints werden die Stukturelemente schneller gebildet, der Konformationsraum wird stark eingeengt und die Rechenzeit verkürzt sich.

Um die REDAC -Strategie anzuwenden werden ein oder mehrere Zyklen zu­sätzlich ausgeführt, die eine partielle Rückkopplung der strukturellen Informati­on aller bis dahin berechneten Konformere bietet. Ein bestimmter Aminosäu­rerest hat in Schritt C(i) eine akzeptable, gut definierte Konformation, wenn der Wert der Zielfunktion auf Grund von Verletzungen der Randbedingungen der Atome oder der Diederwinkel dieses Restes kleiner ist als eine vordefinier­te Größe (typischerweise 0.4Â2) und dies für die zwei sequenziell benachbarten Reste ebenso zutrifft. Redundante Diederwinkelrandbedingungen werden für all jene Reste generiert, die mindestens in einer bestimmten Anzahl von Konfor- mationen Vorkommen, bei 50 zufälligen Startkonformationen sind das z.B. ty­pischerweise 10 ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]20%). Als Diederwinkelbeschränkungen werden der Maximal- und der Minimalwert der akzeptablen Konformere als Ober- bzw. Untergren­ze eingesetzt. Sollte das Diederwinkelintervall, das durch diese Werte definiert wird, größer sein als ein bestimmter Maximalwinkel (typischerweise 270°), so wird die redundante Diederwinkelrandbedingung verworfen. Ansonsten wird er dem Input im nächsten B(i)-Schritt hinzugefügt. Dieses Vorgehen führt dazu, daß die long-range-Randbedingungen eine höhere Wichtung erhalten, indem sie in (zusätzliche) Diederwinkelrandbedingungen übersetzt werden. Insbesondere bei %Faltblattstrukturen sind diese von besonderer Bedeutung. a-Helices profitie­ren von der REDAC -Strategie nur wenig oder gar nicht, da diese bereits durch die lokalen und sequenziellen Randbedingungen genügend definiert werden. Die REDAC-Strategie verringert nicht nur die Zielfunktion der besten Struktur, son­dern führt auch dazu, daß die Zielfunktionen der besten Strukturen sich auf einem niedrigerem Niveau annähern. Somit ergibt sich ein höherer Anteil an physikalisch „sinnvollen“ Strukturen.

3.3. DYANA

Da der Konformerenhyperraum viele lokale Minima besitzt, wird ständig nach neuen Ansätzen für Strukturrechnungen aus NMR-Daten gesucht. Die bisher be­sprochenen Methoden der Distanzgeometrie-Algorithmen mit redundanten Win- kelconstraints (REDAC) führen noch immer zu sehr langen Rechenzeiten, be­sonders wenn durch einen zu geringen Datensatz die Anzahl der zur Konvergenz der Struktur nötigen Programmläufe erhöht werden muß. Darüberhinaus müssen sehr viele Strukturen berechnet werden, um einen Basissatz an energetisch nied­rigen Strukturen zu erhalten. Diese Schwierigkeit ist darauf zurückzuführen, daß eine (immer zufällige) Ausgangsstruktur energieminimiert wird, und diese somit leicht in ein lokales Minimum gerät. Auch das Simulated Annealing -Verfahren im kartesischen Koordinatenraum weist die gleichen Probleme auf, solange man nicht mit einer gut definierten Startkonformation anfängt [80].

Bei DYANA-Rechnungen wird das zu berechnende Molekül als Baumstruk­tur aus einem starren, im Raum fixierten Basiskörper und n starren Körpern, die durch n rotierbare Bindungen verbunden sind, dargestellt [81]. Die Freiheits­grade bestehen ausschließlich aus Diederwinkeln. Die Zielfunktion von Diana T (Gleichung 3.1.1) spielt hierbei die Rolle der potentiellen Energie[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] mit einem Gewichtungsfaktor [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

T > 0, wobei 0 nur erreicht wird, wenn alle experimentellen Abstands- und Winkelbeschränkungen erfüllt sind sowie alle nicht-bindenden Atompaare keine sterische Überlappung zeigen. Die Funktion fc, die den Anteil der Verletzung der Abstandsbeschränkungen angibt, kann verschiedene Formen annehmen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wobei d den tatsächlichen Abstand, b die Abstandsbeschränkung und ß ei­ne dimensionslose Zahl, die große Verletzungen zu kleinen wichtet, darstellen. Gleichung 3.3.2a entspricht der DlANA-Form. Die Funktionen 3.3.2a, 3.3.2b und 3.3.2d haben die Einheit Â2; 3.3.2c ist dimensionslos, weshalb diese Funktion nicht mit den anderen verglichen werden kann. Für kleine Verletzungen nähern sich die Gleichungen 3.3.2a und 3.3.2d der Gleichung 3.3.2b und Gleichung 3.3.2c geht über in 2. In den meisten Fällen (wie auch in der vorliegenden Arbeit) wird Gleichung 3.3.2a verwendet, um mit Diana vergleichbare Werte zu erhalten.

Für alle starren Körper mit k _ 1 ,...,n werden der Winkelgeschwindigkeits­vektor !k und der Geschwindigkeitsvektor am Referenzpunkt vk _ rk rekursiv berechnet [82]:

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Der Trägheitstensor Ik des starren Körpers k in Bezug auf seinen Referenzpunkt ergibt sich als symmetrische 3x3 Matrix [83]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]den Vektor vom Referenzpunkt des Atoms [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] der Masse[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]das Kroneckersymbol darstellen. In Dyana wird der Schwerpunkt und der träge Schwerpunkt nur einmal durch Summation über alle Atome mit jedem starren Körper in einer Standardorientierung ermittelt. Die erhaltenen Standardwerte werden in Yk(0) und lk0) abgelegt. Für die spätere Berechnung kann der aktuelle Wert durch

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mit dem Rotationsvektor Rk berechnet werden. Somit läßt sich die kinetische Energie [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]als

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berechnen.

Da die Form des starren Körpers in die Bewegungsgleichungen nur über den Trägheitstensor und den Massenschwerpunkt eingeht, ist es nicht nötig, die Grö­ßen aus der Primärstruktur (Gleichung 3.3.5) zu berechnen. Um die Effizienz des Algorithmus’ zu steigern, werden die Moleküle als harte Kugeln der Masse mk und des Radius p auf ihren Referenzpunkt rk zentriert. Somit ergibt sich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

womit die Berechnung der Gleichungen 3.3.6 und 3.3.7 völlig wegfällt und die Gleichung 3.3.8 sich erheblich vereinfacht. 13 stellt dabei die 3x3 Einheitsmatrix dar.

Durch Ersetzen der Massen mk des starren Körpers durch 10y/nkm0, wo­bei nk die Anzahl der Atome des starren Körpers k (ohne Pseudoatome) und m0 = 1, 66 x 10_27 kg die atomare Masseneinheit darstellen, kann man die schnel­len Bewegungen der leichten starren Körper, z.B. Hydroxylgruppen, verlangsa­men, und somit die Anzahl der Rechenschritte (und damit die erforderliche Ge­samtrechenzeit) durch Verwendung größerer Zeitschritte für die Integration redu­zieren.

Die Winkelbewegungen in einem klassischen System können durch die Lagran­ge -Gleichung [83] beschrieben werden: wobei [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Da der Aufwand für die numerische Lösung dieser Glei­chung proportional zu n3 ist, wird der Algorithmus von Jain et al. [82] verwendet. Dazu berechnet man für alle starren Körper die sechsdimensionalen Initialvekto- ren[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] :

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei ist 03 die 3x3-Nullmatrix und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]ist die antisymmetrische 3x3 Ma­trix des Kreuzproduktes, also[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für alle Vektoren [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].

Rekursiv über alle starren Körper in umgekehrter Reihenfolge (k = n, n — 1,..., 1) werden nun die zusätzlichen Größen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

berechnet. Dk und ek sind skalare Größen und Gk ist ein sechsdimensionaler Vektor. Die Winkelbeschleunigung wird durch vorwärtsrekursive Iteration (k = 1,...,n) berechnet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei ak handelt es sich um sechsdimensionale Vektoren, wobei a0 dem Nullvektor entspricht.

Die Integration der Bewegungsgleichungen besteht aus einer Variante des Leap-Frog-Algorithmus [84,85]. Die Temperatur wird durch schwache Kopplung mit einem externen Wärmebad kontrolliert [86]. Ein Zeitschritt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], der dem vorangegangenen[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]folgt, besteht aus folgenden Schritten:

1. Auf Basis der Diederwinkel θ(t) werden die kartesischen Koordinaten aller Atome berechnet [87]

[...]


[1] Ausgespart bleiben Glycinreste sowie Prolinreste, die als Iminosäuren kein Amidproton be­ sitzen.

Ende der Leseprobe aus 123 Seiten

Details

Titel
Bestimmung der Lösungsstruktur von H-FABP aus Rinderherz mit mehrdimensionaler NMR-Spektroskopie und Molekulardynamiksimulation
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Biophysikalische Chemie und Biochemie, Abteilung Biophysikalische Chemie, Abteilung Biophysikalische Chemie)
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
123
Katalognummer
V227
ISBN (eBook)
9783638101714
ISBN (Buch)
9783640521265
Dateigröße
1365 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bestimmung, Lösungsstruktur, H-FABP, Rinderherz, NMR-Spektroskopie, Molekulardynamiksimulation
Arbeit zitieren
Thorsten Brandau (Autor:in), 2000, Bestimmung der Lösungsstruktur von H-FABP aus Rinderherz mit mehrdimensionaler NMR-Spektroskopie und Molekulardynamiksimulation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/227

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