Die Theorie der Schweigespirale


Seminararbeit, 2003

18 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Noelle-Neumanns sozialpsychologischer Rückgriff auf Solomon Asch
2.1 Das Laborexperiment von Asch
2.1.1 Crutchfields Vereinfachung der Versuchsanordnung von Asch
2.1.2 Der Mitläufer-Effekt
2.2 Instrumente für Konformitätsdruck
2.2.1 Isolationsfurcht bzw. Isolationsdrohung
2.2.2 Soziale Anerkennung
2.3 Randbedingungen der Theorie der Schweigespirale

3 Wissenschaftliche Basisbereiche der Theorie der Schweigespirale
3.1 Der psychologische Bereich der Verhaltens- und Einstellungstheorie
3.2 Der Bereich der Kommunikationstheorie
3.3 Der Bereich der Gesellschaftstheorie

4 Verschiedene Gruppen der Kommunikationsbereitschaft
4.1 Die Subgruppe der Reder und Schweiger
4.2 Der Bereich zwischen Reder und Schweiger
4.2.1 Die Gruppe der Inkonsistenten
4.2.2 Die Anpasser
4.2.3 Die Gruppe der Missionare

5 Schluss

6 Anhang

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Was sind die Beweggründe eines Menschen, seine eigene Meinung in der Öffentlichkeit nicht generell einfach zu äußern, wenn er beispielsweise in einem Interview danach gefragt wird?

Warum kommen so oft von Politikern, aber auch von ganz „normalen“ Menschen Antworten wie: „Kein Kommentar!“ oder: „Dazu möchte ich mich nicht äußern!“? Ist es die Angst davor, sich mit seiner persönlichen Meinung von der Meinung der Allgemeinheit bzw. Bevölkerung abzugrenzen und damit Gefahr zu laufen, sich von ihr zu isolieren bzw. Ablehnung in Form von Kommentaren und eventuellen Beschimpfungen zu erfahren?

Dieser Art von Isolationsfurcht, wie die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann sie genannt hat, die auch Auswirkungen auf die öffentliche Redebereitschaft zeigt, versucht sie in ihren Studien zur Theorie der Schweigespirale auf den Grund zu gehen. Nach einem sozialpsychologischen Rückgriff auf Solomon Asch soll daran anschließend zunächst der „Schweigespirale-Prozess“ näher erläutert werden.

Auch sollen auf die sich innerhalb der Theorie der Schweigespirale herausgebildeten verschiedenen Gruppen der Kommunikationsbereitschaft noch genauer eingegangen werden und es soll abschließend festgestellt werden, ob Noelle-Neumanns Theorie der Schweigespirale aussagekräftig ist bzw. innerhalb der Bevölkerung in Erscheinung tritt und damit Anwendung findet.

2 Noelle-Neumanns sozialpsychologischer Rückgriff auf Solomon Asch

2.1 Das Laborexperiment von Asch

Der amerikanische Sozialpsychologe Solomon Asch führte Anfang der fünfziger Jahre in den USA das folgende Experiment über 50 Mal durch (Noelle-Neumann 1996, 59 f.), bei dem die Versuchspersonen angeben sollten, welche von drei vorgegebenen Linien mit einer Vergleichslinie übereinstimme (Scherer 1990, 36). Das Experiment startete, indem jede von den jeweils acht bis neun Testpersonen ihre Meinung öffentlich innerhalb der Gruppe darüber äußerte, welche der vorgegebenen Linien in der Länge der Musterlinie entspricht (Abb. 1). Die Versuchsanordnung bestand aus ca. zwölf Wiederholungen, von denen bei den ersten beiden alle Teilnehmer die richtige Linie mit Leichtigkeit identifizierten.

Doch dann wurde die Untersuchung dahingehend verändert, dass von den „unechten“ Testpersonen, die in Wahrheit Gehilfen des Versuchsleiters waren, bewusst eine zu kurze Linie als die richtige ausgewiesen wurde, um im weiteren zu überprüfen, ob die eine „naive“ Versuchsperson, welche letztendlich nun die einzig wahre Testperson war, sich im folgenden der vorherrschenden Gruppenmehrheitsmeinung anschließen oder aber selbstbewusst ihre eigene Meinung äußern würde.

Das Ergebnis ist eindeutig: Sechs von zehn Versuchspersonen innerhalb der zehn Wiederholungen schließen sich der vermeintlichen Mehrheitsmeinung an. Diese Versuchspersonen werden sich später in die Kategorie der sogenannten Mitläufer (Anpasser) einordnen lassen, auf die ich aber noch in Kapitel 4.2.2 genauer eingehen werde.

Im Gegensatz dazu bleiben nur zwei von zehn Testpersonen unbeirrt bei ihrer eigenen Meinung.

Für Asch ist somit der stattgefundene Anschluss an die vorherrschende Mehrheitsmeinung ein Indiz für die von ihm damit nachgewiesene Isolationsfurcht des Einzelnen, sich mit seiner eigenen Meinung von der Gruppe zu isolieren, und sich deshalb lieber der vermeintlichen Mehrheitsmeinung anzuschließen.

Weiter konnte beobachtet werden, dass die verbleibenden zwei Personen sich nur ein - bis zwei Mal während der zehn Durchgänge der vorherrschenden Meinung anschlossen.

2.1.1 Crutchfields Vereinfachung der Versuchsanordnung von Asch

Crutchfield bestätigt zwar Aschs Ergebnisse (Scherer 1990, 37), jedoch saßen während seines Versuchs die Versuchspartner, abgeschottet von den anderen am Versuch teilnehmenden Personen, in einer Kabine und bekamen die Aussagen der anderen Teilnehmer, welche vom Versuchsleiter jedoch nur vorgetäuscht waren, von ihm zugespielt.

Ein Fortschritt dieser Versuchsanordnung lag auch dahingehend vor, dass den Testpersonen außerdem Fragen gestellt wurden, die für sie selbst von größerer Relevanz waren, als der Vergleich zweier Linien bezüglich deren Länge. Beispielsweise sollten die Versuchspersonen auch Fragen beantworten, bei denen sie sich selbst beurteilen mussten. Auch hierbei konnte festgestellt werden, dass bestimme Gruppen sich eher an die Aussagen der anderen Versuchsteilnehmer anpassen als andere (Scherer 1990, 37).

2.1.2 Der Mitläufer-Effekt

Die Erkenntnis Crutchfields, dass bestimmte Gruppen sich nun mal eher anpassen als andere, sieht Neuberger u.a. als Tatsache des „Bandwagon- oder Mitläufer-Effekts“ (Scherer 1990, 37 f.), wörtlich „dem Wagen mit der Kapelle an der Spitze des Zuges nachlaufen“ (Noelle-Neumann 1996, 19). Dieser „Bandwagon-Effekt“ soll demnach der Testperson klarmachen, dass eine bestimmte Auffassung von (fast) allen (relevanten) anderen Personen geteilt wird.

2.2 Instrumente für Konformitätsdruck

Um auf den in bestimmten Situationen empfundenen Konformitätsdruck, den jedes Individuum einmal intensiver, ein anderes Mal eventuell weniger intensiv wahrnimmt, genauer eingehen zu können, scheint laut Scherer Konformität, d.h. die Anpassung an die Meinung der Mehrheit, eine Tatsache zu sein (Scherer 1990, 38).

Noelle-Neumann geht jedoch über diese bloße Tatsache hinaus, indem sie sich den möglichen Beweggründen des Einzelnen für seine Anpassung zuwendet.

Nach Noelle-Neumann sind die Gründe für die Erzeugung von Konformität Isolationsfurcht bzw. Isolationsdrohung sowie der menschliche Wunsch nach sozialer, d.h. gesellschaftlicher Anerkennung.

2.2.1 Isolationsfurcht bzw. Isolationsdrohung

Bereits das Experiment von Asch hat deutlich darauf hingewiesen, dass die Isolationsfurcht des Einzelnen ein deutliches Motiv für die Übernahme der Mehrheitsmeinung darstellt. Übertragen auf Noelle-Neumanns Schweigespirale kann also die Isolationsfurcht als Grund für das Inkrafttreten des Schweigespirale-Prozesses angesehen werden. Im folgenden möchte ich diesen, anhand eines selbst konzipierten Schaubilds, in seinem theoretischen Ablauf noch kurz erklären, damit der Aspekt der Isolationsfurcht innerhalb dieses Prozesses besser verdeutlicht werden kann (Abb. 3).

An der Spitze des Schweigespirale-Prozesses steht das Individuum mit einer persönlichen Meinung bzgl. eines Themas. Aufgrund seiner Umweltbeobachtung, entweder direkt oder indirekt, z.B. mittels Massenmedien wie Fernsehen, Radio usw., kommt es zum Abschätzen des vorherrschenden Meinungsklimas: Findet das Individuum also seine eigene Meinung innerhalb der Gesellschaft in der „vermeintlichen“ Mehrheit oder aber in der „vermeintlichen“ Minderheit vor? Von vermeintlich wird hierbei deshalb gesprochen, da sich der Mensch bzgl. seines Meinungsabschätzens bzw. aufgrund der massenmedialen Verzerrungen1 darüber täuschen kann, welche Meinung sich tatsächlich in der Mehrheit oder aber in der Minderheit befindet.

Findet das Individuum seine Meinung in der Mehrheit der Bevölkerung vertreten, wird das Individuum diese in der Regel auch äußern, also Redebereitschaft bzgl. seiner persönlichen Meinung zeigen. Daraus resultiert dann letztendlich eine Stärkung der vermeintlichen Mehrheitsmeinung.

Ist jedoch eine Person mit ihrer Meinung innerhalb der Gesellschaft in der Minderheit, so kann der Aspekt der Isolationsfurcht greifen, d.h. der Einzelne fürchtet, sich gesellschaftlich zu isolieren, dies kam u.a. auch bedeuten, an Beliebtheit und Achtung zu verlieren (Scherer 1990, 19). Daher wird er seine Meinung nicht öffentlich äußern, also eher schweigen, was wiederum die vermeintliche Minderheit noch mehr schwächt.

[...]


1 Darunter versteht man, dass die Massenmedien u.a. Sachverhalte darstellen, die nicht der Realität entsprechen. Der Rezipient glaubt somit, wenn seine Ansicht in den Medien nicht vertreten ist, sich mit dieser zu isolieren und schweigt deshalb (Deisenberg 1996, 30).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Theorie der Schweigespirale
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Kommunikationswissenschaft (Zeitungswissenschaft))
Veranstaltung
Proseminar 1: Theorien und Modelle der Massenkommunikation
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V22652
ISBN (eBook)
9783638259323
ISBN (Buch)
9783640305605
Dateigröße
1011 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theorie, Schweigespirale, Proseminar, Theorien, Modelle, Massenkommunikation
Arbeit zitieren
Christian Strausbach (Autor:in), 2003, Die Theorie der Schweigespirale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22652

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