Die kognitive Entwicklung nach Jean Piaget. Lernpsychologische Implikationen


Seminararbeit, 2003

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist kognitive Entwicklung? – Eine Definition

3. Jean Piaget – Sein Leben

4. Grundbegriffe der Theorie der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget
4.1 Invarianten des Entwicklungskontinuums
4.1.1 Adaption: Assimilation und Akkomodation
4.1.2 Organisation
4.2 Schema
4.3 Äquilibration

5. Die Stadientheorie der kognitiven Entwicklung
5.1 Das sensomotorische Stadium (0 - 2 Jahre)
5.2 Entwicklung der Symbolfunktion
5.2.1 Objektpermanenz
5.2.2 Nachahmung
5.2.3 Symbolhandlungen
5.3 Das präoperative Stadium (2 - 7 Jahre)
5.4 Das konkret-operative Stadium (7 - 11 Jahre)
5.5 Das formal-operative Stadium (11 - 15 Jahre)

6. Piaget in der Praxis: Lernpsychologische Implikationen
6.1 Der Lernbegrif
6.2 Strukturalistische Transfertheori
6.3 Entwicklungsangemessenes Lernen
6.4 Entdeckendes Lernen
6.5 Die Bedeutung der Äquilibration für das Lerne
6.6 Schlussfolgerungen für die Rolle des Lehrers

7. Literaturverzeichnis

8. Internetquellen

1. Einleitung

Wie kaum ein anderer seines Faches hat Jean Piaget durch seine fast 70jährige wissenschaftliche Arbeit zu theoretischer Diskussion und empirischer Forschung angeregt. Nicht nur für den Bereich der Entwicklungspsychologie ist das Studium von Piagets Arbeiten unerlässlich, sondern auch im Bereich der Erziehungswissenschaft, der Naturwissenschaften und der Sozialisation sowie der Philosophie kann man nicht an ihm vorbeikommen. Mit seinen über viele Jahrzehnte hinweg kontinuierlich fortgeführten empirischen Untersuchungen, legte er die Basis für eine umfassende Theorie der kognitiven Entwicklung des Menschen in der Kindheit und Jugend.

Durch seine Beobachtungen widersprach er der vorherrschenden Annahme des Behaviorismus, dass das Kind durch spezifische Reiz-Reaktions-Kopplungen jegliche Leistungen zu jeder Zeit erlernen kann, denn er fand heraus, dass Kinder bestimmter Altersklassen noch nicht in der Lage sind, Aufgaben mit bestimmten Schwierigkeitsgraden zu lösen. Dies war der Grundstein für die Entwicklung seiner Stufentheorie.

In dieser Hausarbeit wird zunächst kurz der Begriff „Kognitive Entwicklung“ definiert, dann folgt eine knappe Biographie Jean Piagets. Der nächste Teil beschäftigt sich mit Piagets Grundbegriffen und seiner eigentlichen Theorie. Den Abschluss bilden die lernpsychologischen Implikationen, die sich aus Jean Piagets Theorie entwickeln lassen.

2. Was ist kognitive Entwicklung? – Eine Definition

Unter kognitiver Entwicklung versteht man „[...] die Veränderung der Erkenntnisprozesse und des Wissens – der Wahrnehmung und des Denkens, der Vorstellung und des Problemlösens. [...] Ein Grossteil der gegenwärtigen Forschung zur kognitiven Entwicklung geht zurück auf die Pionierarbeiten des Schweizer Psychologen Jean Piaget.“[1].

Er verfasste eine der wohl bekanntesten Theorien zur kognitiven Entwicklung des Kindes und beeinflusste damit andere Psychologen, wie z.B. Lawrence Kohlberg, maßgeblich.

3. Jean Piaget – sein Leben

Jean Piaget wird am 9. August 1896 in Neuchâtel in der Schweiz geboren. Früh interessiert er sich für die Biologie. Im Alter von elf Jahren beobachtet er einen Albino-Sperling und veröffentlicht darüber einen Artikel in einer naturwissenschaftlichen Zeitung. Kurz danach beginnt er mit dem Studium der Mollusken und publiziert im Alter von 15-18 Jahren zahlreiche Artikel über diese Schalentiere. Nach seiner Matura schreibt sich Piaget an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Neuchâtel ein, wo er auch zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Zusätzlich studiert er Psychologie und Philosophie. Nach einem Studiensemester in Zürich, wo er sich mit der Psychoanalyse auseinandersetzt, reist er für ein Jahr nach Paris, um im Laboratoire Alfred Binet die Probleme der Entwicklung der Intelligenz zu studieren. Dies gibt den Anstoß für seine Theorieentwicklung.

1921 wird er von Edouard Claparède und Pierre Bovet an die Universität Genf berufen, um die Stelle eines Forschungsleiters zu übernehmen. 1923 heiratet er Valentine Châtenay, mit der er drei Kinder bekommt. An seinen Kindern beobachtet er die Entwicklung der Intelligenz, von der Geburt bis zum Spracherwerb.[2]

Piaget wird in der Folge als Professor für Psychologie, Soziologie und Philosophie der Wissenschaften an der Universität Neuchâtel wirken (1925 bis 1929), dann von 1929 bis 1939 als Professor für die Geschichte der Wissenschaften an der Universität Genf, von 1929 bis 1967 als Direktor des Bureau International d'Education, von 1938 bis 1951 als Professor für Psychologie und Soziologie an der Universität Genf und von 1940 bis 1971, ebenfalls in Genf, schließlich als Professor für experimentelle Psychologie. Piaget ist der einzige Schweizer Professor, der an die Sorbonne eingeladen wurde (1952 bis 1963). 1955 gründet er das Centre International d'Epistémologie Génétique, das er bis zum seinem Tode leiten wird. Am 16.September 1980 stirbt Jean Piaget in Genf.[3]

4. Grundbegriffe der Theorie der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget

Will man Jean Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung verstehen, sollte man sich zunächst mit den Grundbegriffen bzw. Grundkonzepten der Theorie befassen.

Piaget geht davon aus, dass zwischen den grundlegendsten Äußerungen eines Säuglings und den voll entwickelten Erkenntnisprozessen eines Erwachsenen ein Entwicklungskontinuum liegt. Dieses Entwicklungskontinuum involviert zum einen Aspekte des beschriebenen Prozesses, die kongruent bleiben, also invariant sind, und zum anderen solche, die sich im Verlauf des Entwicklungsprozesses verändern, also variabel sind, wie z.B. Inhalte.

4.1 Invarianten des Entwicklungskontinuums

4.1.1 Adaption: Assimilation und Akkomodation

Adaption nennt Piaget die immer wieder neu zu leistende Anpassung eines Organismus jeder Entwicklungsstufe an die aktuelle Umwelt.

Unter Assimilation versteht Piaget die Veränderung der Umwelt durch den Organismus.

Akkomodation ist hingegen die modifizierte Anpassung des Organismus an die Umwelt.

Das optimale Gleichgewicht zwischen Assimilation und Akkomodation stellt für Piaget gelungene Adaption dar.

4.1.2 Organisation

Organisation bezeichnet die Tendenz aller Organismen zur Integration und Hierarchisierung. Das heißt, Strukturen, Aktivitäten und Erfahrungen werden systematisiert und in immer komplexere funktionale Systeme integriert, um so übergeordnete Funktionen ausführen zu können.

4.2 Schema

Unter einem Schema versteht Piaget eine spezifische kognitive Struktur, die sich auf eine Kategorie gleicher Handlungssequenzen bezieht. Die einzelnen Elemente in der Handlungssequenz haben eine streng festgelegte Reihenfolge.

Ein Beispiel dafür wäre das Saugschema.

Für Piaget ist also alles ein Schema, was in einem Vorgang wiederholbar und generalisierbar ist.

4.3 Äquilibration

Durch fehlgeschlagenen Assimilationsversuche kommt es zu einem Ungleichgewicht, dass durch neue, unverständliche Informationen aus der Umwelt entstanden ist (Bsp.: Greifschema funktioniert nicht bei Flüssigkeiten). Dieses muss nach Piaget durch das Konzept der Äquilibration ausgeglichen werden. Äquilibration ist Selbstregulierung und gleichzeitig der Motor und das Herz aller Entwicklungsprozesse.[4]

Der Prozess der Äquilibration ist also eine Art Impulsgeber, zur Differenzierung bestehender Strukturen, zur inneren Koordination oder Integration und zum Aufbau immer komplexerer Strukturen.

5. Die Stadientheorie der kognitiven Entwicklung

Piagets Theorie gliedert sich in vier Stadien (auch Perioden oder Phasen genannt), die weiter in verschiedene Stufen unterteilt sind. Dabei wird immer auf dem vorangegangenen, abgeschlossenen Stadium aufgebaut. Piagets Altersangaben sind allerdings nur als Richtwerte aufzufassen, denn das Auftrittsalter sowie die Dauer der Stadien variieren aufgrund verschiedener Faktoren wie Sozialisation, Intelligenz oder Erfahrungen.

5.1 Das sensomotorische Stadium (0 - 2 Jahre)

Das sensomotorische Stadium ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass der Säugling bzw. das Kleinkind ein erstes Wissen über die Welt durch seine Wahrnehmung (sensorisches System) und Bewegung (motorisches System) entwickelt.

Nach Piaget gliedert sich dieses Stadium in sechs Stufen:

1. Stufe (0 - 1 Monat): Übung angeborener Reflexmechanismen - Festigung von Schemata

Der Säugling verstärkt, generalisiert und differenziert in diesem Stadium Verhaltensweisen, die als Reflexe begonnen haben. Wie bereits erläutert, bezeichnet Piaget diese Reflexe als Schemata. Diesen Schemata liegt eine eigene Dynamik zugrunde, so dass sie von sich aus zur Anwendung drängen. Beispielsweise wird das Saugschema geübt, ohne hungrig zu sein.

2. Stufe (1 - 4 Monate): Bildung erster Gewohnheiten – Primäre Zirkulärreaktionen

Unter primären Zirkulärreaktionen fasst Piaget zufällig entdeckte Handlungen des Säuglings, die zu einem angenehmen Ergebnis geführt haben, und nun wiederholt werden, z.B. Daumenlutschen.

3. Stufe (4 - 8 Monate): Sekundäre Zirkulärreaktionen

Der Säugling erkennt, dass eine bestimmte Handlungsweise immer wieder zu einem gleichen Effekt führt. Die sekundären Zirkulärreaktionen sind auf diese Effekte gerichtet, die die Aktivitäten des Säuglings an Gegenständen hervorrufen, das wäre z.B. das Geräusch einer Rassel, wenn sie vom Kind geschüttelt wird.

4.Stufe (8 - 12 Monate): Intentionales Verhalten und die Koordinierung erworbener Handlungsschemata

Mittel- und Zielhandlungen treten nun deutlicher auseinander, die Zielsetzung kann vor der Realisierung der Mittelhandlung erfolgen (intentionales Verhalten). Das Kind wendet systematisch mehrere Handlungsschemata an, um zu seinem Ziel zu gelangen. Beispielsweise schiebt es ein Hindernis zur Seite, um einen Gegenstand zu ergreifen.

[...]


[1] Zimbardo, Philip G.; Psychologie; 6.Auflage; Springer; Berlin; 1995; S.72

[2] Ginsburg, Herbert; Opper, Sylvia; Piagets Theorie der geistigen Entwicklung; 7.Auflage; Klett-Cotta; Stuttgart; 1993; S. 13-26

[3] http://www.unige.ch/piaget/biographies/biod.html; 19.September 2003; 15:08

[4] Buggle, Franz; Die Entwicklungspsychologie Jean Piagets; Verlag W. Kohlhammer; Stuttgart; Berlin; Köln; Mainz; 1985; S.24-40

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die kognitive Entwicklung nach Jean Piaget. Lernpsychologische Implikationen
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Lernen, Gedächtnis und kognitive Entwicklung
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V22525
ISBN (eBook)
9783638258289
ISBN (Buch)
9783638813518
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Jean, Piaget, Lernpsychologische, Implikationen, Seminar, Lernen, Gedächtnis, Entwicklung
Arbeit zitieren
Kristina Niemann (Autor:in), 2003, Die kognitive Entwicklung nach Jean Piaget. Lernpsychologische Implikationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22525

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