Leitbilder der CDU-Europapolitik


Seminararbeit, 2003

19 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Ära Kohl
2.1. Kohls politischer Hintergrund
2.2. Kalter Krieg und politische Wende – Kohls Europapolitik der 80er Jahre
2.2.1. Der Charakter der europäischen Leitbilder der CDU-Politik
2.2.2. Die Einheitliche Europäische Akte (EEA)
2.3. Die politische Wende - eine neue CDU-Europapolitik?
2.3.1. Umsetzung der gemeinsamen Währungspolitik im Zeichen
der deutschen Wiedervereinigung
2.3.2. Neue Leitbilder in der Post-Maastricht-Debatte in den Unionsparteien

3. Die CDU in der Opposition – Subsidiarität und Renationalisierung als neue Leitbilder?

4. Fazit

5. Literatur

1. Einleitung

Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat sich die europäische Politik so grundlegend verändert wie seit dem Zweiten Weltkrieg noch nicht geschehen. Vor 1989 prägten Begriffe wie „Kalter Krieg“, „Kampf der Systeme“ und „Nukleare Abschreckung“ die internationale Politik, dies änderte sich innerhalb weniger Jahre: „Aussöhnung“, „Partnerschaft“, „Osterweiterung“ und „Solidarität“ wurden die neuen Schlagworte.

Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wurden darüber hinausgehend wegweisende Maßnahmen beschlossen: Grenzen für Personen, Güter, Kapital und Dienstleistungen wurden abgebaut, die wirtschaftliche Union der Mitgliedsstaaten nach fast vierzig Jahren vollendet, die neu eingeführte gemeinsame Währung hat sich neben dem Dollar als zweite Weltwährung etabliert.

Diese spannende Zeit soll Thema dieser Arbeit sein. Dabei soll das Hauptaugenmerk auf der deutschen Partei liegen, die in diesen Umbruchjahren den Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland stellte: die CDU. Helmut Kohl und seine Regierung haben die deutsche Europapolitik der 80er und 90er Jahre maßgeblich geprägt, die Leitbilder, die in dieser Zeit die Politik bestimmten sollen Thema der ersten beiden Kapitel dieser Abhandlung sein.

Im dritten Kapitel werden jene Veränderungen in der Europapolitik der CDU zur Sprache kommen, die sich schon in der Spätphase der Ära Kohl andeuteten. Das alte Kohl’sche Leitbild der „Vereinigten Staaten von Europa“ wurde durch seine Nachfolger in den Hintergrund gedrängt, bei Fragen zur Finalität der Europäischen Union stand ein Überdenken des Systems der Staatengemeinschaft im Vordergrund und man wollte den Begriff der Nation nicht aufgeben, Reformen der bestehenden Verträge rückten dadurch in den Mittelpunkt der Diskussionen. Nach 1998 spielte in europapolitischen Fragen Wolfgang Schäuble die entscheidende Rolle bei der Positionierung der CDU, deshalb sollen seine Ansätze den dritten Teil der Abhandlung prägen.

Das heißt im Klartext, dass sich die Vision eines zukünftigen Bundesstaates Europa, die es in der Zeit vor 1989 noch in der CDU gab, in den folgenden Jahren aufgelöst hat. An ihre Stelle sind häufig auf dem bestehenden System beruhende Reformgedanken getreten, die mittlerweile parteiübergreifend anerkannt werden und sich nur in Details voneinander unterscheiden. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, diese Unterschiede zwischen den verschiedenen Parteien, die auch schon in der Ära Kohl sichtbar waren, herauszuarbeiten. Deshalb beschränkt sich dieser Aufsatz auf die Ansätze und Wandlungen innerhalb der CDU – und soweit dies Auswirkungen auf die CDU hatte, die Position der Schwesterpartei der CDU, der CSU.

Weil die Quellenauswahl aufgrund der Menge an Material ebenfalls sehr beschränkt werden musste, sollen Helmut Kohls und Wolfgang Schäubles Leitbilder im Vordergrund stehen. Die vorliegende Arbeit soll deshalb keine umfassende Darstellung der CDU-Europapolitik der vergangenen zwanzig Jahre sein, sondern vielmehr anhand von Beispielen zeigen, wie sich die Leitbilder oder Visionen eines zukünftigen Europas aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse im Laufe der Zeit wandelten.

2. Die Ära Kohl

Die Europapolitik der Regierungen unter Bundeskanzler Helmut Kohl lässt sich in zwei sehr unterschiedliche Phasen einteilen, die in dieser Hausarbeit in zwei Unterkapiteln betrachtet werden sollen. Dies liegt, wie später gezeigt wird, weniger an einem von Helmut Kohl aktiv gewollten Richtungswechsel in der deutschen Europapolitik als vielmehr an den geopolitischen Umwälzungen dieser Zeit. War die europäische Politik der 80er Jahre noch vom Kalten Krieg bestimmt, der mit Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan und dem NATO-Doppelbeschluss einen neuen Höhepunkt erreichte[1], änderte sich dies im ausklingenden Jahrzehnt mit der politischen Wende in den Staaten des Warschauer Paktes. Die Öffnung der durch den „Eisernen Vorhang“ von der westlichen Welt getrennten Staaten Mittel- und Osteuropas stellte die EG vor unerwartete neue Herausforderungen und bot gleichzeitig die Chance, die Vision eines geeinten Europas auch auf im bis dahin von der Sowjetunion geprägten Teil des Kontinents zu verwirklichen. Dieser Umschwung der weltpolitischen Lage entwickelte sehr schnell eine eigene Dynamik und sollte Deutschland und die Europäische Gemeinschaft (EG) viele neue Chancen eröffnen, beide aber auch vor Probleme stellen, die bis zu diesem Zeitpunkt entweder nicht existierten oder die nun – unverhofft - als dringliche Punkte auf die Tagesordnungen der Regierungskonferenzen und bilateralen Treffen rückten, während sie als ungelöste Fragen bis dahin ein „Schlummerdasein“ führten. Alle Felder der Innen- und Außenpolitik sowohl Deutschlands als auch der anderen Westeuropäischen Staaten und der EG als ganzes wurden mit tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert. Dadurch bekam die Diskussion um die Leitbilder der Europapolitik innerhalb der regierenden CDU ein völlig neues Gesicht, dessen Gestalt bis heute keine ausreichend einfachen Konturen zeigt.

2.1. Kohls politischer Hintergrund

Um die Leitbilder der CDU-Europapolitik unter Helmut Kohl zu verstehen, hilft an dieser Stelle ein Blick auf seine Biografie. Kohl, Jahrgang 1930, entstammt einer Generation, die die Schrecken des Zweiten Weltkrieges bewusst miterlebt hat. Sein Bruder war im Krieg Ende 1944 gefallen. Kohl war Rheinländer, wie auch sein politisches Vorbild Konrad Adenauer. Er stammt also aus einer Region, die in der Geschichte schon immer Schauplatz von innereuropäischen Machtkämpfen gewesen war.[2]

Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland fällt in eine Zeit der Teilung der Welt. Die USA und die Sowjetunion stehen sich als Supermächte in einem kalten Krieg gegenüber, machtpolitisch, sozial, und wirtschaftlich wird Europa auseinandergerissen, ja sogar sozialpolitisch und technologisch entwickeln sich zwei völlig unterschiedliche Systeme in Ost und West.

Parallel entwickelt sich die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“. Von Deutschem Boden soll nie mehr ein Krieg ausgehen, die „Erzfeinde“ Frankreich und Deutschland wollen sich aussöhnen, symbolträchtig entwickelt sich zwischen den Regierungschefs Adenauer und deGaulle eine Freundschaft.

Gleichzeitig bildet dieses „neue“ Europa einen Gegenentwurf zur kommunistischen Internationalen, die Freiheit der Völker soll in international organisierter, demokratischer Politik gewährleistet werden. Adenauers Politik der Westanbindung sollte das Gesicht der Bundesrepublik für Jahrzehnte prägen.

Über dieses historische Geschehen wurden Helmut Kohl und seine Politikergeneration von weltpolitischen Ereignissen geprägt. Die Deutsche Frage wurde zur Europäischen Frage und für die deutsche Außenpolitik war die Integration in europäische und atlantische Strukturen, die – damals - einzige Möglichkeit, internationale Anerkennung und außenpolitische Handlungsspielräume zurückzugewinnen. Für Kohl war die Aussöhnung mit Frankreich und die Integration der Bundesrepublik in die europäischen und transatlantischen Systeme deshalb auch eine Frage von Krieg und Frieden.[3] „Diese kulturelle Verankerung macht plausibel, warum Kohl dann nie zu den Politikern gehörte, die Europa auf ein knappes Gerüst von Daten und Statistiken, von Finanztransfers und nationalen Egoismen reduzierte. [...] Die Europäer sollten die gesellschafspolitische Dimension des Integrationsprozesses sehen. Es gehe nicht mehr allein um den Abbau von Grenzen und die Schaffung des gemeinsamen Marktes. Es gelte vielmehr, ergänzend die gesellschaftliche Verflechtung Europas politisch zu gestalten.“[4]

2.2. Kalter Krieg und politische Wende – Kohls Europapolitik der 80er Jahre

„Den Frieden in Freiheit zu sichern, ist auch Aufgabe unserer Europapolitik. Es ist unsere historische Aufgabe, auf dem Weg der Einigung Europas energisch voranzugehen. Nur ein geeintes Europa kann seinen Aufgaben in der Welt gerecht werden [...] Die Bundesregierung tritt trotz aller Schwierigkeiten dafür ein, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten der EG einander anzunähern. Koordinierung ist wichtiger denn je. Der Kampf gegen Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit erfordert einen freien Binnenmarkt“[5], so begann Helmut Kohl am 4. Mai 1983 den europapolitschen Teil seiner Regierungserklärung, nachdem die CDU/FDP-Koalition die vorangegangenen Bundestagswahlen gewonnen hatte. Damit hatte Kohl die beiden zentralen Leitbilder der deutschen Europapolitik aufgegriffen: Friedensicherung und Wettbewerbsfähigkeit. Während sich die Sicherheitspolitik jener Zeit am besten mit dem von Kohl geprägten Begriff der „Politik der Stärke“ zusammenfassen lässt, die in erster Linie vom transatlantischen NATO-Bündnis und nur in bescheidenem Maße von der außervertraglich geregelten Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) geprägt war[6], bedurfte es in der Wirtschaftspolitik der „Gemeinschaft“ dringender Reformen. Als Kohl die Amtsgeschäfte übernahm, schwebte der von Medien und politischer Literatur geschaffene Begriff der „Eurosklerose“ über der EG. Die Neuordnung der Agrarpolitik, die Lösung des britischen Beitragsproblems und der Abschluss der Verhandlungen zur Süderweiterung trafen die EG in einer Zeit der wirtschaftlichen Krise. Die Politik der Mitgliedsstaaten war zu sehr mit eigenen Wirtschaftsproblemen beschäftigt, um sich auf ein gemeinsames europäisches Vorgehen zu verständigen.[7]

[...]


[1] Vgl. Ulrike KEßLER, Deutsche Europapolitik unter Helmut Kohl: europäische Integration als “kategorischer Imperativ“? in: Gisela MÜLLER-BRANDECK-BOCQUET ET AL., Deutsche Europapolitik von Konrad Adenauer bis Gerhard Schröder. Opladen 2002, S. 117

[2] vgl. William E. PATERSON, Helmut Kohl.“The Vision Thing“ and Escaping the Semi-Sovereignty Trap in: Clay CLEMENS/William E. PATERSON, The Kohl Chancellorship, London/Protland 1998, S. 24 und Werner WEIDENFELD, Wende,Wechsel und Europa in: Alexander SIEDENSCHLAG [Hrsg.], Realistische Perspektiven internationaler Politik, Opladen 2001, S.130

[3] vgl WEIDENFELD, a.a.O., S. 131 und KEßLER, a.a.O., S.134

[4] WEIDENFELD, a.a.O., S. 132

[5] Helmut Kohl, Regierungserklärung vom 04.05.1983 in: Auszüge aus den Regierungsprogrammen von 1982-94, http://helmut-kohl.de/europa/europ02a.htm, 15.01.2003

[6] vgl. PATERSON, a.a.O., S. 25 und KEßLER, a.a.O., S. 117-120

[7] KEßLER, a.a.O., S. 117 u. Heinrich SCHNEIDER, Europäische Integration: die Leitbilder und die Politik, in: Michael KREILE [Hrsg.], Die Integration Europas, PVJS Sonderheft 23, Opladen 1992, S.20 f.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Leitbilder der CDU-Europapolitik
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Note
2,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V21823
ISBN (eBook)
9783638253475
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leitbilder, CDU-Europapolitik
Arbeit zitieren
Matthias Thiele (Autor:in), 2003, Leitbilder der CDU-Europapolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21823

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