Politische Öffentlichkeit. Ein system- und akteurstheoretischer Bestimmungsversuch


Referat (Ausarbeitung), 2002

15 Seiten, Note: sehr gut (minus)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Die Verbindung von Systemtheorie und Akteurstheorie

II. Massenmediale Öffentlichkeit als Teilsystem moderner Gesellschaften
1. Aus Sicht der Systemtheorie
2. Aus Sicht der Theorie des rationalen Handelns

III. Politik als Teilsystem der Gesellschaft
1. Aus Sicht der Systemtheorie
2. Aus Sicht der Theorie des rationalen Handelns

IV. Politische Öffentlichkeit: die Beobachtung der Gesellschaft durch die Politik
1. Grund für die Beobachtung des politischen Systems durch die Medien
2. Grund für Gestaltung der politische Öffentlichkeit durch Akteure des politischen Systems

V. Ausblick

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Text „Politische Öffentlichkeit“ von Jürgen Gerhards (1995) versucht die Struktur und Funktion politischer massenmedialer Öffentlichkeit zu analysieren. Dabei verknüpft er die Luhmannsche Systemtheorie mit der Theorie des rationalen Handelns.

Die beiden Teilsysteme der Gesellschaft, massenmediale Öffentlichkeit und politisches System, mit ihren Zielen Aufmerksamkeit zu erzeugen bzw. kollektiv verbindliche Entscheidungen herzustellen, werden verknüpft zu einer massenmedialen politischen Öffentlichkeit, die als Beobachtungsinstrument des politischen Systems dient.

Ausdifferenzierte Teilsysteme moderner Gesellschaften, wie z.B. Wissenschaft, Wirtschaft, Rechtssystem, Politik und Öffentlichkeit, geben aus ihrer Struktur heraus bestimmte Ziele vor, die durch festgelegte Mittel erreicht werden können, sogenannte „constraints“ (Zwänge). Innerhalb der Teilsysteme wählen die Handelnden, der Theorie des rationalen Handelns folgend, diejenigen Mittel und Strategien aus, mit denen sie die dem Teilsystem zugrunde liegenden Ziele mit dem geringsten Aufwand erreichen können.

I. Die Verbindung von Systemtheorie und Akteurstheorie

Warum aber sollen Systemtheorie und Akteurstheorie miteinander verbunden werden, um politische Öffentlichkeit zu analysieren? Bei seinen Ausführungen orientiert sich Gerhards an den Arbeiten von Uwe Schimank.

Die Luhmannsche Systemtheorie beschreibt die moderne Gesellschaft als funktional, in mehr oder weniger autonome Teilsysteme, differenzierte Gesellschaft (vgl. Gerhards 1995: 82). Autonom bedeutet dabei, dass sich die innerhalb der Teilsysteme vollziehenden Handlungen an den systemeigenen Merkmalen orientieren.

Drei Funktionen sind notwendig, um von einem Teilsystem sprechen zu können (vgl. Gerhards 1995: 82).

1) Teilsysteme übernehmen eine spezialisierte Funktion für das Gesamtsystem der Gesellschaft, z.B. ist die Funktion der Politik, kollektiv verbindliche Entscheidungen herzustellen; die der Wirtschaft, Güter zu produzieren, um Bedürfnisse zu befriedigen.
2) Jedes Teilsystem ist durch eine spezifische Struktur gekennzeichnet. Die Luhmannsche Theorie begreift soziale Systeme als Sinnsysteme. Die Teilsysteme grenzen sich durch strukturelle systemspezifische Sinnzusammenhänge voneinander ab. Sie besitzen jeweils eigene generalisierte Handlungsoptionen, die mit Hilfe eines binären Codes bestimmen, was innerhalb eines Teilsystems relevant ist und was nicht (z.B. recht/unrecht im Rechtssystem, wahr/falsch im Wissenschaftssystem, haben/nicht haben in der Ökonomie).
3) Teilsysteme sind auf Dauer ausgerichtet, das bedeutet sie müssen ihre Struktur festigen. Dies geschieht durch Ausdifferenzierung bestimmter Leistungsrollen (Mediziner, Politiker, Juristen, Journalisten), welche sich in Institutionen und Organisationen vereinen. Zudem besitzt jedes Teilsystem sein spezifisches Publikum (Patient, Wähler, Klient, Zuschauer). Dadurch entsteht die Möglichkeit, dass die Gesamtbevölkerung über bestimmte definierte Regeln an jedem Teilsystem partizipieren kann.

Die Spezialisierung auf eine Funktion, die Entwicklung einer spezifischen Sinnstruktur, die strukturelle Verfestigung durch spezifische Leistungsrollen, Organisationen und Publikumsrollen, sind die Grundmerkmale, mit denen Luhmann die modernen Gesellschaften als funktional ausdifferenzierte Gesellschaften beschreibt.

Die Luhmannsche Systemtheorie versucht also die Gesellschaft als Gesamtgesellschaft mit all ihren Teilsystemen zu beschreiben und die allgemeinen Strukturen aufzuzeigen, aber sie kann diese Strukturen nicht ursächlich erklären. Gerhards beschreibt dies, mit Bezug auf Uwe Schimank, als Erklärungsdefizit (vgl. Gerhards 1995: 79).

Die Gesellschaft besteht aus handelnden Personen, durch die Systemstrukturen erst entstehen bzw. sich verändern. Hier bietet die Theorie des rationalen Handelns eine Ergänzung der Systemtheorie an. Denn die Theorie des rationalen Handelns versucht die Gesellschaft aus den Handlungen der Akteure heraus zu erklären.

Von Akteuren kann dabei gesprochen werden, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind (vgl. Gerhards 1995: 79, nach U. Schimank): A) Der Akteur muss subjektive Ziele und Interessen haben, die er erreichen will. B) Er muss über die nötigen Mittel verfügen (z.B. Geld, Macht), um seine Ziele erreichen zu können. C) Er muss über eine Strategie verfügen, um die eingesetzten Mittel mit den Zielen kombinieren zu können.

Es lassen sich darüber hinaus individuelle und kollektive Akteure unterscheiden. Kollektive Akteure sind einzelne Mitglieder einer Gruppe, die berechtigt sind im Auftrag aller Mitglieder zu handeln.

Die Theorie des rationalen Handelns beschreibt die Beziehung zwischen den Akteuren auf der Mikroebene. Die Theorie geht davon aus, dass Akteure in allen Situationen ihren persönlichen Nutzen maximieren bzw. optimieren wollen. Welches aber in der jeweiligen Situation der maximale Nutzen und welches die legitimen Mittel zur Erfüllung der gesteckten Ziele sind, dies wird von der Theorie des rationalen Handelns nicht beantwortet.

Hier bietet dann die Systemtheorie die passende Ergänzung. Die erreichbaren Ziele und einsetzbaren Mittel der einzelnen Teilsystemen werden aus ihrer Struktur heraus vorgegeben. Sogenannte „constraints“ (Zwänge) definieren generalisierte Handlungsoptionen in den jeweiligen Teilsystemen und schränken die Handlungsmöglichkeiten der Akteure ein. Illegitime Mittel sind dabei negativ sanktioniert.

Als Beispiel, im Wissenschaftssystem ist das festgelegte Ziel, möglichst viel in renommierten Zeitschriften zu publizieren, im politischen System dagegen Regierungspositionen zu besetzen. Wollen die Akteure also in den jeweiligen Teilsystemen erfolgreich sein, müssen sie ihre subjektiven Ziele mit den Zielen des Teilsystems miteinander in Einklang bringen und die definierten legitimen Mittel benutzen. Das bedeutet, in der Wissenschaft dürfen Daten nicht manipuliert werden, um in renommierten Zeitschriften publizieren zu können, in der Politik darf die Opposition nicht unterdrückt werden, um selbst an der Regierung bleiben zu können.

Akteure wählen also, der Theorie des rationalen Handelns folgend, innerhalb der Teilsysteme jene Handlungen aus, mit denen sie ihre subjektiven Ziele mit dem geringsten Aufwand erreichen können, ohne die durch das Teilsystem abstrakten substantiell vorgegebenen Ziele und Mittel zu verletzen.

Die Verbindung von Systemtheorie und Akteurstheorie kann nun zur Analyse gesellschaftlicher Teilsysteme genutzt werden. Gerhards interessiert sich hier für das Teilsystem der politischen Öffentlichkeit. Zuvor jedoch betrachtet er die beiden Teilsysteme „massenmediale Öffentlichkeit“ und „politisches System“ näher. Dabei analysiert Gerhards die beiden Teilsysteme aus Sicht der Systemtheorie, wie auch aus Sicht der Theorie des rationalen Handelns.

II. Massenmediale Öffentlichkeit als Teilsystem moderner Gesellschaften

Voraussetzung für die Entstehung von Öffentlichkeit ist „der potentielle freie Zugang zur Kommunikation“ (Gerhards 1995: 84). Historisch können drei Ebenen von Öffentlichkeit unterschieden werden, die einfache Interaktion zwischen Anwesenden, öffentliche Veranstaltungen (z.B. Salons, Kaffeehäuser, Lesezirkel, politische Veranstaltungen) und indirekte Kommunikation durch Massenmedien.

In einem kurzen Exkurs beschreibt Gerhards den Prozess der Ausdifferenzierung des Mediensystems (vgl. Gerhards 1995: 87). Dieser soll hier nur stark gekürzt dargestellt werden. Wichtig für die Ausdifferenzierung, war die Entwicklung der Technik (Buchdruck, Schnellpresse, Rotationsdruck, Computertechnologie, Entdeckung elektromagnetischer Wellen), die Entwicklung einer geeigneten Infrastruktur (Boten- und Postendienste, Eisenbahn, Telegraphie, Rundfunk, Satellitentechnik), der Autonomiegewinn der Medien durch Lösung von politischen und kirchlichen Zwängen und zuletzt von dem Verhältnis zwischen Leistungs- und Publikumsrollen.

1. Aus Sicht der Systemtheorie

Aus Sicht der Systemtheorie bekommt Öffentlichkeit aber erst mit Bildung der Massenmedien den Charakter eines ausdifferenzierten Teilsystems der Gesellschaft. Erst hier finden sich die drei Merkmale die notwendig sind, um von einem Teilsystem zu sprechen.

Das Teilsystem muss eine spezifische Funktion besitzen. Die zentrale Funktion der massenmedialen Öffentlichkeit, ist die Möglichkeit der Beobachtung der Gesamtgesellschaft durch die Gesellschaft. Massenmedien dienen als Beobachtungssystem der Gesellschaft. Sie berichten über die einzelnen Teilsysteme und stellen die Informationen der Gesamtgesellschaft zur Verfügung. Dadurch können die einzelnen Teile am Ganzen teilhaben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Politische Öffentlichkeit. Ein system- und akteurstheoretischer Bestimmungsversuch
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Soziologie der Öffentlichkeit
Note
sehr gut (minus)
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V21758
ISBN (eBook)
9783638252997
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Setzt sich mit dem folgenden Aufsatz auseinander: Gerhards, Jürgen, 1995: Politische Öffentlichkeit. Ein system- und akteurstheorethischer Bestimmungsversuch, in: Jürgen Friedrichs/Rainer Lepsius/Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 34, S. 77-105
Schlagworte
Politische, Bestimmungsversuch, Soziologie
Arbeit zitieren
Kay Turchetto (Autor:in), 2002, Politische Öffentlichkeit. Ein system- und akteurstheoretischer Bestimmungsversuch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21758

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