Ideologie und Habitus. Ein Theorievergleich


Hausarbeit, 2012

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ideologie und Bewusstsein bei Marx und Engels
2.1 Kritik am Deutschen Idealismus
2.2 Die materielle Basis der gesellschaftlichen Verhältnisse
2.3 Der Ideologiebegri
2.4 Die wissenssoziologische Bedeutung

3 Pierre Bourdieus Habituskonzept
3.1 Der Habitusbegri
3.2 Der Wissenssoziologische Aspekt des Habituskonzeptes

4 Fazit

Literatur

1 Einleitung

Soll es um Wissenssoziologie gehen, so drängt sich zuallererst das soziologische Standardwerk von Berger und Luckmann über die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit auf, das wohl wie keine zweite Arbeit zu erklären versuchte, wie Alltagswissen gesellschaftlich produziert und reproduziert wird (vgl. Berger und Luckmann 1980). Jedoch soll das kein Ende der Theorieentwicklung bedeuten und den Blick auf ältere oder neuere theoretische Ansätze versperren. Daher sei in dieser Arbeit der Fokus auf einen Theorieentwurf gerichtet, der lange vor Berger und Luckmanns Werk entstand, sowie auf einen der erst später das Licht der Welt erblickte. Beide Ansätze haben allerdings gemeinsam, sich nicht als explizit wissenssoziologische Theorien zu verstehen: Bei Marx und Engels heiÿt unser Gegenstand Ideologie oder Bewusstsein, bei Pierre Bourdieu ist Wissen einerseits in den Begri des kulturellen Kapitals, andererseits in den des Habitus einge ochten. Es liegt auf der Hand, dass Wissen nicht gleich Wissen ist: Es kann sich um wissenschaftlich hergestelltes Wissen handeln, das methodisch kontrolliert hergestellt und evaluiert wird, oder um Alltagswissen, das sich dadurch legitimiert, dass es Handlungsfähigkeit erzeugt oder bewahrt. Es kann die Rede sein von explizitem Wissen, dass den wissenden Subjekten auch als solches entgegensteht, aber auch implizitem Wissen, das alltäglich angewendet und produziert wird, ohne als solches überhaupt Gegenstand der Re exion zu werden.

Im Rahmen dieser Arbeit soll nun herausgearbeitet werden, welche Wissensformen durch Ideologie und Habitus beschrieben werden, wie sie erklärt werden und worin der theoretische Mehrwert dieser Begri e liegen kann. Der Bourdieu'sche Kapitalbegri und damit auch der des kulturellen Kapitals wird an dieser Stelle nicht diskutiert, da er unter anderem auf den Habitus rekurriert und im Hinblick auf die Frage nach der Herstellung und Reproduktion von Wissen den Habitusbegri nicht an Erklärungskraft übertri t.

2 Ideologie und Bewusstsein bei Marx und Engels

Die Deutsche Ideologie ist eine Sammlung von Aufsätzen aus der Feder von Marx und Engels, die sich in ebenso harscher und polemischer, wie auch argumentativ fundierter Weise kritisch mit der idealistischen Philosophie, beziehungsweise der Religionskritik, einiger Junghegelianer (namentlich Ludwig Feuerbach, Max Stirner und Bruno Bauer) ihrer Zeit auseinandersetzen. Das erste Kapitel, das sich an Feuerbach wendet und dessen Namen trägt, sei an dieser Stelle herangezogen, um den von Marx und Engels verwendeten Ideologiebegri zu verstehen und vor allem herauszuarbeiten, wie nach Marx und Engels Wissen eigentlich hergestellt wird.

2.1 Kritik am Deutschen Idealismus

Zunächst wird hart mit den Philosophen des Deutschen Idealismus ins Gericht gegangen: Marx und Engels werfen ihnen vor, ihre Kritik auf die Kritik religiöser Vorstellungen zu beschränken. So sind sie der Ansicht, sie fassten alle herrschenden Vorstellungen, egal ob politisch, rechtlich, metaphysisch oder moralisch, unter religiösen oder theologischen Vorstellungen zusammen, so dass für die Idealisten letztendlich jedes herrschende Verhältnis ein Verhältnis der Religion sei. Weiterhin seien die Junghegelianer in ihrer Philosophie nur geringfügig verschieden von den konservativen Althegelianern, die im Gegensatz zu ihnen lediglich der Religion nicht kritisch gegenüber ständen. Die Junghegelianer halten nach Marx und Engels die bestehenden Verhältnisse für ein bloÿes Produkt des Bewusstseins und jegliche Ideen, die die Menschen unterjochen seien nach Ansicht dieser Hegelschüler lediglich durch andere, kritische Gedanken zu ersetzen um ein besseres Dasein zu ermöglichen. Marx und Engels sind allerdings der Meinung, dass es konservativ sei, das Bestehende bloÿ anders interpretieren zu wollen, da man die Verhältnisse dadurch anerkenne. In ihrer polemischen Ausdrucksweise konstatieren sie, dass die Junghegelianer allenfalls mit Phrasen gegen Phrasen kämpften. Als Alternative schlagen sie vor, dass nach den materiellen Grundbedingungen der Gedanken zu suchen sei (vgl. Marx und Engels 1953, S. 14 ).

2.2 Die materielle Basis der gesellschaftlichen Verhältnisse

Nach Marx und Engels ist es die Produktion der zum Leben benötigten Dinge, die Produktion der Lebensmittel, welche ihn vom Tier unterscheidet. Durch die Herstellung der Lebensmittel stelle der Mensch selbst sein eigenes Leben her, die Produktion der Lebensmittel sei also gleichzeitig die Produktion des materiellen Lebens. Damit ist die jeweilige Lebensweise unmittelbar abhängig von den materiellen Bedingungen der Produktion (vgl. Marx und Engels 1953, S. 16f ).

Weiterhin ist die Rede von einer wechselseitigen Beziehung zwischen der Produktion, dem Verkehr der Menschen untereinander und der Arbeitsteilung. So setze die Produktion erst ein, wenn ein gewisser Verkehr unter den Menschen zu einem Wachstum der Population führe, die Arbeitsteilung werde durch die Entwicklung neuer Produktionskräfte ausgeweitet und wirke sich wiederum auf die Produktion als solche aus. Mit der Arbeitsteilung korrespondieren ihnen zufolge des Weiteren verschiedene Formen des Eigentums: Da sei zunächst die ursprüngliche Form des Stammeseigentums die mit einer noch sehr geringen Teilung der Arbeit verbunden sei. Anschlieÿend, in der Antike, sei es zur Herausbildung des Gemeinde- und Staatseigentums gekommen, verbunden mit stärkerer Arbeitsteilung, erkennbarem Gegensatz zwischen Stadt und Land, sowie einem fast vollständig herausgebildeten Klassengegensatz zwischen Bürgern und Sklaven. Drittens nennen Marx und Engels die Form des feudalen oder ständischen Eigentums, das einerseits aus Grundeigentum des Adels, der auf die Produktion durch Leibeigene zurückgri , bestanden habe und eigener Arbeit mit geringem Kapital, das Gesellen zur Produktion zu Verfügung gehabt habe. Die Arbeitsteilung sei nach Marx und Engels in dieser Zeit weniger ausgeprägt gewesen, allerdings habe es klare ständische Trennlinien durch die Gesellschaft gegeben. Jeder dieser Formen des Eigentums, der Arbeitsteilung und vorherrschenden Produktionsweise entsprachen, so Marx und Engels, jeweils unterschiedliche gesellschaftliche Verhältnisse. Die gesamte gesellschaftliche Struktur wie auch das politische System, gehe aus dem Lebensprozess der Individuen und damit aus den Bedingungen der Produktion hervor, heiÿt es weiter. Aber darüber hinaus vertreten Marx und Engels die Ansicht, dass durch die materiellen Ausgangsbedingungen und damit auch durch die Lebens- und Produktionsweisen ebenfalls die Herstellung jeglicher Gedanken, Vorstellungen und Ideen bedingt sei (vgl. Marx und Engels 1953, S. 16-24). Das bedeutet, dass auch Ideologien ihren Ursprung in den materiellen Grundlagen haben:

Auch die Nebelbildungen im Gehirn der Menschen sind notwendige Sublimate ihres materiellen, empirisch konstatierbaren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses. (Marx und Engels 1953, S. 23)

In unmissverständlicher Abgrenzung zum Idealismus, der den Ideen der Menschen die Kraft zuschreibt, die Wirklichkeit zu formen, postulieren sie ihre bekannte Formel, die diese idealistische Logik vollständig ins Gegenteil verkehrt und in knappster Form die Grundidee des Materialismus darlegt:

Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein. (Marx und Engels 1953, S. 23)

2.3 Der Ideologiebegri

Marx und Engels sprechen an keiner Stelle explizit von Wissen, sondern nutzen stattdessen sicherlich auch um kleine Seitenhiebe gegen die deutschen Philosophen, die diese Begri e ebenfalls verwenden, zu setzen vorrangig die Ausdrücke Bewusstsein und Ideologie. Wenn wir uns darauf einlassen, Wissen als jegliche gedanklichen Inhalte zu fassen, die von den Individuen, die diese Inhalte herstellen, äuÿern oder auch nur in sich tragen, für in welchem Sinne auch immer richtig beziehungsweise plausibel gehalten werden, so spricht nichts dagegen, auch Bewusstsein und Ideologie als wenn auch spezielle Formen des Wissens zu behandeln.

Über das Bewusstsein schreiben Marx und Engels:

Das Bewuÿtsein kann nie etwas andres sein als das bewuÿte Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeÿ. [sic!] (Marx und Engels 1953, S. 22)

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Ideologie und Habitus. Ein Theorievergleich
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Seminar: Wissenssoziologie
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V215923
ISBN (eBook)
9783656445463
ISBN (Buch)
9783656445739
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ideologie, habitus, theorievergleich
Arbeit zitieren
Boris Reinecke (Autor:in), 2012, Ideologie und Habitus. Ein Theorievergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215923

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