Müssen Männer früher sterben? Erklärungsversuche für ein lange bekanntes Phänomen


Studienarbeit, 2012

19 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die allgemeine Gesundheitsentwicklung des Mannes

3. Die historische Rollenentwicklung des Mannes
3.1. Bedeutung der "Männlichkeit" für die Gesundheit

4. Weitere Faktoren, welche die Lebenserwartung von Männern beeinflussen
4.1. Biologische Faktoren
4.2. Lebensstil
4.3. Risikoverhalten
4.4. Gesundheitsbewusstsein
4.5. Stress und psychische Faktoren

5. Fazit/Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit jeher gilt der Mann, wenn man ihn der Frau gegenüberstellt, als das „starke“ Geschlecht. Männer wie Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone haben ganze Generationen geprägt und stellen die personifizierte Männlichkeit in Form von Kraft und Gesundheit dar. Doch je weiter die Genderforschung voranschreitet, desto ersichtlicher wird, dass das Bild vom überlegenen Mann falsch ist. Denn das männliche Geschlecht ist bis auf den physischen Vorteil, in Form von vermehrtem Muskelwachstum dem weiblichen, bezogen auf Gesundheit und Lebenserwartung, unterlegen.

Männer sterben in Deutschland im Schnitt 5,6 Jahre früher. Generell haben sie in nahezu jedem Land der Erde eine geringere Lebenserwartung als ihr weibliches Pendant. Lediglich in acht südostasiatischen und afrikanischen Ländern sind es die Frauen, die statistisch gesehen kürzer Leben, was jedoch auf die erhöhte Kindersterblichkeitsrate von Mädchen aufgrund der Bevorzugung von männlichen Nachkommen zurückzuführen ist.[1]

Ziel dieser Studienarbeit ist es, Faktoren zu eruieren und wissenschaftlich zu bewerten, die für eine geringere Lebenserwartung von Männern gegenüber Frauen ursächlich sind. Der Fokus liegt dabei auf den westlichen Industrienationen. Zentrales Thema ist dabei die gesundheitliche Entwicklung des Mannes in den verschiedenen Altersstadien und die Auswirkungen von

„Männlichkeit“ auf die körperliche und geistige Verfassung unter Berücksichtigung negativer sozialer und psychischer Einflüsse auf den Mann. Sich daraus ergebende Verhaltensstereotype mit negativer Gesundheitswirkung werden definiert und analysiert.

2. Die allgemeine Gesundheitsentwicklung des Mannes

Bei Männern beginnt die erhöhte Sterblichkeit schon im Stadium des Embryos bis zur Geburt, da Tot- und Fehlgeburten bei Jungen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit gegenüber Mädchen auftreten. Dies lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass männliche Embryonen während der Entwicklung in der Schwangerschaft empfindlicher auf gesundheitsbeeinträchtigende Umwelteinflüsse, mit denen die Mutter konfrontiert wird, reagieren. Des Weiteren neigt das Immunsystem einer schwangeren Frau in erhöhtem Maße dazu, einen maskulinen Fötus als Fremdkörper zu identifizieren und darauf mit der Produktion von Antikörpern zu reagieren, was schließlich zu einer Abstoßung führt.

Darüber hinaus zeigen Untersuchungen aus Finnland, dass männliche Neugeborene ein um 20 Prozent gesteigertes Risiko bezüglich der Ausbildung eines unvorteilhaften Apgar-Wertes aufweisen. Dieser Wert ist das Ergebnis einer schnellen und subjektiven Einschätzung der wichtigsten Vitalfunktionen eines Neugeborenen kurz nach der Entbindung. Erklären ließe sich der schlechte Apgar- Wert mit der höheren Rate an frühgeboren Jungen, die zusätzlich noch eine gesteigerte Sterblichkeitsrate im Vergleich zu den frühgeborenen Mädchen aufweisen.

In den ersten Lebensjahren zeigen Jungen häufiger Störungen in ihrer Entwicklung und neigen zur Ausbildung von Asthmaerkrankungen, was mit plötzlichen Anstiegen des stressauslösenden Hormons Kortisol und negativen Auswirkung des Sexualhormons Testosteron auf das Immunsystem in Verbindung stehen könnte.[2]

Grundsätzlich sterben vom ersten bis zum Ende des 14. Lebensjahres im mitteleuropäischen Raum unter 100.000 Einwohnern 18 Jungen und 15 Mädchen. Intoxikationen stellen zusammen mit Unfällen und Verletzungen in dieser Altersgruppe die häufigste Todesursache dar, wobei die Zahl der davon betroffenen Jungen um das eineinhalbfache höher ist.

Betrachtet man die Gruppe der 15 bis 35-Jährigen, so ist der Unterschied, bezogen auf die Sterblichkeit der Männer mit einer dreimal so hohen Quote gegenüber den Frauen, in dieser Lebensphase am größten. An den schon oben

erwähnten „Verletzungen, Unfälle und Vergiftungen“[3] sterben in diesem Zeitraum viermal mehr Männer als Frauen. Bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist die Sterblichkeitsrate der Männer doppelt, und bezogen auf Krankheiten des Magen- Darmtraktes dreieinhalbmal so hoch.

Bei der Gruppe der 45 bis 64-Jährigen ist die Sterblichkeit des männlichen Geschlechts im Gesamten immer noch zweimal höher als bei den Frauen. Die Sterblichkeit aufgrund von Verletzungen, Unfällen und Vergiftungen geht zurück. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems bilden nun mit einer dreifach höheren Quote gegenüber den Frauen die Haupttodesursache bei den Männern. Krebserkrankungen enden bei Männern mit einer eineinhalbmal höheren Wahrscheinlichkeit als bei Frauen tödlich.

Bezogen auf die über 64-jährigen Menschen sterben Männer im Gesamten noch eineinhalbmal häufiger als Frauen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen bilden nun für beide Geschlechter die häufigste Todesursache.[4]

Festzuhalten ist, dass egal um welche Art von Krankheit es sich handelt, Männer immer früher als Frauen daran versterben.[5]

3. Die historische Rollenentwicklung des Mannes

Betrachtet man die Entwicklung des Mannes nun auf der historischen Ebene, so gilt es drei Phasen zu unterscheiden. Die erste Phase bildet hierbei die Vormoderne. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass der Mensch darauf bedacht ist, im Einklang mit der Natur zu leben und ein organisiertes Leben in ländlichen Gemeinden führt. Arterhaltung und Harmonie bilden die Grundpfeiler des Zusammenlebens. Aufgaben werden in der Gesellschaft unter Berücksichtigung von individuellen Fähigkeiten vergeben. Es existiert noch keine geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung.

Der Beginn der zweiten Phasen lässt sich zwischen 1450 und 1650 n.Ch. ansiedeln. Dieser Zeit lässt sich auch die Entstehung der Männlichkeit zuordnen. Es entwickeln sich erste kapitalistische Gesellschaftsformen und Industriezweige

mit Handelszentren und organisiertem Handwerk. Es kommt zu großen Fortschritten in Forschung, Wissenschaft und dem Kriegswesen, das seit jeher eine der wichtigsten Männerdomänen darstellt. Das Harmoniedenken bezüglich der Natur geht verloren und wird durch Bestrebungen, die Natur zu unterwerfen, ersetzt. Diese Veränderungen führen letztendlich zur Entwicklung des ursprünglichen Rollenbild des Mannes, das sich aus vorhandenen und neu hinzukommenden Komponenten wie folgt zusammensetzt:

- Mut, Aggressivität, Abenteuerlust und Stärke werden durch die Unterwerfung niedriger entwickelter Länder im Zuge der Kolonisation demonstriert. Das Bild vom Mann als Beschützer und Krieger wird gefestigt.
- Das als männlich geltende Ideal vom wissensdurstigen in Askese lebenden Mönch wird im Verlauf der Lutheranischen Wende vom Bild des in Ehe lebenden Familienvaters abgelöst.
- Kapitalistische Gesellschaftsordnungen fordern eine Eroberung finanzstarker Berufe durch die Männer, da die Frauen erziehungsbedingt an den Haushalt gebunden sind. Der Mann wird somit zum Unternehmer und Geschäftsmann und ist für die finanzielle Versorgung der Familie zuständig. In der sozialen Welt gilt der Mann nun als Oberhaupt der Familie, dem sich die Frau unterzuordnen hat.
- Es kommt zu einer geschlechtsspezifischen Einteilung in Stereotype durch männlich Geprägte Institutionen. Fortan gilt der Mann als vernunftbegabt und die Frau als animalisch.

Es kommt zu einer Verfestigung der Rollenbilder, die sich nun immer gegensätzlicher entwickeln.[6]

Letztlich werden der Männlichkeit folgende soziale Symbole, beziehungsweise Eigenschaften, zugesprochen: Stärke in Form von kalkulierter Aggressivität, Herrschaft, Ausdauer, Härte, Erfolg, Spezialistentum, Reichtum, Macht, Führungspotential, Wissen, Forscherdrang und Mut. Diese Eigenschaften stellen

nun das klassische Männlichkeitsideal innerhalb einer patriarchalen Gesellschaft dar.[7]

Analysiert man nun den Begriff der Männlichkeit bezogen auf die heutige Zeit, so stellt man fest, dass sich das klassische Männerbild zu einem moderneren hin gewandelt hat. Gründe hierfür liegen in der voranschreitenden menschlichen Entfremdung, dem Einfluss der Medien sowie dem heutzutage in der westlichen Welt allgegenwärtig präsenten Materialismus. Insgesamt lässt sich eine Art Radikalisierung des Alltags feststellen, mit der auch eine Radikalisierung der

männlichen Rolle einhergeht.[8]

„Männer steuern überwiegend technische Anlagen und warten sie, bauen, installieren und stellen her; planen, konstruieren und forschen, leiten, organisieren und führen, sichern, bewachen und wenden Vorschriften an. Frauen hingegen verkaufen, kassieren, beraten Kunden, arbeiten im Büro, bewirten, reinigen und packen, erziehen, helfen, pflegen und versorgen.“[9]

Diese Dominanz des männlichen Geschlechts ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass Frauen aufgrund der Doppelorientierung (Beruf und Familie) zumeist nur in der Lage sind, Teilzeitstellen anzunehmen.[10]

Am deutlichsten wird die Radikalisierung von männlichem Verhalten jedoch an den sich von den Männern selbst auferlegten Verhaltensimperativen, die ihnen das Gefühl geben besonders männlich zu sein.

„1. Je weniger Schlaf ich benötige,
2. je mehr Schmerzen ich ertragen kann,
3. je mehr Alkohol ich vertrage,
4. je weniger ich mich darum kümmere, was ich esse,
5. je weniger ich jemanden um Hilfe bitte und von jemandem abhängig bin,
6. je mehr ich meine Gefühle kontrolliere und unterdrücke,
7 je weniger ich auf meinen Körper achte-,desto männlicher bin ich.“[11]

[...]


[1] Vgl. Pharmazeutische-Zeitung 2007, S. 1

[2] Vgl. Fischer (2005), S. 21

[3] Ebd., S. 22

[4] Vgl. Ebd., S. 22

[5] Vgl. Ebd., S. 21

[6] Vgl. Connell (1999), S. 207 ff.

[7] Vgl. Hollstein (1999), S. 22 ff.

[8] Vgl. Hollstein (1992), S. 65

[9] Hollstein (1999), S. 24

[10] Vgl. Ebd., S. 25 f.

[11] Vgl. Ebd., S. 39

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Müssen Männer früher sterben? Erklärungsversuche für ein lange bekanntes Phänomen
Hochschule
Hochschule für Gesundheit und Sport, Ismaning
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V215317
ISBN (eBook)
9783656440086
ISBN (Buch)
9783656439929
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
müssen, männer, erklärungsversuche, phänomen
Arbeit zitieren
Max Ande (Autor:in), 2012, Müssen Männer früher sterben? Erklärungsversuche für ein lange bekanntes Phänomen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215317

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Müssen Männer früher sterben? Erklärungsversuche für ein lange bekanntes Phänomen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden