Schutzgut Landschaft. Eine kritische Analyse des zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik angesiedelten Landschaftsbegriffs zur Begründung von gesellschaftlichen Schutzansprüchen


Fachbuch, 2013

84 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Verfassers

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 „Wahre Landschaft“ und „Ware Landschaft“ – Der Landschaftsbegriff zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik

2 Von der Urlandschaft über die Natur- und Kulturlandschaft zurück zur Landschaft
2.1 Urlandschaft, Naturlandschaft, Kulturlandschaft
2.2 Versuche einer Definition der Begriffe Natur- und Kulturlandschaft
2.3 Landschaft – geprägt von Natur, Kultur, Ideen und Metaphern

3 Der Landschaftsbegriff in Umgangssprache, Kunst und Wissenschaft
3.1 Landschaft – ein mehrdeutiger Begriff
3.2 Der Beginn der Wahrnehmung von Landschaft
3.3 Die Fragmentierung der Landschaft in der Postmoderne
3.4 Das Ende der Wahrnehmung von Landschaft
3.5 Missbrauch von harmonischen Landschaftsbildern

4 Das harmonische Landschaftsbild – ein emotionales Schutzgut?

5 Kulturlandschaft und Kulturlandschaftsforschung
5.1 Stigmatisierung des Landschaftsbegriffs
5.2 Kulturlandschaft und historische Kulturlandschaft

6 Der Kulturlandschaftsbegriff in Rechtsnormen

7 Anwendungsbeispiel Multifunktionslandschaft Mitterpinzgau

8 Fazit: Schutz eines konservativen Weltbildes?

9 Personenverzeichnis

10 Begriffsverzeichnis

11 Abkürzungsverzeichnis

12 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die „schöne Landschaft“ im Zeller Becken, Land Salzburg

Abbildung 2: Photovoltaik frisst Landschaft

Abbildung 3: Altstadt der Landeshauptstadt Salzburg

Abbildung 4: Landschaft als Plattform in der Produktwerbung

Abbildung 5: „Naturlandschaft“ Hintermoos im Hollersbachtal

Abbildung 6: „Kulturlandschaft“ Zeller Furche

Abbildung 7: Natur- und Kulturlandschaft Saalfeldener Becken

Abbildung 8: Weltkulturerbe Altstadt Salzburg

Abbildung 9: Die Fragmentierung der Landschaft und das Ende der Wahrnehmung

Abbildung 10: Eine Outdoor-Halle für den Oberpinzgau?

Abbildung 11: Landschaft als Plattform für die Wahlwerbung zur Landtagswahl 2013

Abbildung 12: Landschaft als Bühne für den Tourismus

Abbildung 13: Lärmschutzwand an der Bundesstraße B99 in Mauterndorf, Salzburg

Abbildung 14: Die Kolonisierung der Landschaft durch die Verkehrsinfrastruktur, Foto: F. Dollinger August 2001

Abbildung 15: Zukunftsbild Tourismus 2030; ÖROK-Szenario „Alles Risiko“

Abbildung 16: Landschaftslineamente und Landschaftsbild

Abbildung 17: Das Kunsthaus Nexus in Saalfelden

Abbildung 18: Präsentation der Ausstellung durch Chris Wittwer im November 2004

Abbildung 19: Belagerung der alpinen Kulturlandschaft

Abbildung 20: Neuzeitliche Moränen im Freizeitstress

Abbildung 21: Die Moränen der Postmoderne

Abbildung 22: Der Urban Sprawl im Saalfeldener Becken

Abbildung 23: Neue Energielandschaften

Georg Trakl (1887-1914)

„Die schöne Stadt“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Altstadt der Landeshauptstadt Salzburg

Foto: F. Dollinger Oktober 2001.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Zitierweise

Der Verfasser zitiert die Fachliteratur so, dass die betreffende Stelle leicht aufgefunden werden kann. Bei gedruckten Werken wird die Seitenzahl, bei E-Books die Positionszahl im Lesegerät angegeben. Dabei bedeutet speziell:

S. 25 bzw. Pos. 25: die zitierte Stelle befindet sich exakt auf Seite bzw. Position 25 im Lesegerät

S. 25f bzw. Pos. 25f: die zitierte Stelle befindet sich auf Seite 25 und der Folgeseite bzw. Position 25 und Folgeposition im Lesegerät

S. 25ff bzw. Pos 25ff: die zitierte Stelle befindet sich auf Seite 25 und den beiden Folgeseiten bzw. –positionen.

Bezüge, die sich auf mehr als drei Seiten bzw. Positionen beziehen, werden als S. 25-30 bzw. Pos. 25-30 zitiert.

1 „Wahre Landschaft“ und „Ware Landschaft“ – Der Landschaftsbegriff zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik

„Die Landschaft lehnt sich gegen die Stadt auf“ formulierte Hans Carol (1956, S. 112) in einer Arbeit über den Landschaftsbegriff. Ist die „Landschaft“ also der Gegensatz zur künstlichen Welt der Stadt? Wieso empfinden wir Brüche in der Landschaft nur dann als störend, wenn wir diese als „Schöne Landschaft“ genießen wollen, während wir sie als ambivalente Freizeitnutzer – sei es als Skifahrer, Snowboarder oder auch Mountainbiker – nur als Kulisse brauchen und die „wahre Landschaft“ dadurch zur Ware verkommt? Oder ist Landschaft nicht vielmehr ein emotionaler Begriff, den wir gar nicht allgemeingültig definieren können und der immer auch vom Betrachter selbst abhängig ist?

Wolfgang Haber (1995, S. 597) schreibt zum Stichwort „Landschaft“ im Handwörterbuch der Raumordnung, dass dieses Wort als naturwissenschaftlicher und umgangssprachlicher Begriff mehrere Inhalte hat und auch in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird, an denen sich immer wieder Missverständnisse oder Streitigkeiten entzünden. Eines dieser Missverständnisse ist die Bezeichnung der angeblich von Alexander von Humboldt verwendeten Formulierung „Totalcharakter der Landschaft“ bzw. „ Totalcharakter einer Erdgegend “ als eigentlicher Schöpfungsakt des wissenschaftlichen Landschaftsbegriffs. Dies wird auch in vielen neuen Lehrbüchern der Landschaftsökologie oder Landschaftsplanung so behauptet, obwohl Gerhard Hard dies bereits vor mehr als 30 Jahren widerlegte und nachwies, dass es sich bei diesen Wortfolgen um unzulässige Verknüpfungen von Textfragmenten aus Humboldt´s Werk handelt.[1] Nachweisbar ist lediglich die auch von Hansjörg Küster (2012) mehrfach zitierte Formulierung „ Totaleindruck einer Gegend “ in den Ansichten der Natur sowie „Charakter einer Erdgegend“ im Kosmos.[2] Für Hans Hermann Wöbse (2002, S. 13) handelt es sich dabei um eine sophistische Auseinandersetzung, weil Humboldt seine Formulierungen durchaus im vielzitierten Sinne verstanden habe.

Warum halten sich also Zuschreibung und die Diskussion darüber so hartnäckig? Die Ursache ist in unserer Wahrnehmung begründet: Wir verdinglichen das Gesamtbild[3] und machen es damit zu einem Objekt, dem Eigenschaften wie „schön“, „reizvoll“ oder auch „ausgeräumt“ zugewiesen werden können. „ Die Windräder würden die Landschaft aus der Sicht des Naturschutzes stören “ stand zum Beispiel am 5. Februar 2004 in der Lokalausgabe der Salzburger Nachrichten zu lesen.[4] In Wahrheit war es jedoch wohl so, dass Teile der Bevölkerung damals der Ansicht waren, dass die Windräder das Landschaftsbild beeinträchtigen würden, also nicht ein Objekt „Landschaft an sich“ betroffen ist, sondern die subjektive Wahrnehmung von Individuen gestört wurde. Die Rechtsmaterie Naturschutz wird häufig de facto nur vorgeschoben, um die persönlichen Interessen von Einzelpersonen oder Gruppen zu verteidigen.

Wenn wir daher vom „Gesamtcharakter einer Erdgegend“ sprechen, dann meinen wir in Anlehnung an Josef Schmithüsen (1976, S. 89) eigentlich den „Inbegriff der Beschaffenheit eines nach seinem Gesamtcharakter als Einheit begreifbaren Teiles der Geosphäre von geographisch relevanter Größenordnung.“ Diese „wahre Landschaft“ ist daher immer von der subjektiven Wahrnehmung abhängig[5] und kann als Konstrukt auch zur Nebensache anderer Tätigkeiten – wie z.B. die Ausübung von Aktivsportarten – umgedeutet werden. Dann wird Landschaft zur austauschbaren Ware, die in einem Reisekatalog oder auf einer Internetseite als Kulisse zur Sportausübung angeboten wird.[6] Aber nicht nur im Tourismus wird diese Plattformfunktion erfolgreich eingesetzt. Auch in der Produktwerbung lässt sich ein Landschaftsbild zur Betonung von Natürlichkeit gezielt einsetzen (vgl. Abb. 4). „Natur pur“ ist der Leitbegriff der Nahrungsmittelindustrie geworden, der uns Natürlichkeit und Regionalität von Produkten vermitteln soll.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Landschaft als Plattform in der Produktwerbung.

Landschaftsbilder werden in der Werbung als Plattform zur Betonung von Natürlichkeit genutzt, hier am Beispiel des Lebensmitteldiskonters Lidl, www.lidl.at, abgefragt am 18. März 2013.

Die Hintergründe dieses Transformationsprozesses etwas aufzuhellen und die Möglichkeiten für eine bewahrende Schutzarbeit auszuloten, sind Aufgaben dieses Beitrages. Dazu ist aus Sicht des Verfassers eine vertiefte Analyse des Landschaftsbegriffs und dessen Entstehungsgeschichte erforderlich. Für Letzteres hat erst kürzlich Ludwig Trepl (2012) eine hervorragende kulturgeschichtliche Interpretation veröffentlicht.

2 Von der Urlandschaft über die Natur- und Kulturlandschaft zurück zur Landschaft

2.1 Urlandschaft, Naturlandschaft, Kulturlandschaft

In der Landschaftsforschung aber auch in der interdisziplinären Landschaftsökologie werden im Zusammenhang mit dem Landschaftsbegriff gerne die Bezeichnungen Urlandschaft, Naturlandschaft oder Kulturlandschaft verwendet. Dabei verstehen wir in Anlehnung an Hans Spreitzer unter einer Urlandschaft die nicht mehr existierende Landschaft vor verändernden Eingriffen des Menschen, unter Naturlandschaft eine solche, die ohne wesentliche menschliche Umgestaltung hauptsächlich durch natürliche Faktoren bestimmt wird und unter Kulturlandschaft eine vom Menschen gestaltete Landschaft.[7] Da sowohl die unscharfe Abgrenzung zwischen Natur- und Kulturlandschaft als auch der Landschaftsbegriff selbst in der wissenschaftlichen Diskussion Schwierigkeiten bereitet, wird heute in der deutschsprachigen Landschaftsökologie Landschaft als Repräsentant des Landschaftsökosystems verstanden[8], das je nach Gebiet nur natürliche Ökosysteme oder in anderen Fällen auch die Bauwerke des Menschen und diesen selbst mit umfassen kann. Die englischsprachige Landscape Research hingegen spricht heute von „Multifunctional Landscapes“ (MFL)[9] und meint damit genauso wie beim Landschaftsbegriff der Geographie eine Ganzheit, die mehr als die Summe ihrer Teile ist.[10]

Diese Ganzheiten lassen sich – wie es Gerhard Hard (1970a, S. 223ff) überzeugend dargestellt hat – aus wissenschaftstheoretischer Sicht nicht definieren, weil sie niemals einer abschließenden empirischen Überprüfung unterzogen werden können. Alle bislang gescheiterten Versuche einer allgemein akzeptierten Definition des Begriffes Landschaft und seiner Subbegriffe bezeugen dies eindeutig.

2.2 Versuche einer Definition der Begriffe Natur- und Kulturlandschaft

Wir müssen uns daher zu Beginn unserer Diskussion darüber im Klaren sein, dass wir mit diesen Termini Begriffe verwenden, die insbesondere im deutschen Sprachraum äußerst vielfältig verwendet und wegen ihrer Unschärfe zur Verwendung in der Wissenschaft auch kritisiert werden und daher für die weitere Diskussion ab- und eingegrenzt werden müssen. Wir haben schließlich auch zu beachten, dass in der Wissenschaft „Landschaftsforschung" als Synonym für die Herausforderung gesehen wird, „die Grenzen sektoralen Forschens zu überwinden, um zu transdisziplinären Lösungsansätzen zu gelangen“.[11] Hansjörg Küster (2012) schlägt schließlich sogar eine eigenständige Wissenschaftsdisziplin mit der Bezeichnung „Landschaftswissenschaft“ vor und begründet dies folgendermaßen: „ In der Landschaftswissenschaft geht es darum, das Charakteristische individueller Landschaften herauszustellen. Dabei steht nicht wie bei den exakten Naturwissenschaften allein die Analyse im Zentrum der Darstellung, sondern ebenso die Synthese. Unter anderem aus diesem Grund ist die Landschaftswissenschaft ein eigenständiges Fach, das sich klar von anderen Naturwissenschaften absetzt “ (Küster 2012, Pos. 446).

Die Unschärfe des Begriffs mag der hauptsächliche Grund dafür sein, dass die Definition der Begriffe „Natur- und Kulturlandschaft“ in den modernen Lehrbüchern der Landschaftsökologie meist überhaupt vermieden wird.[12] In anderen Büchern werden diese Begriffe zwar verwendet aber nicht definiert[13] oder es wird zumindest zum Ausdruck gebracht, dass die Bezeichnungen „Urlandschaft“, „Naturlandschaft“ und „Kulturlandschaft“ im Rahmen der Geoökologie/Landschaftsökologie eigentlich nicht mehr erforderlich sind (vgl. Billwitz 1997, S. 644). Küster (2012, Pos. 485) ist der Ansicht, dass es nur aus praktischen Gründen weiterhin gerechtfertigt ist, von Kulturlandschaften zu sprechen, weil viele Menschen diesen Begriff als wichtige Metapher für „Landschaft“ verstehen. Ludwig Trepl (2012, S. 25-30) stellt wie früher bereits Arnold Kern (1991, S. 21) noch deutlicher fest, dass eine naturwissenschaftliche Definition des Begriffes Landschaft nicht möglich ist. Er sieht die bisherigen Versuche einer solchen Definition als Abbild einer naturwissenschaftlichen Verbildung (eines „Scientismus“)[14].

Sehen wir uns einige Definitionen in Lehr- und Wörterbüchern an:

Die Landschaftsplanung der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts verwendet noch folgende Begriffe (Buchwald 1978, S. 12ff, Hervorhebungen F.D).

„Unter einer Naturlandschaft verstehen wir einen vom Menschen nicht beeinflußten Zustand der Landschaft. Die Naturlandschaft ist in ihrem Landschaftshaushalt, ihrer Struktur und ihrem Landschaftsbild nur durch die natürlichen Faktoren bestimmt. (...)[15]

Unter der Kulturlandschaft verstehen wir einen Zustand der Landschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt, in dem sie durch menschliche Nutzung in ihrem Haushalt, ihrer Struktur sowie ihrem Bild mehr oder weniger stark beeinflußt ist. (...)

Als „ naturnahe Kulturlandschaft “ bezeichnen wir eine vom Menschen gestaltete und genutzte Landschaft, deren Pflanzendecke als Indikator der Nutzungsintensität noch einen hohen Flächenanteil naturnaher und halbnatürlicher oder doch nur teilweise naturferner, z.T. sogar natürlicher Ökosysteme enthält. (...)

In der „ naturfernen Kulturlandschaft “ besteht keinerlei Übereinstimmung zwischen der realen und der potentiell natürlichen Vegetation.“

Moderne Lehrbücher der Landschaftsplanung beschreiben die Problematik der Abgrenzung bereits klarer (z.B. von Haaren 2004, S. 23, Hervorhebungen F.D.):

„Unter Naturlandschaft verstehen wir folgerichtig Landschaften, die nicht oder nur in geringem Maße vom Menschen beeinflusst sind. Dies schließt sowohl Landschaften ein, die auch in der Geschichte kaum Einflüssen unterlagen, als auch Landschaften, die bis vor kurzem noch genutzt wurden und nun sich selbst überlassen sind.[16] Kulturlandschaft ist demgegenüber eine Landschaft, die geprägt wird durch die Lebensweise des Menschen, mit der er das Leben unter vorgegebenen Bedingungen bewältigt und gestaltet (ILN 1998). Kulturlandschaft wird z.Z. auch als wertender Begriff für einen idealen Landschaftszustand verwendet (Wöbse 1998; s. auch Konold 1996: 121).“

Für Beate Jessel (1998, S. 11) ist es auffällig, dass gerade die Disziplin der Landschaftsplanung im Gegensatz zur Geographie eine grundlegende Ausein-andersetzung mit dem ihr eigenen Begriff vermissen lässt. Das Fach Geographie beschäftigt sich nämlich bereits seit der Zwischenkriegszeit sehr intensiv mit diesen Begriffen und definiert diese heute wie folgt (Brunotte et al. 2002, S. 286 und 421):

Naturlandschaft, nicht vom Menschen beeinflusste Landschaft (...), deren Gestalt und Ausprägung allein auf dem Zusammenwirken der derzeit herrschenden naturbedingten ökologischen Faktoren beruht. Im weiteren Sinne wird der Begriff der Naturlandschaft auch verwendet für eine gedachte Landschaft, wie sie ohne anthropogenen Einfluss bestehen würde. Dabei kann differenziert werden zwischen effektiver Naturlandschaft (d.h. Urlandschaft) und einer theoretischen Naturlandschaft (d.h. Landschaft unter den derzeitigen natürlichen Bedingungen ohne Eingreifen des Menschen).“

Kulturlandschaft, überwiegend durch anthropogene Ökosysteme gebildete Landschaft mit vorherrschender Nutzfunktion. (...) In der Kulturlandschaft sind an die Stelle natürlicher Ökotope anthropogen bedingte Kulturökotope (...) getreten. Kulturlandschaft wird durch bewirtschaftete Natur bestimmt, in der charakteristische jahresrhythmische Pflegemaßnahmen und Nutzungen stattfinden, traditionell vor allem durch Wiesenmahd, Viehumtrieb, Be- und Entwässerung, Heckenschnitt und (längerfristig) Waldbau. Neben der primär land- und forstwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft mit ihren ursprünglich meist dörflichen Siedlungsformen können auch die städtisch-industriellen Ballungsräume als intensivst genutzte Kulturlandschaften betrachtet werden.“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: „Naturlandschaft“ Hintermoos im Hollersbachtal.

Eine vorwiegend durch natürliche Elemente und Prozesse geprägte Landschaft. Das Niedermoor eines verlandeten spätglazialen Zungenbeckensees beherrscht den Talboden im Vordergrund. Eine durch fossile und aktuelle nivale und gravitative Prozesse geprägte Trogschulter und ein Trogschluss prägen den Bildhintergrund. Die Stirn eines relikten Blockgletschers ist in der oberen Bildmitte zu erkennen, Foto: F. Dollinger August 2000.

Beim Forschungsschwerpunkt Kulturlandschaftsforschung des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst wurde folgende Begriffsbestimmung verwendet:[17]

Kulturlandschaft ist ein vom Menschen als Einheit wahrgenommenes räumliches Wirkungsgefüge von natürlichen Gegebenheiten und menschlichen Einwirkungen. Kulturlandschaften entwickeln sich und verändern sich über die Zeit als Ergebnis des Zusammenwirkens sozioökonomischer, kultureller und naturräumlicher Faktoren.“

Wir können weiter davon ausgehen, dass fast alle europäischen Landschaften über Jahrhunderte mehr oder minder überformt worden sind und daher eigentlich Kulturlandschaften sind. Winfried Schenk (2002, S. 10) stellt daher fest, dass es gegen die Verwendung der Begriffe „Kulturlandschaft“ und „Naturlandschaft“ berechtigte Einwände gibt. So seien mittlerweile selbst in vom Menschen nicht besiedelten Gebieten dessen Einflüsse spürbar, mithin gebe es kaum noch „Naturlandschaft“. Die Postulierung von Naturlandschaft komme damit einem hypothetischen Landschaftszustand gleich.

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Abbildung 6: „Kulturlandschaft“ Zeller Furche

Eine Gebirgslandschaft mit der Stadtgemeinde Zell am See mit ihren drei Stadteilen Zell am See, Schüttdorf und Thumersbach sowie der skitouristisch und forstwirtschaftlich genutzten Schmittenhöhe, Foto: F. Dollinger September 2004.

Der Verfasser ging im Jahr 2003 noch davon aus, dass die Verwendung beider Begriffe notwendig ist und die Abgrenzung zwischen Natur- und Kulturlandschaft in der Wesentlichkeit der menschlichen Umgestaltung liegt (vgl. Dollinger 2003 und www.culture-nature.com ). Er wollte damals berücksichtigt wissen, dass die Ausprägung der Kulturlandschaften sowohl von den naturräumlichen Gegebenheiten als auch von den alltäglichen Handlungen der Menschen und von gesellschaftlichen Gruppen beeinflusst ist und daher nicht als statisches System verstanden werden kann. Daher sah er es als erforderlich an, folgende Definitionen vorzuschlagen, deren Gültigkeit in der Folge zu überprüfen war:[18]

Kulturlandschaften sind ein repräsentativer Teil der Lebenswelt gesellschaftlicher Gruppen, die einem steten Wandel und Anpassungsprozess unterliegen. Sie stehen im Beziehungsgefüge zwischen Mensch, Natur und Kultur. Die verschiedenen Landnutzungen prägen ihr Erscheinungsbild und beeinflussen die Produktions-, Regulations- und Lebensraumfunktionen.“[19]

Naturlandschaften sind ein repräsentativer Teil des Landschaftsökosystems ohne erkennbare anthropogene Nutzungseinflüsse.“[20]

Die vorgeschlagenen Definitionen hätten weitgehende Konsequenzen für die Schutzansprüche an Kulturlandschaften. Letztere können nur dort in bestimmter Ausprägung erhalten werden, wo auch die entsprechende Bewirtschaftung beibehalten wird.[21] Andernfalls entwickeln sie sich bei Aufgabe aller Nutzungseinflüsse entweder zu Naturlandschaften zurück[22] – was in Einzelfällen durchaus erwünscht sein kann – oder passen sich an neue Bewirtschaftungsmethoden an. Eine neue Kulturlandschaft entsteht.

Allerdings kam der Verfasser mit diesem Abgrenzungsversuch dennoch in ein Dilemma: es ist nicht exakt definierbar, was eine „wesentliche Umgestaltung“ ist. Es ist auch nicht intersubjektiv nachvollziehbar, ab wann anthropogene Nutzungseinflüsse erkennbar sind (vgl. Abb. 7).[23]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Natur- und Kulturlandschaft Saalfeldener Becken

Eine intersubjektive Abgrenzung zwischen der Kultur- und Naturlandschaft ist bei dieser Landschaft kaum möglich, Foto: F. Dollinger September 2004.

2.3 Landschaft – geprägt von Natur, Kultur, Ideen und Metaphern

Küster (2012, Pos. 461) sieht alle Definitionsversuche von Natur- und Kulturlandschaft im Widerspruch zu einer allgemeinen Definition von Landschaft: „ Denn jede Landschaft ist von Natur geprägt, jede auch von kultureller Interpretation, Ideen oder Metaphern. Es gibt lediglich Landschaften, in denen die menschliche Gestaltung weniger oder stärker ausgeprägt ist oder für den Betrachter mehr oder weniger deutlich wird (ebda).“ Nach Küster (ebda, Pos. 469) ist es stets eine kulturelle Leistung, eine Landschaft zu erkennen, weshalb es aus wissenschaftlicher Sicht nur Landschaften gibt und eine Differenzierung in Natur- und Kulturlandschaften nicht möglich ist. Allerdings sind nach Küster (ebda) diese Begriffe schon selbst zu Metaphern geworden sind, indem man Naturlandschaften mit Wildnissen gleichsetzt und Kulturlandschaften für etwas hält, das durch traditionelle Landnutzung geformt wurde (als sogenannte „historische Kulturlandschaft“).

Ulrike Wissen (2009, S. 18) sieht es als Landschaftsplanerin in Anlehnung an Matthias Stremlow et. al. sehr ähnlich: Landschaft wird bei ihr als „multifunktionales Netzwerk verstanden, das Lebensraum für alle Lebewesen sowie Wirtschafts- und Erlebnisraum für uns Menschen ist. Sie ist das Produkt einerseits von natürlichen Prozessen sowie unseren räumlichen Handlungen und andererseits unserer subjektiven raumbezogenen Wahrnehmung, Bewertung und Identifikation“ (Stremlow et al. 2003 – zit. nach Wissen 2009, ebda). Daher sei sowohl ein analytischer, rationaler als auch ein symbolischer, emotionaler Zugang zu einem konkreten Raum möglich (Ipsen et al. 2003 – zit. nach Wissen ebda).

Beate Jessel (1998, S. 13) sieht die Landschaftslehre von Ernst Neef und seinen Schülern als vermittelndes Paradigma zwischen den beiden Extrempositionen „Landschaft als Realität“ und „Landschaft als Idee“: Neef definiert in seinen theoretischen Grundlagen der Landschaftslehre (Neef 1967, S. 21ff) ausgehend von einer „Realität der Landschaft“ ein landschaftliches Axiom, auf dessen Gültigkeit die Existenz der Geographie als Wissenschaft beruht (ebda, S. 22). Er sieht die Landschaft entsprechend der marxistisch-leninistischen Erkenntnistheorie[24] als Widerspiegelung der Existenzform der Materie an der Erdoberfläche (ebda, S. 26). Unter Landschaft versteht er in der Folge „ einen durch einheitliche Struktur und gleiches Wirkungsgefüge geprägten konkreten Teil der Erdoberfläche “ (ebda).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Weltkulturerbe Altstadt Salzburg

Dieses Bild verschränkt das kulturelle Welterbe der Salzburger Altstadt mit Festung Hohensalzburg, Dom, Stift Nonnberg, St. Peter und Franziskanerkirche mit Naturelementen im Vordergrund und wird durch die geometrisch wirkende Form des Müllner Steges geteilt, Foto: F. Dollinger Mai 2012.

Neben dem landschaftlichen Axiom sind für Ernst Neef das planetarische Axiom und das chorologische Axiom die drei grundlegenden Wesenszüge, die allgemein verbindlichen Charakter haben und unmittelbar aus der geosphärischen und landschaftlichen Ordnung hervorgehen. Durch diesen axiomatischen Charakter des Begriffes „Landschaft“ in seiner Lehre vermeidet Neef zwar die notwendige Positionierung innerhalb des Definitionsstreits, der das Fach Geographie im restlichen deutschen Sprachraum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägt, bezieht sich jedoch dennoch auf das landschaftskundliche Paradigma. Dieses hat – wie Peter Weichhart (2004, S. 15) darstellt – in Form der raumwissenschaftlichen Geographie bis heute überlebt. Es konzentriert sich ebenfalls auf materielle Strukturen und setzt anstelle des Landschaftsbegriffs „organismisch verstandene „Räume“ oder „Regionen“ (ebda).

Ob ein emotionaler Zugang zur Landschaft wissenschaftlichen Ansprüchen genügen kann, wie er zum Beispiel bei der Geomantie versucht wird (Wohofsky 2008), wäre in der Folge ebenfalls noch zu diskutieren.

Der Vorschlag von Hansjörg Küster, alle drei Aspekte – natürliche Einflüsse, menschliche Einflüsse sowie Interpretationen – bei einer Definition des Untersuchungsgegenstandes gleichrangig zu berücksichtigen, wäre nach Ansicht des Verfassers allerdings eine geeignete Grundlage für unsere weitere Arbeit.

Wir definieren daher abschließend in Anlehnung an Küster den Begriff „Landschaft“ vorläufig wie folgt:

Landschaften sind individuelle Erscheinungen des Landschaftsökosystems, die durch ein charakteristisches Zusammenwirken natürlicher Faktoren und die damit in Wechselbeziehung stehende kulturelle Gestaltung geprägt sind. Die materiellen Eigenschaften machen den Eindruck einer Landschaft aus, der von ihrem Betrachter auf einem Bild, einer Landkarte, einer Erzählung oder in einer wissenschaftlichen Erörterung gedeutet werden kann (nach Küster 2012, Pos. 4227).

Die Kernhypothesen von H. Küster bei dieser Definition sind:

- Landschaften sind Individuen. Damit knüpft an Alfred (1934, S. 143f) an, für den nur der konkrete Standort umfassend beschrieben werden kann: „ Irgend ein größeres Stück der Erdoberfläche ist daher nur in einer Beziehung einheitlich, in den anderen verschiedenartig, und im strengsten Sinne hat nur die einzelne Erdstelle volle Eigenart und Individualität. Es gibt keine und kann keine allgemeingültige, d.h. alle Erscheinungen erfassende, Einteilung der Erdoberfläche geben.“
- Landschaften erfordern daher einen Betrachter und sind daher immer eine Interpretation der realen Welt mit ihren natürlichen und kulturellen Elementen und Zusammenhängen.
- Einer wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich sind alle drei Aspekte der Zusammenhänge zwischen den Erscheinungen der Natur, der Kultur und Nutzung sowie der Interpretationen, die auf Ideen und Reflexionen beruhen (2012, Pos. 496): „ die Natur in einer Landschaft umfasst alle Naturerscheinungen, die sich ohne Einwirken des Menschen wie in einer Wildnis entwickeln. Kultur in einer Landschaft ist alles, was vom Menschen ausgeht: eine Gestaltung durch Nutzung des Landes und seiner Naturerscheinungen und eine Gestaltung nach ästhetischen Gesichtspunkten. Teil von Kultur sind außerdem die Interpretationen und Ideen, die mit Landschaft verbunden werden.

Ob diese Definition einer intersubjektiven Überprüfbarkeit standhält, müsste in der Folge näher analysiert werden.

Die „Idee der Landschaft“ entzieht sich nämlich nach Trepl (2012, S. 22) einer naturwissenschaftlichen Definitionsmöglichkeit, da jede Landschaft eine Stimmung hat und Stimmung kein naturwissenschaftlicher Begriff ist. Die Konsequenz daraus wäre, dass es eine allgemeingültige und allgemein anerkannte Definition des Landschaftsbegriffes nicht geben kann und es daher auch die naturwissenschaftliche Vorgangsweise hier nicht angebracht ist.[25]

Eine Antwort auf diese Fragen wird im Kapitel 8 versucht.

3 Der Landschaftsbegriff in Umgangssprache, Kunst und Wissenschaft

3.1 Landschaft – ein mehrdeutiger Begriff

Über die Entstehung des Landschaftsbegriffs wurden in den letzten Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Beiträge verfasst.[26] Wir können feststellen, dass der Landschaftsbegriff insbesondere in der deutschen Sprache Bedeutungsverschiebungen erfahren hat und auf der einen Seite zwar seine Verwendung als wissenschaftlicher Begriff in Frage gestellt wird[27], auf der anderen Seite jedoch insbesondere über die internationale Landschaftsökologie die Landschaft als zentrales Forschungsobjekt wiederkehrt.[28]

Die verschiedenen lexikalischen Bedeutungen von Landschaft wurden von Gerhard Hard (1970a, S. 28-32) zu folgenden drei Haupttypen zusammengefasst: 1Landschaft entspricht dem französischen „paysage“ und bedeutet so viel wie „Gegend, Ansicht, Panorama“, 2Landschaft entspricht dem französischen „région“ und ist gleichbedeutend mit „Areal“, „Bezirk, „Gebiet“, während 3Landschaft als das künstlerische Abbild einer Landschaft verstanden wird (1970a, S. 28).

Josef Schmithüsen (1976, S. 74-76) hingegen, fasste neun verschiedene Varianten der Verwendung des Begriffs „Landschaft“ folgendermaßen zusammen:[29]

1. Landschaft als bildliche Darstellung einer Erdgegend in der Kunst. In dieser Bedeutung ist Landschaft ein Bild, das eine Erdgegend darstellt, ein von Menschen geschaffener Gegenstand, der eine Vorstellung wiedergibt, "objektivierter Geist".
2. Landschaft als Sinneseindruck der irdischen Umwelt, den ein erlebter Teil der irdischen Umwelt in uns hervorbringt.
3. Landschaft als äußeres Erscheinungsbild einer Erdgegend im Sinne von Physiognomie einer Erdgegend.
4. Landschaft als natürliche Beschaffenheit einer Gegend unter Ausschluss des Menschen.
5. Landschaft als kulturelle Prägung einer Gegend, Landschaft als etwas durch den Menschen Gestaltetes.
6. Landschaft als allgemeiner Charakter einer Erdgegend, für Schmithüsen ist dies der wissenschaftliche Landschaftsbegriff, der ungefähr das meint, was Humboldt den „Totaleindruck einer Gegend“ bzw. "Charakter einer Erdgegend" genannt hatte.
7. Landschaft als begrenzter Erdraum, in der Bedeutung begrenzter Erdraum für einen bestimmten räumlichen Ausschnitt aus der Geosphäre, im Sinn von Region, Gebiet, Gegend.
8. Landschaft als politisch-rechtliche Körperschaft bzw. Territorium.
9. Landschaft als Areal- oder Verbreitungsgebiet einer bestimmten Art von Gegenständen, wie z.B. Hausformenlandschaften oder Dachlandschaften.

Hard & Gliedner (1977, S. 17) halten im Zusammenhang mit der Aufgabe der Landschaftsgestaltung fest, dass dafür die Verwendung des bildungssprachlichen Begriffs[30] wesentlich ist. Die auf 2Landschaft bei Hard (1970a) zurückgehende Bedeutung als „région“ sehen sie auf einige philologisch-historische Fachsprachen begrenzt. Sie unterscheiden daher für die Praxis der Landschaftsgestaltung nur zwischen zwei Bedeutungen: Landschaft1 als der im 18. Jahrhundert in die Allgemeinsprache aufgenommene Bestandteil der Allgemeinsprache und Landschaft2 im Sinne von Region, die als Begriff etymologisch bis in die Anfänge der deutschen Sprachgeschichte zurückreicht. Landschaft1 ist nun der uns weiter interessierende Begriff, den ein Subjekt als „(...) ein Aggregat höchst verschiedener Phänomene zu einer „Gesamtheit“ zusammen(fasst)“ und ein weitläufiges, vieldeutiges und diffus begrenztes Wahrnehmungsfeld als eine „Figur“ oder „Gestalt“ (nämlich als eine Landschaft) (organisiert).[31]

Die wesentlichsten Stationen in der Einführung des Landschaftsbegriffs in der wissenschaftlichen Diskussion können an den Arbeiten von Albrecht von Haller (1768), Georg Forster (1843), Alexander von Humboldt (1849), Carl Ritter (1862) und Johann Karl Friedrich Rosenkranz (1850) festgemacht werden.[32]

Wie Schmithüsen (1976, S. 98f ) analysierte, war Hallers Gliederung der alpinen Höhenstufen (Haller 1768) der erste klar fassbare Hinweis für die Wahrnehmung einer Kulturlandschaft. Seine Gliederung war ein biogeographisches Konzept, in welchem er eine Höhenstufe der Schweizer Alpen ohne klar formulierten Landschaftsbegriff als „Kuhweiden mit den obersten Holzgewächsen“ charakterisierte. Daher könne man dies als Ansatz zu einem Kulturlandschaftsbegriff auffassen. Hingegen war Georg Forster einer der ersten, die im Zusammenhang mit der Darstellung komplexer Inhalte von Erdräumen das Wort „Landschaft“ verwendeten, allerdings im Sinne der Malerei. Im wissenschaftlichen Sinne verwendete der Philosoph Rosenkranz den Landschaftsbegriff erstmals in seinem 1850 erschienen Werk „System der Wissenschaften.“ Er formulierte darin einen wissenschaftlichen Landschaftsbegriff: „er kennzeichnete Landschaften als „relative Ganze“, (§ 500), „stufenweise integrierte Localsystem“ (§ 268) von Faktoren aller Naturreiche“ (Schmithüsen 1976, S. 113).

Meist wird die Verwendung des Begriffs "Gesamtcharakter einer Erdgegend" durch Alexander von Humboldt in seinem Spätwerk "Kosmos" (1845) als eigentlicher Schöpfungsakt des wissenschaftlichen Landschaftsbegriffs in unserem heutigen Sinne angesehen[33], eine Formulierung, die in der Literatur häufig als "Totalcharakter einer Erdgegend" wiedergegeben wird.[34] Diese erstmalige Anwendung einer ganzheitlichen Sicht auf das Landschaftsökosystem gilt daher auch in der modernen Landschaftsökologie als Paradigmenwechsel zu einem holistischen Verständnis.[35]

[...]


[1] vgl. dazu die ausführliche Diskussion zur Wortfolge Totalcharakter der Landschaft im Begriffsverzeichnis, Kap 10.

[2] Humboldt 1849, Pos. 61, 122, 996, 1023 und 1035) und Humboldt 1993.

[3] Dies wird in der Philosophie als „Hypostasierung“ bezeichnet, vgl. http://de.wiktionary.org/wiki/Hypostase

[4] Salzburger Nachrichten Lokalausgabe „Aus Stadt und Land“ vom Donnerstag, 5. Februar 2004, kursiv durch F.D.

[5] vgl. Werlen 1995, S. 166, der feststellt, dass „Landschaft“ nur als eine subjektive Beschreibungskategorie der Mitwelt begriffen werden kann.

[6] vgl. insbesondere Matthias Stremlow 1998.

[7] Spreitzer 1951, S. 256; Weichhart 1975, S. 30-41 analysiert die Abgrenzungsfrage im Rahmen einer ausführlichen sprachlogischen Kritik.

[8] vgl. Leser 1997, S. 187: „Das Landschaftsökosystem ist räumlich manifest, es repräsentiert einen Landschaftsraum, kurz: eine Landschaft.“ (Hervorhebung H. Leser)

[9] vgl. Naveh 2001, im deutschsprachigen Raum ist Multifunktionalität der Landschaft zum Schlüsselbegriff einer neuen Agrarpolitik geworden (Frede et al. 2002, S. 58, Greif et al. 2002).

[10] Holistisches Paradigma, vgl. Begriffsverzeichnis

[11] Forschungskonzept 1995 Kulturlandschaftsforschung, S. 31

[12] vgl. Leser 1997, Blumenstein et al 2000, Goudie 2002

[13] z.B. Finke 1996, Bastian & Schreiber 1994

[14] Im Sinne einer falsche Übertragung naturwissenschaftlicher Methodiken auf gesellschaftswissenschaftliche Fragestellungen, vgl. dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Scientismus

[15] Das Problem dieser Definition liegt darin, dass es eigentlich weltweit keinen Zustand der Landschaft mehr geben kann, der nicht zumindest indirekt vom Menschen beeinflusst ist.

[16] Dies ist somit ein völlig anderer Zugang zur Abgrenzung. Nach dieser Definition wäre eine Landschaft mit aufgelassenen Almwirtschaften als Naturlandschaft zu bezeichnen, da sie sich selbst überlassen wurden und die natürliche Sukzession die Oberhand gewinnt.

[17] Forschungskonzept 1995, S. 37, Hervorhebung F.D..

[18] vgl. dazu auch die Definition des Begriffs durch den Verfasser im Rahmen des Kunstprojektes „Europäische Kulturlandschaften“ von Chris Wittwer, verfügbar am Internet unter http://www.culture-nature.com/kulturlandschaft/definition.pdf

[19] Mit dieser Definition wird im ersten Satz klargestellt, dass die Ausbildung von Kulturlandschaften von der dort existierenden Gesellschaft abhängig ist und einem steten Änderungsprozess unterliegt. Dabei stehen die Produktionsfunktion für die ökonomischen Funktionen, die Regulationsfunktionen für die ökologischen Funktionen und die Lebensraumfunktionen für die sozialen Funktionen (Bastian & Schreiber 1994, S. 39ff). Die gleichwertige Berücksichtigung dieser Funktionen in der Planung zukünftiger Landnutzungen ist der Grundansatz zur Gewährleistung einer Nachhaltigen Entwicklung.

[20] Mit dieser Definition wurde eine klare Abgrenzung zu den Kulturlandschaften versucht, die auf der Erkennbarkeit der anthropogenen Nutzung aufbaut. Dies lief im Prinzip auf eine optische Erkennbarkeit hinaus, die mit Hilfe von Geländeaufnahmen und Fernerkundungsmethoden realisiert werden könnte.

[21] Bastian & Schreiber 1994, S. 378: „Veränderung ist also ein Wesensmerkmal der Kulturlandschaft, ein Ausdruck des Zusammenspiels von menschlicher Einflussnahme im weitesten Sinne auf natürliche Entwicklungsprozesse in der Landschaft und ihre permanente Anpassung an neue Gegebenheiten.“

[22] Sofern sich die vorläufige Definition bewährt und sofern sich die ursprünglichen Ökotope und Artengemeinschaften wieder entwickeln bzw. ansiedeln können.

[23] Das hängt nicht nur von der physischen Leistungsfähigkeit der Sinnesorgane sondern auch vom individuellen Erfahrungshintergrund ab.

[24] Zur Erkenntnis der Außenwelt in der marxistisch-leninistischen Erkenntnistheorie hat der Verfasser im Jahr 1983 eine Seminararbeit geschrieben (Dollinger 1983)

[25] Nach Trepl (2012, S. 25) beruht die Vorstellung von Landschaft als definierbares reales Objekt auf dem naiven Glauben, dass einem Substantiv auch ein realer Gegenstand entspricht.

[26] vgl. Begriffsverzeichnis „Landschaftsbegriff“.

[27] Die Ersetzung des mehrdeutigen Wortes Landschaft durch ein unbelastetes Synonym haben Hans Carol (1956, S. 481) und auch Josef Schmithüsen (1976, S. 76 u. 147-172) vorgeschlagen. Carol verwendete den Begriff "Geomer", Schmithüsen baute eine eigene Systematik auf und verstand die "Geosynergie" als Synonym zu Landschaft und "Geosynergose" als Grundeinheit der Landschaft.

Dies verändert jedoch nicht die Grundproblematik, die in der Ontologisierung des Landschaftsbegriffes liegt. Wenn ein „nicht belastetes Synonym“ gefunden ist, wird eben dieser Begriff verdinglicht und er ist genauso wenig wissenschaftlich überprüfbar, wie der Landschaftsbegriff selbst (vgl. dazu Hard 1970a, S. 223ff und Weichhart 1975, S. 41).

[28] vgl. z.B. Forman & Godron 1986, Naveh & Lieberman 1994, Turner et al. 2001

[29] Darüber hinaus gibt es noch weitere Verwendungen, z.B. Landschaft im Sinne einer Bevölkerungsgruppe ("Die Landschaft lehnt sich gegen die Stadt auf" - vgl. Carol 1956, S. 477)

[30] Landschaft als „landscape“ bzw. „paysage“ = 1Landschaft bei Hard 1970a

[31] Hard & Gliedner (1978, S. 18 – Hervorhebung F.D.). Auch Naveh (2001, S. 273) verwendet den Gestalt-Begriff zur Beschreibung einer der wesentlichen Prämissen für seine Multifunktionslandschaften.

[32] Ausführliche Darstellung bei Schmithüsen 1976, S. 78-88 (Vorgeschichte des wissenschaftlichen Landschaftsbegriffs), S. 89-114 (Der Ursprung des wissenschaftlichen Landschaftsbegriffes und seine Entwicklung bis 1850) und S. 114-146 (Die Entwicklung des Landschaftsbegriffs und der landschaftlichen Methode bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts).

[33] hier zitiert nach Schmithüsen 1976, S. 106, im Literaturverzeichnis als Humboldt 1993

[34] Vgl. Begriffsverzeichnis „Totalcharakter einer Erdgegend“

[35] Humboldt ist es zu verdanken, dass Landschaften als Ganzheiten begriffen und als solche auch zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen wurden, (...)" (Haber 1995, S. 599)

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Schutzgut Landschaft. Eine kritische Analyse des zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik angesiedelten Landschaftsbegriffs zur Begründung von gesellschaftlichen Schutzansprüchen
Hochschule
Universität Salzburg  (Fachbereich Geographie und Geologie)
Autor
Jahr
2013
Seiten
84
Katalognummer
V215142
ISBN (eBook)
9783656432074
ISBN (Buch)
9783656434382
Dateigröße
8516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Landschaftsbegriff, Kulturlandschaft, Naturlandschaft, Landschaftsbild, Landschaftsparadigma, Landschaftsplanung Salzburger Landschaften
Arbeit zitieren
Univ.-Doz. Dr. Franz Dollinger (Autor:in), 2013, Schutzgut Landschaft. Eine kritische Analyse des zwischen Wissenschaft, Kunst und Politik angesiedelten Landschaftsbegriffs zur Begründung von gesellschaftlichen Schutzansprüchen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215142

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