Kontinuität deutscher Außenpolitik? Der deutsch-polnische Vertrag von 1934


Seminararbeit, 1999

25 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Polen – der unheimliche Nachbar
2.1. Repression und Germanisierung - Die Polen und das Kaiserreich
2.2. Revision – Die Polenpolitik der Weimarer Republik

3. Die Polenpolitik der Nationalsozialisten
3.1. Der Nichtangriffsvertrag vom 26. Januar 1934
3.2. Kämpfe nach Innen und Außen – Polen unter Pilsudski
3.3. Hitlers innenpolitischer Erfolg
3.4. Der Nichtangriffsvertrag im Kontext der allgemeinen Außenpolitik
3.5. Von Weimar nach Berlin? - Kontinuität in der Außenpolitik

4. Schlußfolgerung

Quellen

Literatur

1. Einleitung

„Die durch diese Grundsätze geschaffene Friedensgarantie wird den beiden Regierungen die große Aufgabe erleichtern, [...] Lösungen zu finden, die auf einem gerechten [...] Ausgleich der beiderseitigen Interessen beruhen.“

(Deutsch-Polnischer Vertrag vom 26. Januar 1934)[1]

„Die Frage, ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht scheinen lassen, [...] kann endgültig erst im Laufe der weiteren politischen Entwicklung geklärt werden.“

(Geheimes Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffs­pakt vom 23. August 1939)[2]

Der 30. Januar 1933 markierte einen entscheidenden Einschnitt in die Geschichte des Deutschen Reiches. Mit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler und der folgenden Gleichschaltung der Länder, nahezu aller Organisationen, dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei und der „kalten“ Auflösung der KPD begann die Herrschaft der Nationalsozialistischen Partei in Deutschland. Am Ende der Regierungszeit Hitlers waren die Kriegsfolgen in Deutschland und Europa verheerend. Von ersten Erfolgen wie dem Polen- und dem Frankreichfeldzug bestärkt und die Konsequenz der Alliierten unterschätzend, führten der „Reichskanzler und Führer“ und die deutsche Generalität einen Weltkrieg, der alles öffentliche Leben des Landes in seinen Dienst stellte. Die ohne Gewaltanwendung erreichten Ziele, etwa die Annektion Österreichs 1938 und die „Angliederung“ der sudetendeutschen Gebiete an das deutsche Reich im selben Jahr, sind auf einen der Kernziele der Außenpolitik Hitlers zurückzuführen: Die Expansion. Ein Jahr später, am 1. September 1939, fiel der erste Schuß des Weltkriegs an der Grenze zu Polen; dem Land, dem gegenüber das Reich noch 1934 eine zehnjährige „Friedensgarantie“ abgegeben hatte. Die Expansionspolitik wurde fortgesetzt, diesmal mit anderen Mitteln.

Die vorliegende Arbeit behandelt den Wandel in der Polenpolitik des deutschen Reiches zwischen der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und dem Abschluß des deutsch-polnischen Vertrags am 26. Januar 1934. Dabei wird jeweils kurz die Außenpolitik des Kaiserreiches und der Weimarer Republik skizziert, soweit sie sich auf Polen bezieht. Danach werden die Gründe untersucht, welche zum deutsch-polnischen Vertrag geführt haben. Hierbei wird sowohl auf die innenpolitische Lage Polens, als auch auf die innen- und machtpolitische Situation im Deutschen Reich sowie die ökonomischen Fragen eingegangen. Im letzten Teil des dritten Kapitels folgt dann eine Analyse der strategischen Situation, in der sich Deutschland im Januar 1933 befindet und die Einordnung des deutsch-polnischen Vertrages in die allgemeine Außenpolitik der Nationalsozialisten. Besondere Berücksichtigung findet die Frage, ob sich die Beziehungen Deutschlands zu Polen in den Jahren 1933 und 1934 geändert haben. Eine Schlußbetrachtung bildet das Ende dieser Arbeit. Dabei wird auch auf die wissenschaftliche Diskussion um die Kontinuität der deutschen Außenpolitik unter Hitler Bezug genommen.

Die weitere Entwicklung der Beziehungen von 1934 bis 1939 und der Verlauf des zweiten Weltkriegs wird nur insofern behandelt, als dies für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen von Bedeutung ist. Die Frage der Wiedereingliederung Danzigs und die Debatten rund um diesen Komplex bleiben in dieser Abhandlung weitgehend unberücksichtigt, da die Hinzunahme dieses Themas den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte und ein kurzer Abriß über das Danzig-Problem für das Hauptthema nicht von Nutzen gewesen wäre.[3]

2. Polen – der unheimliche Nachbar

Das folgende Kapitel behandelt kurz die Polenpolitik des deutschen Kaiserreiches[4] und der Weimarer Republik. Dies ist insofern notwendig, als in Kapitel 3 untersucht werden soll, ob und wie sich die Außenpolitik Hitlers in bezug auf Polen von der seiner Vorgänger unterscheidet.

2.1. Repression und Germanisierung - Die Polen und das Kaiserreich

In der Zeit des Kaiserreiches bestimmte eine antipolnische Haltung des Kaisers, besonders Wilhelm II., die deutsche Haltung gegenüber der polnischen Bevölkerung. Schon in seiner Funktion als Abgeordneter der zweiten preußischen Kammer hielt Bismarck antipolnische Reden, die des öfteren Forderungen nach der „Verdrängung“ der Polen im Zuge einer „Germanisierung“ der Ostgebiete Preußens enthielten.[5] Die 3,3 Millionen in Preußen lebenden Polen[6] sahen sich in der Folgezeit, auch nach der Beendigung von Bismarcks Kanzlerschaft, ständigen Anfeindungen ausgesetzt.[7]

Die – trotz der Bevölkerungsbewegung aufgrund einer Agrarkrise - hohen Geburtenüber­schüsse der polnischen Bevölkerung in den preußischen Gebieten und die daraus entspringenden subjektiven Gefühle der Preußen, sich in einem „Abwehrkampf“ zu befinden, führten zu Repressalien gegen die polnischstämmige Bevölkerung. Das Ziel war die vollständigen Germanisierung, etwa durch die Einführung von Deutsch als alleiniger Schul-, Amts- und Gebrauchssprache im Jahre 1873 oder die Ausweisung von 22.000 Polen aus Preußen 1885.[8] Die Germanisierung wurde allerdings nicht nur staatlich, sondern auch in Vereinen organisiert; zu nennen wäre beispielsweise der „Ostmarkenverein“, eine institutionalisierte Zusammenarbeit von preußischer Bürokratie und Großagrariern, oder der 1894 unter Mitwirkung von Hugenberg gegründete „Alldeutsche Verband“, der sich der Stärkung der deutschen Flotte, der Förderung des Kolonialismus und der „Erweiterung des Lebensraumes“, vornehmlich im Osten, verschrieben hatte.

2.2. Revision – Die Polenpolitik der Weimarer Republik

Das Ende des Ersten Weltkrieges und der Versailler Vertrag brachten für die durch den Wiener Kongreß 1815 ihrer Unabhängigkeit beraubten Polen den lange ersehnten eigenen Staat.[9] Das Deutsche Reich mußte aufgrund des Versailler Vertrages einen Großteil Westpreußens und Posens sowie den kleineren, aber wirtschaftlich wertvolleren Teil Oberschlesiens an Polen abtreten; Danzig wurde Freie Stadt unter der Verwaltung des Völkerbundes.[10]

Die durch die Gebietsabtretungen an Polen und der Verlust den wichtigen Handelsstadt Danzig hervorgerufenen Emotionen überschatteten die Polenpolitik der Weimarer Republik. Insbesondere die Ablehnung des deutschen Angebots durch die Alliierten, die Zugehörigkeit Danzigs zum Reich mit der Errichtung von Freihandelszonen in Danzig, Königsberg und Memel zu verbinden, riefen in Danzig und im Deutschen Reich Proteste der Bevölkerung hervor.[11]

Die in einigen Gebieten Polens sehr starken deutschen Minderheiten wurden in der Weimarer Zeit offen vom Deutschen Reich unterstützt, und die gemeinsame Grenze wurde immer wieder bezweifelt. So äußerte der deutsche Außenminister Stresemann am 18. Mai 1925 im Deutschen Reichstag:

„Aus unserer Auffassung über unsere Ostgrenzen haben wir allerdings weder in der Öffentlichkeit noch bei den diplomatischen Unterhaltungen jemals einen Hehl gemacht. Es gibt niemand in Deutschland, der anerkennen könnte, daß die [...] Grenze im Osten eine für immer unabänderliche Tatsache sei.“ [12]

Überschattet wurde das deutsch-polnische Verhältnis auch durch Streitigkeiten um wirtschaftliche Fragen, besonders vom sogenannten „Kohlekrieg“, der seinen Ausgangspunkt in der Nichteinigung über einen Wirtschaftsvertrag im selben Jahr hatte. Nach ergebnislosen Verhandlungen erließ die polnische Regierung im Juni 1925 Verordnungen, die „die Einfuhr von wichtigen deutschen Erzeugnissen verboten.“[13] Die deutsche Regierung antwortete ihrerseits mit Strafzöllen auf Importe aus Polen, vor allem auf bestimmte Gewerbeerzeugnisse und die polnische Kohle, die unter anderem auch in den Teilen Oberschlesiens abgebaut wurde, die Deutschland infolge des Versailler Vertrages an Polen verloren hatte. Ein weiterer Grund war der Niedergang der Monopolstellung Danzigs als einziger großer Hafen der Ostsee, durch den für Polen der Zugang zu den Seewegen garantiert wurde. Als Reaktion auf die Vorgänge im Danziger Hafen im Juni 1920[14] schuf Polen einen eigenen Hafen in der Stadt Gdingen, der schon 1928 etwa ein Viertel des Warenumschlags des Danziger Hafens bewältigte und ab 1933 einen höheren Umschlag an Waren zu verzeichnen hatte.[15]

So vielfältig die Gründe der antipolnischen Haltung auch waren: Wesentlich für die Außenpolitik gegenüber dem östlichen Nachbarn waren die erlittenen Gebietsverluste infolge des Versailler Vertrags und die damit verbundenen Emotionen.[16]

[...]


[1] Zitiert nach: Ullrich, Günter: Geschichte ohne Schlußstrich, Betrachtungen zur Entwicklung des deutsch-polnischen Verhältnisses, Mainz 1986, S. 161.

[2] Department of State (Hrsg.): Das nationalsozialistische Deutschland und die Sowjetunion 1939-1941, Berlin 1948, S. 86.

[3] Eine detaillierte Schilderung findet sich bei Denne, Ludwig: Das Danzig-Problem in der deutschen Außenpolitik 1934-39, Bonn 1959.

[4] Es wird dabei nicht auf die Vorgeschichte der Teilungen Polens und die Entstehung von „Kon­greßpolen“ 1815 eingegangen, da diese für die NS-Außenpolitik nur untergeordnete Bedeutung hat.

[5] Diese Forderung findet sich beispielsweise in einem Bericht Bismarcks an den preußischen König
von 1866 (vgl. Kuby, Erich: Als Polen deutsch war, Ismaning/München 1986, S. 17).

[6] Diese Zahl stammt aus dem Jahr 1905. Anzumerken bleibt, daß die Polen damit fast 10% der Gesamtbevölkerung darstellten.

[7] Dülffer spricht in diesem Zusammenhang von einer „lang gewachsenen Antipathie“ Bismarcks gegenüber den Polen (vgl. Dülffer, Jost: Deutschland als Kaiserreich, in: Vogt, Martin (Hrsg.): Deutsche Geschichte, Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 4. erw. Auflage, Stuttgart 1997, S. 550).

[8] Vgl. Dülffer: Deutschland als Kaiserreich, S. 550 und Kuby: Als Polen deutsch war, S. 19f. Die Abneigung gegen die Polen war auch religiös bedingt, da diese durchweg katholisch waren und dem preußischen Protestantismus widersprachen.

[9] US-Präsident Wilson forderte in seinem 14-Punkte-Plan u.a. die Wiederherstellung eines polnischen Staates mit freiem Zugang zur Ostsee.

[10] Vertrag von Versailles, Artikel 102-108.

[11] Denne, Ludwig: Das Danzig-Problem in der deutschen Außenpolitik 1934-39, Bonn 1959, S. 17
und 19.

[12] Zitiert nach: Denne: Danzig-Problem, S. 35.

[13] Ebenda, S. 37.

[14] Im Sommer 1920 landeten im Danziger Hafen französische Schiffe mit Kriegsmaterial für die polnische Regierung, das im polnisch-russischen Krieg um die Ostgrenze Polens eingesetzt werden sollte. Die Danziger Dockarbeiter weigerten sich, die Schiffe zu entladen, worauf englische Truppen zum Entladen abkommandiert wurden (vgl. Denne: Danzig-Problem, S. 24).

[15] Montfort, Henri de: Dantzig – Port de la Pologne dans le passé et dans le présent, Paris 1939, S. 105 und 109, zitiert nach: Denne, Ludwig: Das Danzig-Problem in der deutschen Außenpolitik 1934-39, Bonn 1959, S. 26.

[16] Ausführlich hierzu: Krüger, Peter: Die Außenpolitik der Republik von Weimar, Darmstadt 1985,
S. 213ff.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Kontinuität deutscher Außenpolitik? Der deutsch-polnische Vertrag von 1934
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Seminar: Die Nationalsozialisten an der Macht 1933/3
Note
2,3
Autor
Jahr
1999
Seiten
25
Katalognummer
V2149
ISBN (eBook)
9783638113182
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontinuität, Außenpolitik, Vertrag, Seminar, Nationalsozialisten, Macht
Arbeit zitieren
Bjoern Egner (Autor:in), 1999, Kontinuität deutscher Außenpolitik? Der deutsch-polnische Vertrag von 1934, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2149

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