Berechtigung und Methodik psychoanalytischer Filmdeutung


Magisterarbeit, 2000

114 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

0. Von Schatten und Licht: eine Einleitung

1. Impliziter Aufweis der Berechtigung psychoanalvtischer Filmdeutung
1.1. Interdependenzen von Psychoanalyse und Film sowie die Funktion der Psychoanalyse im Film
1.1.1. Gleichzeitigkeit und Gleichartigkeit von Psychoanalyse und Film
1.1.2. Hollywood: scheinbare Rationalisierung als befriedigende Mythologisierung
Prototypisierung des Analytikers im Hollywoodfilm
Weiterentwicklung zur Objektkonstanz
Simplifizierende Auflosung von Traumata
1.1.3. Das Autorenkino oder jenseits visueller Befriedigung
Erklarungs-Fehlstellen und kontrastierende Montage
Die Verschrankung von Representation und Distanz
Facetten des kollektiven Unbewufiten
Wandlungen eines mttndigen Zuschauers
1.2. Die Entwicklung psychoanalytischer Kulturinterpretation
1.2.1. Friihe Auffassungen des psychoanalytischen Selbstverstandnisses und ihre Auswirkungen auf die Kulturanalyse
Folgen eines reduktionistischen Erklarungsmodells
Pathologisierung von Protagonisten und Autor
Ablenkung durch rekonstruktive Deutungen
1.2.2. Wandlungen in psychoanalytischem Behandlungsverstandnis und die Auswirkungen auf die Filmdeutung
Therapeutische Interaktion und Aufwertung des Manifesten
Innerpsychische Verwandlung durch Fremdsubjektives
1.2.3. Exkurs: Die Ambivalenz Freuds gegenuber dem Bildhaften
Zwiespaltige Verinnerlichung des mosaischen Bilderverbots
Doppeltes Mutterbild: Strafender Kosmos
1.2.4. Exkurs: Kompensatorische und bereichemde Aspekte von Kreativitat
Problematische Gleichsetzung von Kunst und Psychose
Kreativitat als Sublimation phaltischer Energie
Kreativitat als Kompensation der Endlichkeit
Hermeneutischer Verschmelzungsprozefi durch Analyse und Filmbetrachtung
1.3. Gegentiberstellung von Film und Traum sowie Film und psychoanalytischem Setting in ihrer Wirkung auf den Rezipienten, Traumer bzw. Patienten
1.3.1. Die strukturellen Ahnlichkeiten von Traum und Film sowie psychoanalytischem Setting und Film
Regressive Bedingungen von Traum und Film
Befriedigung identifikatorischer Sehnsucht durch Traum und Film
Traumtheorien: Wunscherjullung versus Informationsverarbeitung
Technische Entsprechungen: Verdichtung, Montage und sekundare Bearbeitung
Ahnlichkeiten der Wirkung von Film und psychoanalytischem Setting
1.3.2. Die Unterschiede von Traum und Film sowie von psychoanalytischem Setting und Film
Unterschiedliche Rationalitat von Traum und Film
Identifikationslust und urteilende Distanz
Virtuelles und materielles Produkt
Selbstreflexiver Verwandlungsprozefi
Unterschiede zyvischen Kino und analytischem Prozefi nach Hans-Dieter Konig
Doppelte Gegenlaufigkeit
Aufbrechen der einseitigen Transformation
(Gegen-) Ubertragung: Dehierarchisierung von Therapeut und Patient
1.4. Die Wirkung des Films auf den Betrachter
1.4.1. Tagebuchnotiz: Vom Filmfieber
1.4.2. Aufweichung der Kontrollwirkung des Uber-Ichs
1.4.3. Ich spiegle mich, also bin ich
Identifikatorische Verwandlung durch ein Bild
Lustvolle Dialektik aus Entfremdung und Reparation
1.4.4. Durch den Film bewirkte Emanzipation als Aussohnung und Autonomie
1.4.5. Der Film als Verwandlungsobjekt

2. Ausblick auf eine Methodik psvchoanalytischer Filmdeutung
2.1. Deutung als Auseinandersetzung mit dem Widerspruch
2.1.1. Suspension apriorischer Kritik
2.1.2. Zwei Instanzen: komplexere Wahrheit
2.1.3. Selbstanalyse als Erkenntnisinstrument
2.2. Tiefenhermeneutik: die schattige Seite der Wahrheit
2.2.1. Geschichtliches zur Hermeneutik
2.2.2. Lorenzers Konzept der Kunstanalyse
Methode des psychoanalytischen Interpretierens modifizieren
Sieben Thesen zum tiefenhermeneutischen Vorgehen und ihre Kritik .
2.3. Kennzeichnung der Subjektivitat
2.4. Nachvollziehbarkeit durch Methodenpluralismus
2.4.1. Aussagen des A utors zu Leben und Werk
2.4.2. Verflochtenheit von Inhalt und Form
2.4.3. Kollektiv-unbewuBte "GuBformen" als Verstandnishilfe
2.4.4. Geschichtlich-asthetischer Entstehungshintergrund
2.4.5. VermittlungsprozeB durch Intersubjektivitat
Tiefenhermeneutische Gruppeninterpretation
Vergleichender Literaturiiberblick
2.5 Plausibilisierung von Gegeniibertragungseinfallen

3. Praktisches Beispiel psvchoanalvtischer Filmdeutung: Hiroshima mon Amour oder der aufgehobene Traum
3.1. Einleitung
3.2. Einfiihrende Daten
3.2.1. Geschichtlicher Hintergrund
3.2.2. Zum Inhalt des Films
3.3. Spannungsaufbau durch unverbundenes Nebeneinanderstehen formaler und textlicher Dissonanzen
3.3.1. Oberblendung und harte Kontraste
3.3.2. Extreme Montage
3.3.3. Widersprueh zwischen Text und Bild
3.3.4. Storende Gerausche, nervenaufreibende Musik
3.3.5. Paradoxer Text
3.3.6. Zusammenfassung
3.4. Psychoanalytischer Deutungsversuch
3.4.1. Zweifacher Konflikt
3.4.2. Wiederholen, erinnem, durcharbeiten
3.4.3. Ubertragungsobjekt in die Vergangenheit
3.5. SchluB: von notiger und unnotiger Liebe

0. Von Schatten und Licht: eine Einleitung

In ihrem ersten Teil versucht diese Arbeit die Berechtigung psychoanalytischer Filminterpretation aufzuweisen. Der Aufweis geschieht implizit, da es zu dem Warum psychoanalytischer Auseinandersetzung mit Kunst (noch) keine explizite Theorie gibt1. Zunachst benvitzte die Psychoanalyse Kunst vomehmlich als Beleg fUr die Konsolidierung ihrer Hypothesen, indem sie etwa die Pathologie von Autor oder Protagonisten eines Dramas nachwies. Dieses Vorgehen mag der Psychoanalyse zutrag- lich gewesen sein, verkannte aber Eigenheiten und Sinn einer kimstlerischen Schopfung1 2. Ein verandertes psychoanalytisches Selbstverstandnis fiihrte in neuerer Zeit zu modifizier- ten, heterogenen Herangehensweisen, die der Eigenart des jeweiligen kiinstlerischen Mediums gerecht zu werden versuchen. Diese Wandlung bewirkte nicht zuletzt der psychoanalytische Schulenpluralismus, welcher das Suchen nach der einen richtigen Auslegung verunmoglichte3, sowie die Kritik der jeweiligen Disziplinen wie Literatur, Theater und Film am pathografischen Vorgehen der psychoanalytischen Kunstinter- pretation.

Nach meinem Verstandnis stellt eine gelungene psychoanalytische Filminterpretation dem Leser die durch den Film hervorgerufene selbstreflektorische Veranderung im Autor der Rezension zur Verfugung. Zwischen Leser und Rezension entsteht dann ein weiterer hermeneutischer "Ubergangsraum4 ", der zur Selbstanalyse genutzt werden kann. Wie allerdings psychoanalytische Theorie fiir die Filmanalyse zu handhaben sei, ist eine Frage, die zwar vielfaltige personliche Interpretationen einzelner Autoren nach sich gezogen, aber noch keine eindeutige Beantwortung gefunden hat

Ich nahere mich dem Problem der Berechtigung psychoanalytischer Filmdeutung deshalb in konzentrischen Kreisen und versuche zunachst darzustellen, wie sich Psychoanalyse und Film im Verlauf des letzten Jahrhunderts in gemeinsamer Entwicldung gegenseitig verwendet bzw. ausgelegt haben (1.1. und 1.2.).

Dann folgt ein Vergleich von Traum und Film - sowohl deren Wirkung auf den Traumer oder Betrachter als auch ihre jeweils ahnlichen Gestaltungsmittel betreffend. Anhand der Ahnlichkeiten beider soil gezeigt werden, daB die psychoanalytische Theorie sich auch zur Interpretation von Filmen eignen konnte. Denn sie ist die einzige Wissenschaft, die ein Instrumentarium zurTraumdeutung entwickelt hat, welches in modifizierter Form zur ErschlieBung der unbewuBten Dimension in Filmen dienen kann (1.3.1.)- AuBerdem gehe ich kurz auf die Parallelen von Film und psychoanalytischem Setting ein. Hierbei soli eine Gleichsetzung von Kino und psychoanalytischem Behandlungsrahmen sowie zwischen Film und Traum allerdings vermieden werden. Deshalb zeige ich auch einige Unterschiede zwischen beiden Disziplinen auf (1.3.2.). Diese Unterschiede fordem Modifikationen genuin psychoanalytischen Vorgehens fur die Filmanalyse.

In Punkt 1.4. erklare ich die Wirkung des Films auf den Betrachter mithilfe psychoanaly- tischer Paradigmen. Letztlich stellt der Film dem Konsumenten, ahnlich wie in der psychoanalytischen Behandlung, einen Verwandlungs- bzw. Erweiterungsraum fiir individuelle Erfahrungen, die zunachst nicht bewuBt zuganglich sind, zur Verftigung. Dieses Verwandlungsgeschehen zu betrachten, transparent zu machen und voranzutreiben ist m, E. die Kemaufgabe psychoanalytischer Filmdeutung.

Die geschichtliche, thematische, strukturelle sowie "technische" Nahe von Film und Psychoanalyse in ihrer vergleichbaren transformatorischen Wirkung scheinen mir den Versuch eines methodischen Ausblicks zu rechtfertigen (Teil 2). Bei der Definition von Filmdeutung orientiere ich mich zunachst an Freuds Konzept der Traumdeutung zur ErschlieBung des UnbewuBten (2.1.), um dann auf Alfred Lorenzers Verstandnis der tie- fenhermeneutischen Kulturanalyse einzugehen (2.2.). Indem er psychoanalytisches Vorgehen fiir die Kunstinterpretation modifziert, versucht Lorenzer, den Subtext eines Kunstwerks zu erschlieBen. Bei diesem Vorgehen setzt sich der Leser oder Betrachter selbst als Mitakteur in der hermeneutischen Verschmelzung aus Werk und eigenen Verstehens-Voraussetzungen ein, indem er fragt: Was macht das Werk mit mir?

Da auch dieses Konzept aufgrand des subjektiven Filters des Interpreten nicht objektiviert werden kann, pladiere ich fur eine deutliche Kennzeichnung subjektiver Stellungnahmen (2.3.), ihre nachtragliche Belegung durch biografische sowie werkimmanente Daten (2.4.) sowie eine Plausibilisierung von Gegentibertragungseinfallen (2.5.). Hiermit kann zwar nicht Subjektivitat, aber eine Vereinnahmung des Lesers vermieden werden.

Zum Titel der Arbeit: "Licht wiederzugeben setzt einen dunklen Teil Schatten voraus1'. Man korrnte das Zitat folgendermaBen auslegen: Helles ist nur in Abgrenzung von DunMem wahmehmbar und wiedergebbar. Beide Seiten bedingen sich im Sinne einer Komplementareinheit und, in einem weiteren Schritt je heller das Licht, umso dunkler die Schatten. Der Film ist nun die Kunst, die, rein optisch betrachtet, auf Licht und Schatten angewiesen ist wie vielleicht keine andere. Die Psychoanalyse hingegen die Wissenschaft, welche mit einem "Licht-” und einem "SchattenbewuBtsein" operiert5 ; die das Bewufitsein tiberlistet, um dem nur ex negativo erschliefibaren UnbewuBten auf die Spur zu kommen. Sie glaubt, damit eine weitere Sinndimension im menschlichen Handeln und Erleben transparent machen zu konnen und eignet sich somit auch zur Erschliefiung dieser verborgenen Dimension im kiinstlerischen Werk wie beispielsweise dem Film.

Eben jene, dem kognitiven Zugriff entzogene Ebene bringt der Film auch im Betrachter zum Schwingen. Die Auseinandersetzung mit dieser Erfahrung kann mithilfe der psy- choanalytischen Hlmdeutung vom Rezensenten an den Leser weitergegeben werden, Sie kann dem Leser der Interpretation als Wegweiser zu Bereichen des eigenen "inneren Auslands6 " - so nannte Freud das UnbewuBte - dienen; Licht auf bisher Verhiilltes lenken.

Das Thema von Dunkel und Licht wird die gauze Arbeit - konkreter oder abstrakter - begleitend durchziehen; sei es in den Gegenshtzen von Mythologisierung und Rationalisierung (1.1.2.) oder von Rhtselhaftem, Erschreckendem, in das durch filmische Bewaltigung Licht gebracht werden soli (1.1.3.). Metaphorisiert tritt die Dyade auf als Schlaf und Wachen (1.3.), als regressive Bedingungen des Kinos versus aufrechterhaltene intellektuelle Kontrolle, als imaginar und symbolisch (1.4.3.), als festschreibend und emanzipatorisch (1.4.4.).

Gestalterisch und inhaltlich zur Thematik von Schatten und Licht passend schien mir der Film "Hiroshima mon amour" (Resnais 1959) zu sein. Deshalb werde ich versuchen, ihn in Teil 3 zu deuten: Sein zersplittemdes Kreisen spiegelt Zerstorung und Vereinigung, Dunkel und Hell, Leere und Fiille.

Falls die Arbeit ein wenig gelingt, hoffe ich, daB sich die scheinbar starren Grenzen zwi- schen beiden Bereichen, die Dichotomie von Licht und Schatten, durch wiederholte Reflexion aufzulosen beginnen, natiirlich nur, um sich immer wieder neu zu formieren, jedoch als fluktuierende.

1. Impliziter Aufweis der Berechtigung psvchoanalvtischer Filmdeutung

In diesem Teil versuche ich, die Berechtigung psychoanalytischer Filmdeutung iiber die verschiedenen Ebenen der Verflochtenheit beider Disziplinen nachzuweisen.

Die Darstellung beginnt mit der Erlauterung geschichtlicher und thematischer Interdependenz (1.1.), um sich dann der Verhandlung psychoanalytischer Theorien bzw. Wirkungsweisen sowohl im Hollywood- als auch im Autorenkino zuzuwenden (1.1.2. und 1.1.3.). Hauptthese ist hier, daB das Hollywoodkino vereinfachte psychoanalytische Theorien benutzte und benutzt, um Sehnsiichte des Zuschauers zu befriedigen und dadurch den gesellschaftlichen Status quo zu stabilisieren. Im Gegensatz hierzu beunruhigt das Autorenkino, indem es die Tiefendimension des UnbewuBten selbst aufscheinen laBt - hierbei muB nicht explizit auf psychoanalytische Thesen ruckgegriffen werden - und durch eine gewisse Undurchsichtigkeit des Filmtextes die reflektorische Mitarbeit des Zuschauers anregt.

Dann soil der Wandel im Verstandnis psychoanalytischer Kunstinterpretation nach- gezeichnet werden. Die Auseinandersetzung mit Kunst ist von der Entwicklung psycho­analytischer Theorie und Praxis (ein interaktives Patient-Therapeut-Verhaltnis hat bei- spielsweise ein hierarchisches abgelost) in diesem Jahrhundert nicht zu trennen (1.2.1., 1.2.2.).

Zwei Exkurse mogen anschlieBend die Ambivalenz der Psychoanalyse dem neuen Medium gegeniiber verdeutlichen: Sie behandeln Freuds, von Ablehung und Faszination gepragte Einstellung dem Bildlichen gegeniiber (1.2.3.) sowie die friihen, von mir als un- bewuBt neidvoll gedeuteten, psychoanalytischen Kreativitatstheorien, welche Kunst ten- denziell als neurotische und pathologische SelbststabilisierungsmaBnahme venstanden (1.2.4.).

Psychoanalytische Filmtheoretiker haben von jeher Traum und Film verglichen (1.3.). Deshalb sollen ihre fiir den Traumer oder Betrachter auBerlich ahnlichen Bedingungen wie Dunkelheit und Immobilitat sowie Entsprechungen im Erleben beider (etwa die identifikatorische Verschmelzung) gegeniibergestellt werden. Ich gehe ebenfalls auf die Verwandtschaft von Kino und psychoanalytischem Setting ein. Doch die Unterschiede zwischen einem im Wachzustand konsumierten und fremdproduzierten Medium und dem Traum als im Schlaf geschaffenem Produkt der Imagination des Traumers sowie die Differenzen zwischen Kino und psychoanalytischem Behandlungsrahmen verdienen ge- sonderte Betrachtung (1.3.2.).

AnschlieBend wende ich mich der Wirkung des Films auf den Betrachter zu und versu- ehe, sie psychoanalytisch zu erklaren (1.4.). Indem ich den Film als Verwandlungsobjekt der seelischen Tiefenstrukturen des Zuschauers definiere, erweist sich die psychoanalytische Filmdeutung als das angemessene Werkzeug, sich mit dieser Verwandlung auseinanderzusetzen.

1.1. Interdependenzen von Psychoanalyse und Film sowie die Funktion der Psychoanalyse im Film

Um beim Leser ein Gefiihl fur die Weidaufigkeit geschichtlicher und thematischer Interdependenzen von Psychoanalyse und Film zu entwickeln, behandle ich sie einleitend in Punkt 1.1.1.

Dann mochte ich zeigen, wie die Hollywoodsche Traumfabrik psychoanalytische Theorieversatzstiicke zur Spannungssteigerung und direkten Befriedigung des Zuschauers einsetzte und einsetzt Indem wirkliche Verunsicherung des Betrachters und ein sich anschlieBender selbstreflektorischer Prozefi vermieden werden, konnen kollektive Abwehrmechanismen zementiert werden. Eine scheinbare Rationalisierung wirkt hier als verdeckte Mythologisierung. Die prototypische Darstellung des Analytikers sowie der eindimensionale Umgang mit traumatischen Auslosem pathologischer Entwicklung in den entsprechenden Filmen spiegelt gesellschaftliche Rettungsphantasien sowie Projektionsmechanismen (1.1.2.). Die Psychoanalyse scheint mir die geeignete Wissenschaft zu sein, sowohl die Vereinfachung und Kommerzialisierung ihrer eigenen Theorie im Hollywoodfilm als auch die dadurch angestrebten Auswirkungen, beispielsweise auf das Selbstwertgefiihl des Betrachters, aufzuzeigen.

Im Gegensatz hierzu behandelt das Autorenkino angstigende und ratselhafte Aspekte im menschlichen Erleben. Es ist Resultat der persordichen Auseinandersetzung des Autors mit seinem UnbewuBten. Indem es nicht den Anspruch einer volligen Auflosung aller durch die Handlung entstehenden Fragwiirdigkeiten erhebt, also Erklarungs-Fehlstellen laBt, wird die gedankliche Mitarbeit des Zuschauers angeregt und gefordert. Dieser selbstreflektorische Prozefi wirkt psychoanalytisch, ohne explizit auf psychoanalytische Theorie zuriickgreifen zu mussen (1.1.3.).

Bei der Unterscheidung zwischen Hollywood- und Autorenkino handelt es sich um ein Modell. Keinesfalls soli damit gesagt werden, jeder Autorenfilm sei emanzipatorisch so- wie verstehenserweitemd und jeder Hollywoodfilm gesellschaftskonform.

1.1.1. Gleichzeitigkeit und Gleichartigkeit von Psychoanalyse und Film

Psychoanalyse und Film sind etwa gleichzeitig auftretende Entwicklungen des beginnen- den 20. Jahrhunderts. 1895 stellten die Gebruder Lumiere sowie Thomas Edison ihr ki- nematographisches System vor und Freud schrieb den "Entwurf einer Psychologic”. Fiinf Jahre spater projizierte der franzosische Filmpionier Georges Mdlifes seinen ersten phantastischen Film. Im selben Jahr erschien Freuds Traumdeutung, der er seinen Durchbruch verdankt. DerTraum als Konigsweg zum UnbewuBten ist aufgrund struktu- reller Ahnlichkeiten bis heute oft mit dem Film verglichen worden. Es ist also nicht so sehr die Gleichzemgkeit der Entwicklung von Psychoanalyse und Film, als vielmehr die Gleichartigkeit beider Disziplinen, die eine Gegentiberstellung rechtfertigt. In der themati- schen Ahnlichkeit des Behandelten sieht auch der amerikanische Psychiater und Filmtheoretiker Irving Schneider die Hauptverwandtschaft von Film und Psychoanalyse. Er beschreibt die gemeinsame Entwicklung von Psychoanalyse und Film als ein "nice double feature7 ". Sein folgendes, sich auf die Psychiatrie beziehendes Statement kann ebenso auf die Psychoanalyse angewandt werden, da weder im BewuBtsein der US-ame- rikanischen Offendichkeit noch in der dortigen filmischen Darstellung der Unterschied zwischen Psychiatrie und Psychoanalyse jemals deutlich wurde. Das Verhaltnis von Psychiatrie und Film beschreibt Schneider im Vergleich zu anderen Themenfeldem fol- gendermaBen:

"But none would have the resonance and power of psychiatry and the movies, for to an uncommon extent the two have shared the same subject matter. Both have had as their prime focus human thought, emotions, behaviour, and, above all, human motiva­tion. In pursuit of their common subject, movies and psychiatry have frequently inter­sected [...]: psychiatrists have studied the movies, and the movies have depicted psychiatry.8 "

Die Gleichartigkeit des Themenfeldes beider Disziplinen impliziert jedoch keinesfalis ein ahnliches Wie der Behandlung: Wahrend die psychoanalytische Metatheorie explizit menschliches Handeln und Erleben hinterfragt, geschieht dies im Film meist iiber die phanomenologische Darstellung desselben, wobei das Klaren der Griinde der anschlie- Benden Reflexion des jeweiligen Zuschauers uberlassen wird.

Was folgte nun aber aus Gleichzeitigkeit und Gleichartigkeit der Fragestellung fur das Interagieren von Film und Psychoanalyse? Gleichalte Geschwister kopieren einander, konkurrieren und suchen vor allem klar abgesteckte Felder unterschiedlicher Kompetenzen. Hollywood trat der Psychoanalyse angeblich mit offenen Armen entgegen, benutzte psychoanalytisches Gedankengut aber hauptsachlich als dramaturgisches Werkzeug: "The great contribution of psychoanalysis has been to provide a new alibi for the structure of the american narrative film," schreibt der franzosische Kritiker Marc Vemet9. Die psychoanalytische Gemeinschaft zeigte sich dem neuen Medium gegenttber hingegen hochst ambivalent, wenn nicht abwertend. So nahm die Verschwisterung von Psychoanalyse und Film bereits einen konfliktiven Anfang und blieb spannungsreich10. Begeisterte Anhanger des Films wie die Schriftstellerin Lou Andreas-Salomd und der Philosoph und Psychologe Hugo Munsterberg blieben im psychoanalytischen Kreis in der Minderzahl.

1.1.2. Hollywood: scheinbare Rationalisierung als befriedigende Mythologisierung

Oft wurde behauptet, der Film habe sich sehr fur die Psychoanalyse interessiert, wohin- gegen die Psychoanalyse dem neuen Medium ablehnend gegentiber gestanden sei. Oberflachlich betrachtet, rein nach der Haufigkeit psychoanalytischer VersatzstUcke im Film, verglichen mit der eher seltenen Behandlung des filmischen Mediums in der psychoanalytischen Kulturinterpretation, mag das stimmen.

Wie allerdings die Hollywoodsche Traumfabrik Psychoanalyse bzw. Psychiatrie mit offenen Armen empfangen hat und vor allem warum, muB differenzierter betrachtet werden:

"If psychiatry had not existed, the movies would have had to invent it. And in sense they did. 'Psychiatry and the Cinema'11 tells the story of how the movie industry took the profession of psychiatry - its patients, theories, and explanations - and transformed it into a hybrid that joined the fantasies of the public with its own quest for profit in ways that were sometimes wondrous, but more often disappointing.12 "

Das Kino hat demnach die Psychoanalyse - wenn nicht gerade neu erfunden, so doch zu seinen Zwecken umfunktioniert (filmische Beispiele fur die Erzeugung von identifikatiori- scher Befriedigung durch vereinfachte psychoanalytische Theorie erlautere ich in den ein- zelnen Unterpunkten). Diese Trivialisierung der Psychoanalyse im Film bedeutet eine Ausrichtung nach den Bediirfnissen des Publikums. Fragwiirdigkeiten sowie eine Verunsicherung des Zuschauers werden im kommerziellen Kino etwa durch die Prototypisierung des Analytikers und eine vollige Auflosung von Ratselhaftigkeit der Handlung und Symptomatik des Protagonisten anhand der Aufdeckung eines singidaren Kindheitstraumas erreicht. Dieser eindeutige Zusammenhang von konkreter Auslosesituation und Symptom entspricht beispielsweise psychoanalytischer Theorie nicht, da diese von einer Uberdeterminiertheit der Symptome sowie einem Zusammenspiel von Realitat und Phantasie bei ihrer Erzeugung ausgeht.

Eine befriedigende Stabilisierung der Abwehr des Publikums kann ebenso durch Identifizierung mit einem nahezu omnipotenten Protagonisten geschehen, durch temporare Aufhebung der einschrankenden Eingeschlechtlichkeit in wechselnder Identifikation mit weiblichen und mannlichen Hauptdaistellem, durch imaginierte Ubemahme sadistischer oder masochistischer Handlungsweisen u. s. f.

An das Aufzeigen der Funktion Hollywoods als Stabilisierungsapparat kollektiver Mythen und Tabus ist keine Wertung gekoppelt: Die mit dieser Stabilisierung einhergehende narziBtische Gratifikation kann Nahrboden fUr selbstreflektorische Prozesse sein, die erst stattfinden konnen, nachdem gewisse, tieferiiegende Bediirfnisse gestillt wurden.

Prototypisierung des Analytikers im Hollywoodfilm

Bei der Betrachtung des Hollywoodkinos fallt eine gewisse Prototypisierung des Analytikers bzw. Psychiaters, mit jeweils klar abgetrennten guten und bosen Spielarten auf, die deijenigen anderer Hollywoodcharaktere in nichts nachsteht.

Der Analytiker wird meist mit dem gesellschaftlich Tabuisierten, Dunklen in Verbindung gebracht: Entweder deckt er als eine Art Heilsbringer oder Erloser dieses Angstmachende, das zuvor in eine salonfahige Form gebracht wurde, auf oder er verkorpert es selbst. Im ersten Fall inkamiert er nach der Filmwissenschaftlerin Gertrud Koch das rationalisierende, nicht rationale Prinzip13. Das heiBt, seine szientistische, deterministische Zusammenhange aufdeckende Omnipotenz entspricht nicht realen Kompetenzen, sondem mythologisierenden Wunschvorstellungen des Publikums. Im zweiten Fall stabilisiert er als "Dr. Evil14 " die Vorstellung, kollektiv Verdrangtes (das "Bose") existiere nicht in Wirklichkeit, sondem sei lediglich eine spinnose Ausgeburt der krankmachenden Wissenschaft Psychoanalyse.

Im Hollywoodschen Modell lafit sich demnach innerhalb der Handlung eine Spaltung in aufklarerisches, pseudo-wissenschaftliches und spannungsherstellendes, dunkles Prinzip beobachten. Gertrud Koch schreibt hierzu folgendes:

"In diesem Modell zerfallt die Welt in zwei klar voneinander abgetrennte Bereiche: Die visuelle Dramatisierung erfolgt liber die subjektive Weltsicht der Verrlickten, Kranken, die Handlungsdramaturgie liber die detektivische Rekonstruktion, die das Narrenschiff steuert.15 "

Hierbei wird das Bild des Analytikers oft mit dem des Detektivs amalgamiert. Als eine Art Magier, Wunderheiler oder Exorzist verkorpert er paradoxerweise den Sieg der Ratio, die mit aufklarerischem Impetus das wuchemde Dunkel vertreibt und Selbstbestimmung ver- leiht. "I am the master of my fate, I am the captain of my soul", raft der Chor in "Kings Row" (1942) beispielsweise am Ende triumphierend aus16. Szientistisches Weltbild und es unterlagemde Erlosungssehnsucht sowie Faszination am, in dieser Version zahmbaren, Dunklen gehen im Bild des Analytikers ein oft"Wunderliches17 ", aber auBerst beruhigen- des Verhaltnis ein.

Der nahezu alleswissende Seelenheiler mit dem Rontgenblick, an den zunachst eigene un- bewuBte Omnipotenzwiinsche delegiert werden, verfligt, neben seinen Retterqualitaten, auch iiber bedrohliche Aspekte: Er kombiniert Indizien und Fakten aus Aussagen und Leben des Patienten zu einer Wahrheit, die dera Patienten selbst zunachst vollig unbekannt ist.

Diese unheimliche Macht des Psychoanalytikers konnte zu der nur scheinbar gegen- satzlichen "bosen" Typologisierung gefiihrt zu haben: In Fritz Langs "Das Testament des Dr. Mabuse" (1932) etwa stellt sich am Ende der Arzt als der eigentlich Vemickte heraus, wahrend die als pathologisch angenommene Umwelt, wider Erwarten gesund, triumphiert. Auch wenn "Das Kabinett des Dr. Caligari" (1919) letztlich eine andere Wendung nimmt, paBt der Film in dieselbe Kategorie, da der Zuschauer wahrend des Films annimmt, der Psychiater sei der Psychopath. Dieser Film ist als "erster berUhmter Horrorfilm auch der erste beriihmte Film iiber einen Psychiater18 ", was zeigt, inwieweit beide Bereiche als "dunkle" korreliert werden. Beide im Hollywoodfilm oft dargestellte Spielformen des Analytikers, die des Retters und die des Bosewichts, formen letztlich eine Einheit, welche die populistische, von Wiinschen und Angsten gepragte Vorstellung der Psychoanalyse reflektiert.

Einen Ausweg aus der klaren Dichotomisierung zwischen Retter und Psychopathen mag die zunehmende Ridikulisierung des Psychiaters/Psychoanalytikers im Hollywoodgenre darstellen. Schon in den 40er Jahren gab es nach Koch ein komodiantisches Genre, wel­ches das Verhaltnis von Analytiker und Patient ironisierte19. Weitergeftihrt wurde die Darstellung des Analytikers als Intellektuellen-Clown etwa von Woody Allen - mit dem "Stadtneurotiker" (1977) ist die Couch als implizites Inventar aus seinen Filmen nicht mehr wegzudenken. Dieser Bedarf nach Ironie konnte auch in der wachsenden Abhangigkeit der US-amerikanischen Bevolkerung von verschiedenen Therapieeinrichtungen liegen und zeigt, wie sehr dort der personliche "Shrink20 " zur Alltagsbewaltigung gehort.

Weiterentwicklung zur Objektkonstanz

In einem neueren Hollywoodfilm: "Reine Nervensache" (1999) von Harold Ramis finden sich in der Person des Psychiaters alle drei Stereotypen vereinigt. Der Arzt wird erstens zum Retter des verzweifelten Mafiabosses (De Niro), der immer weinen muB, wenn er schieBen soil: De Niro kann nach Aufdeckung eines Kindheitstraumas von seinen mafio- sen Machenschaften ablassen. Zweitens hat der Psychiater selbst ein ungelostes Rivalitatsproblem mit seinem Vater, auf das er nicht nur von seinem pubertierenden Sohn, sondem auch von seinem mafiosen Patienten wiederholt hingewiesen wird. Er ist also selbst ein Neurotiker (Spielform des bosen Analytikers). Drittens macht er sich auBerst la- cherlich, als er versucht, De Niro auf einem Treffen der Cosa Nostra zu vertreten (Clown).

Wenn in "Reine Nervensache" auch verschiedene Prototypisierungen des Analytikers/Psychiaters vereinigt werden, so treten sie doch in unverminderter Eindeutigkeit auf. Es werden also diverse Bediirfnisse des Zuschauers in einem Film be- friedigt: die Rettungsphantasie, der Triumph Uber den neurotischen oder clownesken Arzt u.a.m. Trotzdem kann man von einem gewissen Fortschritt, namlich von einer vergroBer- ten Bereitschaft zur Objektkonstanz21 auf Seiten des Zuschauers sprechen: Auch ein Psychiater, der beispielsweise mit seinem eigenen Vater hadert, mit seinem Sohn streitet und sich lacherlich macht, kann ein kompetenter Arzt sein und seinen Patienten helfen.

Simplifizierende Auflosung von Traumata

Sowohl das Hollywoodkino als auch seine Zuschauer seien miteinander erwachsen ge- worden22, meint Schneider zu dieser Weiterentwicklung. Trotzdem findet sich die alteste und haufigste aller Vereinfachungen psychoanalytischer Theorie auch in "Reine Nervensache": Namlich die des Kindheitstraumas, welches als vergessenes fur das Leiden des Patienten verantwortlich ist. Bei Aufdeckung des traumatischen Ereignisses seitens des Analytikers verschwinden samtliche Symptome. Der Filmtheoretiker Sward schreibt "the psychic wonder-workers in the world of film raise the dead by resurrecting the single traumatic incident23 " Dieser Allgemeinplatz zieht sich durch einen GroBteil mit psychoanalytischer Theorie operierender Filme; seine Verwendung beginnt mit Georg Wilhelm Pabsts "Geheimnisse einer Seele" (1925/26), dem Film, der als erster die psychoanalytische Arbeitsweise darstellen sollte. Selbst der groBe Regisseur Alfred Hitchcock ist beriichtigt ftir den "linkischen Gebrauch24 " dieser Theorie, beispielsweise in Spellbound (1945) und Mamie (1964), welche wie geschaffen ftir den Kriminalfilm erscheint. Ein Teil der Rolltitel von Spellbound verkiindet beispielsweise: "Wenn die Komplexe, unter denen der Patient leidet, aufgedeckt und gedeutet sind, losen sich Krankheit und Verwirrung auf - die damonischen Krafte sind aus seiner Seele verbannt.25 " Diese ideale, wenn auch fast exorzistisch anmutende Vorstellung ist, wie er- lautert, noch in "Reine Nervensache" anzutreffen:

Hier wird der Psychiater durch einen Gegeniibertragungstraum26 auf die Ermordung des Vaters des erkrankten Mafiabosses aufmerksam. Als er De Niro zwingt, sich an das trau- matische Ereignis zu erinnem, gesteht dieser, sich an dem Mord mitschuldig zu fiihlen und es wird deutlich, daB er auf Grund seiner Schuldgefuhle den Tod des Vaters nie ab- trauem konnte. Nachdem sich De Niro das Ereignis unter Tranen in Erinnerung gerufen hat, ist er geheilt und legt sein Amt als Leader einer Familie der Cosa Nostra nieder.

Auch dieser neue Film zeigt also, wie das Hollywoodkino oft durch Sattigung gesell- schaftiicher Bedurfnisse bzw. Festschreibung kollektiver Abwehrmechanismen befriedigt (Rettung, Beseitigung aller Fragwiirdigkeiten). Hierzu verwendet es oft trivialisierte psychoanalytische Theorie. Eine vollige Auflosung der Ratselhaftigkeiten der Handlung erreicht, daB eine reflektorische Nachbearbeitung des Films durch den Zuschauer weitgehend iiberflussig wird.

1.1.3. Das Autorenkino oder jenseits visueller Befriedigung

Hollywood schafft also mit dem Anspruch der vblligen Klarung der filmischen Handlung implizit ein neues Schattenreich. Scheinbare Rationalitat nahrt hier eine verborgene Mythologisierung: etwa die des durch psychoanalytische Technik ganzlich auflosbaren Symptoms. Diese Erhellung aller Schatten fiihrt letztlich zu einem Konturverlust, da die Monokausalitat der Losung vom Geflecht der multiplen Bedingungszusammenhange re- aler Traumata abgekoppelt erscheint.

Auch das Autorenkino muB eine gewisse "visuelle Lust27 " erzeugen, wenngleich die feministische Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey behauptete, daB sie in jedem Fall destruiert werden solle, um die das Erzahlkino konstruierenden patriarchalen Mythen freizulegen. Jedoch geschieht die Erzeugung von Lust in diesem "Gegenkino28 "

differenzierter: Mythen werden nicht durch scheinbare Auflosung reinduziert, sondem bewuBt eingesetzt29, Ratselhaftes darf beibehalten werden. Ein personlicher, durch das BewuBte und UnbewuBte des Autors gepragter Stil fordern den Betrachter zu eigener Interpretation heraus: Die Ratsel der menschlichen Existenz offerieren in ihrer Unaufloslichkeit meist eine Vielzahl an Deutungsmoglichkeiten, welche niemals von der Personlichkeit des Interpretierenden, sei es Regisseur, sei es Zuschauer, zu trennen sind. Die Welt ist wahr fur jeden und fur jeden anders, schreibt sinngemaB Marcel Proust.

Erklarungs-Fehlstellen und kontrastierende Montage

Um dieser individuellen Wahrheit Raum zu geben, gehort es zum Konzept einiger Filmautoren, Erklarungs-Fehlstellen in der Logik des Plots zu lassen. Der Psychoanalytiker Peter Dettmering spricht von der

"Erzahltradition des 'elliptischen' Films, der durch Auslassungen, Leerstellen, ver- suchsweise Annahcrung starker charakterisiert ist als durch die (nacherzahlbare) Handlung. Von den konsequentesten Beispielen dieser neuen Erzahlstruktur lafit sich sagen, daB die in ihnen allenfalls enthaltenen 'objektiven' Passagen wie Inseln in einem Meer von Nichtwissen und Vieldeutigkeit liegen.30 "

Hierdurch wird der Zuschauer aufgerufen, durch eigenes Nacherleben und Nachdenken diese Leer- oder Lehrstellen zu fiillen, also Kontakt zu seinem eigenen UnbewuBten auf- zunehmen und Selbstanalyse zu betreiben. "[...] ce que j'aime au cinema, c'est justement les temps morts. [...] c'est precisement qu'il est fait d'une succession de temps morts, mis bout h bout31 ", sagt beispielsweise der franzosische Rive-Gauche-Filmemacher32 Alain Resnais.

Weiler geht es Resnais um eine Verunsicherung des Zuschauers durch die Darstellung der grundsatzlichen Widerspriichlichkeit der Condition humaine:

"Les films de Resnais tirent tous leur force d'une contradiction initiale. On en revient toujours la : une tentative (ou une tentation) de r€soudre la contradiction fondamen- tale qui est partout dans le monde et qui fait que l'univers est devenu lui-mcrae une accumulation de contradictions.33 "

Auch kontrastierende Montage, die von den Surrealisten oft mit dem TraumprozeB in Verbindung gebracht wurde, ruft einen ahnlich ambivalenten Effekt hervor. Eine mosaik- artige Zcrsplitterung der Szenen kann zur Darstellung von konflikthafter innerer Realitat verwendet werden. Der russische Regisseur und Filmtheoretiker Sergej Eisenstein entwickelte

"eine spezielle Art der Montage. In der Aneinanderreihung einzelner Szenen sah er nicht nur die Moglichkeit, eine fortlaufende Handlung zu erzahlen; er wollte vielmehr durch den 'unmittelbaren Zusammenprall der Bilder' im Zuschauer 'Ideen auslosen und Einsichten bewirken'.34 "

Dieser Verzicht auf eine linear-logische Darstellung ist mit der Technik der freien Assoziation in der Psychoanalyse vergleichbar. Er kann einen regressiven Prozefi reprasentieren, der oft unendliche Wiederholungen und Riickgriffe sowie ein Aufbrechen von Zeit, Raum und Kausalitat einschlieBt. Diese grenzauflosende RUckentwicklung kann in letzter Konsequenz - wie in "Letztes Jahr in Marienbad" (Resnais, 1961) - die Darstellung einer "desintdgration mentale", eines "mentalen Chaos'35 " zum Ziel haben, welches nach Chasseguet-Smirguel moglicherweise psychotischer Gefiihlswelt ahnelt36.

Die Verschrankung von Representation und Distanz

Mithilfe der Darstellung innerer Realitat reinszeniert der Regisseur unter Umstanden eige- nes konfliktives Material. Dieses unterliegt zum Teil sicher schon der Verfiigbarkeit des Sekundarprozesses37, ist dem Autor bewuBt, zum anderen drangt Unverarbeitetes im Sinne des Wiederholungszwanges38 (zunachst unerkannt) an die Oberflache. Hierbei bie- tet der Film dem Regisseur sowohl die Gelegenheit des Durcharbeitens in einer material- vis uellen Umsetzung als auch die einer Distanzierung; der Konflikt wild in extemes Material verwiesen: "By representing ones obsessions, one gets distance on them, domi­nates them39 ", sagt der Regisseur Bernardo Bertolucci in einem Interview zu seinem Kollegen Jean-Luc Godard. Die Dialektik der angestrebten, aber nie ganzlich erreichten Kontrolle unbewuBten Materials wird liber dessen Darstellung erreicht Es wild entauBert und sichtbar gemacht, entfaltet hierdurch aber zugleich (auch fur den Zuschauer) eine realere Spannweite seines Schreckens. Dies zeigt sich deutlich in einer Stelle aus Ingmar Bergmans Autobiografie:

"Da ich einen ewigen Tumult mit mir herumtrage, den ich aber unter Aufsicht halten muB, habe ich Angst vor dem Unberechneten, dem Unberechenbaren. Meine berufli- che Arbeit wird so zu einer pedantischen Verwaltung des Unaussprechlichen. Ich vermittle, organisiere, ritualisiere.40 "

Der Filmautor erinnert also in seinem visualisierenden Bannen in gewisser Weise an Freuds eineinhalbjahrigen Neffen, der in "Jenseits des Lustprinzips" durch das V erschwindenlassen und Hervorholen einer Holzspule die An- und Abwesenheit der Mutter reinszeniert. Es geht dem Kind bei dieser zwanghaften Wiederholung nicht nur urn eine (lustvolle) Kontrolle liber "Da und Fort" der Mutter, sondem es reinszeniert auch den traumatischen Vorgang an sich in seiner Schmerzhaftigkeit41.

Beim Betrachten mancher Autorenfilme muB der Zuschauer dieselbe Ambiguitat aus be- freiender Materialisation und angstigend bleibender Unaufloslichkeit nachvollziehen. Er wird durch diesen ProzeB in gewisser Weise, im Gegensatz zum Hollywoodkino, "jen­seits des Lustprinzips" oder jenseits visueller Befriedigung gezwungen. Je tiefer die Auseinandersetzung des Filmautors mit eigenen unbewuBten Konflikten, umso befreien- der und zugleich verstrickender kann die Auseinandersetzung des Zuschauers mit dem filmischen Material verlaufen. Der Analytiker Jefferson Kline meint in seiner Rezension des Bertolucci-Films "Der letzte Tango von Paris" (1972), daB der Regisseur selbst durch die Darstellung verschiedener eigener (abgespaltener) Pbrsonlichkeitsanteile in einem Film sich zwar nach Fertigstellung des Films geeinter (reuni) flihle, der Zuschauer aber zunachst durch die regressive Darstellung sado-masochistischer Gewalt zerstort (ruine) zurUckbleibe42.

Facetten des kottektiven Unbewufiten

"In making 'Last Tango' I was 'worked on’ by my unconscious, I wanted to become my unconscious", sagt Bertolucci. Und weiter: "'Last Tango' [is] a Freudian Film, a film of exorcism.43 " An seinen Aussagen zeigt sich, inwieweit psychoanalytische Konzepte mit dem Denken und Schaffen einiger modemer Regisseure verwoben sind: "Immer schon hat das Kino versucht [...] Psychoanalyse zu betreiben44 ", schreibt der Filmtheoretiker Rene Predal.

Auch Resnais spricht in eindringlicher Form davon, inwieweit er "die Komplexitat des Denkens45 " und das Innere seiner Figuren in subjektiver Weise darstellen will. Hierbei geht es ihm nicht nur um ein Eintauchen in den individuellen Kosmos seiner jeweiligen Protagonisten, sondem um die Erforschung bzw. das Darstellen moglicher Facetten des kollektiven UnbewuBten. Mittels des "inconscient plandtaire46 ", des planetaren UnbewuBten wirkt der Film laut Resnais auf den Zuschauer. Er traumt von einer Auflosung der personalen Grenzen im Film:

"Je pense qu'on peut arriver a un cinema sans personnages psychologiquement defi­nis, 6u le jeu des sentiments circulerait comme, dans une toile contemporaine, le jeu des formes arrive & etre plus fort que l'anecdote.47 "

Das Nachvollziehen eines solchen grenzauflosenden Prozesses, bei dem im Sinne der ontogenetisch primaren Objektbeziehungen Subjekt- und Objektgrenzen verschmelzen48, fordert Offenheit des Betrachters, auch fiir Beangstigendes. Resnais spricht von einer "nouvelle vague de spectateurs49 ", einem veranderten Zuschauer, der bereit sei, die vom Regisseur vorgeschlagenen "psychischen Expeditionen" mitzuerleben.

Wandlungen eines mtindigen Zuschauers

Diesem miindig gewordenen Zuschauer sei er selbst niemals an Wissen voraus, sagt Resnais: "Je partage les interrogations du spectateur, je pose les questions avec lui.50 " Und weiten

"C'est exactement cela. J'aime poser au spectateur les memes questions que je me pose h moi-meme. Et dans les reponses que je lui donne, je mets tout ce dont je dispose comme elements d'information. Lui et moi sommes aegalitd des connaissances. Dans cette exploration, nous nous trouvons toujours au meme stade d'elucidation. [...] C'est le moyen pour nous de retrouver un public actif, qui crde lui-meme un mouvement dramatique constant a l'interieur d'une action en apparence statique. On obtient une salle vivante : [...] C'est cela pour nous le respect du public.51 "

Diese Vorstellung erinnert - bei alien Differenzen - an die gemeinsame langwierig suchende Erinncrung im analytischen ProzeB. Autorenfilme wirken also oft psychoanalytisch, ohne explizit psychoanalytische Theorie zu verhandeln. Angeregt durch das fremdpsychische Material des Autors kommt es beim Zuschauer zu einem Erinnerungs- oder VerwandiungsprozeB, dessen Fortgang durch die unterschiedlichen subjektiven Erfahrungskontexte von Zuschauer und Regisseur (ebenso wie von Analytiker und Patient) gesichert ist. Eine Verwandlung findet also letztlich beim Zuschauer - und sei es in noch so geringer Form - immer statt: "Tout mon desir est de provoquer chez le spectateur und changement, meme infime, meme lointain.52 ", sagt Resnais.

Diese Vorstellung erinnert - bei alien Differenzen - an die gemeinsame langwierig suchende Erinncrung im analytischen ProzeB. Autorenfilme wirken also oft psychoanalytisch, ohne explizit psychoanalytische Theorie zu verhandeln. Angeregt durch das fremdpsychische Material des Autors kommt es beim Zuschauer zu einem Erinnerungs- oder VerwandiungsprozeB, dessen Fortgang durch die unterschiedlichen subjektiven Erfahrungskontexte von Zuschauer und Regisseur (ebenso wie von Analytiker und Patient) gesichert ist. Eine Verwandlung findet also letztlich beim Zuschauer - und sei es in noch so geringer Form - immer statt: "Tout mon desir est de provoquer chez le spectateur und changement, meme infime, meme lointain.52 ", sagt Resnais.

Diese Vorstellung erinnert - bei alien Differenzen - an die gemeinsame langwierig suchende Erinncrung im analytischen ProzeB. Autorenfilme wirken also oft psychoanalytisch, ohne explizit psychoanalytische Theorie zu verhandeln. Angeregt durch das fremdpsychische Material des Autors kommt es beim Zuschauer zu einem Erinnerungs- oder VerwandiungsprozeB, dessen Fortgang durch die unterschiedlichen subjektiven Erfahrungskontexte von Zuschauer und Regisseur (ebenso wie von Analytiker und Patient) gesichert ist. Eine Verwandlung findet also letztlich beim Zuschauer - und sei es in noch so geringer Form - immer statt: "Tout mon desir est de provoquer chez le spectateur und changement, meme infime, meme lointain.52 ", sagt Resnais.

1.2. Die Entwicklung psychoanalytischer Kulturinterpretation

"Mein Haupteinwand bleibt, daft ich es nicht fur moglich halte, unsere Abstraktionen in irgendwie respektabler Weise plastisch darzustellen;53 " so kritisch auBerte sich Freud dem filmischen Medium gegeniiber, und seine Ablehnung mag - neben der Literaturzen- triertheit des Bildungsburgertums - Mitursache dafiir sein, daB sich bis heute "keine systematische psychoanalytische Filmtheorie54 " entwickelt hat.

Um mich trotzdem an psychoanalytisches Fi/mverstandnis anzunahem, beziehe ich mich in einem ersten Schritt auf die Veranderungen im psychoanalytischen Kultur- und Literaturvcrstandnis. Sie reflektieren den Umgang der Psychoanalyse mit dem Schwestermedium Film. Die Entwicklung des psychoanalytischen Kunstverstandnisses ist allerdings von den Veranderungen in der Behandlungstechnik nicht zu trennen, welche ich deshalb kurz zu umreiBen versuche (1.2.1. und 1.2.2.).

uber die scheinbar interesselose Haltung der psychoanalytischen Gemeinschaft dem neuen Medium gegeniiber lassen sich nur MutmaBungen anstellen; zwei Exkurse sollen jedoch flir mogliche Griinde dieser Zuruckhaltung sensibilisieren: Einmal erweitere ich Franz Zimmermanns55 These iiber die Freudsche Ablehnung und Faszination dem Bildlichen gegeniiber auf den Film (1.2.3.). Zum anderen erlautere ich einige Auffassungen psychoanalytischer Kreativitatstheorie, die zeigen, daB sich die notige Offenheit sowie der notige Respekt fur die Eigenstandigkeit kiinstlerischen Schaffens in psychoanalytischen Kreisen erst sukzessive durchsetzte (1.2.4.).

1.2.1. Friihe Auffassungen des psychoanalytischen Selbstverstandnisses und ihre Auswirkungen aufdie Kulturanalyse

Folgen eines reduktionistischen Erklarungsmodells

"We can see that the paternalistic attitude towards literature and towards the theater in the early practice of 'applied' psychoanalysis was an outgrowth of attitudes and assumptions present at the time in psychoanalytic theory and in clinical practice. The reductionistic understanding of patients was mirrored in a reductionistic look at plays and at novels.56 "

Dieser "reduktionistische Blick", den der israelische Dozent und Lehranalytiker Emanuel Berman beschreibt, basiert hauptsachlich auf dem Wissenschaftsverstandnis des angehen- den zwanzigsten Jahrhunderts. Dieses orientiert sich durchwegs am Ideal der Naturwissenschaften, das heiBt, es wird von einer deterministischen Kausalfolge ausge- gangen: Aus Vorgang X folgt mittels allgemeingiiltigem Gesetz Ergebnis Y (Hempel- Oppenheim-Schema). Eine mogliche subjektive Beeinflussung dieses Vorgangs bzw. eine Interpretation des Ergebnisses muB ausgeschlossen werden. Dieses, auf einer klaren Subjekt-Objekt-Spaltung beruhende Paradigma war auch fur Freud das einzig giiltige. Man versuchte, es auf samtliche Humanwissenschaften zu iibertragen, ohne zu beachten, daB hier das beobachtende Subjekt nicht auf ein Objekt, sondem ein weiteres Subjekt (bzw. etwas von einem Subjekt Geschaffenes) trifft. DaB also eine Transkription dieses (beforschten) Subjekts in ein deterministisch funktionierendes Objekt die Humanwissenschaften letztlich ihres Gegenstandes beraubt57.

Aus diesem Objektivierungsanspruch resultieren die Freudschen Beschreibungen des Analytikers als Chirurg, Archaologen oder reine Spiegelflache58 ; also eines Forschers, der "objektiv vorhandene” Fakten, die letztlich nichts mit ihm zu tun haben, kombiniert. Diese Metaphem werden verstandlich, wenn man sich vor Augen filhrt, daB ein anderes Modell fUr Wissenschaftlichkeit zu dieser Zeit keine Chance hatte, Beachtung zu Finden. Gegeniibertragung, das heiBt jede subjektive Gefuhlsregung des Analytikers gegeniiber dem Patienten, wurde als verzerrend angesehen und sollte weitestgehend ausgeschaltet werden. Der Analytiker fungierte als eine Art Kriminologe Oder Spiirhund, der mit detek- tivischem Geschick nach Kombination aller Fakten die eine verborgene Wahrheit zutage forderte. Hierbei wurde der Patient zum Forschungsgegenstand, welcher nach von der Gefuhlswelt des Analytikers unabhangigen Gesetzen funktionierte. Die (neurotische) Ubertragung des Patienten und die (wissenschaftliche) Interpretation des Analytikers wa- ren klar getrennt: "Any exchange of roles appeared in this framework to be problematic59 ", schreibt hierzu Berman.

Ebenso wie in der Behandlung wurde bei der Literatur- und Filmanalyse davon ausge- gangen, der Analytiker konne mit Hilfe seines psychoanalytischen Sezierbestecks die eine verborgene Wahrheit aus dem manifesten Material losen, ohne dabei von seinem eigenen Erfahrungskontext beeinfluBt zu sein. Die Vemachlassigung der dem Manifesten eigenen Aussagekraft hatte eine vorrangig semantisch-inhaltliche Betrachtungsweise des Kunstwerks zur folge. Freud betonte ausdriicklich, daB er auf den Stil beispielsweise ei- nes literarischen Werks weniger Wert lege als auf den Inhalt. Da Stilistisch-formales schwieriger in logischem Kontext zu fassen ist, wurde auch der Film hauptsachlich auf seinen Bedeutungsgehalt abgeklopft, wahrend die bild-tonliche Eigenart des Mediums, seine prasentative Symbolik, vemachlassigt wurde. Auf der regressiven Verftihrung durch Bild, Bewegung, Klang beruht jedoch meines Erachtens die dem Film eigene Magie. Diese muBte anscheinend von Psychoanalytikem der Anfangszeit negiert werden, da moglicherweise ein passives Sich von den Bildem nahren lassen mit dem kolonialistischen Selbstbild des Analytikers als ordnende Instanz des PrimarprozeBhaften nicht vereinbar gewesen ware.

Pathologisierung von Protagonisten und Autor

Ebenso selbstverstandlich wie von der Subjekt-Objekt-Trennung ging die Psychoanalyse von einer weiteren Dichotomisierung aus: ein gesunder Analytiker behandelt einen kran- ken Patienten. Diese usurpatorische Einstellung dem Patienten gegeniiber wurde auf die Kulturanalyse iibertragen und fiihrte zu einer Pathologisierung der fiktiven Gestalten ei- nes Romans, Theaterstiickes oder Films. Ebenso wurde die Biografie des Autors auf neu­rotische Konflikte, Kindheitstraumata u. a. m. abgeklopft, welche anschlieBend zur Erklarung des Inhalts und der Wirkungsweise des Werks herangezogen wurden.

Das heiBt, das Kunstwerk wurde oft lediglich benutzt, um auf Pathologien des Autors bzw. der Protagonisten zu schlieBen. Ein Beispiel fiir die Pathologisierung des Autors ist der Anfang des Texts von Peter Dettmering, "Kreatives Wagnis und Regression. Zu den Filmen Andrej Tarkowskis". Dettmering versucht, dem Regisseur mithilfe seiner Filme eine Borderline-Symptomatik nachzuweisen:

"Tatsachlich enthalt sein [Tarkowskis] letzter, in Schweden gedrehter Film 'Opfer' das unbarmherzige Portrat einer Ehefrau, die im Augenblick der Krise hysterisch dekom- pensiert; einer anderen Frauenfigur werden magische, Ubernatiirliche Fahigkeiten zu- geschrieben. UnwillkUrlich denkt man - geschult an Kembergs Borderline- Monographie (1975) - an eine Borderline-Storung, die durch den Wegfall kompensatorischer Strukturen (Kohut, 1977) bloBgelegt worden ist.60 "

Die Qualitat des filmischen Werks sowie die Frage, welche Angste eine Spaltung der handlungstragenden Frauengestalt in Hexe und Heilige in uns selbst auslost, welche unbewuBten Erwartungen sie aber auch befriedigt, wird mit einer solchen Argumentation meines Erachtens eher iibergangen.

Ob es legitim ist, Autor oder Hauptdarsteller "auf die Couch zu legen" und damit die ge- wohnte, hierarchisierende Analytiker-Patient-Dichotomie aufrecht zu erhalten, wurde von Kritikem psychoanalytischer Kunstinterpretation oft hinterfragt. Berman schreibt zur Verteidigung Freuds, daB dieser Hamlet und Shakespeare erst "auf die Couch legte", nachdem er dies bei sich selbst getan, also Selbstanalyse betrieben hatte. Er spricht weiter davon, daB Freud in diesen Gestalten Alliierte in seiner verwegenen Suche nach allgemein menschlichen Motiven fand, eine Art psychische Geschwister, und es nicht sein Hauptanliegen war, ihnen verborgene Pathologien nachzuweisen61. Es bleibt jedoch, so glaube ich, ein Unterschied, ob man sich selbst analysiert und dabei letztlich entscheiden kann, was im Dunkeln verbleiben und was veroffentlicht werden soil, oder ein ungefrag- tes und stummes (fiktionales) Gegeniiber.

Im Gegensatz zu den Anderungen, die der Analysand an den Deutungen des Analytikers vornimmt, konnen weder Romanfigur noch Verfasser auf Interpretationen des Rezensenten antworten, um diese berichtigend zu modifizieren. Deshalb spricht die fran- zosische Psychoanalytikerin Janine Chasseguet-Smirguel von der Anwendung "der klassischen Methode in einer nichtklassischen Situation", da "die freien Assoziationen des Ktinstler-Patienten62 " bzw. des Protagonisten fehlen.

Das wichtigste Verifizierungskiiterium in der psychoanalytischen Behandlungssituation, namlich die Reaktionen des Patienten auf Deutungsvorschlage des Analytikers, fallt also in der Kunstanalyse aus63.

Bemerkenswert ist an friiher psychoanalytischer Kunstinterpretation auch, mit welcher Selbstverstandlichkeit sich der Psychoanalytiker - sogar einem Meisterwerk gegeniiber - als denjenigen wahmahm, der dem Verfasser selbst unbekannte Wahrheiten aufzudecken hatte. Freud meinte beispielsweise, daB auch Hamlet letztlich von einem odipalen Problem getrieben war; daB es Hamlets unbewuBtes Begehren gegeniiber der Mutter ge- wesen sei, welches seine Handlungsfreiheit einschrankte. Er war davon tiberzeugt, daB diese Problematik Shakespeare selbst nicht deutlich war.

Ablenkung durch rekonstruktive Deutungen

Writer kritisiert Chasseguet-Smirgel die Verwendung biografischer Daten des Autors zur Erhellung eines Werkes: Sie glichen Daten, die dem Analytiker wahrend einer Analyse durch Dritte zugetragen wiirden und verfalschten entweder den konkreten analytischen ProzeB oder die Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk oder Film64. Auch bei bio- grafischen Details tiber Autoren und Regisseure, welche beispielsweise mittels (Auto-) Biografien dem Interpretierenden zuganglich werden, handelt es sich um fiktionale Gebilde und nicht um empirische Wahrheiten, wie Berman weiter betont65. In jedem Fall sind sie durch Imagination und Inteipretation des Verfassers mitbeeinfluBt.

Ebenso ist es problematisch, einzelne Figuren aus dem Werkskontext herausgelost zu be- trachten: alle Personen eines Romans, Schauspiels oder Films sind aus der Gedankenwelt desselben Autors geboren und reprasentieren letztlich unterschiedliche seelische Aspekte dieses einen Menschen. Sie formen also eine Einheit, wenn oft auch eine widerspriichli- che. Oft wird auch das soziokulturelle imd geschichtliche Umfeld eines Werks vollig ver- nachlassigt, wobei nur eine Person des Oeuvres analysiert wird und ihr die Qualitaten ei- nes real existierenden Menschen zugesprochen werden. Berman filhrt hierzu zum einen das Beispiel der selektiven Lektiire und Deutung des Odipusdramas durch Freud auf: Diese vemachlassige den Laios-Komplex, also die Mitschuld des Vaters am Verhalten des Sohnes, welcher seinen Vater totete, um die Mutter zu ehelichen66 67 68. Zum anderen cha- rakterisiert nach Berman die Antigonerezension des Psychoanalytikers David Werman die Vemachlassigung des soziokulturellen Entstehungshintergrunds67. Werman konzentriere sich ausschlieBlich auf die Beweisfuhrung einer, die Protagonistin betreffenden Pathologie:

"These attributed to Antigone irrationality, neuroticism, old maid characteristics, fixa­tion upon the pre-oedipal mother displaced to the father, surplus narcissistic libido invested in the object, and a struggle for the matriarchal principle in defiance of patriarchy.68"

Manche psychoanalytische Autoren gingen nach Berman mit der Angleichung von Roman- oder Filmgestalten an wirkliche Patienten soweit, sie mit einer fiktiven, im Werk nicht erwahnten Kindheit auszustatten. Diese imaginare Kindheit versorgt die Romangestalt dann mit dem Trauma, welches die in Erzahlung, Drama oder Film darge- stellte Symptomatik ausgelost haben konnte69.

Obige Beispiele zeigen, inwiefem in der herkommlichen psychoanalytischen Auffassung wenig darauf geachtet wurde, daB die Beschaftigung mit rekonstruktiven historischen Deutungen in der Filminterpretation von dem verwandelnden Zugriff des Films auf das Gefuhlsleben des Betrachters ablenken kann. Diesen Abwehrvorgang schildert das folgende Zitat Bermans aus seinem Text iiber Psychoanalyse und Theater

"[...] the search for childhood origins may be defensive, may distract from the emo­tional intensity and complexity of the present moment [...]. Attention to the uncon­scious processes of the present can allow deeper understanding than a forced and speculative search for past origins, and the present encounter of written play and director, of figure and actor, of performed play and audience, is more accessible than Shakespeare's or Hamlet's childhood.70 "

1.2.2. Wandlungen in psychoanalytischem Behandlungsverstdndnis und die Auswirkungen aufdie Filmdeutung

Aufgrund der psychoanalytischen Schulenvielfalt und einem in Veranderung begriffenen Wissenschaftsverstandnis hat sich das eher reduktionistische Verstandnis psychoanalyti- scher Behandlungstechnik und somit der Filminterpretation im Verlauf dieses Jahrhunderts grundsatzlich gewandelt. Auf die folgenden Kempunkte der Veranderung gehe ich unten ausfuhrlicher ein:

- Der konkreten Beziehungs-Interaktion im analytischen Setting sowie dem manifesten Inhalt von beispielsweise Traum oder Kunstwerk wird heute groBere Aufmerksamkeit beigemessen.
- Die mit der Subjekt/Objekt-Spaltung einhergehende Hierarchisierung wurde aufge- weicht, da ein verandertes GegenUbertragungsverstandnis71 Patient und Therapeut auf eine (ahnliche) Ebene stellt. Der EinfluB der Objektbeziehungstheorie72 sowie das Konzept der projektiven Identifizierung (das ich im folgenden kurz erlautere) trugen ebenfalls zu einem interaktiven Subjekt-Objekt-Verstandnis bei.
- Eine objektive Bedeutung oder Wahrheit an sich, die vom Analytiker erschlossen werden muB, wird nicht mehr vorausgesetzt. Bedeutung und Wahrheit entstehen vielmehr erst in dem Augenblick, in dem ein Subjekt etwas versteht, das heiBt im Kontext seiner personlichen Lebenserfahrung.
- Hieraus folgt ein pluralistisches Wahrheitsverstandnis: verschiedene, auch sich wi- dersprechende Deutungen schlieBen sich nicht aus, sondem erganzen sich.

Therapeutische Interaktion und Aufwertung des Manifesten

Heute tendiert man dazu, den analytischen ProzeB "primarily as an encounter between two people, rather than as a setting whose purpose is the examination of the intrapsychic process of one of them73 " zu konzeptualisieren. Ein szenisches Verstehen des

Ubertragungs-Gegeniibertragungsgeschehens im Hier-und-Jetzt hat sich durchgesetzt74. Dies ftihrt auch dazu, da6 Ubertragung (des Patienten) und Interpretation (des Analytikers) nicht mehr so scharf getrennt werden konnen, da der Analytiker zum Mitakteur im Beziehungsgeschehen geworden ist.

In der Filmanaiyse zog dies eine Aufweichung der Annahme nach sich, daB ein (gesunder) Analytiker in Werk, Protagonisten oder Autor Pathologisches nachweisen konne. Vielmehr kann das Werk dem Betrachter/Interpreten auch Aspekte der eigenen Psyche verdeutlichen. Der psychoanalytische Interpret kann sich also auch als Patient des Werks verstehen (Vgl. Seite 51).

Weiter ist man davon abgekommen, zu versuchen, den manifesten bildlichen und angeb- lich verfalschenden Inhalt eines Traums oder Films ausschlieBlich auf eine latente seman- tische Wahrheit zu reduzieren. Bei der Traumanalyse geht der Londoner Psychoanalytiker Christopher Bollas beispielsweise davon aus, dal3 die bildlich-gefUhlhafte Komponente des Traums zeigt, wie das unbewuBte Ich des Traumers als Traumregisseur mit seinem (bewuBten) Ich umgeht. Er verweist auf "die Dialektik von Bedeutung und Form75 ", von latent und manifest, und fiihrt aus, daB

"das Gewohnliche von Geheimnis durchdrungen sei, daB man von der unmittelbaren und expliziten Bedeutung zur Hermeneutik des dahinterstehenden Themas tibergehen miisse und Metaphorik, Syntax und asthetische Organisation als ein anderer (verdrangter) Diskurs zu begreifen seien76 "

Manifestes und Latentes sind also genuin verwoben: In der stilistischen Form spiegelt sich fur Bollas die asthetische Stimmungswelt, in die das unbewuBte Ich als Traumregisseur - in Verkehrung des TagesbewuBtseins - das bewuBte Ich einsetzt. Uber diese formale Stimmungswelt wirkt, denke ich, auch das UnbewuBte des Filmregisseurs auf den Betrachter. Deshalb bemtihen sich die Psychoanalytikerinnen Janine Chasseguet- Smirgel und Mechthild Zeul auch in der Filmanaiyse um eine Rehabilitierung der forma- len Eigenarten eines Werks: Einstellungen, Montage, Schnittempo, Musik etc. werden ftir sie als Ausdruck des UnbewuBten in gewisser Weise zum Inhalt.

[...]


1 Vgl.: Zeul, 1994, 979

2 Vgl.: Chasseguet-Smirguel, 1970; Berman, 1991; Konig, 1993

3 Vgl.: Berman, 1991

4 Berman spricht von "transitional space", 1998b, 175. Vgl. zur Thematik auch: Ders., 1997

5 Vgl. hierzu Schopf, 1982, 11

6 Vgl. zu diesem Begriff auch: Nitzschke, 1998,8

7 Schneider, 1977,613

8 Schneider, 1987, xi

9 Vemet, 1975,233, zitiert nach Gabbard und Gabbard, 1987, xix

10 Diesbeziighche "Konflikte hinter den Kulissen" beleuchtet der gleichnamige Text von Fallend und Reichmayr, 1992

11 Das Werk "Psychiatry and the Cinema" stellt die EntwicMung von Kino und Psychiatrie in den Vereinigten Staaten dar und hefert verschiedene Fihnanalysen. Gabbard und Gabbard, 1987

12 Schneider, 1987, xi

13 Vg.: Koch, 1987, 110

14 Vgl.: Schneider 1987, xii

15 Koch, 1987, 109

16 Koch, 1987,109. Hier laBt sich auch fragen, inwieweit die Darstellung des Analytikers als desjenigen, der "die damonischenKrafte" aus der Seele verbannt (vgl. ibid.) nicht eine kompensatorische Reakdon auf Freuds "dritte naraBtische Krankung" (neben Kopernikus und Darwin) darstellt: Die Tatsache namlich, dafi der Mensch nicht Herr ist im eigenen Haus.

17 Schneider, 1987, xi

18 Schneider, 1977,616. (Ubers. S.G.) Schneider fiihrt weiter aus, daB auch Filme, die Rassenproblematik zum Inhalt haben, sowie Sexfilme gem mit Psychiatem bestiickt werden. (ibid. 617f)

19 Koch, 1987, 109

20 Ugs.: Psychiater; namlich der, der aus dem Kopf des Patienten einen Schrumpfkopf (to shrink, schrumpfen) macht

21 Als Objektkonstanz wird die Fahigkeit bezeichnet, positive und negative Eigenschaften eines Menschen/Objektes als zu ihm gehorig wahmehmen zu konnen und ihm Sympathie entgegenzubringen, ohne eine der beiden Seiten leugnen zu mtissen.

22 Vgl.: Schneider, 1977, 619

23 Sward (1948). Zitiert nach Schneider, 1977,617

24 "Even Hitchcock - some would say especially Hitchcock - has made awkward use of psychoanalytically engineered plot mechanicsGabbard and Gabbard, 1987, xxiv

25 Zitiert nach Koch 1987, 109

26 Gegemibertragungstraume sind Traume des Analytikers von einem Patienten. Sie konnen Informationen zur Problematik der therapeutischen Interaktion geben, beispielsweise den Grand fiir eine Stagnation des analytischen Prozesses aufzeigen. Sie wurden lange Zeit kaum publiziert, da sie - neben einer moglichen Erhellung eines neurotischen Aspekts des Patienten - Einblick in das Unbewufite des Analytikers gewahren.

27 Mulvey, 1988, 59

28 Mulvey, 1988, 58f

29 Klines Artikel (1976) "Orpheus transcending: Bertolucci's last Tango in Paris" erlautert deutlich die Parallelen zwischen dem antiken Orpheus-und-Eurydike-Mythos und Bertoluccis Film. Diese neue Mythologisierung lauft bisweilen iiber eine Bezugnahme auf Cocteaus "Orphee".

30 Dettmering, 1989,453

31 "[•••] was ich am Kino liebe, sind gerade die toten Momente. [...] genau daB es aus einer Folge aneinandergeieihter toter Momente besteht." (Alle Obers. aus dem Franz. S.G.) Resnais zu Delahaye (cinema, 7, 1959). Zitiert nach Bounoure, 1962, 105

32 "Rive Gauche" nannte sich eine Gruppe altemativer Filmemacher zur Zeit der Nouvdle Vague. Sie waren politisch links orientiert und standcn in enger Verbindung zu Autoren des Nouveau Roman, deren Werke sie oft verfilmten.

33 "Renais' Filme beziehen ihre gauze Kraft aus einem anfanglichen Widerspmch. Man kommt immer wieder darauf zurfick: ein Versuch (oder eine Versuchung), dm grundlegenden Widerspruch, der sich liberal! in der Welt findet, und der bewirkt, daB das Universum selbst eine Anhaulung von Widerspriichen geworden ist, zu losen." Rivette in: Domarchi et al., 1959, 12

34 Krusche, 1993,656

35 Prddal, 1967, 90

36 Vgl.: Chasseguet-Smirgel, 1970, 812 ff

37 Primar- und SekundarprozeB sind unterschiedliche Funktionsweisen des psychischen Apparats. Der SekundarprozeB ist bewuBt, rational und logisch; er untersteht dem Realitatsprinzip. Der PrimarprozeB gehorcht dem Lustprinzip, arbeitetmit Symbolisierung, Verschiebung, Verdichtung und verkennt die Gesetzte von Zeidicbkeit, Logik und Kausalitat. Er kann nur indirekt - etwa fiber Trfiume - erscblossen werden.

38 Wiederholungszwang: "(Njicht bezwingbarer ProzeB unbewuBter Herkimft wodurch das Subjekt sich aktiv in unangenehme Situationen bringt und so alte Erfahrungen wiederholt, ohne sich des Vorbilds zu erinnem Laplanche, Pontalis 1998, 627

39 Godard, 1972, zitiert nach Kline, 1976,91

40 Bergman 1987,43

41 Freud, 1998b, 201

42 Kline, 1976, 95

43 Godard, 1972, zitiert nach Kline, 1976,91

44 Predal, 1967,89. "De tous temps le cinema a cherche [...] a faire de la Psycbanalyse."

45 Zitiert nach: Predal, 1967, 91. "Le film est pour moi une tentative, encore ties grossi&re et primitive, d'approcher de la complexity de la pensee, de son mechanisme." (Cahiers du Cinema, 123, Sept. 1961)

46 ibid.

47 "Ich glaube, daB man zu einem Film ohne psychologisch voneinander abgegrenzte Personen kommen kann, in denen das Spiel der Gefiihle sich ausbreiten wiirde, ebenso wie in einem zeitgenossischen Gemalde das Spiel der Formen eindriicklicher als das des Inhalts seinkann." Bounoure, 1962,113

48 Objektbeziehungen sind Beziehungen zu anderen. Es wird in der psychoanalytischen I .iteratur davon ausgegangen, daB der Saugling sich noch nicht als von seiner Umwelt getrennt empfindet oder zumindest Verschmelzungsmrtdnde mit beispielsweise der Mutter erfahrt.

49 Bounoure, 1962, 118

50 "Ich teile die Suche des Zuschauers, ich stelle die Fragen mit ihm." Bounoure, 1962, 119

51 " Das ist es genau. Ich stelle dem Zuschauer gem dieselben Fragen wie mir selbst. Und in die Antworten, die ich ihm gebe, lege ich all die Anteile an Information, iiber die ich selbst verfiige. Er tmd ich sind auf dem gleichen Wissensstand. In dieser Suche befinden wir uns immer auf derselben Aufklarungsstufe. [...] Dies ist fur uns das Mittel, ein aktives Publikum vorzufinden, welches selbst eine gleichma£ige dramatische Bewegung innerhalb eines scheinbar statischen Vorgangs krtiert. Man erhalt einen lebendigen [Kino]-Saal: [..] Das ist fur uns Achtung vor dem Publikum." Bounoure, 1962, 117f

52 "Mein ganzer Wunsch ist es, beim Zuschauer eine Veranderung, sei sie noch so unmerklich, sei sie noch so entfemt, hcrvor/.urufen." Bounoure, 1962,118

53 Zitiert nach Zeul, 1994,981

54 Zeul, 1994, 979

55 Franz Zimmermann promovierte iiber Existenzphilosophie, studierte anschliefiend Psychologie und ist heute Analytiker in eigener Praxis in Miinchen.

56 Berman, 1991,5

57 Zur Rehabilitierung der Subjekthaftigkeit in den Humanwissenschaften: Herzog, 1979, und Rauschenbach, 1996

58 Im praktischen Umgang mit seinen Patienten verhielt sich Freud oft instinktiv vollig anders. Vgl.: Roazen, 1997

59 Berman, 1991,5

60 Dettmering, 1989,445. Beispiele fiir die (meiner Ansicht nach einseitige und schwer nachvollziehbare) Pathologisierung des Protagonisten liefem Dettmerings (1984) Rezension des Films "Lawrence von Arahien" (Lean, 196) sowie eine Besprechung von Gunther Grass' Roman "Die Blechtrommel", Neumarkt, 1983. Auch Chasseguet-Smirguel (1970,823) auBert sich folgendermaBen uber den Protagonisten in "Marienbad": "Es handelt sich um einen Mann, dessen odipale Wiinsche an seiner mangelnden Triebreife scheitem. Diese Unreife zwingt ihn zu einer Regression auf eine narziMsche Stufe, auf der alle Gesetze der Realitat aufgehoben sind; sie zwingt ihn aber auch zu immer neuen Versuchen, seine Objektbeziehung wiederherzustdlen. Weil die anal-sadistische Komponente nicht richtig integriert ist, sind diese Versuche, denen immer eine Dimension feblt, zum Scheitem verurteilt. Trotzdem kann der Held nicht anders als unaufhorlich zu wiederholen."

61 Vgl.: Berman, 1991, 13, 16

62 Chasseguet-Smirgel, 1970,801

63 Wie mit dieser Problematik umgegangen werden kann, ohne sie zu leugnen, versuche ich in Teil 2 zu umreiBen.

64 Chasseguet-Smirgel, 1970, 802

65 Vgl.: Berman, 1993,3

66 Interessant ist hierzu die Modifikation der Freudschen Vejfiihrungstheorie von einem realen Inzest- Trauma zu einem lediglich imaginierten. Hierbei wird die Eltem-, zumeist die (verfiihrende) Vaterfigur gewissermaBen ent-schuldigt. Siehe Lapanche, Pontalis, 1998,587-591

67 Werman, 1979

68 Berman, 1991,12

69 Vgl.: Bennan, 1991, 12

70 Berman, 1991,13

71 Gegemibertragung nennt man samtliche durch den Patienten im Analytiker hervorgegrafenen Regungen. Zunachst ging man davon aus, daB der Analytiker versuchen sollte, dem Patienten gegenuber neutral zu bleiben; spater lemte man, die Gegemibertragung als Werkzeug zur ErschlieBung der unbewuBten Interaktion von Patienten und Analytiker zu nutzen.

72 Die Objektbeziehungstheorie geht davon aus, daB sich der Charakter eines Menschen plus seine hieraus resultierenden Handlungsmuster aus Subjekt-Objekt-Introjekten bilden. Dies sind Erfahrungen, die das Kind mit seinen Mitmenschen macht; sie sind mit einem bestimmten Gefiihl verknupft und werden verirmerlicht. Vgl. Kemberg, 1985, Teil I

73 Abrams und Shengold, 1978. Zitiert nach Berman, 1991,7

74 Zur Prioritat der Deutung im Hier und Jetzt vor der historischen: Sandler, 1997

75 Bollas, 1997, 79

76 ibid., [Herv. S. G.]

Ende der Leseprobe aus 114 Seiten

Details

Titel
Berechtigung und Methodik psychoanalytischer Filmdeutung
Hochschule
Hochschule für Philosophie München
Veranstaltung
Psychoanalyse
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
114
Katalognummer
V214512
ISBN (eBook)
9783656427551
ISBN (Buch)
9783656434771
Dateigröße
108050 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
enthält eine Analyse des Films "Hiroshima mon amour"
Schlagworte
Film, Psychoanalyse
Arbeit zitieren
M.A., staatl. gepr. Fotodesignerin Stefanie Graul (Autor:in), 2000, Berechtigung und Methodik psychoanalytischer Filmdeutung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214512

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