Soziale Netzwerke von Männern und Frauen: Eine Erklärung für Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt?


Hausarbeit, 2003

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Theoretischer Bezugsrahmen und Begriffe
1.1 Thesen nach Granovetter
1.2 Soziale Ungleichheit

2. Suchverhalten von Männern und Frauen
2.1 Quantitative Bedeutung sozialer Kontakte
2.2 Stellensuche oder Stellenfindung?

3. geschlechtsspezifische Unterschiede der Netzwerke
3.1 Verwandte und starke Beziehungen
3.2. Nach Geschlecht differenzierte Netzwerke / Homophilie

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Mark Granovetter’s bahnbrechende Studie „Getting A Job“ (1995 [1974]) zeigte, dass soziale Kontakte eine wichtige Rolle beim Zugang zu Arbeitsplätzen spielen und dass gerade schwache Beziehungen am hilfreichsten sind. Eine Schlussfolgerung seiner Arbeit war, dass soziale Netzwerke nicht nur Chancen zur Mobilität bieten, sondern auch Gruppen qualifizierte Leute benachteiligen können, weil diese nicht gut in Netzwerke integriert sind (1995 [1974], S. 141).

Eine gravierende Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt ist die zwischen Männern und Frauen. So gibt es immer noch typisch weibliche Berufe, die sich vor allem durch eine schlechtere Bezahlung und geringere Aufstiegschancen auszeichnen: „segregated employment is almost always the same as unequal employment” (Hultin und Szulkin 1999). Ist es das fehlende „Vitamin B“, das Frauen vom Zugang zu besseren Jobs abhält? Wenn ja, warum haben Frauen nicht dieselben Netzwerkressourcen wie Männer? Erstaunlicherweise beschäftigen sich nur wenige Studien mit den Unterschieden der sozialen Kontakte von Männer und Frauen im Allgemeinen, und deren Bedeutung beim Zugang zu neuen Arbeitsplätzen im Besonderen (vgl. Granovetter 1995 [1974], S. 131; Hanson und Pratt 1991, S. 232). Wenn geschlechtsspezifische Unterschiede untersucht werden, dann ist meist nicht der Zugang zu Arbeitsplätzen, sondern die Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb von Organisationen das Thema. Dabei wird meist die Einbettung des Arbeitsmarktgeschehens in das bestehende soziale Umfeld vernachlässigt und nur die informellen Netzwerke innerhalb eines Unternehmens untersucht. Wenn aber Informationen über offene Stellen in das Alltagsleben eingebettet sind, dann müssten sich die geschlechtsspezifischen Interaktionsmuster auch auf die Stellensuche übertragen.

Nach einer Darstellung der Netzwerktheorie beim Zugang zu neuen Stellen nach Granovetter werde ich in dieser Hausarbeit versuchen, eine Erklärung für die unterschiedliche berufliche Positionierung von Männern und Frauen darzustellen. Auf der Grundlage von bisherigen Studien wird insbesondere untersucht, ob und wieso Männer und Frauen ein unterschiedliches Stellensuchverhalten aufweisen und welche Unterschiede in der Netzwerkstruktur zu finden sind.

1. Theoretischer Bezugsrahmen und Begriffsklärung

Auf dem Arbeitsmarkt finden im Gegensatz zu Gütermärkten Matching-Prozesse unter der Bedingung unvollständiger Informationen statt. Sowohl die Arbeitsanbieter als auch die offenen Positionen sind nicht beliebig vertauschbar, sondern müssen bestimmte Kriterien erfüllen, damit eine Verknüpfung zustande kommt. Allerdings sind sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite die Informationen über diese Kriterien nur unvollständig (vgl. Preisendörfer und Voss 1988, S. 104). So kann zum Beispiel ein Arbeitssuchender nie über alle offenen Positionen informiert sein und er weiß auch keine Einzelheiten über die Merkmale und Anforderung der ihm bekannten offenen Stellen. Um die Kosten zur Informationsbeschaffung zu minimieren, können zweckrationale Akteure verschiedene Suchstrategien wählen. Nach der neoklassischen Ökonomie bestimmen dabei die Grenzkosten und der Grenznutzen die Dauer und Intensität der Suche (Preisendörfer und Voss 1988, S. 106).

Aus soziologischer Sicht ist dabei die soziale Einbettung des Arbeitsmarktgeschehens und damit auch der Stellensuche wichtig, denn die Suchprozesse verlaufen ja nicht unter anonymen Akteuren, sondern sind eingebettet in bereits bestehende soziale Netzwerke (Runia 2002, S. 8). Ein soziales Netzwerk wird definiert als „’soziales Feld’ von Menschen und ihren Beziehungen“ (Runia 2002, S. 8). Werden soziale Netzwerke als eine soziale Ressource zur Erreichung individueller Ziele aufgefasst, so spricht man von „Sozialkapital“ (Runia 2002, S. 10). Bei der Suche nach einer offenen Stelle oder nach einem geeigneten Arbeitnehmer können diese Netzwerke aktiviert und die sozialen Beziehungen als ein kostensparendes Informationsmedium benutzt werden. Granovetter’s Kontaktnetz-Theorie ist als eine soziologische Erweiterung der ökonomischen Job-Search-Ansätze zu verstehen, da das Matching über schon vorhandene soziale Kontakte durch das Einsparen von Informationsbeschaffungskosten rational sein kann (Preisendörfer und Voss 1988, S. 106f.).

Eine soziologische Erweiterung der ökonomischen Job-Search-Theorien wurde auch durch einige entscheidende Schwächen bei deren empirischen Überprüfung nötig. So ist die Bedeutung des Anspruchslohns kaum empirisch nachweisbar (Granovetter 1995 [1974], S. 142). In den Job-Search-Theorien aber ist der Anspruchslohn entscheidend dafür, welches Jobangebot ein Arbeitssuchender annimmt. Vielleicht noch gravierender ist allerdings die Tatsache, dass viele Stellen[1] gar nicht durch eine gezielte Suche gefunden werden (Granovetter 1995 [1974], S. 142). Das gilt nicht nur für Angestellte, die während ihres derzeitigen Jobs nach einer neuen Stelle suchen, sondern auch für Arbeitslose, bei denen eigentlich ein intensiveres Suchverhalten aufgrund der Zwangslage zu erwarten gewesen wäre (Osberg 1993, S. 350, zit. n. Granovetter 1995 [1974], S. 143). Wenn also viele Menschen ohne eine vorherige Suche Zugang zu neuen Stellen finden, dann spart die Job-Search-Theorie einen großen Teil der Matching-Prozesse aus.

1.1 Thesen nach Granovetter

Mark Granovetter’s Studie „Getting A Job“ (1995 [1974]) über die Art von sozialen Kontakten, die beim Zugang zu neuen Stellen behilflich sind, stellte die folgenden Thesen[2] auf, die von Netzwerkforschern in der Folgezeit überprüft und weiterbearbeitet wurden.

These der geringeren Suchkosten:

Durch die im alltäglichen Leben schon vorhandenen sozialen Beziehungen entstehen für die Arbeitskräfte keine Suchkosten. Das Suchen über Kontakte ist also schneller und kostensparend. Auch auf der Anbieterseite werden so die Kosten der Personalrekrutierung gesenkt (vgl. Preisendörfer und Voss 1988, S. 107).

These der günstigeren Platzierung:

Mit einer Vermittlung über Kontakte erreichen Arbeitskräfte aufgrund der Informationsvorteile eine günstigere berufliche Platzierung als über andere Suchstrategien (Preisendörfer und Voss 1988, S. 107; vgl. Runia 2002, S. 18).

These der günstigeren Platzierung über schwache Beziehungen:

Über „schwache“[3] Beziehungen wird eine bessere berufliche Platzierung erreicht als über „starke“ Beziehungen. „Schwache Beziehungen überbrücken gemäß Granovetter eher horizontale und vertikale Distanzen, sie führen eher auf statushöhere Kontaktpersonen, und erweisen sich daher beim Zugang zu attraktiven Arbeitsplätzen als besonders vorteilhaft“ (Preisendörfer und Voss 1988, S. 107).

Karrierezyklus-These:

Zum Ersten besagt diese These, dass in weiter fortgeschrittenen Karrieren häufiger eine Stelle gefunden wird als in frühen Karrierestadien. Zweitens gewinnen in späteren Karrierephasen die schwachen Beziehungen an Bedeutung, weil vor allem berufliche Kontakte, die erst im Laufe der Karriere gesammelt werden, schwache und damit hilfreiche Kontakte sind (Preisendörfer und Voss 1988, S. 107f.).

Qualifikationsniveau-These:

Diese These besagt zum einen, dass Personen in qualifizierten und statushöheren Positionen häufiger eine Stelle über soziale Beziehungen finden als weniger qualifizierte und niedriger positionierte Personen. Ein Grund dafür ist die schlechte Messbarkeit von den Fähigkeiten der Bewerber und den Anforderungen des Jobs, so dass die besseren Informationen über Kontakte Fehlbesetzungen vermeiden können. Außerdem werden mit dem Ansteigen von Qualifikation und Status schwache soziale Beziehungen wichtiger als starke. Es wird vermutet, dass auf einem höheren Statuslevel das Ansammeln von hilfreichen Kontakten leichter ist (Preisendörfer und Voss 1988, S. 108).

Die größere Nutzen der schwachen sozialen Kontakte, vor allem wenn es sich um Brückenbeziehungen handelt, ergibt sich aus ihrer besonderen Bedeutung für die Weiterleitung von Informationen zwischen Netzwerken. Eine soziale Beziehung ist dann eine Brückenbeziehung, wenn sie die einzige oder zumindest die kürzeste Verbindung zwischen zwei Personen ist. Eine Brückenbeziehung kann niemals eine starke Beziehung sein, denn man geht davon aus, dass „Triaden starker Beziehungen in Netzwerken immer geschlossen oder transitiv sind“ (Wegener 1987, S. 280). Wenn also eine Person starke Beziehungen mit zwei anderen Personen hat, so müssen sich diese zwei Personen auch kennen[4]. Das heißt, dass es bei starken sozialen Beziehungen unweigerlich zu einer Überschneidung der Freundschafts- bzw. Bekanntschaftskreise kommt. Nur über eine Brückenbeziehung sind also Personen erreichbar, die man nicht schon aus der eigenen Gruppe kennt (vgl. Wegener 1987, S. 280f.). Mithilfe von Brückenbeziehungen können so also Informationen von einem Netzwerk zum anderen fließen.

1.2 Soziale Ungleichheit

Zusätzlich zu diesen allgemeinen Thesen zur Netzwerk-Theorie spielt für das Thema der unterschiedlichen Zusammensetzung der Netzwerke von Männern und Frauen das Homophilie-Prinzip eine große Rolle. Unter Homophilie versteht man, dass Menschen sich Freunde und Interaktionspartner aussuchen, die ihnen möglichst ähnlich sind in Attributen wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Bildung, etc. (Ibarra 1992).

[...]


[1] Die Zahlen schwanken bei verschiedenen Studien zwischen 30 und 60% (Preisendörfer und Voss 1988, S. 108f.).

[2] Die Thesen sind übernommen aus: Preisendörfer und Voss 1988, S. 107f.

[3] Die Stärke einer sozialen Beziehung definiert Granovetter als eine Kombination aus der aufgewendeten Zeit, emotionaler Intensität, Intimität der Beziehung sowie der gegenseitig erbrachten Dienste (Granovetter 1973, S. 1361). Allerdings gibt es keine allgemeingültige Operationalisierung der Bindungsstärke, so dass verschiedene Studien nicht unbedingt vergleichbar sind.

[4] Diese unzulässigen Triaden sind nur in der Theorie unmöglich, in der Realität können sie wohl vorkommen.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Soziale Netzwerke von Männern und Frauen: Eine Erklärung für Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Übung: Sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V21441
ISBN (eBook)
9783638250658
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale, Netzwerke, Männern, Frauen, Eine, Erklärung, Ungleichheit, Arbeitsmarkt, Sozialwissenschaftliche, Arbeitsmarktforschung
Arbeit zitieren
Claudia Laubstein (Autor:in), 2003, Soziale Netzwerke von Männern und Frauen: Eine Erklärung für Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21441

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Soziale Netzwerke von Männern und Frauen: Eine Erklärung für Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden