Italienische Wahlrechtsreform 2005: Intention und Erfolg


Hausarbeit, 2010

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Hintergrund und Ausgangspunkt der Wahlrechtsreform
2.2. Das Wahlrecht seit 2005
2.2.1. Grundsätzliches
2.2.2. Sperrklauseln
2.2.3. Mehrheitsprämie und ihre Anwendung
2.3. Folgen der Wahlrechtsreform
2.4. Die Parlamentswahlen 2006
2.4.1. Wahlergebnis
2.4.2. Reaktionen
2.4.3. Regierungsbildung
2.4.4. Zwischenfazit
2.5. Die Parlamentswahlen 2008
2.5.1. Wahlergebnis
2.5.2. Reaktionen
2.5.3. Regierungsbildung
2.5.4. Zwischenfazit

3. Fazit
3.1. Die Wahlrechtsreform als politischer Erfolg für Berlusconi?
3.2. Ausblick

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Über viele Jahrzehnte galt das italienische Parteiensystem zwar als fragmentiert, doch auch als überaus stabil. Gesellschaftliche Konfliktlinien, beispielsweise das ökonomische Nord-Süd-Gefälle oder der bis heute bestehende ideologische Konflikt zwischen Katholizismus und Kommunismus, lagen auf der Hand. Die christ-demokratische Democrazia Cristiana (DC) war bis Anfang der 1990er Jahre stets die stärkste Partei, gefolgt von der kommunistischen Partito Comunista Italiano (PCI), die im Schnitt immer etwa 10 Prozentpunkte dahinter lag.[1]

Seit der Gründung der italienischen Republik im Jahr 1948 bestand ein Verhältnis-wahlrecht, das grundsätzlich auf Sperrklauseln verzichtete und so zu einer beinahe „lupenreinen“[2] Abbildung der Stimmen auf Mandate führte. Dieser Modus, ursprüng-lich wegen der Erfahrungen des Faschismus eingeführt (man wollte verhindern, dass erneut Macht derart gebündelt werden konnte), stellte sich aber bald als problematisch heraus, bemängelt wurden vor allem fehlende mehrheitsbildende Effekte. Auch wenn das Parteiensystem stabil war, bestanden die inhaltlich meist heterogenen, aber notwendigen Koalitionen oftmals nur kurz. Obwohl bereits 1953 diskutiert worden war, eine Art Mehrheitsprämie einzuführen[3], geschah eine grundlegende Reform erst im Jahr 1993 nach zwei entsprechenden Referenden.

Das neue Wahlrecht war jedoch nicht einfacher in seiner Ausführung und kann nur als „Kompromisslösung“[4] zwischen Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht bezeichnet werden, da nun rund drei Viertel der Parlamentssitze nach relativem Mehrheitswahl-recht und ein Viertel nach (Senat: regionalem) Proporz vergeben wurden. Auch führte das Verfahren nicht zur geforderten Stabilität, so es gab es allein in den zwölf Jahren seiner Anwendung acht Regierungen.

Ein weiteres Problem, das in Verbindung mit dem Wahlmodus steht, ist der sogenannte bicamerlismo perfetto. Beide Parlamentskammern – das Abgeordnetenhaus als Nationalparlament und der Senat als regionale Volksvertretung – verfügen nämlich laut Verfassung über identische Kompetenzen. Dies ist im tagespolitischen Geschäft hinderlich, da divergierende Mehrheiten je nach Wahlmodus möglich sein können. Der Regierungschef benötigt somit auch das Vertrauen beider Kammern, entsprechend führt ein erfolgreiches Misstrauensvotum in nur einer Kammer zum Regierungssturz.

Ende des Jahres 2005 wurde eine weitere Wahlrechtsreform vollzogen. Ihr Ausgangspunkt, ihre Absichten und Folgen werden in dieser Arbeit schwerpunktmäßig untersucht. Mit der Reform wurde in kürzester Zeit das Wahlrecht abgeschafft, das 1993 erst per Referendum beschlossen worden war. Seitens der Opposition, der Wissenschaft und unabhängiger Medien wurden Vorwürfe laut, das neue Wahlrecht sei ideal auf die aktuelle Regierung unter Silvio Berlusconi zugeschnitten und diene lediglich der Wiederwahl des Kabinetts. Daher beschäftigt sich diese Arbeit mit folgender Leitfrage:

„Was war Silvio Berlusconis Intention zur Änderung des Wahlrechts und wie profitierte er von der Reform?“

Nach der Darstellung von Hintergrund und Ausgangspunkt zur Änderung des Wahlrechts in Kapitel 2.1. wird auf den aktuellen Wahlmodus wird in Kapitel 2.2. eingegangen. Konkret umrissen werden der Wahlakt, die Auszählungsmodi national versus regional, die verschiedenen Sperrklauseln sowie die Mehrheitsprämie. Aus der Reform resultierende taktische und politische Folgen für Silvio Berlusconi werden in Abschnitt 2.3. herausgearbeitet.

In den Kapitel 2.4. und 2.5. untersuche ich die Anwendung des neuen Wahlrechts bei den Parlamentswahlen 2006 und 2008. Nach beiden Kapiteln wird jeweils ein Zwischenfazit gezogen.

Im dritten Teil der Arbeit wird der Erfolg der Wahlrechtsreform bewertet. Einerseits wird dabei Silvio Berlusconis persönlicher und politischer Nutzen erläutert, ich gehe aber auch auf die Auswirkungen der Reform auf das Parteiensystem ein.

Schließlich wird ein Ausblick gegeben. Dieser stützt sich auf Forderungen von parlamentarischer Opposition und Wissenschaft im Vorfeld und nach den Wahlen 2006, das so geschaffene Wahlrecht erneut zu reformieren, setzt sich aber im Rückblick auf die Wahlen 2008 mit der Frage auseinander, ob dies noch vonnöten ist.

Einführend werden die Beiträge zum politischen System Italiens von Stefan Köppl und Reimut Zohlnhöfer verwendet, weiterhin bedient sich die Arbeit wegen der Aktualität des Themas überwiegend an Fachzeitschriftenbeiträgen und Zeitungsartikeln.

2. Hauptteil

2.1. Hintergrund und Ausgangspunkt der Wahlrechtsreform

Silvio Berlusconi hatte seit seinem zweiten Antritt als Regierungschef[5] im Jahr 2001 zahlreiche elektorale Rückschläge einstecken müssen. Beinahe bei allen Europa-, Regional-, und Kommunalwahlen hatten Berlusconis Forza Italia und ihre Koalitions-partner an Stimmen verloren.[6]

Da sich im Vorfeld der turnusgemäß anstehenden Parlamentswahlen im Frühjahr 2006 auch die nationalen Umfragewerte massiv verschlechterten[7], nutzte Berlusconi die komfortable Mehrheit von etwa zwei Dritteln in beiden Kammern, über die er dank des Wahlmodus (nicht etwa dank entsprechend großer Zustimmung bei den Wahlen 2001) verfügte, um noch vor Weihnachten 2005 das Wahlrecht zu ändern und wieder eine Verhältniswahl einzuführen, obwohl eine solche 1993 ja per Referendum abgeschafft worden war. Am 11. Oktober 2005 hatte die Parlamentsdebatte begonnen, bereits am 13. Oktober segnete die Abgeordnetenkammer das neue Wahlrecht ab, knapp zwei Monate später stimmte auch der Senat zu. Bemängelt wurde besonders die Tatsache, dass die Opposition bei der kurzen Debatte außen vor blieb.[8] Sie hatte weder ausreichend Zeit gehabt, sich in die Materie einzuarbeiten, noch konnte sie sich in den Entwurf einbringen und wurde in beiden Parlamentskammern schlichtweg überstimmt.

2.2. Das Wahlrecht seit 2005

2.2.1. Grundsätzliches

Anders als beim Wahlrecht, das seit 1993 angewendet wurde, gibt es nun nur noch jeweils eine Stimme pro Parlamentskammer. Insgesamt sind 630 Mitglieder der Abgeordnetenkammer und 315 Senatoren[10] zu wählen, die Listen sind starr.[9]

617 Mandate der Abgeordnetenkammer werden zunächst über den Proporz der Inlandswahl verrechnet, jedoch noch nicht vergeben. Wahlkreise gibt es hier nicht.

[...]


[1] Zur weiteren thematischen Einleitung: Zohlnhöfer, Reimut (2006): Das Parteiensystem Italiens, in: Niedermayer, Oskar/ Stöss, Richard/ Haas, Melanie (Hrsg.): Die Parteiensysteme Westeuropas, Wiesbaden, S. 275-298.

[2] Ebd., S. 277.

[3] Vgl. Köppl, Stefan (2007): Das politische System Italiens, Wiesbaden, S. 102.

[4] Ebd., S. 103.

[5] Berlusconi hatte bereits von Mai 1994 bis Januar 1995 erstmals eine Mitte-Rechts-Regierung angeführt.

[6] Vgl. Böhme-Kuby, Susanne (2006): Im freien Fall. Italien nach fünf Jahren Berlusconi, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Band 53, Nr.2, S. 199.

[7] Vgl. Hambückers, Martin (2007): Arrivederci Berlusconi: Medienpolitische Verflechtungen in Italien seit 1945, Konstanz, S. 50.

[8] Vgl. Backhaus, Denise (2009): Wahlsystem und politisches System in Italien seit den 90er Jahren, in: PIFO Web Thesis, Nr.1, S. 93.

[9] Zum Wahlrecht seit 2005: Köppl (2007), S. 105-110.

[10] Weiterhin gibt es die sogenannten Senatoren auf Lebenszeit, dies sind automatisch alle ehemaligen Staatspräsidenten, weiterhin kann der amtierende Staatspräsident bis zu fünf verdiente Bürger ernennen. Es ist nicht vorgesehen, aber möglich, dass diese Senatoren Einfluss auf das Parteienverhältnis im Parlament haben, im Rahmen dieser Arbeit spielen sie jedoch keine Rolle. Zum Thema: Hornig, Eike-Christian (2007): „Camera obscura“ – Der italienische Senat und seine Mitglieder auf Lebenszeit: Vom Abstellgleis zur Nebenregierung, in: Zeitschrift für Politik, Band 54, Nr. 4, S. 454-475.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Italienische Wahlrechtsreform 2005: Intention und Erfolg
Hochschule
Universität Trier  (Fachbereich III: Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Parteienwettbewerb in Konsensus- und Mehrheitsdemokratien
Note
2,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
17
Katalognummer
V214187
ISBN (eBook)
9783656425519
ISBN (Buch)
9783656434269
Dateigröße
470 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Italien, Wahlrecht, Wahlsystem, Berlusconi, Prodi, Verhältniswahlsystem, Mehrheitswahlsystem
Arbeit zitieren
B.A. Johannes Kempen (Autor:in), 2010, Italienische Wahlrechtsreform 2005: Intention und Erfolg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214187

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