Ein neues NPD Parteiverbotsverfahren in Hinblick auf die streitbare Demokratie


Hausarbeit, 2013

15 Seiten, Note: 2,0

Joscha Assenmacher (Autor:in)


Leseprobe


Gliederung

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen.
2.1 Die streitbare Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland
2.2 Das Parteiverbotsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland

3 Die Entwicklung der streitbaren Demokratie in Hinblick auf ein neues NPD-Parteiverbotsverfahren

4 Ein neues Parteiverbotsverfahren gegen die NPD
4.1 Die Vorteile eines Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD
4.2 Die Nachteile eines Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD
4.3 Die aktuelle Notwendigkeit eines Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD

5 Resümee

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Ist die NPD verboten gefährlich oder ist das Verbot der Partei eine Gefahr? (Spiegel 2012) So titelte der Spiegel im Februar 2012 in Hinblick auf ein neues im Raum stehendes NPD Parteiverbotsverfahren. Seit die Innenministerkonferenz am 09.12.2011 beschlossen hatte, die Chancen für ein NPD-Verbotsverfahren auszuloten, kam eine neue Dynamik in die Diskussion (Jesse 2012, S. 1), die eigentlich mit dem aus verfahrenstechnischen Gründen abgelehnten Verbotsantrag 2003, als vorerst beendet schien.

Eben dieser abgelehnte Verbotsantrag der Bundesregierung, Anfang 2001 eingereicht und am 18.03.2003 noch vor der Durchführung der Hauptverhandlung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abgelehnt, hat einer abschließenden Beurteilung von Lars Flemming keinen Sieger, wohl aber einen Verlierer hervorgebracht: die „Streitbare Demokratie“ (Flemming 2005, S. 245). Das Parteiverbot als schärfstes Schwert der wehrhaften Demokratie wurde nach den abgelehnten Anträgen (ohne Prüfung der Verfassungswidrigkeit) gegen die Nationale Liste (NL) und die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) in den neunziger Jahren nun wieder nicht eingesetzt.

Dass in den heutigen Debatten die Möglichkeit eines Parteiverbots in eine Art Wettstreit zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten (Möllers 2010, S. 52) gezogen wird ist einerseits als Zeichen zu sehen, dass die Wirksamkeit und Notwendigkeit des Art. 21 Abs. 2 GG auch in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung verliert, andererseits ist es sicherlich ein Zeichen der gestärkten Demokratie in Deutschland. Die mit der Einstellung des Verfahrens ohne Prüfung auf Verfassungsfeindlichkeit verpasste Chance zur „Verfeinerung der Dogmatik des Parteiverbots“ (Fromme 2003, S. 183) bestärkt Kritiker, die im Parteiverbot nur noch eine obsolete Möglichkeit sehen. Das NPD Verbotsverfahren von 2003 zeichne sich laut Härtel (2010, S. 96) somit durch eine mangelnde verfassungsrechtliche Fortentwicklung und Präzisierung der Konzeption der ‚streitbaren Demokratie‘ im Allgemeinen und des Instituts des Parteiverbots im Besonderen aus. Das derzeit diskutierte neue Verbotsverfahren gegen die NPD wäre somit als neue Chance für das BVerfG zu sehen, eine neue - der derzeitig gefestigten Demokratie angepasste - Abgrenzung der streitbaren Demokratie zwischen Legalitäts- und Opportunitätsprinzip zu ziehen.

Fraglich ist hierbei welche Auswirkungen auf die streitbare Demokratie ein neues NPD- Parteiverbotsverfahren hätte. Denn egal ob das Verfahren gegen die Partei, deren Verfassungsfeindlichkeit unter professionellen Beobachtern unbestritten ist (Backes 2012, S. 13), erfolgreich sein sollte oder scheitern sollte - in jedem Fall müsste das BVerfG das Spannungsverhältnis zwischen den Freiheitsrechten und der wehrhaften Demokratie in Deutschland definieren und auf die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens eingehen. Des Weiteren gilt es kritisch zu betrachten welche Chancen für die Bundesrepublik ein solcher Antrag auf Prüfung der Verfassungsfeindlichkeit hätte und welche Gefahren für die Demokratie ein solches Verfahren birgt.

Der vorliegende Beitrag soll zuerst ein grundlegendes Verständnis über die streitbare Demokratie und die Möglichkeit eines Parteiverbotes nach Art. 21 Abs. 2 GG vermitteln (Kapitel 2). Hierbei soll das Hauptaugenmerk darauf liegen, welche Möglichkeiten der Staat zur Bekämpfung verfassungsfeindlicher Parteien hat und unter welchen Gesichtspunkten diese Möglichkeiten abgewogen werden müssen. Im Folgenden wird eine grobe Übersicht über die bisherigen Parteiverbotsanträge der Bundesrepublik Deutschland unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der streitbaren Demokratie gegeben (Kapitel 3).

Darauf aufbauend werden in Kapitel 4 möglichen Vorteile und Nachteile eines neuen Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD erläutert und dessen grundsätzliche Notwendigkeit geprüft. Abschließend soll ein Resümee die Ergebnisse kontrovers und kritisch darstellen.

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Die streitbare Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland

Um die Auswirkungen eines möglichen neuen Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD auf die streitbare Demokratie zu erläutern muss diese zuerst definiert sein. Laut Flemming wird die ‚streitbare Demokratie‘ durch drei wesentliche Merkmale charakterisiert: Wertgebundenheit, Abwehrbereitschaft und Vorverlagerung (Flemming 2005, S. 23).

In der Wertgebundenheit der Streitbarkeitskonzeption bekennt sich der demokratische Verfassungsstaat zu grundlegenden Prinzipien, die der Verfügbarkeit des Souveräns entzogen sind (Ebd. S. 23). So ist bspw. die freiheitlich demokratische Grundordnung (fdGO) durch die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG geschützt und kann nicht geändert oder aus dem Grundgesetz entfernt werden. In der Abwehrbereitschaft des Streitbarkeitsprinzips räumt sich der demokratische Verfassungsstaat dann verschiedene „rechtlich-administrative Mittel“ ein, um diese normativen Grundlagen gegenüber seinen Feinden zu verteidigen (Ebd. S. 23). Die streitbare Demokratie zeichnet somit das Zusammenspiel von Wertgebundenheit und Abwehrbereitschaft aus (Ebd. S. 23). Die hauptsächliche Daseinsberechtigung erhält das Prinzip der streitbaren Demokratie allerdings durch ihren „präventiven Charakter […] und […] in der ‚Vorverlagerung des Demokratieschutzes in den Bereich des nichtgewaltförmigen politischen Handelns.“ (Härtel 2010, S. 63). Somit sind nicht erst verfassungsfeindliche Methoden der Anwendung oder Androhung von Gewalt, sondern bereits verfassungsfeindliche Ziele mit den Mitteln des Verfassungsschutzes zu bekämpfen (Flemming 2005, S. 24).

Als Waffen gegen einen Angriff auf das Grundgesetz hält eben dieses hauptsächlich drei Instrumente bereit. Dies sind die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 (Presse- und Versammlungsfreiheit, Freiheit der Meinungsäußerung u.a.m.), das „normale“ Vereinsverbot nach Art. 9 Abs. 2 (Volkmann 2012, S. 17) und das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG. Wohingegen alle Anträge auf Grundrechtsverwirkung der letzten fünfzig Jahre abgewiesen wurden, wird demgegenüber von der Möglichkeit des Vereinsverbots gerade im rechtsextremistischen Bereich relativ häufig und geräuschlos Gebrauch gemacht (Ebd. S. 17). Dies ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass die Zuständigkeit hierfür nicht beim BVerfG sondern bei den Innenministerien liegt. Das schärfste Schwert der streitbaren Demokratie ist allerdings das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG.

2.2 Das Parteiverbotsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland

Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes erklärt Parteien für verfassungswidrig, „die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“. Verfassungswidrig ist nach dem Urteil des BVerfG im SRP Verfahren 1952 der Verstoß gegen grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Jaschke 2006, S. 2). Das Bekenntnis zur fdGO bedeutet zugleich den Übergang zu einer wehrhaften, abwehrbereiten, streitbaren Demokratie (Möllers 2006, S. 40). Nur das BVerfG kann über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei entscheiden (Parteienprivileg) und ihr nach strenger Prüfung ein Ende bereiten (Ebd. S. 36). Aus diesen Gegebenheiten des Grundgesetzes zieht das BVerfG und mit ihm die h. M. in der Literatur den Schluss, dass eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“ (BVerfG 1956) gegen die bestehende Ordnung vorliegen muss. Nicht nur die Zielsetzung ist entscheidend, sondern die Intensität der Zielverfolgung (Möllers 2006, S. 42).

Die Auslegung und die Handhabe der Möglichkeit des Parteiverbots sind auch in der heutigen Debatte um ein neues NPD-Verbotsverfahren sehr aktuell. Eine gängige Unterscheidung der Herangehensweise an ein solches Verfahren ist hierbei diejenige zwischen Legalitäts- und Opportunitätsprinzip. Zum einen wird mit einer extensiven Interpretation der streitbaren Demokratie argumentiert, sodass man „systematisch - entsprechend dem Legalitätsprinzip - von allen Vorkehrungen des präventiven Demokratieschutzes Gebrauch macht“ (Backes/Jesse 2008, S. 20). Laut Altenhof würde ein solchermaßen strikt praktiziertes Legalitätsprinzip dabei allerdings vielfach „mit Kanonen auf Spatzen schießen“ (1999, S. 169). Zum anderen ermöglicht das Opportunitätsprinzip in jedem Fall eine „flexiblere Reaktion“, ein „Mehr an Liberalität“ und trage damit der „Forderung nach Verhältnismäßigkeit der Mittel Rechnung“, ohne dass damit die prinzipielle Infragestellung der streitbaren Demokratie einherginge. Während das Legalitätsprinzip also eher auf die administrativen Möglichkeiten der streitbaren Demokratie baut, hebt das Opportunitätsprinzip die Bedeutung der geistig-politischen Auseinandersetzung hervor (Ebd. S. 169 - 172). Im Parteiverbotsverfahren gegen die NPD von 2003 betonten die Richter des zweiten Senats einmütig, bei ihrem Beschluss handele es sich um eine „[…] Prozess-, nicht um eine Sachentscheidung […]“ (BVerfG 2003). Dies führte zu weiteren kontroversen Diskussionen um die „Streitfrage nach der Reichweite und der konkreten Bedeutung des Art. 21 des GG“ (Fromme 2003, S. 181). Während die einen zur Erhaltung der freiheitlichen Ordnung (BVerfG 2003) vorsichtig auf Distanz zum Parteiverbot gehen, halten die anderen an der ‚streitbaren‘ Demokratie fest - zum Beispiel indem sie sich demonstrativ auf das KPD-Verbotsurteil von 1956 beziehen (Meier 2004, S. 1118). In einem neuen NPD-Parteiverbotsverfahren müsste das Bundesverfassungsgericht also nicht nur die aktuellen Maßstäbe in Bezug auf Legalitäts- und Opportunitätsprinzip festlegen, sondern auch das Verhältnis zwischen liberalem Staat und streitbarer Demokratie definieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Ein neues NPD Parteiverbotsverfahren in Hinblick auf die streitbare Demokratie
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Das politische System in der BRD
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V214163
ISBN (eBook)
9783656425540
ISBN (Buch)
9783656439622
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
parteiverbotsverfahren, hinblick, demokratie
Arbeit zitieren
Joscha Assenmacher (Autor:in), 2013, Ein neues NPD Parteiverbotsverfahren in Hinblick auf die streitbare Demokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214163

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