Einsatzstrategien von Zeitarbeit in Industrieunternehmen

Eine quantitative Untersuchung


Diplomarbeit, 2012

118 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einfuhrung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Flexibilisierung von Beschaftigung
2.1.1 Ursachen der Beschaftigungsflexibilisierung
2.1.2 Dimensionen der Beschaftigungsflexibilisierung
2.1.3 Flexibilisierungsinstrumente
2.2 Zeitarbeit
2.2.1 Das Zeitarbeitsverhaltnis
2.2.2 Rechtliche Entwicklungen
2.2.3 Grunde fur den Zeitarbeitseinsatz
2.2.4 Einflussfaktoren des Zeitarbeitseinsatzes
2.2.5 Aktueller Stand der Zeitarbeit
2.2.6 Entwicklungstendenzen
2.3 Einsatzstrategien von Zeitarbeit
2.3.1 Strategielehre
2.3.2 Die Kostenstrategie
2.3.3 Die Flexibilisierungsstrategie
2.3.4 Die HR-Strategie
2.4 Strategievergleich

3 Untersuchungsmethodik
3.1 Datenerhebung und Darstellung der Stichprobe
3.2 VerwendeteAnalysemethoden
3.3 Operationalisierung der Konstrukte
3.3.1 AbhangigeVariablen
3.3.2 UnabhangigeVariablen
3.3.3 Moderatorvariablen

4 Empirische Auswertung
4.1 Ursachen fur den Einsatz der Strategien
4.2 Einsatzstrategien und deren Erfolgswirkung
4.3 Ergebnisse des Strategievergleichs

5 Limitationen

6 Einordnung und Diskussion
6.1 Einordnungder Untersuchung
6.2 Ursachen fur den Zeitarbeitseinsatz
6.3 Erfolgswirkung von Zeitarbeit
6.4 Strategievergleich

7 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Ubersicht der Flexibilisierung von Beschaftigung

Abb. 2: Ubersicht der Flexibilisierungsinstrumente

Abb. 3: Triangulare Beziehungen in der Zeitarbeit

Abb. 4: Ubersicht der bedeutendsten gesetzlichen Anpassungen in der Zeitarbeit

Abb. 5: Grundefurden Einsatz von Zeitarbeit, vgl. anderer Erhebungen

Abb. 6: Nutzungsgrad der Zeitarbeit nach Intensitat

Abb. 7: Beendete Arbeitsverhaltnisse nach Beschaftigungsdauer der Zeitarbeitnehmer

Abb. 8: Durchschnittliche Uberlassungsdauervon Zeitarbeitskraften

Abb. 9: Entwicklung des Bestands an Zeitarbeitnehmern zu den jeweiligen Gesetzesanderungen bis

Abb. 10: Generische Wettbewerbsstrategien nach Porter

Abb. 11: Ubersicht zu den Einsatzstrategien der Zeitarbeit

Abb. 12: Prozentuale Verteilung derGesamtstichprobe bzgl. Unternehmensdaten, Zeitarbeit und Branchendynamik

Abb. 13: Grundefurden Einsatz von Zeitarbeit

Abb. 14: Graphische Darstellung des Moderatoreffekts

Abb. 15: Signifikante Zusammenhange zwischen den Einsatzstrategien der Zeitarbeit und den Ursachen fur deren Einsatz

Abb. 16: Zusammenhang von Zeitarbeit und Wettbewerbserfolg

Abb. 17: Moderatoreffekt durch die Einsatzhaufigkeit von Zeitarbeit zwischen der Kostenstrategie und dem Wettbewerbserfolg

Abb. 18: Untergruppen der Einsatzhaufigkeit von Zeitarbeit und deren moderierte Erfolgswirkung in der Kostenstrategie

Abb. 20: Untergruppen der Einsatzhaufigkeit von Zeitarbeit und deren moderierte Erfolgswirkung in der Flexibilisierungsstrategie

Abb. 19: Moderatoreffekt durch die Einsatzhaufigkeit der Zeitarbeit zwischen der Flexibilsierungs-strategie und dem Wettbewerbserfolg

Abb. 21: Moderationseffekt durch die Ubernahmequote der Zeitarbeitnehmer zwischen der HR-Strategie und dem Wettbewerbserfolg

Abb. 22: Untergruppen der Einsatzhaufigkeit von Zeitarbeit und deren moderierte Erfolgswirkung in der Kostenstrategie

Abb. 23: Mittelwerte der drei Einsatzstrategien

Abb. 25: Darstellung von Hypothesenblock

Abb. 24: Ermittelte Einsatzstrategien fur die Zeitarbeit

Abb. 26: Unterschiede in der Auspragungen der Zeitarbeit fur die einzelnen Einsatzstrategien

Abb. 27: Seiten 1-3 des Fragebogens der Erhebung

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Ubersicht der aufgestellten Hypothesen

Tab. 2: Interpretation von Korrelationskoeffizienten

Tab. 3: Korrelation der untersuchten Variablen

Tab. 4: Ergebnisse dereinfach Regression der Hypothesen H1a-H3a

Tab. 5: Ergebnisder Moderatoranalyse fur H1b

Tab. 6: Ergebnis der Moderatoranalyse fur H2b

Tab. 7: Ergebnis der Moderatoranalyse fur H3b

Tab. 8: Ubersicht der angenommenen und abgelehnten Hypothesen

Tab. 9: Operationalisierung der Konstrukte der Motive

Tab. 10: Operationalisierung der Konstrukte zur Produktionstechnologie

Tab. 11: Operationalisierung des Konstrukts Wettbewerbserfolg

Tab. 12: Operationalisierung der Konstrukte zur Branchendynamik

Tab. 13: Regressionsanalysen zu Hypothesenblock

Tab. 14: Regressionsanalysen zu Hypothesenblock

Tab. 15: Regressionsanalysen zu Hypothesenblock

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einfuhrung

In Deutschland hat keine andere Beschaftigungsform in den letzten Jahren einen so star- ken Aufschwung erlebt wie die Zeitarbeit.1

Nach den Hartz-Reformen 2004 und den daraus resultierenden Neuregelungen zur Ar- beitnehmeruberlassung ist die Zahl der Zeitarbeitnehmer stark angestiegenen.2 Laut einer Hochrechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft waren im Juni 2011 rund 870.000 Arbeitnehmer in Zeitarbeitsfirmen angestellt, was (u. A. saisonbedingt) einem Zuwachs von 3,1 Prozent gegenuber Mai 2011 entspricht.3 In der Offentlichkeit ist das Thema Zeit­arbeit oftmals sehr umstritten und negativ behaftet, auch deshalb ist es von groftem Interesse fur die betriebswirtschaftliche Forschung.4

Bisherige Forschungsarbeiten zur Zeitarbeit untersuchten vorrangig die Auswirkungen der Zeitarbeit auf die Zeitarbeitnehmer (vgl. CHUNG 2006, REILLY 1998), die Bedeutung der Zeitarbeit fur den deutschen Arbeitsmarkt in volkswirtschaftlicher Betrachtung (vgl. VANSELOW 2009, BELLMANN et al. 1997) und aufterdem wurde auf betrieblicher Ebene die Zeitarbeit in Relation mit anderen Flexibilisierungsinstrumenten untersucht (vgl. PROMBERGER et al. 2006). Qualitative Untersuchungen zur strategischen Nutzung von Zeitarbeit wurden von HOLST/ NACHTWEY unternommen. (vgl. HOLST et al. 2009).

In der aktuellen Forschung gibt es jedoch keinen quantitativen Ansatz, der die verschie- denen Nutzungsstrategien von Zeitarbeit untersucht. Dahersoll Ziel dieser Arbeit sein, mit Hilfe einer fragebogengestutzten Erhebung in inlandischen Industrieunternehmen, die strategische Nutzung der Zeitarbeit empirisch zu untersuchen, Strategien zu identifizieren, zu beschreiben und zu vergleichen, deren Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg darzustellen und daraus Empfehlungen fur das betriebliche Handeln abzuleiten.

Der erste Teil dieser Arbeit beginnt in Kapitel 2 mit einer Erlauterung der thematisch rele- vanten Begrifflichkeiten. So befasst sich Kapitel 2.1 mit der Flexibilisierung von Beschafti- gung im weiteren Sinne, den Dimensionen von Beschaftigungsflexibilitat und Flexibilisie­rungsinstrumenten, die einem Unternehmen zur Verfugung stehen.

In Kapitel 2.2 wird naher auf das Thema Zeitarbeit eingegangen, insbesondere das spezi- fische triangulare Verhaltnis, die rechtlichen Entwicklungen, den aktuellen Stand in der Zeitarbeit und ihre Entwicklungstendenzen. Auch die Einsatzgrunde von Zeitarbeit und deren Einflussfaktoren werden in diesem Kapitel naher beschrieben.

Darauffolgend werden in Kapitel 2.3 fur den weiteren Verlauf notwendige Strategielehren erlautert und schlieRlich verschiedene Einsatzstrategien von Zeitarbeit differenziert und die hergeleiteten Hypothesen eingefuhrt. In 2.4 wird zudem ein Vergleich der Strategien hinsichtlich deren Auspragungen von Zeitarbeit vorgenommen.

Kapitel 3 zeigt im Anschluss an die theoretischen Grundlagen die angewandte Methodik auf, insbesondere die Datenerhebung und -analyse, wie auch eine Beschreibung der Stichprobe. In Kapitel 4 werden die aufgestellten Hypothesen uberpruft, Limitationen und die Ergebnisse der Untersuchung in Kapitel 5 und 6 diskutiert und eine Einordnung in die aktuelle Forschung zur Zeitarbeit vorgenommen.

SchlieRlich werden in einem Fazit die Ergebnisse zusammengefasst und zudem ein Aus- blick auf mogliche Entwicklungen der Zeitarbeit gegeben.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Flexibilisierung von Beschaftigung

Die heute gangige Beschaftigungsform der Normalarbeitszeit, mit einer Arbeitsdauer von acht Stunden je Werktag5 pragte vor allem das Zeitalter der Industrialisierung. Sie orientiert sich am fordistischen Produktionsprinzip, also an standardisierter, industrieller Massenproduktion6, in der Personal ebenso standardisiert eingesetzt wurden:

,,The great innovation of modern industry is a vision: the vision of the worker as an efficient, automatic standardized machine.”7

In den letzten Jahren hat sich jedoch ein tiefgreifender Wandel der Produktionstechniken8 und Beschaftigungsformen vollzogen9 und das Normalarbeitszeitverhaltnis wird heute zu- nehmend durch atypische Beschaftigungsstrategien verdrangt.10

2.1.1 Ursachen der Beschaftigungsflexibilisierung

Die Notwendigkeit zur Flexibilisierung von Beschaftigung ergibt sich aus verschiedenen internen und externen Kontextfaktoren. Unternehmen sind konfrontiert mit einer erhohten Umweltkomplexitat,11 schnelle und weitgreifende Veranderungen in den Nachfrage- erwartungen, zunehmender Wettbewerb auf den Markten und schnellere technologische Entwicklungen schaffen zunehmend unsicherere Rahmenbedingungen.12 Dies erschwert das Antizipieren kunftiger Umstande.13 Schwer zu steuern sind vor allem die damit ver- bundenen unvorhersehbaren Produktionsschwankungen.14

Um dieser Dynamik der Markte Stand halten zu konnen, mussen Unternehmen flexibel auf unstetige Gegebenheiten reagieren konnen. Dazu ist es erforderlich, sich von starren konventionellen Arbeitsstrukturen zu losen, etwa durch die Flexibilisierung der Beschaftigung.15

Beschaftigung allgemein ist laut Sozialgesetzbuch definiert als ,, [...] die nichtselbstandige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhaltnis. Anhaltspunkte fur eine Beschaftigung sind eine Tatigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers."16

Flexibilitat bezeichnet die Fahigkeit, sich gut an wandelnde Umstande anpassen zu konnen, die durch Instabilitaten in der Umwelt verursacht werden.17 ZHANG beschreibt die Flexibilitat speziell in einer Organisation als die Fahigkeit ebendieser, mit steigenden Nachfrageschwankungen umzugehen, ohne einen hohen Kosten- oder Zeitaufwand, organisationale Storungen oder Leistungseinbruche zu erfahren.18

Neue Produktionstechniken, wie beispielsweise das Lean-Management, ermoglichen eine erhohte Flexibilitat des Produktionsapparates, indem uberflussige Lagerbestande, nicht ausgelastete Kapazitaten und Hierarchiebenen abgebaut werden, um lediglich den not- wendigen Bedarf an Produktionsfaktoren fur einen bestimmten Output zu nutzen.19 Analog dazu kann auf Personalebene die Beschaftigungsflexibilisierung betrachtet werden, welche zum Ziel hat den Produktionsfaktor ..Personal" an den Bedarf eines Unternehmens anzupassen.20

Beschaftigungsflexibilisierung ist also jene Fahigkeit eines Unternehmens, die Mitarbeiter- anzahl so zu gestalten, dass sie jederzeit nach Bedarf angepasst und erweitert werden kann. Dies kann erreicht werden durch diverse Arbeitszeitvereinbarungen, moglichst breit ausgebildete Arbeitskrafte21 und den Zugang zu hochqualifiziertem Personal mit spezifischen Fahigkeiten, um interne Wissenslucken zu schlieften.22

Flexibilisierung von Beschaftigung kann betriebsinternen sowie -externen Ursprungs sein. Sie kann zudem unter der Zielsetzung einer quantitativen oder qualitativen Erhohung der Flexibilitat erfolgen23 (s. Kapitel 2.1.2). Eine Vielzahl von Instrumenten stehen Unternehmen zur Verfugung, um eine Flexibilisierung von Beschaftigung umzusetzen (s. Kapitel 2.1.3).24

Neben den bereits genannten externen Ursachen aus der Unternehmensumwelt, sind es interne Restriktionen, welche auf die Umsetzung von Beschaftigungsflexibilisierung wirken. Stellen, als die kleinsten organisatorischen Einheiten und die dazugehorigen Arbeitsaufgaben25, unterliegen bestimmten technischen Gegebenheiten, welche die Strukturen im Unternehmen beeinflussen.26 Somit beeinflussen sie auch das Ausmaft in der Flexibilisierung umgesetzt werden kann.

Folgende Faktoren bezuglich der Arbeitsaufgaben spielen dabei eine entscheidende Rolle: die Bedeutsamkeit, der Standardisierungsgrad, Interdependenzen zu anderen Arbeitsaufgaben und das aufgabenspezifische Wissen.

(a) In der Bedeutsamkeit der Arbeitsaufgabe fur das Unternehmen, kann differenziert werden zwischen den Kernaufgaben, welche einen groften Anteil am Wettbewerbserfolg ausmachen, und anderen weniger bedeutsamen Aufgaben.27

(b) Der Standardisierungsgrad der Fertigungstechnologie hat einen erheblichen Einfluss auf die Aufgabenstruktur. PERROW klassifiziert Technologie durch zwei Dimensioned die Dimension der Aufgabenvarianz — also die Anzahl der Ausnahmen die bei der Aufgabenerfullung auftreten und die Dimension der Aufgabenanalysierbarkeit — die Art der Losungssuche wenn Ausnahmen auftreten. Routineaufgaben sind leicht analysierbar und es treten nur wenige Ausnahmen in der Bewaltigung der Aufgaben auf. Nichtstandardisierte Aufgaben sind dahingegen schwer analysierbar und durch viele Ausnahmen gepragt.28

(c) Interdependenzen zwischen den Arbeitsaufgaben beeinflussen die Technologie und die Organisationsstruktur, bzw. sie erfordern eine bestimmte Koordination. THOMPSON unterscheidet folgende Arten von Interdependenzen in Unternehmen:

- Gepoolte Interdependenz: ist gekennzeichnet durch eine indirekte Abhangigkeit, z.B. wenn unabhangig voneinander arbeitende Bereiche die gleichen Ressourcen nutzen.
- Sequenzielle Interdependenz: der Output eines Unternehmensbereichs ist Voraus- setzung fur das Arbeiten eines anderen Bereichs.
- Reziproke Interdependenz: ist der wechselseitige Leistungsaustausch zwischen mehreren Bereichen. Die Outputs des Einen sind Inputs des Anderen und umge- kehrt.29

Weniger komplexe Technologien verfugen uber gepoolte Interdependenzen in den Arbeitsaufgaben. Je komplexer Technologien sind, umso mehr sequenzielle und reziproke Interdependenzen gibt es. In der oben angegeben Reihenfolge wachst aufterdem der Ko- ordi-nationsaufwand. Gepoolte Interdependenzen konnen durch Standardisierung koordi- niert werden, sequenzielle Interdependenzen durch Planung und die reziproken Interde­pendenzen machen gegenseitige Abstimmung erforderlich.30

(d) Bei firmenspezifischem Wissen kann unterschieden werden zwischen offentlich zuganglichem und privatem bzw. firmenspezifischem Wissen, nur letztere Form stellt eine Grundlage fur Wettbewerbserfolg dar. Privates Wissen kann zudem differenziert werden in Aufgabenbezogenes Wissen und Wissen bezuglich der Unternehmensprozesse.31

Aufgabenbezogenes Wissen ist zur Betrachtung der Aufgabenstruktur von besonderer Relevanz, es kann von nur einer Person oder dem Kollektiv bewahrt werden32 und kann durch Weitergabe durch dritte Personen oder aus Unterlagen erlernt werden33. Entschei- dend fur das Wissensprofil eines Unternehmens ist zudem die Wissensbewahrung oder -speicherung, damit gewonnenes Wissen nicht verloren geht.34

Vorrangiges Ziel der Beschaftigungsflexibilisierung ist es, die Lohnkosten zu senken, neben anderen funktionalen Effekten.35 Pragend fur den Standort Deutschland sind Wettbewerbsnachteile durch vergleichsweise hohe Lohn- und Lohnnebenkosten, diese konnen z.B. kompensiert werden durch die Fahigkeit, flexibler und kostengunstiger zu produzieren.36 Hintergrund dieser Zielsetzungen ist es den Unternehmenserfolg positiv zu beeinflussen, also einen Wettbewerbsvorteil gegenuber der Konkurrenz zu schaffen, um sich am Markt behaupten zu konnen.37 Die erhohte Flexibilitat ermoglicht auRerdem eine kurzere Reaktionszeit auf Veranderungen in der Umwelt, gerade durch die vielseitigen Eigenschaften der Angestellten als Teil des Humankapitalbestands konnen beispielsweise neue Nachfragebedingungen schneller bedient werden.38

Ein Drittel aller gegenwartigen deutschen Beschaftigungsverhaltnisse konnen als flexibel klassifiziert werden.39 Zu einer weiterfuhrenden Erlauterung soll im nachsten Abschnitt zu- nachst die Beschaftigungsflexibilisierung kategorisiert werden, um im Anschluss eine funktionale Einordung der gangigsten Flexibilisierungsinstrumente vornehmen zu konnen.

2.1.2 Dimensionen derBeschaftigungsflexibilisierung

Eine gangige Kategorisierung der Beschaftigungsflexibilitat ist die nach ATKINSON, er unterscheidet zwei Dimensionen betrieblicher AnpassungsmaRnahmen: Die erste Dimension differenziert zwischen der betriebsinternen und -externen Flexibilitat, ausgehend vom Ursprung der vorgenommenen FlexibilisierungsmaRnahme. Die zweite Dimension unterscheidet zwischen funktionaler und numerischer Flexibilitat und beschreibt in welcher Form die Flexibilisierung ausgepragt ist, bzw. wie sie wirkt.40

Die OECD nimmt bei der Definition der Flexibilitat noch weitere Unterscheidungen vor, in der Form der Flexibilisierung wird zwischen der Quantitat und der Qualitat unterschieden. Die numerische und temporale Flexibilitat werden dabei als quantitative Flexibilitat bezeichnet.41 Die numerische Flexibilisierung ermoglicht es, die Anzahl der Beschaftigten je nach Auftragslage zu variieren, also Arbeitnehmer nach Bedarf einzustellen und zu entlassen.42 Temporale Flexibilitat ermoglicht eine Variation der Arbeitsstunden. Fur Arbeitgeber ergibt sich so der Vorteil, eine bessere Ubereinstimmung von Dienst- und Produktionsplanen zu erreichen.43

Durch externe quantitative Flexibilisierung konnen hohe Kosten vermieden werden, in dem die Rekrutierung neuer Stammarbeitskrafte umgangen wird. Es ist sehr schwer, das Arbeitspensum uber Tage, Wochen oder Monate vorauszuplanen. Somit ist auch der genaue Arbeitskraftebedarf schwer planbar — durch Flexibilisierungsmaftnahmen kann einer kurzzeitig hohen Arbeitsbelastung trotzdem standgehalten werden.44

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Ubersicht der Flexibilisierung von Beschaftigung, (Quelle: Vgl. Fischer/ Lehmann 2011 S. 111, eigene Erganzungen)

Funktionale Flexibilitat wird von der OECD als qualitative Flexibilitat kategorisiert, denn sie ermoglicht einen variablen Einsatz der Mitarbeiter durch breite Ausbildungs- oder Wissensprofile.45 Sie bietet Arbeitgebern eine effektivere interne Allokation von Arbeits- kraften durch verbesserte Beschaftigung, resultierend aus: einer besseren Organisation des Arbeitskrafteeinsatzes und einer grofteren Entscheidungsfreiheit des Managements um Arbeitskraft je nach Bedarf einzusetzen. Viele technologische Neuerungen und Investitionen erfordern zudem eine veranderte Allokation von Arbeitskraft und die Not- wendigkeit Arbeitnehmer so auszubilden, dass sie eine Vielzahl von Aufgaben bewaltigen konnen.46

Arbeitgeber streben auf Grund der sich stetig wandelnden Arbeitsanforderungen beson- ders nach funktionaler und numerischer Flexibilitat, damit Personal je nach Bedarf ein- setzbar ist.47 Dazu stehen einem Unternehmen verschiedene Instrumente zur Verfugung, die im folgenden Abschnitt den soeben beschriebenen Dimensionen zugeordnet und er- lautert werden.

2.1.3 Flexibilisierungsinstrumente

Es gibt eine Vielzahl von Instrumenten zur Flexibilisierung von Beschaftigung, diese lassen sich entweder der internen oder externen Flexibilisierung im Unternehmen zu- schreiben und sind einer oder beider folgender Dimensionen zuzuordnen: der quanti- tativen oder qualitativen Dimension.

Von jenen Instrumenten wurden elf ausgewahlt, die in der heute gangigen Literatur bereits untersucht wurden (vgl. Promberger 2006, Houseman 2001, Reilly 1998), diese sollen zur weiteren Untersuchung herangezogen werden (s. Abb. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Obersicht der Flexibilisierungsinstrumente, (Quelle: Vgl. Fischer/ Lehmann 2011 S. 111, eigene Erganzungen)

Die in Abbildung 2 aufgefuhrten Instrumente werden nachfolgend kurz erlautert. Zunachst wird naher auf die internen Alternativen der Beschaftigungsflexibilisierung eingegangen.

Interne quantitative Instrumente der Flexibilisierung, also jene zur mengenmaftigen oder zeitlichen Anpassung des internen Personalbestands, sind: Uberstunden, Schichtarbeit, Arbeitszeitkonten, Teilzeit und Befristungen.

Uberstunden sind jene Arbeitsstunden, die uber die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet werden.48 Kennzeichnend fur Uberstunden als Flexibilitatsinstrument ist die Moglichkeit, sie nurfur eine kurze, begrenzte Zeit, ohne groften Aufwand einzusetzen. Demgegenuber stehen vergleichsweise hohe Stundenkosten, welche aus den meist hohen Uberstundenzuschlagen resultieren. Unter Umstanden ist der Einsatz von Uber­stunden sogarteurer als externe Flexibilisierungsinstrumente.49

Die interne Flexibilisierung durch Schichtarbeit ist die Versetzung der Arbeitszeit gegen- uber der normalen Tagesarbeitszeit, um die Betriebszeit des Unternehmens auf mehr als acht Stunden taglich, teilweise auf 24 Stunden, zu erweitern. Ublich sind dabei 8-Stunden- Schichten, aberauch 12-Stunden-Schichten sind moglich.50

Teilzeitbeschaftigung wird ebenso als internes Flexibilisierungsinstrument eingesetzt. Teilzeitangestellte sind die Stammarbeitskrafte des Unternehmens, die nicht in Vollzeit (> 35h/ Woche) sondern weniger Stunden arbeiten.51 Viele Beschaftigte sind in nachfrage- starkeren Perioden aber durchaus bereit ihre Arbeitszeit fur einen begrenzten Zeitraum zu verlangern. Fur Unternehmen bietet sich dadurch eine gute Moglichkeit der numerischen oder temporalen Anpassung der Arbeitskraft, denn im Gegensatz zu externen Flexibilisierungsmaftnahmen fallen nur die regularen zusatzlichen Lohnkosten an und die Angestellten sind bereits eingearbeitet und erfahren.52

(Jahres-)Arbeitszeitkonten bieten die Flexibilitat, monatliche oder wochentliche Arbeits­stunden innerhalb einer vertraglich vorgegeben Anzahl von Gesamtarbeitsstunden im Jahr zu variieren. So konnen im Arbeitskraftebedarf saisonale Schwankungen gut ausgeglichen werden.53 Fur eine Umstellung auf variable Arbeitszeiten ist vor allem der Kostenaspekt entscheidend. Bei schwankender Nachfrage bieten sie spurbare Kosten- minderungen gegenuber gleichformiger Normalarbeitszeit, weil im Gegensatz zu Uber- stunden oder dem Einsatz externer Flexibilisierungsinstrumente keine Mehrkosten fur das Unternehmen anfallen.54

Befristungen beschreiben das Arbeitsverhaltnis von befristet Angestellten. Sie sind direkt beim Unternehmen, aber nurfur eine kurze spezifische Zeit, beschaftigt.55

Qualitative interne Flexibilisierungsinstrumente sind Teamarbeit, Job-Rotation und Weiter- bildung. Bei der Teamarbeit oder Gruppenarbeit wird ein Arbeitsauftrag an mehr als zwei Personen ubertragen und wird von ihnen gemeinsam bearbeitet.56

Bei der Job- Rotation handelt es sich um eine Erweiterung des Aufgabenfeldes fur Arbeit- nehmer. Mehrere Personen wechseln ihre Arbeitsaufgaben und Arbeitsplatze unter- einander, dies kann planmaftig oderspontan erfolgen.57

Weiterbildung ist die Erweiterung der funktionalen Flexibilitat auf interner Ebene, die es ermoglichen soll, die berufliche Handlungsfahigkeit aufrecht zu erhalten, anzupassen oder zu erweitern.58 Dazu muss Geld investiert werden, im Gegenzug bietet sich aber die Chance auf eine hohere Effektivitat der Arbeit.59 Weiterbildung kann demnach als eine Investition in das Humankapital bezeichnet werden.60

Viele Unternehmen greifen neben internen Anpassungsmaftnahmen gleichzeitig auf externe Instrumente zum flexiblen Personaleinsatz zuruck. Diese sind: Zeitarbeit, Outsourcing und Consulting.61 Sie bedienen oftmals sowohl den quantitativen als auch den qualitativen Flexibilisierungsbedarf.62

Zeitarbeit beschreibt den Einsatz derjenigen Arbeitskrafte, die ein Unternehmen von einer Zeitarbeitsfirma entleiht, aber nicht selbst beschaftigt.63 In Kapitel 2.2 wird noch naher auf dieses Instrument eingegangen. Sowohl Befristungen als auch Zeitarbeit bedienen vor allem Bedarfe nach numerischer und temporarer Flexibilisierung.64 Zeitarbeit dient aller- dings auch der Erhohung von qualitativer Flexibilitat, etwa durch die Gewinnung neuer Kompetenzen fur das Unternehmen.65

Beim Outsourcing handelt es sich um Werkvertrage, dritte Unternehmen werden hier temporar eingesetzt,66 um die bislang im Unternehmen selbst ausgefuhrten Aufgaben zu ubernehmen,67 z.B. Verwaltungs-, Service- oder Fertigungstatigkeiten.68 Auftragnehmer bieten aber auch bestimmte Spezialisierungen, die von anderen Firmen hinzugekauft werden konnen, um Qualifikationslucken, z.B. im Umgang mit speziellen Technologien, zu schlieften. Die eingesetzten Arbeitnehmer werden, im Gegensatz zu Zeitarbeitnehmern, jedoch von ihrem eigenen Arbeitgeber gesteuert.69

Consulting ist ebenfalls eine Art von Outsourcing, es bedient vor allem funktionale Flexibilisierungsbedarfe durch Einbringung spezieller Kompetenzen. Bei komplexen oder neuen Aufgaben, die Expertenwissen erfordern, konnen externe Consultants hinzu- gezogen werden. Sie sind allerdings, genau wie Arbeitskrafte aus Werkvertragen, nicht vom Unternehmen direkt angestellt.70 Consultants sind stark in die Arbeitsprozesse des Unternehmens involviert und es gibt einen intensiveren beidseitigen Austausch von Wissen.71

Die starke Nutzung von externen Kompetenzen birgt jedoch das Risiko, die Personal- entwicklung im eigenen Unternehmen zu vernachlassigen und Weiterbildungsmoglich- keiten nicht im ausreichenden Mafte umzusetzen.72

Die meisten Unternehmen bedienen ihren Flexibilisierungsbedarf nicht durch einzelne Instrumente sondern durch ein Bundel an Maftnahmen.73 Interne Flexibilisierungs- instrumente wie Uberstunden und Schichtarbeit nutzen rund 50 Prozent aller Betriebe, diese werden bisweilen in der Mehrheit der Unternehmen den externen Flexibilisierungs- moglichkeiten vorgezogen.74

Flexibilitat muss jedoch nicht zwangslaufig positive Effekte nach sich ziehen, es kann auch zu viel Flexibilisierung in einem Unternehmen geben, z.B. wenn Ressourcen zu weit gestreut werden oder sich auf Umweltereignisse eingestellt wird, die niemals eintreten werden.75

In den folgenden Abschnitten soll nun die Zeitarbeit als Instrument externer Flexi­bilisierung naher beleuchtet werden. Als solches hat sie in den letzten Jahren immer mehr an Einfluss auf dem deutschen Arbeitsmarkt gewonnen und steht deswegen im Mittel- punkt dieser Untersuchung.

2.2 Zeitarbeit

Immer noch gibt es eine Kontroverse um die Zeitarbeit, ihre extremen Gegner bezeichnen sie sogar als Menschenhandel und fordern ein generelles Verbot dieser Beschaftigungs- form. In der Personalwirtschaft jedoch, wird Zeitarbeit als bewahrtes Instrument der exter- nen Flexibilisierung geschatzt. Weitere, in der Literatur verwendete Begrifflichkeiten die synonym zur Zeitarbeit verwendet werden, sind Leiharbeit, Personalleasing und Arbeit- nehmeruberlassung.76

2.2.1 Das Zeitarbeitsverhaltnis

Die Zeitarbeit zeichnet sich durch eine Dreiecksbeziehung im Arbeitgeber- und Arbeit- nehmerverhaltnis aus.77

Eine legale Arbeitnehmeruberlassung im gewerblichen Sinne liegt dann vor, wenn ein Arbeitgeber (Verleiher/ Personaldienstleister) seine Arbeitnehmer (Zeitarbeitnehmer) einem dritten Unternehmen (Entleiher) zur Arbeitsleistung uberlasst.78 Verleiher brauchen zwingend eine Erlaubnis von einer Regionaldirektion der Bundesagentur fur Arbeit.79

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Triangulare Beziehungen in der Zeitarbeit, (Quelle: Vgl. Mai 2008 S.470, eigene Erganzungen)

Vertraglich geregelt ist das Dreiecksverhaltnis (s. Abb. 3) durch den Arbeitsvertrag zwischen Personaldienstleistern und deren Arbeitnehmern, sowie dem Arbeitnehmer- uberlassungsvertrag zwischen dem Personaldienstleister und dem Entleiher.80

Der Verleiher ist zwar gesetzlich der Arbeitgeber fur den Zeitarbeitnehmer und ver- antwortlich fur Lohn, Abgaben und Kompensationszahlungen,81 die Arbeitsleistung er- bringt der Zeitarbeitsnehmer jedoch bei dem Entleiher. Dabei ist es Aufgabe der Zeit- arbeitsfirma, auf eine moglichst genaue Ubereinstimmung zwischen dem betrieblichen Anforderungsprofil des Entleihbetriebes und den Qualifikationen der Zeitarbeitnehmer zu erzielen.82

Die Verleihunternehmen haben oftmals viele Kompetenzen unter einem Dach vereint, dazu gehoren Personalvermittlung, -beratung und -management, unter Umstanden sogar die Ubernahme ausgegliederter Geschaftsbereiche des HR oder die Unterstutzung und Betreuung bei Personalfreisetzungen.83 16 Prozent dieser Firmen sind auch in anderen Geschaftsfeldern als der Arbeitnehmeruberlassung aktiv, vornehmlich in der Personal­vermittlung und bei der Abwicklung von Werkvertragen.84

Aktuell ist die Mehrzahl der Entleihunternehmen unter den Groftbetrieben angesiedelt. Circa ein Drittel aller Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern setzt Zeitarbeit als Be schaftigungsform ein.85 Der Entleiher ist gegenuber dem Zeitarbeiter wahrend der Uberlassungsdauer weisungsbefugt,86 er hat zudem auch eine Fursorge- und Sorgfalts- pflicht zu erfullen und hat eine Mitverantwortung fur den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu tragen. Bei der Arbeitnehmeruberlassung liegt also eine geteilte Arbeitgeberfunktion vor.87

Dieses triangulare Arbeitsverhaltnis ist der wesentliche Unterschied zwischen der Zeit- arbeit und anderen flexiblen Beschaftigungsformen wie z.B. Befristungen, bei diesen sind die Beschaftigten direkt bei dem Unternehmen in dem sie arbeiten angestellt.88

Arbeitnehmer nehmen aus diversen Grunden ein Arbeitsverhaltnis bei einer Zeitarbeits- firma auf. Ein wichtiger Grund ist der Mangel an regularen Jobangeboten. Viele Arbeit­nehmer wahlen vorzugsweise die Alternative Zeitarbeit, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. In einigen Fallen ist fur die Arbeitnehmer auch der Wunsch nach Flexibilitat ent- scheidend,89 etwa nutzen sie vor einer langfristigen Bindung an ein Unternehmen den Ein- satz in Zeitarbeit, um das Arbeitsumfeld und das Unternehmen kennenzulernen.90

Berufseinsteigern sowie Arbeitssuchenden kann Zeitarbeit einen Einstieg in den Arbeits- markt ermoglichen.91 75 Prozent der Zeitarbeitnehmer sind Manner, zudem werden Zeit- arbeitskrafte besonders fur Hilfstatigkeiten eingesetzt. Oftmals werden diese Hilfstatig- keiten von unqualifizierten Arbeitskraften ausgefuhrt, circa 30 Prozent der deutschen Zeit­arbeiter, die in der Fertigungsproduktion arbeiten, sind ungelernt bzw. verfugen uber eine Berufsausbildung ohne Bezug zu der ausgeubten Tatigkeit.92

Zeitarbeitnehmer verfugen uber dieselben Rechte wie andere Arbeitnehmer, also eine gesetzliche Absicherung, auch im Krankheitsfall muss ihnen ein Lohn gezahlt werden und sie haben einen Anspruch auf Urlaub.93 Fur die Dauer des Arbeitsauftrags sind die Zeit­arbeitnehmer beim Entleiher hinsichtlich des Arbeitsentgeltes und der Arbeitszeiten wie entsprechende Stammarbeitnehmer im Unternehmen zu behandeln. Ausnahmen sind lediglich durch Tarifvertrage moglich.94

Zeitarbeitsverhaltnisse sind sozialversicherungspflichtig und zumeist unbefristet. Zeitar- beitnehmer werden nach Tarif entlohnt und arbeiten in der Regel in Vollzeit. Ihnen wird durch Zeitarbeit ermoglicht, Berufserfahrung zu sammeln.95 Zeitarbeitnehmer mussen sich oftmals auf verschiedene Einsatzorte, Vorgesetzte und Kollegen einstellen, weshalb bei ihnen Fahigkeiten wie Anpassungs- und Teamfahigkeit besonders gut ausgepragt sind, dies erhoht ihre spateren Chancen auf eine Festanstellung.96

Zeitarbeit ist von jeher ein verhaltnismaftig stark reguliertes personalpolitisches Instru­ment, ihre Entwicklung am Arbeitsmarkt verlauft deshalb oftmals analog zu Anderungen im Arbeitnehmeruberlassungsgesetz. Diese gesetzlichen Anpassungen und die damit ver- bundenen Entwicklungen sollen nachfolgend skizziert werden.

2.2.2 Rechtliche Entwicklungen

Erstmalige gesetzliche Regelungen zur Zeitarbeit gab es 1972 durch das Gesetz zur Regelung der gewerbsmaftigen Arbeitnehmeruberlassung (AUG) zum Ende einer Phase mit enormem Arbeitskraftemangel.97 Das Arbeitnehmeruberlassungsgesetz dient seitdem als rechtliche Grundlage fur die gewerbsmaftige Arbeitnehmeruberlassung. Es dient dem Schutz der Zeitarbeitnehmer und soll auch Kundenunternehmen vor unseriosen Ver- leihern schutzen.98

Schlechte Einkommensverhaltnisse und ungunstige Arbeitsbedingungen fuhrten in den letzten 30 Jahren zu vielen Reformen im AUG99:

1982 wurde ein Verbot der Arbeitnehmeruberlassung (AU) im Bauhauptgewerbe festgesetzt. Generelles Ziel der Zeitarbeitsreformen war es, durch eine Bundelung von kurzen Arbeitseinsatzen dauerhafte Beschaftigungsverhaltnisse zu schaffen. Da die Uberlassungsdauer aber auf nur drei Monate beschrankt wurde und auch die Wieder- einstellung nach vorausgegangener Entlassung verboten war, hielten sich die Moglich- keiten zur Nutzung der Arbeitnehmeruberlassung in sehr engen Grenzen.

Durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit folgte dann 1985 die Anhebung der Uberlassungs- hochstdauer von drei auf sechs Monate.100

1994 kam es zu einer Verlangerung der Uberlassungshochstdauer von sechs auf neun Monate und zur Aufhebung des Synchronisationsverbotes, fur laut Bundesagentur fur Arbeit schwer vermittelbare Arbeitslose.101 Das Synchronisationsverbot schrieb vor, dass die Dauer des Arbeitsverhaltnisses zwischen Personaldienstleister und Zeitarbeitnehmer langer sein musste, als die Zeit des ersten Einsatzes bei einem Entleihbetrieb.102 Gegen Ende der neunziger Jahre war Deutschland immer noch eines der Lander, in denen die Zeitarbeit vergleichsweise stark reguliert wurde.103

2002 wurde die Uberlassungshochstdauer schlieftlich auf 24 Monate angehoben. Nach zwolf Monaten im Kundenunternehmen sollte eine Gleichbehandlung der Zeitarbeit­nehmer mit den Stammarbeitskraften gewahrt werden (Equal Treatment und Equal Pay).104

Zur Bekampfung der immer fort steigenden Arbeitslosigkeit, schlug die Hartz-Kommission 2003 schlieftlich vor, Personalserviceagenturen zur staatlich geforderten Arbeitnehmer- uberlassung zu nutzen. Die Bundesregierung erhoffte sich durch diese Jnstitutiona- lisierung des Klebeeffekts", also der Ubernahme von Zeitarbeitnehmern in einen Entleih­betrieb, einen betrachtlichen Abbau der Arbeitslosigkeit.105

2003 wurden im Rahmen der Hartz-Reformen weitere gesetzliche Anderungen im AUG mit folgenden Schwerpunkten vorgenommen:

Die Befristungsregelungen wurden aufgehoben, es gelten nun die allgemeinen Vor- schriften zur Befristung gemaft dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Die Beschrankung der Arbeitnehmeruberlassung auf 24 Monate gilt nicht mehr, die Uberlassungshochst­dauer wurde komplett aufgehoben.106

Das Synchronisationsverbot fur Zeitarbeitsvertrage wurde aufgehoben.107 Lockerungen gab es im Bereich des Baugewerbes, hier ist eine gewerbliche Uberlassung von Arbeitern erlaubt solang dies allgemeinverbindliche Tarifvertrage zulassen. Das Gesetz regelt nun auch eine generelle Gleichbehandlung der Zeitarbeitnehmer im Kundenunternehmen, es sei denn es sind andere Vereinbarungen in Tarifvertragen getroffen worden.108

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Ubersicht der bedeutendsten gesetzlichen Anpassungen in der Zeitarbeit, (Quelle: Vgl. Bundesagentur fur Arbeit 2011d, S. 5; Bundesregierung 2011)

Etwa 90 Prozent der Zeitarbeitnehmer sind ebendiesen Tarifvertragen unterworfen. Die bestehenden Lohnunterschiede zwischen Stammarbeitskraften und Zeitarbeitskraften wurden somit konstituiert.109 Seit 2009 ist mit dem Gesetz zur Sicherung von Beschafti- gung und Stabilitat eine Inanspruchnahme von Kurzarbeit in der Zeitarbeit moglich.110

Seit dem 1. Januar 2012 sind Mindestlohne in der Zeitarbeit gesetzlich verankert, ab dem 1. Januar 2013 werden diese nochmals erhoht, diese Verordnung gilt bis Oktober 2013.111

Es ist anzunehmen, dass die gesetzlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte einen flexibleren Einsatz von Zeitarbeit und somit einen Anstieg in deren Nutzung gefordert haben (s. Abb. 5).112 Neben den gesetzlichen Entwicklungen sind fur den fortwahrenden Anstieg der Zeitarbeitsnutzung auch die Grunde entscheidend, die hinter dem Einsatz von Zeitarbeit in einem Unternehmen stehen.

2.2.3 Grunde fur den Zeitarbeitseinsatz

Als ein wichtiges Instrument zur flexiblen Anpassung des Arbeitskrafteangebotes an eine schwankende Nachfrage hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren die Zeitar- beit etabliert.113

Auf Grund der dynamischen Umweltbedingungen ist ein Haupteinsatzmotiv fur Zeitarbeit der flexible Einsatz von Personal, durch den Einsatz von Zeitarbeitskraften konnen Auf- tragsspitzen oder Schwankungen in der Nachfrage nach Unternehmensprodukten oder -leistungen kurzfristig abgefedert werden.114 Unternehmen sind somit nicht gezwungen in solchen Hochphasen neues Stammpersonal einzustellen, dies ware auf Grund der scharfen Kundigungsregelungen in Deutschland115 und der anfallenden Kosten fur Suche und Entlassung oft nicht rentabel.116

Folglich ist ein weiterer Einsatzgrund fur Zeitarbeit die Absicht, das Beschaftigungsrisiko zu verringern, also jenes Risiko, das durch die anfallenden Transaktionskosten bei eige- nen Angestellten durch Einstellungen und Entlassungen entsteht. Im Falle eines uner- warteten Nachfrageeinbruchs etwa, fallen fur Zeitarbeitskrafte keine zusatzlichen Entlas- sungskosten an, da diese bei der Zeitarbeitsfirma beschaftigt sind. Auch Such- und Ein- stellungskosten, die Auswahl und Rekrutierung der potenziellen Arbeitskrafte ubernimmt die Zeitarbeitsfirma, was dem Entleiher Kosten spart.117

Ein weiteres Motiv fur den Einsatz von Zeitarbeit kann im Hochlohnland Deutschland auf Kostensenkungsabsichten zuruckgefuhrt werden.118 Auch fur HR-Motive, wie die Entlas- tung des Human Resource Managements119 und die Rekrutierung bzw. das Austesten potentieller neuer Mitarbeiter120, wird Zeitarbeit eingesetzt. Gerade in Zeiten des Fachkraf- temangels121 wird Zeitarbeit von Unternehmen verstarkt eingesetzt, um neue Kompeten- zen zu gewinnen.122

Bereits in fruheren Erhebungen wurden verschiedene Grunde fur den Einsatz von Zeit­arbeit untersucht. Wie in folgender Abbildung deutlich wird, kamen sowohl die Untersu chungen Flex4Work I, FlexPro und das Institutfur Wirtschaft Koln zu ahnlichen Ergebnis- sen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Grunde fur den Einsatz von Zeitarbeit, vgl. anderer Erhebungen (Quelle: FlexPro, Flex4Work I und IW-Koln, 2011)123

Erhebungsubergreifend liegt das Hauptmotiv fur den Einsatz von Zeitarbeit in einem Aus- gleich von Nachfrageschwankungen. Durchschnittlich 80 Prozent der Unternehmen setzen Zeitarbeit unter diesem Motiv ein. Zweitwichtigster Grund ist die Verringerung des Beschaftigungsrisikos, welches mit eigenen Einstellungen und Freisetzungen verbunde- nen ist. Rund 70 Prozent der befragten Unternehmen versuchen durch Zeitarbeit dieses Risiko zu umgehen.

HR-Motive wie die Entlastung der Personalabteilung, die Gewinnung neuer Kompetenzen fur das Unternehmen oder das Austesten neuer Mitarbeiter gaben insgesamt durch­schnittlich 30 Prozent der Betriebe als Einsatzgrunde an. Ebenso wurde in jenen drei Er­hebungen deutlich, dass der Einsatzgrund der Lohnkostensenkung deutlich hinter den anderen Motiven zurucktritt. Nur jedes funfte Unternehmen setzt Zeitarbeit ein, um Per- sonalkosten zu reduzieren.

Die Handhabung von Zeitarbeit unterscheidet sich in Unternehmen und Branchen nicht nur anhand der Einsatzgrunde. Sie hangt von verschiedenen betrieblichen Parametern und Auspragungen des Zeitarbeitseinsatzes ab.124 Diese Einflussfaktoren sind Gegens- tand des nachsten Kapitels.

2.2.4 Einflussfaktoren des Zeitarbeitseinsatzes

Zeitarbeit ist nicht gleich Zeitarbeit. Die Auspragungsform ihres Einsatzes folgt zumeist ihrer Funktion, also der Strategie, die das Unternehmen verfolgt.125 In Bezug auf diese Auspragungsformen sind verschiedene Charakteristika der Zeitarbeit zu betrachten: die Nutzungsintensitat, die Ubernahmequote sowie die Einsatzdauer und- haufigkeit. Auch unternehmensspezifische Determinanten wie das Lohnniveau und das Qualifikations- niveau beeinflussen die Nutzung von Zeitarbeit und sollen nachfolgend beschrieben werden.

Charakteristika der Zeitarbeit Nutzungsintensitat

Die Nutzungsintensitat der Zeitarbeit, ist der Anteil der Zeitarbeitnehmer an der Gesamt- belegschaft eines Unternehmens.126 In der Groftenklasse von 100 bis unter 500 Be- schaftigten hat sich die Anzahl der Zeitarbeitskrafte in den letzten Jahren fast verdoppelt und in Betrieben mit mehr als 500 Beschaftigten sogar mehr als verdoppelt.127 Im gewerblichen Bereich wird Zeitarbeit haufig mit einer Intensitat von 10 bis 20 Prozent der Belegschaft genutzt oder sogar noch daruber hinaus. Oftmals sind dort ausfuhrenden Funktionen und die unterste Vorgesetztenebene ganzer Produktionsabteilungen mit Zeit- arbeitern besetzt.128

BELLMANN nimmt eine Kategorisierung der Einsatzintensitat in drei Stufen vor: Unter­nehmen, deren Belegschaft nur bis zu 5 Prozent aus Zeitarbeitnehmern besteht, weisen eine geringe Nutzungsintensitat auf, eine starkere Nutzung liegt bei 5 bis 20 Prozent vor und bei uber 20 Prozent wird von intensiver Nutzung der Zeitarbeit ausgegangen.

Uber die Halfte aller Betriebe, die Zeitarbeit einsetzen, nutzen diese in nur geringem Mafte (ca. 54%), starker genutzt wird das Flexibilisierungsinstrument bei knapp 36 Pro­zent und nur etwa ein Zehntel der Unternehmen, die Zeitarbeit einsetzen, nutzt Zeitarbeit intensiv.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Nutzungsgrad der Zeitarbeit nach Intensitat (Quelle: vgl. Bellmann & Kuhl 2007, S. 20)

Obgleich diese Daten schon vor einigen Jahren erhoben wurden, lasst sich bereits deut- lich die Entwicklung hin zur intensiven Nutzung der Zeitarbeit erkennen. 1998 waren es nur 4,8 Prozent der Unternehmen, die Zeitarbeit intensiv nutzten, 2006 waren es bereits doppelt so viele.129

Die Intensitat der Nutzung steigt und fallt jedoch auch mit saisonalen Schwankungen. In Zeiten grower Nachfrage ist es ublich, dass in einem Groftteil der Unternehmen 20 bis 30 Prozent der Belegschaft in Zeitarbeit angestellt sind.130 Die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaft intensiven Nutzung von Zeitarbeit erhoht sich mit einem hohen Lohnniveau im Unternehmen.131

Einsatzdauer und Einsatzhaufigkeit

Zeitarbeit und andere externe Flexibilisierungsinstrumente werden haufig reaktiv als Puffer bei schwankender Nachfrage eingesetzt, weshalb die Einsatzdauer dementspre- chend oft sehr kurz ist. Der proaktive Einsatz der Zeitarbeit dient eher der langfristigen Unsicherheitsreduzierung, etwa bei dem Beschaftigungsrisiko und den damit zusammen- hangenden Transaktionskosten. Die Dauer des Einsatzes schwankt zwischen einigen Tagen und mehreren Monaten, auch in Abhangigkeit von der Fertigungsstruktur und dem Auftragsvolumen des Unternehmens.132

Die Arbeitnehmeruberlassungsstatistik gibt Auskunft uber die Dauer des Angestelltenver- haltnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Zeitarbeitsfirma). Uber 50 Prozent der Zeitarbeitnehmer wurden 2010 nach weniger als drei Monaten wieder entlassen, 9,5 Pro­zent sogar schon nach weniger als einer Woche.133

Wichtig ist wohl auch die Betrachtung der Einsatzdauer des Zeitarbeitnehmers in einem Entleihunternehmen. Die Arbeitnehmeruberlassungsstatistik gibt diese Information nur in direkt, denn naturlich ist auch der Einsatz, zumindest als Zeitarbeitskraft, im Unternehmen beendet, wenn das Arbeitsverhaltnis mit der Zeitarbeitsfirma aufgelost wird. Zu vermuten sind also durchaus auch sehr kurze Einsatze im Unternehmen von weniger als drei Monaten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Beendete Arbeitsverhaltnisse nach Beschaftigungsdauer der Zeitarbeitnehmer, (Quelle: vgl. Arbeitnehmeruberlassungsstatistik 12/ 2010)

Eine Erhebung des Instituts fur Wirtschaft Koln (s. Abb. 10) bezieht sich auf die durch- schnittliche Uberlassungsdauer im Unternehmen, 31 Prozent, also knapp ein Drittel der Zeitarbeitnehmer, sind weniger als drei Monate in einem Unternehmen angestellt.134 Die Tendenz zu sehr kurzen Uberlassungszeitraumen wird also auch hier deutlich.

26 Prozent der Unternehmen fordern Zeitarbeitnehmer fur einen Zeitraum zwischen drei Monaten und einem Jahr an, 28 Prozent setzen diese zwischen sechs Monaten und einem Jahr ein. Nur 15 Prozent der Zeitarbeitnehmer bleiben langer als ein Jahr in ein und demselben Unternehmen.135

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine gute Ertragslage eines Unternehmens fuhrt zu einer hoheren Nutzungswahrschein- lichkeit von Zeitarbeit, zu hoherer Nutzungsintensitat und ebenso zu einer langeren Ein-satzdauer.136 Abhangig von der verfolgten Strategie nutzen Unternehmen Zeitarbeit auch in einer bestimmten Einsatzhaufigkeit, diese schwankt zwischen zwar zeitlich prazisen aber sporadischen Kurzeinsatzen, also einer geringen Einsatzhaufigkeit und einer perma- nenten Nutzung, welche einer hohen Einsatzhaufigkeit entspricht.137

Ubernahmequote

Aus einer Anstellung in Zeitarbeit bietet sich fur viele Arbeitnehmer die Perspektive, in einem Kundenunternehmen fest angestellt zu werden. Besonders diese Bruckenfunktion durfte in der heutigen Arbeitsmarktsituation an Bedeutung gewinnen.138 Die Ubernahme­quote bezeichnet den Anteil der Zeitarbeitnehmer, die nach ihrem Einsatz von dem Kun­denunternehmen fest angestellt werden.139 Etwa 14 Prozent der Zeitarbeitnehmer, also jeder Siebte, wird derzeit von seinem Einsatzbetrieb ubernommen.140 Diese unmittelbare Ubernahme von Zeitarbeitskraften in einen ehemaligen oder den derzeitigen Einsatzbe­trieb, bezeichnet PROMBERGER als Klebeeffekt. Die hochste Chance auf eine Uber­nahme besteht fur Zeitarbeitnehmer im verarbeitenden Gewerbe und in Groftbetrieben.141

Unternehmensspezifische Determinanten

Neben den in Kapitel 2.1 erlauterten internen und externen Kontextfaktoren begunstigen noch weitere unternehmensspezifische Faktoren speziell den Einsatz von Zeitarbeit: das Lohnniveau und das Qualifikationsniveau im Unternehmen.

Lohnniveau

Das relative Lohnniveau der Stammbelegschaft hat auch einen positiven Effekt auf die Nutzung externer Flexibilisierung. Je hoher das interne Lohnniveau ist, umso grofter ist der Anreiz, gunstigere Arbeitskrafte am Markt einzukaufen, etwa bei Zeitarbeitsfirmen.142 41 Prozent der Unternehmen, die Zeitarbeit nutzen, betrachten hohe zu erwartende Lohn- kosten als betriebliches Problem, bei Unternehmen ohne Zeitarbeitseinsatz liegt der Anteil bei nur 23 Prozent.143 Da es schwer zu bestimmen ist, welches Lohnniveau hoch und wel- ches niedrig einzustufen ist, wurde als Vergleichswert in dieser Untersuchung die Hohe des Lohnniveaus der Wettbewerber herangezogen.

Qualifikationsniveau

Beim Qualifikationsniveau kann das des Unternehmens und das der Zeitarbeitnehmer unterschieden werden. Externe Flexibilisierung wird oftmals dort eingesetzt, wo die Fahig- keiten, die zur Erfullung der Arbeitsaufgabe notwendig sind, nicht einzigartig sind und nicht wertschaffend.144 Zeitarbeitnehmer zu beschaftigen ermoglicht Unternehmen die Kernkompetenzen auf die Stammbelegschaft zu konzentrieren, also jene Aufgaben, wel- che die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens ausmachen, wahrend die Zeitarbeits- krafte Hilfsarbeiten verrichten.145

Die Qualifikationsstruktur der Belegschaft, allgemein die des Unternehmens, ist also eine Komponente bei der Wahl der Beschaftigungsform. Zeitarbeit wird bislang vor allem dort effektiv eingesetzt, wo die Qualifikation von peripherer Bedeutung ist, dies sind vor allem Routinetatigkeiten wie einfache Montage-, Transport-, Zufuhr-, Einlege- und Abnahme- tatigkeiten, einfache Kommunikations- und Verwaltungsarbeiten. Es ist deshalb zu ver- muten, dass Betriebe mit einem Groftteil einfacher Tatigkeiten mit grofterer Wahrschein- lichkeit Zeitarbeit nutzen als Unternehmen, die ein hoheres Qualifikationsniveau haben.146

Arbeitsaufgaben, die umfangreicher Trainings und somit Einarbeitung bedurfen, werden sehr unwahrscheinlich mit geringqualifizierten Zeitarbeitern besetzt, ihr Einsatz ist beson- ders dort sinnvoll, wo kein besonderes firmenspezifisches Wissen von Noten ist.147 Bei dem Einsatz von Spezialkraften verhalt sich dies anders. Sie verfugen bereits uber ein hohes Qualifikationsniveau und konnen von Unternehmen in Zeitarbeit eingesetzt werden, um Wissenslucken zu schlieften.148

Nachdem die wesentlichen Charakteristika der Zeitarbeit sowie die faktoralen und funktio- nalen Zusammenhange ihrer Nutzung beschrieben wurden, beschaftigt sich das nachste Kapitel mit der aktuellen Situation in der Bundesrepublik Deutschland. Die Stellung, wel- che dieses Beschaftigungsmodell auf dem deutschen Arbeitsmarkt derzeit einnimmt, kann mit zahlreichen empirischen Daten umrissen werden.

2.2.5 AktuellerStand der Zeitarbeit

Seit Mitte der achtziger Jahre befindet sich die Zeitarbeit in einem rapiden Aufschwung.149 Derzeit nutzen zwei bis drei Prozent der deutschen Unternehmen dieses Flexibilisierungs- instrument — Tendenz steigend.150

In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Zeitarbeitnehmer mehr als verzehnfacht. Die momentane Entwicklung weist eine enorme Zunahme auf, seit 2004 ist ihre Anzahl um uber 50 Prozent auf uber eine halbe Million angestiegen (s. Abb. 6).151

Auffallig bei diesem enormen Wachstum der Zeitarbeitsbranche in den letzten zehn bis 15 Jahren ist, dass sich die Lohne der Zeitarbeitskrafte verhaltnismaftig verschlechtert haben. Menge und Preis am Zeitarbeitsmarkt weisen eine negative Korrelation auf, was darauf hindeutet, dass diese Entwicklung eher durch einen Angebotsschub von Zeitarbeit als durch einen Nachfragezuwachs verursacht wurde, was wiederum eine Erklarung fur die schlechten Lohnverhaltnisse bietet.152

Aufterdem werden Zeitarbeitnehmer bislang vorrangig fur Hilfstatigkeiten eingesetzt. In diesen geringqualifizierten Aufgabenbereichen wird die Arbeit oftmals nicht nur gering entlohnt, die Differenzen zu den Stundensatzen der Stammbeschaftigten sind auch ten- denziell noch grofter, als jene im Facharbeiterbereich.153

Die Vertrage geben zumeist eine Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche vor. Jedoch ist die Anpassung der wochentlichen Arbeitszeit an die ubliche Wochenarbeitszeit im Ent- leihbetrieb vertraglich zusatzlich gefordert, die oftmals einer 40 Stunden Woche ent- spricht. Zwar sind auch Uberstundenregelungen ublich, jedoch wird die Bezahlung auf 35 Stunden Basis vorgenommen. Geringere Lohnverhaltnisse sind demnach auch eine Folge der geringeren, vertraglich geregelten Wochenarbeitszeit.154

Zeitarbeit deckt eine breite Palette an Berufen und Qualifikationen ab.155 Manner und Aus- lander sind in der Zeitarbeit immer noch uberdurchschnittlich haufig vertreten.

[...]


1 Vgl. MIEGEL et al. (2007), S. 10.

2 Vgl. PROMBERGER (2006), S. 46.

3 Vgl. IW-Zeitarbeitsindex (2011), S. 1 /Zuwachs u. A. saisonbedingt

4 Vgl. RUDOLPH/ SCHRODER (1997), S. 102.

5 Vgl. ArbZG §3.

6 Vgl. KRESS (1998), S. 489., SEIFERT (2004), S. 2.

7 DRUCKER (1942) S. 79.

8 Vgl. GUSTAVSSON (1984), S. 801.

9 Vgl. SEIFERT (2004), S. 1.

10 Vgl. KRESS (1998), S. 489.

11 Vgl. HORSTMANN (2007), S.1

12 Vgl. ZHANG et al. (2003), S. 173.

13 Vgl. WILLIAMSON (1979), S. 237.

14 Vgl. PROMBERGERet al. (2006), S. 92.

15 Vgl. BHATTACHARYA et al. (2005), S. 626.

16 Vgl. § 7 SGB IV.

17 Vgl. GUPTA/ SOMERS (1992), S. 166.

18 Vgl. ZHANG et al. (2003), S. 173.

19 Vgl. HANSMANN (2006), S.211.

20 Vgl. HORSTMANN (2007), S. 178-179.

21 Vgl. Ebda., S. 178-179.

22 Vgl. KALLEBERG et al. (2003), S. 535.

23 Vgl. BELLMANN (2004), S.136., Vgl. PROMBERGERet al. (2006), S. 70.

24 Vgl. PROMBERGERet al. (2006), S. 73.

25 Vgl. BEA/ GOBEL (2010), S. 271.

26 Vgl. COHEN/ PFEFFER (1986), S. 2.

27 Vgl. PFEFFER (1994), S.21.

28 Vgl. PERROW (1967), S. 194-196.

29 Vgl. THOMPSON (1967), S. 54-55.

30 Vgl. THOMPSON (1967), S. 55 - 56.

31 Vgl. MATUSIK/ HILL (1998), 683-684.

32 Vgl. MATUSIK/ HILL (1998), S. 684.

33 Vgl. Ebda., S. 687.

34 Vgl. PROBST (2010), S.241.

35 Vgl. BELLMANN/ KUHL (1997), S.2.

36 Vgl. MIEGEL et al. (2007), S. 31-32.

37 Vgl. SANCHEZ (1995), S.138.

38 Vgl. BHATTACHARYA et al. (2005), S. 635.

39 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 32.

40 Vgl. BELLMANN (2004), S.136., Vgl. PROMBERGERet al. (2006), S. 70.

41 Vgl. HORSTMANN (2007), S. 16.

42 Vgl. REILLY (1998), S. 9.

43 Vgl. REILLY (1998), S. 11-12.

44 Vgl. HOUSEMAN (2001), S. 155.

45 Vgl. HORSTMANN (2007), S. 16.

46 Vgl. REILLY (1998), S. 10-11.

47 Vgl. NIENHUSER/ BAUMHUS (2002), S. 75.

48 Vgl. SCHLICK et al. (2010), S. 614.

49 Vgl. PROMBERGER et al. (2006) S. 72.

50 Vgl. SCHLICK et al. (2010) S. 594.

51 Vgl. HOUSEMAN (2001), S. 151; DORMANN (2007), S. 54.

52 Vgl. PROMBERGER (2006), S. 86.

53 Vgl. REILLY (1998), S. 12.

54 Vgl. SEIFERT (2004), S. 14.

55 Vgl. HOUSEMAN (2001), S. 151.

56 Vgl. SCHLICK et al. (2010), S.495.

57 Vgl. OLFERT/STEINBUCH (1999), S. 203-204.

58 Vgl. § 1 (4) BBiG

59 Vgl. REILLY (1998), S. 10, 20.

60 Vgl. SEIFERT (2003), S. 644.

61 Vgl. REILLY (1998), S. 9-11.

62 Vgl. HORSTMANN (2007), S.16.

63 Vgl. VANSELOW (2009), S. 2.

64 Vgl. REILLY (1998), S. 9-12.

65 Vgl. MATUSIK/ HILL (1998), S. 681-683, 691.

66 Vgl. GAREN (2006), S. 114.

67 Vgl. HOUSEMAN (2001), S. 151.

68 Vgl. GUTMANN (1999), S. 51.

69 Vgl. NIENHUSER/ BAUMHUS (2002), S. 68-69, 79-83.

70 Vgl. NESHEIM (2003),S. 533.

71 Vgl. KOPPEN (1999), S. 27.

72 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 50.

73 Vgl. PROMBERGERetal. (2006), S. 148.

74 Vgl. RUDOLPH/ SCHRODER (1997), S. 112, 113.

75 Vgl. HORSTMANN (2007), S. 21-22.

76 Vgl. RUDOLPH/ SCHRODER (1997), S. 102.

77 Vgl. VANSELOW (2009), S. 2.

78 Vgl. AU Bericht (2010), S. 40.

79 Vgl. Bundesagentur furArbeit (2011a), S. 1.

80 Vgl. SPERMANN (2011), S. 8.

81 Vgl. GAREN (2006), S. 118.

82 Vgl. RUDOLPH/ SCHRODER (1997), S. 105.

83 Vgl. MIEGELet al. (2007), S. 15.

84 Vgl. BOUNCKEN et al. (2011), S. 90-91.

85 Vgl. PROMBERGERet al. (2006), S. 57-58.

86 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 5.

87 Vgl. VANSELOW (2009), S. 2.

88 Vgl. BURDA/ KVASNICKA (2005), S. 2.

89 Vgl. GAREN (2006), S.14.

90 Vgl. MIEGELet al. (2007), S.15.

91 Vgl. BURDA/ KVASNICKA (2005), S. 4.

92 Vgl. MITLACHER (2007), S.2.

93 Vgl. Bundesagentur furArbeit (2011c), S.1.

94 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 5.

95 Vgl. MIEGEL et al. (2007), S. 42.

96 Vgl. Ebda., S. 17.

97 Vgl. Ebda., S. 17.

98 Vgl. AU-Bericht (2010) S. 5.

99 Vgl. BELLMANN (2004), S. 135.

100 Vgl. MIEGELet al. (2007), S. 18.

101 Vgl. Ebda., S. 17-18.

102 Vgl. RUDOLPH/ SCHRODER (2007), S. 103.

103 Vgl. BURDA/ KVASNICKA (2005) S. 7.

104 Vgl. Bundesagentur fur Arbeit (2011d) S. 5.

105 Vgl. MIEGELetal. (2007)S. 19.

106 Vgl. Bundesagentur fur Arbeit (2011d) S. 5.

107 Vgl. DORMANN (2007) S. 40.

108 Vgl. Bundesagentur fur Arbeit (2011d) S. 5.

109 Vgl. MIEGELetal. (2007)S. 18-19.

110 Vgl. Bundesagentur fur Arbeit (2011d) S. 5.

111 Vgl. Bundesregierung (2012), S. 1.

112 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007) S. 5.

113 Vgl. RUDOLPH/ SCHRODER (1997), S. 106.

114 Vgl. HOUSEMAN (2001), S. 158.

115 Vgl. HOLST etal. (2010), S. 132.

116 Vgl. PROMBERGERet al. (2006), S.87.

117 Vgl. HOLST etal. (2009), S. 17-18.

118 Vgl. NIENHUSER/ BAUMHUS (2002), S. 110.

119 Vgl. ALEWELL (2006), S. 21.

120 Vgl. HOUSEMAN (2001), S. 156.

121 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007) S. 34.

122 Vgl. KALLEBERG et al. (2003), S.538.

123 Vgl. Flex4Work I (s. BOUNCKEN et al. 2011), FlexPro (2011) & IW-Koln (2011)

124 Vgl. PROMBEGERet al. (2006), S. 89.

125 Vgl. HOLST etal. (2009), S. 14-15.

126 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 19.

127 Vgl. Ebda., S. 41.

128 Vgl. PROMBERGERetal. (2006), S. 104.

129 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 20.

130 Vgl. HOLST etal. (2009), S. 17.

131 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 36-37.

132 Vgl. Ebda., S.17-18.

133 Vgl. Bundesagentur furArbeit (2010) Tab.4.

134 Vgl. IW-Koln (2011), S. 28.

135 Vgl. Ebda., S. 27-28.

136 Vgl. PROMBERGER et al. (2006), S. 84.

137 Vgl. HOLST etal. (2009), S. 15.

138 Vgl. MIEGEL et al. (2007), S. 42.

139 Vgl. FISCHER &LEHMANN (2011), S.123.

140 Vgl. IW KOLN (2011), S. 32.

141 Vgl. PROMBERGER et al. (2006), S.119-121.

142 Vgl. GRAMM/ SCHNELL (2001), S. 252.

143 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 34.

144 Vgl. LEPAK/ SNELL (1999), S. 40.

145 Vgl. HIPPEL et al. (1997), S. 95.

146 Vgl. PROMBERGERet al. (2006), S. 75, 88.

147 Vgl. DAVIS-BLAKE/ UZZI (1993), S. 200.

148 Vgl. HOUSEMAN (2001), S. 158.

149 Vgl. RUDOLPH/ SCHRODER (1997), S. 106.

150 Vgl. DORMANN (2007), S.17.

151 Vgl. BELLMANN/ KUHL (2007), S. 3.

152 Vgl. BURDA/ KVASNIKA (2005), S. 23.

153 Vgl. PROMBERGERetal. (2006), S. 15; 156.

154 Vgl. Ebda., S. 48.

155 Vgl. RUDOLPH et al. (1997), S. 106-109.

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Details

Titel
Einsatzstrategien von Zeitarbeit in Industrieunternehmen
Untertitel
Eine quantitative Untersuchung
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Staatswissenschaftlichen)
Veranstaltung
Personal- & Organisationsökonomie
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
118
Katalognummer
V214026
ISBN (eBook)
9783656422853
ISBN (Buch)
9783656423522
Dateigröße
3461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einsatzstrategien, zeitarbeit, industrieunternehmen, eine, untersuchung
Arbeit zitieren
Janin Gantz (Autor:in), 2012, Einsatzstrategien von Zeitarbeit in Industrieunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214026

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Titel: Einsatzstrategien von Zeitarbeit in Industrieunternehmen



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