Bildung und Lebenszufriedenheit in Deutschland

Eine empirische Analyse auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)


Bachelorarbeit, 2013

53 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Literatur und theoretischer Hintergrund
2.1. Grundlagen
2.2. Nutzenkonzepte und Psychologische Prozesse
2.2.1. Entscheidungs- und Erfahrungsnutzen
2.2.2. Ergebnis- und Prozessnutzen
2.2.3. Relative Bezüge, Anspruchsniveaus und Adaption
2.3. Glücksdeterminanten - eine Übersicht
2.4. Bildung und Lebenszufriedenheit
2.4.1. Gründe für einen positiven Effekt der Bildung auf das Wohlbefinden
2.4.2. Gründe für einen negativen oder neutralen Effekt der Bildung
2.4.3. Einkommen
2.4.4. Arbeitslosigkeit

3. Daten
3.1. Die Lebenszufriedenheit im SOEP
3.2. Reliabilität, Validität und Konsistenz
3.3. Die Lebenszufriedenheit in Deutschland

4. Empirische Analyse
4.1. Modell
4.2. Ergebnisse
4.2.1. Allgemeiner Bildungseinfluss
4.2.2. Bildung und Arbeitslosigkeit
4.2.3. Bildung und Haushaltseinkommen
4.2.4. Bildung und individuelles Einkommen
4.3. Interpretation

5. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Subjektive Lebenszufriedenheit im Jahr 2010

Abbildung 2: Durchschnittliche Lebenszufriedenheit verschiedener

Teilstichproben im Zeitverlauf

Abbildung 3: Jahresdummies im Zeitverlauf

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Sozioökonomische Determinanten und Lebenszufriedenheit in Deutschland, 1991 – 2010

Tabelle 2: Bildung, Arbeitslosigkeit und Lebenszufriedenheit in Deutschland, 1991 – 2010

Tabelle 3: Bildung, Haushaltseinkommen und Lebenszufriedenheit in Deutschland, 1991 – 2010

Tabelle 4: Bildung, individuelles Einkommen und Lebenszufriedenheit in Deutschland, 1991 – 2010

Tabelle 5: Linearer Bildungseffekt, individuelles Einkommen und Lebenszufriedenheit für Männer in Deutschland, 1991 –

Tabellen im Anhang:

Tabelle A1: Bildung, Arbeitslosigkeit und Lebenszufriedenheit in Deutschland, 1991 – 2010

Tabelle A2: Bildung, Haushaltseinkommen und Lebenszufriedenheit in Deutschland, 1991 – 2010

Tabelle A3: Bildung, individuelles Einkommen und Lebenszufriedenheit in Deutschland, 1991 – 2010

Tabelle A4: Linearer Bildungseffekt, individuelles Einkommen und Lebenszufriedenheit für Männer in Deutschland, 1991 – 2010.

1. Einleitung

Anders als in der Psychologie oder den Sozialwissenschaften ist Glück erst in den letzten Jahren auch ein Thema der Wirtschaftswissenschaften geworden. Womöglich mag dies zunächst Verwunderung hervorrufen. Ökonomen beschäftigen sich jedoch inzwischen mit zahlreichen Themen, die auf den ersten Blick nicht zur eigentlichen Disziplin der Wirtschaft zu gehören scheinen. Als Beispiele wären hier die Gesundheitsökonomie und die Umweltökonomie anzuführen, die aus der heutigen Wirtschaftspolitik kaum mehr wegzudenken sind.[1]

Die Hauptthematik dieser Bachelorarbeit befasst sich mit der Symbiose der zunächst unterschiedlichen Themenfelder Wirtschaftswissenschaften und Glücksforschung. Im Kern soll der Zusammenhang zwischen der sozioökonomischen Größe Bildung und dem menschlichen Glücksempfinden untersucht werden. Dies ist in politischer Hinsicht von besonderem Interesse, da die Bildungsthematik und die gesellschaftliche Wohlfahrt zwei Kernbereiche der Wirtschaftspolitik darstellen.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in folgende Teile:

Zunächst soll aufgezeigt werden, wie das Thema der individuellen Lebenszufriedenheit ein relevanter Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften geworden ist. Daraufhin folgt ein Überblick über bekannte wirtschaftstheoretische Ansätze in Verbindung mit neueren Erkenntnissen aus wissenschaftlicher Literatur der Zufriedenheitsforschung. Für Wirtschaft und Politik sind im Hinblick darauf insbesondere bereichernde Fakten aus dem Bereich der psychologischen Wissenschaft von Bedeutung. Es folgt eine Gliederung über diejenigen Bestimmungsgrößen, die für das Glücksempfinden der Menschen eine wichtige Rolle spielen.

Die nächsten beiden Kapitel beleuchten mögliche Gründe für den Einfluss der Bildung auf das Wohlbefinden der Personen. Diesbezüglich sind insbesondere auch das Einkommen oder der Beschäftigungsstatus einer Person relevant.

Im Anschluss beginnt die Einführung in den empirischen Teil der Arbeit. Dabei wird in Kapitel 3 zunächst die zugrunde liegende Datenbasis aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) erläutert. Da die Daten zur Lebenszufriedenheit auf subjektiven Beurteilungen basieren, stellt sich grundsätzlich die Frage der Verlässlichkeit solcher Datenquellen. Aus diesem Grund wird nachfolgend näher auf diese Problematik eingegangen. Abschließend zur Dateneinführung soll dem Leser ein Einblick in das Zufriedenheitsempfinden der Deutschen gewährt werden. Es wird zum einen die Häufigkeitsverteilung der subjektiven Angaben zur Zufriedenheit aus dem Jahr 2010 dargestellt. Zum anderen wird ein zeitlicher Verlauf dieser Angaben im regionalen Vergleich und im Hinblick auf hohe Einkommensbezieher und arbeitslose Personen veranschaulicht.

Nach einer kurzen Erläuterung des ökonometrischen Modells, werden die Ergebnisse einiger Glücksschätzungen präsentiert. Die Schätzungen gliedern sich stets nach Region und Geschlecht in vier Teilschätzungen auf. Zu Beginn wird unter Einbeziehung verschiedener sozioökonomischer Kontrollvariablen untersucht, ob ein statistischer Zusammenhang zwischen der Ausbildung gemessen in Jahren und der geäußerten Lebenszufriedenheit einer Person besteht. Dabei wird also in erster Linie untersucht, ob ein allgemeiner Bildungseinfluss auf das Wohlbefinden der Personen überhaupt festzustellen ist. In der darauffolgenden Schätzung wird zusätzlich auf die Dummyvariable Arbeitslosigkeit kontrolliert. Dabei wird überdies untersucht, welche Veränderungen sich in den anderen erklärenden Variablen ergeben, wenn der Glücksgleichung zusätzliche Informationen zum Beschäftigungsstatus zur Verfügung stehen. Anschließend wird die Schätzgleichung um eine weitere Variable, das Haushaltseinkommen, ergänzt. Hiermit wird versucht, die Informationen zum Haushaltseinkommen und dem Beschäftigungsstatus möglichst isoliert von der Bildung darzustellen. Aus dieser Betrachtung sollte ein möglicher Glückseffekt ausgehend von der Bildung explizit ersichtlich werden. Abschließend wird in einer letzten Schätzung, anstatt dem Haushaltseinkommen, das persönliche Einkommen als zusätzliche erklärende Variable berücksichtigt. Demgemäß werden in der letzten Glücksregression nur Erwerbstätige einbezogen. Diese Definition der Schätzgleichung basiert auf der Hypothese, dass die Qualifikation und das persönliche Einkommen einer Person eng miteinander verbunden sind. Zudem wird bei der Beschränkung auf erwerbstätige Personen eine gewisse Vergleichbarkeit erreicht. Damit können präzisere Aussagen bezüglich der Einflüsse von pekuniären Mitteln und Bildung an sich getroffen werden.

Im Anschluss an die Auswertung folgt eine Interpretation der Ergebnisse. Kapitel 5 fasst die wesentlichen Teile dieser Arbeit zusammen.

2. Literatur und theoretischer Hintergrund

2.1. Grundlagen

Lange Zeit galten das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und das Bruttosozialprodukt (BSP) in der Ökonomie als maßgebliche Wohlfahrtsindikatoren einer Volkswirtschaft. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese beiden makroökonomischen Größen bei Wohlstandsmessungen einige Defizite aufweisen. Beispielsweise erfasst das BIP keine externen Effekte, keine qualitativen Bestandteile des Wirtschaftswachstums und bildet den öffentlichen Sektor falsch ab.[2] Darüber hinaus wird das BSP als Wohlfahrtsmaß kritisiert, da es Reparaturkosten, die Verteilung des Einkommens, Schattenwirtschaft (zum Beispiel Schwarzarbeit) und Freiwilligenarbeit unzureichend berücksichtigt.[3] Es gibt daher gute Gründe diese beiden Größen um weitere „Wohlstandsgrößen“ zu erweitern.

Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse weisen außerdem darauf hin, dass selbst Bereiche der traditionellen ökonomischen Theorie aus dem Standpunkt der Glücksforschung neu überdacht werden müssen. So ist aus der Mikroökonomie bekannt, dass sich Individuen bei ihren Konsumentscheidungen für diejenigen Güterbündel entscheiden, die ihnen persönlich den größtmöglichen Nutzen bzw. das größtmögliche Glück stiften. Üblicherweise weisen Nutzenfunktionen einen abnehmenden Grenznutzen auf. Je mehr der Verbraucher von einem Gut bereits konsumiert hat, desto weniger Nutzen stiftet ihm der Konsum einer weiteren Einheit dieses Gutes.[4] Der Konsument wählt demnach zwischen den möglichen Alternativen die für ihn optimale Konsumentscheidung aus. Dadurch werden durch das objektiv beobachtete Konsumverhalten letztlich die Präferenzen und Entscheidungen der Individuen erklärt. Gemäß der neoklassischen Theorie liefern die beobachteten Entscheidungen der rationalen Wirtschaftssubjekte sämtliche Informationen, um auf den Ergebnisnutzen zu schließen.[5]

Es gibt jedoch zahlreiche Gründe, weshalb der objektive Präferenzansatz und das traditionelle Nutzenkonzept einer Erweiterung bedürfen:

- Einige alltägliche Verhaltensweisen wie „das Spendenverhalten, das Engagement in der Freiwilligenarbeit, die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen oder das Beitragen zu öffentlichen Gütern“ weisen häufig auf Diskrepanzen zwischen individuellen Präferenzen und beobachtetem Verhalten hin.[6]
- Die Realität legt nahe, dass sich Menschen in gewissen Situationen nicht immer rational verhalten. Sie sind häufig auf kurzfristigen Nutzen ausgerichtet oder können nicht vorhersehen was bestimmte Güter ihnen für einen zukünftigen Nutzen liefern. Materielle Güter werden häufig überschätzt, immaterielle Güter wie Familie oder Freunde unterschätzt. Derartige „Anomalien“ lassen sich zunehmend mit steigendem Einkommen beobachten und sind gemäß traditionellem Verhaltensansatz schwer zu prognostizieren.[7]
- Psychologen betonen seit langer Zeit, dass die Einbeziehung subjektiver Glücksindikatoren, wie sie beispielsweise in Umfragen erhoben werden, wichtig ist. Daraus können Gefühle wie Bedauern, Selbstvertrauen, individuelle Zielvorstellungen oder Statusbedürfnisse ersichtlich werden, mit denen zunächst irrational erscheinendes Verhalten bewertet werden kann. Daher bezweifeln zahlreiche Psychologen, dass der tatsächliche Nutzen ausschließlich aus den beobachteten Entscheidungen der Individuen erkennbar ist.[8]
- In der mikroökonomischen Theorie wird standardgemäß von unabhängigen Präferenzen ausgegangen. Aus den beobachteten Handlungsweisen der Menschen kann man jedoch schließen, dass sich verschiedene Präferenzen und Nutzen durchaus gegenseitig bedingen.[9]

Diese Erkenntnisse legen nahe, die bisherig „eindimensionale Messung von Wohlstand durch ein mehrdimensionales Maß zu ersetzen, das objektive und subjektive Indikatoren miteinander kombiniert.“[10] So kann das BIP als objektiver Maßstab durch subjektive Indikatoren, wie beispielsweise Ergebnisse aus Umfragen zur Lebenszufriedenheit, ergänzt werden.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist dieser Gedanke in den Wirtschaftswissenschaften erst in jüngster Zeit auf Akzeptanz gestoßen. Ein erster Versuch diesen Ansatz in der Wirtschaft zu etablieren wurde von dem Ökonom Richard A. Easterlin in einer Längs- und Querschnittsuntersuchung aus dem Jahre 1974 durchgeführt. Seine bekannte Arbeit Does Economic Growth Improve the Human Lot? Some Empirical Evidence sorgt bis heute noch für kontroverses Aufsehen. Er fand heraus, dass reichere Einkommensgruppen in den USA zu einem bestimmten Zeitpunkt zufriedener mit ihrem Leben sind als ärmere. Paradoxerweise konnten jedoch in einer länderübergreifenden Untersuchung für 10 Staaten mit unterschiedlichem Pro-Kopf Einkommen keine nennenswerten Glücksunterschiede gefunden werden. Außerdem hat Easterlin in einer Untersuchung der USA über mehrere Jahre dargelegt, dass trotz stetig steigendem Wirtschaftswachstum, die Werte auf der Glücksskala nahezu konstant bleiben oder sogar eine leicht abnehmende Tendenz aufweisen.[11] Die Gründe dafür liegen in drei psychologischen Prozessen, welche in einem späteren Kapitel näher diskutiert werden. Dabei handelt es sich um relative Vergleiche mit den Mitmenschen, Gewöhnungsprozesse und das sich stets an die Lebensumstände anpassende Anspruchsniveau.[12] Diese Studie von Easterlin sollte jedoch differenziert betrachtet werden. Aus der Forschung ist mittlerweile bekannt, dass bei länderübergreifenden Glücksuntersuchungen auch kulturelle und politische Faktoren berücksichtigt werden müssen. Die Vergleichbarkeit zwischen Ländern anhand von Glücksdaten gestaltet sich jedoch schwierig, da verschiedene Glücksvorstellungen zwischen den einzelnen Kulturen bestehen. Dies kann zu kulturellen Verzerrungen in den Ergebnissen führen.[13]

Die Glücksforschung hat in der Vergangenheit äußerst relevante ökonomische Erkenntnisse erzielt. Die breite Palette an „Glücksliteratur“ umfasst unter anderem ökonomische Themen wie die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit, Einkommen oder der Inflation auf das persönliche Glücksempfinden.

2.2. Nutzenkonzepte und Psychologische Prozesse

Der folgende Abschnitt bietet einen Überblick über die verschiedenen Nutzenansätze, die in Bezug auf Bildung eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus werden einige psychologische Vorgänge beschrieben, die für das Verständnis von Glück und Zufriedenheit elementar sind.

2.2.1. Entscheidungs- und Erfahrungsnutzen

Aus traditionell ökonomischer Sicht entscheiden sich rationale Individuen bei ihren Alternativen für diejenigen, die ihnen den größtmöglichen Nutzen stiften. Sie ziehen demnach diejenigen Wahlmöglichkeiten anderen Alternativen vor, von denen sie ihr größtes Glück bzw. die größte Zufriedenheit erwarten.

Da der ökonomische Nutzen schwer messbar ist, ging man davon aus, dass er sich im entsprechenden Entscheidungsnutzen der Individuen widerspiegelt. Es war jedoch nicht möglich quantitative Auskünfte über diesen Nutzen zu geben. Das vorige Kapitel veranschaulichte jedoch, dass sich der tatsächlich „erfahrene“ Nutzen von demjenigen, den die Wirtschaftssubjekte bei ihren Entscheidungen erwarten, durchaus unterscheiden kann. Daher verkörpert der Erfahrungsnutzen die tatsächlich empfundene Effektstärke an Zufriedenheit bei der Wahl einer Alternative. Der Entscheidungsnutzen stellt also durch die individuellen Präferenzen eine Hierarchie der jeweiligen Wahlmöglichkeiten auf. Er kann sich jedoch maßgeblich aus der verzerrten Erinnerung des tatsächlichen Erfahrungsnutzens ergeben. Der Erfahrungsnutzen, der durch Fragen nach dem subjektiven Wohlbefinden gemessen wird, eignet sich für viele ökonomische Fragestellungen besser, als der klassische Entscheidungsnutzen.

Das subjektive Wohlbefinden kann in Bezug darauf als Summe aller Entscheidungen gesehen werden, die der betreffende Mensch bis zu diesem Zeitpunkt getroffen hat.[14]

2.2.2. Ergebnis- und Prozessnutzen

Das bisherige Augenmerk zur Bewertung beispielsweise bestimmter politischer Handlungen oder institutioneller Rahmenbedingungen lag auf dem Ergebnis, das sie zum Wohlergehen der Menschen beitragen. Bei dieser Annahme könnte argumentiert werden, dass eine Demokratie besser für die Bürger eines Landes ist, als ein totalitäres Regime, da die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eher an ihren Bedürfnissen orientiert sind. Der Ergebnisnutzen aus einem demokratischen System ist für die Bevölkerung höher. Es könnte jedoch sein, dass die Bevölkerung auch einen Nutzen aus dem demokratischen Prozess selbst zieht in Folge politischer Teilhabe und Mitbestimmungsmöglichkeiten beziehungsweise politischer Partizipation. Diese Vorzüge spiegeln sich in dem Prozessnutzen wider, den die Bürger durch die demokratischen Rahmenbedingungen erfahren. Er ist unabhängig vom institutionellen Ergebnis und äußert sich zum Beispiel in Gefühlen wie dem Vertrauen in die Institution oder der Motivation sich politisch zu engagieren.

An dieser Stelle kann Bildung eine entscheidende Rolle spielen. In einem späteren Abschnitt dieser Arbeit wird noch deutlicher ausgeführt, dass Bildung unter anderem zu Aufgeschlossenheit und einem höheren Vertrauensempfinden bei dem Beteiligten für seine Umwelt führt.[15] Vertrauen in seine Mitwelt zu haben ist wiederum stark mit einem höheren Grad an geäußerter Lebenszufriedenheit korreliert.[16]

Den Unterschied zwischen Ergebnisnutzen und Prozessnutzen konnte eine Studie des schweizer Ökonomen Alois Stutzer aus dem Jahre 2003 gut verdeutlichen. Er untersuchte die 26 Kantone der Schweiz im Hinblick auf ihre föderalen Strukturen und ihren Grad an direkt demokratischen Partizipationsmöglichkeiten für deren Bürger via Referenden und Volksinitiativen. Es stellte sich heraus, dass ein positiver und signifikanter Zusammenhang zwischen dem Grad an direkt demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten in einem Kanton und der durchschnittlich geäußerten Lebenszufriedenheit der darin lebenden Einwohner besteht.[17] Ob dieser positive Effekt nun ausschließlich dem politischen Ergebnis oder überdies noch einem Prozessnutzen an den breiteren Beteiligungsmöglichkeiten anhaftet, ist zunächst unklar. Die Vermutung liegt nahe, dass die politischen Rahmenbedingungen in einem Kanton mit mehr direkt demokratischen Rechten zunehmend an den Bedürfnissen der darin lebenden Staatsbürger ausgerichtet sind. Ausländer, die sich aufgrund ihrer fehlenden Partizipationsmöglichkeiten nicht am politischen Prozess beteiligen können, profitieren nur von dem Ergebnisnutzen jener politischen Rahmenbedingungen. Stutzer zeigte, dass die schweizer Staatsbürger einen deutlich höheren Nutzen von dem politischen Prozess erfahren als ausländische Einwohner. Der größere Nutzen ist daher auf den Prozessnutzen zurückzuführen, von dem nur die schweizer Bürger profitieren können. Quantitativ können dem Prozessnutzen und dem Ergebnisnutzen am gesamten Nutzeneffekt etwa zwei Drittel, respektive ein Drittel, zugeordnet werden.

Ein weiteres Ereignis, das zur Verdeutlichung des Prozessnutzens dient, ist die Wahlbeteiligung. Die Wahrscheinlichkeit, ein Wahlergebnis zu entscheiden, ist in den meisten Fällen relativ gering. Dennoch scheint in den meisten Fällen der Prozessnutzen aus der Stimmabgabe die zeitlichen und monetären Kosten einer Beteiligung zu übersteigen. Daher lässt sich in vielen Ländern eine relativ hohe Wahlbeteiligung erkennen, selbst wenn in diesen Ländern kein Stimmzwang herrscht.[18]

Andere Sachverhalte, die mithilfe des Prozessnutzenansatzes erklärt werden können, sind beispielsweise ehrenamtliche Arbeit, das Spendenverhalten oder die Arbeitsfreude.[19]

2.2.3. Relative Bezüge, Anspruchsniveaus und Adaption

Wie ist es möglich, dass reiche Menschen in einem Land zu einem bestimmten Zeitpunkt im Mittel glücklicher sind als Arme, jedoch ein stetiger Einkommenszuwachs in allen Bevölkerungsgruppen über die Jahre keine Glückseffekte verzeichnet? Das Easterlin-Paradoxon und andere Sachverhalte lassen sich auf Verhaltensweisen zurückführen, die aus der Psychologie und den Sozialwissenschaften bereits seit vielen Jahren bekannt sind und im Folgenden erläutert werden.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass Menschen ihre Lebensumstände nicht isoliert betrachten. Sie vergleichen sich vielmehr mit anderen Menschen, wobei nicht nur Personen ihrer näheren Umgebung betrachtet werden. Bei den relativen Bezügen werden Menschen derselben Region, desselben Landes oder sogar anderer Länder als Vergleichsmaßstab herangezogen. Wenn daher beispielsweise die eigenen finanziellen Lebensumstände stagnieren, während sich die Umstände der Allgemeinheit verbessern, führt dies zu Unzufriedenheit.[20] Da die sozialen Vergleiche meist nach oben stattfinden, sind es eher die reichen Leute, die einen negativen externen Effekt auf die ärmere Bevölkerung ausüben.[21] Derartige Ereignisse lassen sich am deutlichsten in Bezug auf das relative Einkommen beobachten.

Weshalb macht es die Menschen eines Landes nicht oder nur geringfügig glücklicher, dass ihnen das stetige Wirtschaftswachstum über die Jahre ein höheres reales Einkommen beschert? Easterlin begründet dieses Phänomen damit, dass das Wirtschaftswachstum selbst den negativen externen Effekt hat, dass es die Konsumwünsche der Bevölkerung anhebt. Der Anstieg des Anspruchsniveaus vermag also die positiven Effekte auf die Lebenszufriedenheit aufzuheben, die man gemäß der ökonomischen Theorie erwarten würde.[22] Da die Konsumansprüche der Gesellschaft stark vom Entwicklungsstadium des jeweiligen Landes abhängig sind, könnten mithilfe der relativen Betrachtung und den steigenden Aspirationsniveaus die lediglich marginalen Glücksunterschiede zwischen armen und reichen Ländern aus Easterlins Studie erklärt werden.[23] Die Ursache für immer steigende Anspruchsniveaus liegt darin, dass sich Menschen relativ schnell an ihre neuen materiellen Güter- und Konsummöglichkeiten gewöhnen. Diese Form der Adaption unterliegt dem aus der Ökonomie bekannten abnehmenden Grenznutzen. Somit hängt eine höhere Lebenszufriedenheit eher von Änderungsraten, als von absoluten Werten ab.[24] Neuere Untersuchungen für Deutschland bestätigen die Überlegungen: Ostdeutschland nähert sich stetig an das Zufriedenheitsniveau Westdeutschlands an, mitunter weil sich dort in den letzten Jahren weitaus größere Wirtschaftswachstumsraten ergeben haben.[25] Außerdem ist das Wirtschaftswachstum essentiell um die jährlichen Produktivitätssteigerungen zu kompensieren und damit die negativen Folgen der Arbeitslosigkeit auf die Lebenszufriedenheit zu vermeiden.[26]

Die in diesem Abschnitt erläuterten Nutzen- und Verhaltensaspekte bieten die Grundlage, um die verschiedenen Einflüsse bestimmter Glücksfaktoren auf das Wohlbefinden zu verstehen.

2.3. Glücksdeterminanten - eine Übersicht

Die Bestimmungsgründe menschlichen Wohlbefindens lassen sich in Anlehnung an eine Gliederung aus der Arbeit Glück – die ökonomische Analyse von Bruno S. Frey und Alois Stutzer veranschaulichen:[27]

- Persönlichkeitsfaktoren spielen eine tragende Rolle bei der eigenen Beurteilung des subjektiven Wohlbefindens. Untersuchungen mit eineiigen und zweieiigen Zwillingen ergaben, dass genetische Merkmale zwischen 44 und 52 % der Varianz des subjektiven Wohlbefindens erklären.[28] Der Einfluss von Indikatoren wie Selbstbewusstsein, persönlicher Kontrolle, Optimismus, Intra- und Extraversion oder Neurotizismus ist beträchtlich. Es bleibt jedoch noch genügend Raum für äußere Einflüsse auf die Lebenszufriedenheit der Menschen. Allerdings sind generell Menschen mit intrinsischen Zielen glücklicher, als Personen, die eher extrinsische Zielvorstellungen zum Beispiel materielle Intentionen oder sozialen Status besitzen.[29]
- Spirituelle Faktoren in Verbindung mit Glauben und Religion haben einen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit. Der Einfluss der Religiosität ist allerdings vergleichsweise gering.[30]
- Soziodemografische Faktoren wie Alter, Geschlecht, Personenstand und Bildung tragen ebenfalls zum subjektiven Wohlbefinden bei. In vielen Untersuchungen wurde ein „U-förmiger Verlauf“ im Hinblick auf das Alter während des Lebenszyklus eines Menschen gefunden. Die Lebenszufriedenheit erreicht im Durchschnitt in der Altersspanne zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr die geringsten Werte.[31] Die Effekte des Geschlechts sind bislang noch kontrovers. Einige Untersuchungen finden im Mittel höhere Zufriedenheitswerte für Frauen. Ein eindeutiges Bild ist bei dem heutigen Stand der Forschung jedoch nicht zu erkennen.[32] Weniger umstritten ist der positive Einfluss der Ehe. Eine Reihe wissenschaftlicher Studien belegen den positiven Einfluss auf Verheiratete in Bezug auf ihre Lebenszufriedenheit, der nicht nur auf finanziellen Vorzügen basiert.[33] Der Einfluss der Bildung bildet den Kern dieser Arbeit und wird daher im späteren Verlauf näher diskutiert.
- Wirtschaftliche Faktoren spielen für Menschen eine wesentliche Rolle im Leben. Dabei sind nicht nur ihr Einkommen und ihr Beschäftigungsstand von Bedeutung. Sie interessieren sich auch stark für makroökonomische Größen wie die allgemeine Arbeitslosenquote und die Inflation. Schätzungen zufolge betrug der durchschnittliche Korrelationskoeffizient zwischen Arbeitslosenquote und individueller Lebenszufriedenheit im Zeitraum 1995 - 2010 für Deutschland etwa „-0,81“.[34] Bezüglich der psychischen Kosten einer Inflation auf die Bevölkerung stellten Di Tella et al. fest:
„[…] to keep their life-satisfaction constant, an individual would have to be given compensation of approximately 70 dollars for each 1 percentage point rise in inflation”.[35]
- Kontextabhängige und situative Faktoren wie beispielsweise Beziehungen zu seinem persönlichen Umfeld und der Arbeit oder der Gesundheitszustand prägen die Zufriedenheit eines Menschen stark. Da Beschäftigte einen beträchtlichen Teil ihres Lebens an ihrer Arbeitsstelle verbringen, verwundert es nicht, dass die Arbeitszufriedenheit einen signifikanten Einfluss auf ihre Lebenszufriedenheit hat.[36]
- Institutionelle Faktoren bestimmen ebenfalls das Glück der Menschen. Dies wurde im vorigen Kapitel anhand der Dimension politischer Mitbestimmungsrechte deutlich. Andere institutionelle Rahmenbedingungen wie Arbeitsmarktregelungen oder Sozialversicherungen können diesem Unterpunkt zugeordnet werden.

[...]


[1] Vgl. Frey, B.S. (2012), S.562.

[2] Vgl. Knabe, A. et al. (2009), S.48.

[3] Vgl. Stutzer, A. (2003), S.37 ff. .

[4] Vgl. Mankiw, G.N. / Taylor, M.P. (2008), S.512 f. und S.666.

[5] Vgl. Frey, B.S. / Stutzer, A. (2000), S.146.

[6] Stutzer,A. (2003), S.15.

[7] Vgl. Frey, B.S. / Stutzer, A. (2009), S.3.

[8] Vgl. Frey, B.S. / Stutzer, A. (2000), S.147.

[9] Ebenda.

[10] Knabe, A. et al. (2009), S.48.

[11] Vgl. Easterlin, R.A. (1974), S.99-111.

[12] Vgl. Frey, B.S. / Stutzer, A. (2009), S.10 und Raffelhüschen, B. / Schöppner, K-P. (2012), S.98.

[13] Vgl. Frey, B.S. / Frey Marti, C. (2010), S.458 und Köcher, R. / Raffelhüschen, B. (2011), S.83.

[14] Vgl. Knabe, A. et al. (2009), S.43 und Frey, B.S. / Stutzer, A. (2009), S.6.

[15] Vgl. Hudson, J. (2006) , S.49.

[16] Vgl. Raffelhüschen, B. / Schöppner, K-P. (2012), S.62 ff. .

[17] Vgl. Stutzer,A. (2003), S.154.

[18] Vgl. Stutzer,A. (2003), S.175 und S.180-185.

[19] Ebenda.

[20] Vgl. Hayo, B. / Seifert, W. (2003), S.331.

[21] Vgl. Stutzer, A. (2003), S.81.

[22] Vgl. Easterlin, R.A. (1974), S.116.

[23] Ebenda.

[24] Vgl. Stutzer, A. (2003), S.85.

[25] Vgl. Raffelhüschen, B. / Schöppner, K-P. (2012), S.100-103.

[26] Vgl. Köcher, R. / Raffelhüschen, B. (2011), S.104.

[27] Vgl. Frey, B.S. / Stutzer, A. (2009), S.9.

[28] Vgl. Lykken,.D. / Tellegen, A. (1996), S.189.

[29] Vgl. Frey, B.S. (2012), S.566.

[30] Vgl. Köcher, R. / Raffelhüschen, B. (2011), S.121 f. .

[31] Siehe Theodossiou, I. (1998), S.94 und Clark, A.E. / Oswald, A.J. (1994), S.655.

[32] Vgl. Clark, A.E. / Oswald, A.J. (1995), S.11 und Köcher, R. / Raffelhüschen, B. (2011), S.57 ff. .

[33] Vgl. Stutzer,A. (2003), S.61 bzw. S.68 und Köcher, R. / Raffelhüschen, B. (2011), S.62.

[34] Siehe Raffelhüschen, B. / Schöppner, K-P. (2012), S.106.

[35] Di Tella et al. (2001) , S.17.

[36] Vgl. Hudson, J. (2006), S.45 zitiert nach Warr, P. (1999).

Ende der Leseprobe aus 53 Seiten

Details

Titel
Bildung und Lebenszufriedenheit in Deutschland
Untertitel
Eine empirische Analyse auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)
Hochschule
Universität Ulm  (Institut für Wirtschaftspolitik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
53
Katalognummer
V213831
ISBN (eBook)
9783656440789
ISBN (Buch)
9783656443179
Dateigröße
686 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Glücksforschung, Lebenszufriedenheit, SOEP, Bildung, Einkommen, Arbeitslosigkeit, Empirische, Wirtschaftsforschung, Paneluntersuchung, Schätzung, Statistik, Lineare Regression, OLS, Wirtschaftspolitik, Ökonometrie, Frey, Oswald, Easterlin, Wirtschaftswissenschaften, Volkswirtschaftslehre, VWL
Arbeit zitieren
Daniele Sabella (Autor:in), 2013, Bildung und Lebenszufriedenheit in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213831

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