Der Einfluss sozialer Herkunft auf Bildungsentscheidungen im tertiären Bildungssystem


Hausarbeit, 2012

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theoretische Erklärungsansätze des Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Studienentscheidung / Studienfachwahl
2.1 Genese von Bildungsungleichheiten nach Boudon
2.2 Die Reproduktion sozialer Bildungsungleichheiten nach Bourdieu
2.3 rationale Bildungsentscheidungen - die Werterwartungstheorie nach Esser

3. Empirische Ergebnisse zur Studienentscheidung

4. Empirische Befunde zur Studienfachwahl
4.1 HIS-Untersuchung der Studienberechtigten ein halbes Jahr vor und nach dem Schulabschluss
4.2 Studienfachwahl als Spezialfall der Ausbildungsentscheidung

5. Interpretation und Diskussion der Ergebnisse

6. Literatur

Zusammenfassung:

In Deutschland zeigen sich hinsichtlich der tertiären Bildungsentscheidungen starke Ungleichheiten zwischen Abiturienten mit unterschiedlicher sozialer Herkunft. Dies betrifft sowohl die Studienentscheidung als auch die Studienfachwahl. Ziel des Artikels ist es, die Ungleichheiten nach der sozialen Herkunft im tertiären Bildungssystem darzulegen und nachzuzeichnen, welche Mechanismen der sozialen Herkunft zu diesen unterschiedlichen Chancen führen. Dazu werden als theoretische Erklärungsansätze der Ansatz der primären und sekundären Herkunftseffekte (Boudon, 1974), die Reproduktion sozialer Bildungsungleichheiten (Bourdieu, 1982) und die Werterwartungstheorie (Esser, 1999) eingeführt, um darauf aufbauend empirische Ergebnisse zum Einfluss der sozialen Herkunft auf die Studienentscheidung und Studienfachwahl darzulegen. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die soziale Herkunft einen wesentlichen Einfluss auf die Studienentscheidung hat: Abiturienten aus Akademikerfamilien entscheiden sich häufiger für ein Studium. Der Einfluss primärer und sekundärer Herkunftseffekte auf diese Bildungsentscheidung kann nachgewiesen werden. Auch hinsichtlich der Studienfachwahl, die im Fokus steht, zeigen sich wesentliche Unterschiede in der Entscheidung: Abiturienten aus höheren sozialen Schichten tendieren eher zu prestigeträchtigeren Studienfächern als Kinder aus niedrigeren sozialen Schichten. Es kann nachgewiesen werden, dass die Mechanismen der Werterwartungstheorie bei der Entstehung der sozialen Disparitäten dieser Entscheidung wirken. Zu diskutieren bleibt, wie diese soziale Ungleichheit beim Zugang zur tertiären Bildung verringert werden kann, wobei die Ergebnisse der TOSCA-Studie hierzu interessante Hinweise liefern.

1. Einleitung

Aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts weisen nach, dass die Studienanfängerquote, als Anteil der Studienanfänger an der gleichaltrigen Bevölkerung, seit 1995 stetig von 26,8% auf derzeitige 55,3% im Wintersemester 2011/2012 angestiegen ist. 515.833 Studierende immatrikulierten sich im laufenden Semester an deutschen Hochschulen, so die vorläufigen Zahlen (vgl. Statistisches Bundesamt, 2011, S. 11). Ein Studium gilt als der Bereich im Bildungssystem, der im Vergleich zu anderen Bildungsgängen den Absolventen einen entscheidenden Vorsprung für die beruflichen und sozialen Chancen im weiteren Lebensverlauf verschafft. Allerdings haben nicht alle Erwerber der Hochschulreife in Deutschland die gleiche Chance, auch ein Studium aufzunehmen. Verglichen mit vielen anderen europäischen Ländern und gemessen am wirtschaftlichen Entwicklungsstand ist die Studierendenquote in Deutschland sehr niedrig und hat langsamer zugenommen, begleitet von einem im Vergleich besonders hohen Maß an Bildungsungleichheit zwischen Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft (vgl. Müller & Pollak, 2008, S. 307 ff.). Das deutsche Bildungssystem weist dabei mehrere Elemente auf, die bis zur Hochschulbildung zur Akkumulation besonders hoher Herkunftsungleichheiten führen (vgl. ebd., S. 311). Von besonderem Interesse sind hierbei die Bildungswahlen an den Übergängen zwischen Institutionen im Bildungssystem, da diese als entscheidend gelten für die Entstehung und Beständigkeit von Bildungsungleichheiten (vgl. Maaz, 2006, S. 51).

Die beruflichen und sozialen Chancen, die sich aus der tertiären Bildung ergeben, sind also in hohem Grad abhängig von der Bildungsherkunft der Absolventen. Kinder aus akademischen Elternhäusern nehmen zu größeren Anteilen ein Studium auf und stellen noch dazu einen höheren Anteil in den Studienfächern, die auf Berufe mit besonderem Prestige abzielen, wie etwa Medizin und Jura. Somit werden Kinder aus privilegierten Elternhäusern vermehrt höhere Positionen im sozialstrukturellen Gefüge der Gesellschaft einnehmen. Eben auch über solche Verteilungen in der Bildung, die die Positionierung in zentralen gesellschaftlichen Dimensionen wie Macht, berufliche Stellung, Einkommen und Prestige mitbestimmen (vgl. ebd., S. 25), entsteht die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft. Die in Deutschland besonders ausgeprägte soziale Ungleichheit von Studienchancen wurde bereits vielfach in bildungspolitischen Diskussionen thematisiert. Kritisiert wird dabei vor allem, dass das Potenzial bildungsferner aber begabter Abiturientengruppen so nicht ausgeschöpft und genutzt wird (vgl. Becker, 2010, S. 223 nach Mayer, 2003).

Ziel dieses Artikels ist es, die bestehenden Ungleichheiten hinsichtlich sozialer Herkunft der Studierenden in Deutschland darzustellen und die Mechanismen nachzuweisen, die zu diesen unterschiedlichen Entscheidungen im tertiären Bildungssystem führen. Es sollen die Fragen beantwortet werden, welche Unterschiede in der sozialen Herkunft sich hinsichtlich der Studienentscheidung beziehungsweise der Studienfachwahl zwischen den Studienanfängern zeigen und welche Prozesse der Entscheidung für ein spezifisches Studienfach empirisch nachgewiesen werden können.

Will man die Entstehung sozialer Disparitäten in der Bildungsbeteiligung analysieren, bedarf es einer Theorie, die Erklärungsmuster anbietet, warum die Abiturienten in Abhängigkeit ihrer Sozialschichtzugehörigkeit unterschiedliche Bildungsentscheidungen, für ein Studium oder ein bestimmtes Studienfach treffen. Hierfür werden zunächst die in der Forschung zu dieser Thematik häufig vertretenden theoretischen Hintergründe kurz vorgestellt, um daran anknüpfend auf die Studienentscheidung einzugehen. Dafür sollen empirische Ergebnisse dargestellt werden, wie sich bezüglich der sozialen Bildungshintergründe die Studentenschaft in Deutschland zusammensetzt, also wer sich für ein Studium entscheidet und auf welchen Mechanismen diese Entscheidungen beruhen. Der Fokus der empirischen Ergebnisse soll jedoch auf der Studienfachwahl liegen. Es soll dabei betrachtet werden, wie sich die Studienanfänger hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft auf die unterschiedlichen Fächer verteilen und welche Mechanismen der Entscheidung für ein spezifisches Fach empirisch nachgewiesen werden können. Abschließend sollen die Ergebnisse und deren Bedeutung kurz diskutiert werden.

2. Theoretische Erklärungsansätze des Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Studienentscheidung / Studienfachwahl

In diesem Abschnitt sollen theoretische Erklärungsmuster vorgestellt werden, die in Untersuchungen zur Studienentscheidung und Studienfachwahl vielfach Anwendung gefunden haben. Den meisten Forschungsansätzen liegt das Konzept der primären und sekundären Herkunftseffekte nach Boudon (1974) zugrunde, das eingangs kurz dargelegt wird. Darauf aufbauend zeigen sich in den Untersuchungen zwei theoretische Richtungen: einige Ansätze beziehen sich zur Erklärung der Bildungsentscheidungen auf Bourdieus Theorien der sozialen Reproduktion (1982), andere verfolgen verschiedene Theorien rationaler Bildungsentscheidungenso etwa die Werterwartungstheorie von Esser (1999). Beide Ansätze werden nachfolgend in ihren Grundzügen vorgestellt, wobei dem Ansatz der Werterwartungstheorie nach Esser besonderer Raum eingeräumt wird.

2.1 Genese von Bildungsungleichheiten nach Boudon

Maßgeblich bestimmt hat die Ansätze zur Erklärung von Bildungsungleichheiten durch soziale Herkunft und damit auch die der Studienentscheidung und Studienfachwahl Boudons Theorie der primären und sekundären Effekte der Sozialschichtzugehörigkeit, die eine Erklärung für die Entstehung sozialer Disparitäten der Bildungsbeteiligung liefert. Will man die Frage beantworten, welche Ursachen und Mechanismen Bildungsungleichheiten zu Grunde liegen, müssen Faktoren bestimmt werden, die das Zustandekommen von ungleichen Bildungsentscheidungen an den Übergangsschwellen erklären können. Nach Boudon ergeben sich Bildungsentscheidungen aus einem inneren Zusammenhang zwischen der schulischen Leistung der Schülerinnen und Schüler, den Selektionsmechanismen des Bildungssystems, wie etwa Übergangsbestimmungen und Vorraussetzungen für den Übergang in das Studium, und dem familiären Entscheidungsverhalten (vgl. Maaz, 2006, S. 51).

Primäre Effekte der sozialen Herkunft sind dabei Unterschiede, hier zwischen Abiturienten, die sich für oder gegen ein Studium entscheiden beziehungsweise die sich für spezifische Studienfächer entscheiden, die aufgrund verschiedener Sozialisationsbedingungen in unterschiedlichen Schichten entstehen. Es besteht ein Unterschied zwischen den sozialen Schichten hinsichtlich ihrer ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcenausstattung, welche sich durch unterschiedliche kulturelle und soziale Förderung in der Primärsozialisation äußert. Diese unterschiedlichen Bedingungen in den Elternhäusern erzeugen schon beim Eintritt in das Bildungssystem unterschiedliche Ausgangsbedingungen zwischen Personen. Kinder aus höheren Schichten erfahren beispielsweise durch ihr Elternhaus häufiger Unterstützung bei schulischen Arbeiten oder besuchen häufiger kulturelle Veranstaltungen. Dies zugrunde legend haben wir es beim Eintritt in das Bildungssystem mit in unterschiedlichen kulturellen und sozialen Umwelten sozialisierten Schülerinnen und Schüler zu tun, die hinsichtlich schulrelevanter Merkmale, wie den kognitive Grundfähigkeiten, Sprachfertigkeiten, Lesegewohnheiten, Leistungsbereitschaft, Bildungsmotivation oder Lernfreude, auf verschiedenen Entwicklungsstufen stehen und somit unterschiedliche Möglichkeiten haben, den Leistungsanforderungen der Schulen zu entsprechen. Dieser Unterschied im erworbenen Kompetenzniveau, so die Annahme, ist primär von der sozialen Herkunft abhängig. Je niedriger der soziale Status der Eltern, desto eingeschränkter ist der Schulerfolg. Studenten aus höheren Schichten verfügten also bereits zu Schulbeginn durch die Sozialisation und gezielte Förderung im Elternhaus über günstigere kognitive, sprachliche und soziale Fähigkeiten, was zu besseren Schulleistungen führte. Diese Vorteile setzen sich über den gesamten Besuch des Bildungssystems fort und es ergeben sich für diese Schüler mehr Möglichkeiten, die Leistungsanforderungen der Bildungseinrichtungen zu erfüllen und neue Lerninhalte aufzunehmen Dies ist damit zu erklären, dass sich die ungleichen Lebensbedingungen im Laufe der Bildungskarriere nicht grundlegend ändern, so dass Kinder aus höheren Sozialschichten auch während der Schulzeit über ein höheres kulturelles beziehungsweise soziales Anregungsniveau verfügen und mehr Möglichkeiten haben, neue Kompetenzen zu erlernen oder anzuwenden (vgl. Lojewski, 2011, S. 294; Bornkessel & Kuhn, 2011, S. 50 f.; Maaz, 2006, S. 52).

Sekundäre Herkunftseffekte hingegen beziehen sich auf Bildungsentscheidungen, die zwischen verschiedenen Schichten und Milieus unterschiedlich ausfallen. Grund hierfür sind unterschiedliche Kosten-Nutzen-Bewertungen, die von der sozialen Position, den ökonomischen Ressourcen und der Bildungsnähe der Herkunftsfamilie abhängen. Es wird sich für die Bildungswege entschieden, die vorteilhafter erscheinen, die also einen höheren Nutzen zu bringen scheinen und geringere Kosten hervorrufen. Der sekundäre Herkunftseffekt ist demnach ein kumulativer Effekt der verinnerlichten Sozialschichtzugehörigkeit (vgl. Lojewski, 2011, S. 294; Maaz, 2006, S. 52).

Nach Boudon basiert Bildungsungleichheit auf dem Zusammenwirken der primären und sekundären Effekte, also Unterschieden in der Schulleistung, die auf der sozialen Herkunft basieren und Unterschieden in den Bildungsentscheidungen, die auch je nach sozialer Schichtzugehörigkeit unterschiedlich ausfallen. Die häufigere Entscheidung von Arbeiterkindern gegen ein Studium oder für ein Studienfach mit weniger Prestige, ergibt sich somit aus dem Wechselspiel von primären und sekundären Herkunftseffekten. So weisen sie etwa geringere Leistungen und weniger Rückgriffsmöglichkeiten auf Förderungen auf, was sie eher daran hindert ein Studium aufzunehmen oder ein Studienfach mit hohem Anspruch zu wählen. Sie tendieren eher zur nichttertiären Ausbildung oder zu einem Studienfach, für das ihre Leistung ausreicht oder das sie eher erfolgreich bewältigen zu können. Unterstützt wird diese Bildungsentscheidung von den sekundären Herkunftseffekten, also vom subjektiv eingeschätzten Nutzen einer Bildungsalternative, der mit der schulischen Leistung des Kindes gewichtet wird, um so einschätzen zu können, ob der anvisierte Bildungsweg auch mit Erfolg beendet werden kann. Für Akademikerkinder bringt ein Studium beziehungsweise ein Studienfach mit höherem Prestige mehr Nutzen, etwa um den sozialen Status zu erhalten. Die Kosten fallen weniger ins Gewicht, da sie diese durch ihr privilegiertes Elternhaus eher verkraften können. Sie tendieren daher eher generell zu einem Studium und auch eher zu Studienfächern mit höherem Prestige, welche die Arbeiterkinder etwa durch die höheren Kosten, die mit diesen meist einhergehen, eher abschrecken. Außerdem fällt bei Kindern aus niedrigeren sozialen Schichten das Motiv des Statuserhalts nicht so sehr ins Gewicht. Daher tendieren diese eher zur beruflichen Ausbildung oder zu Studienfächern, denen man weniger Anspruch nachsagt. In der folgenden Darstellung sollen diese primären und sekundären Effekte anhand zweier in der Bildungsforschung etablierter Theoriestränge weiter spezifiziert werden.

2.2 Die Reproduktion sozialer Bildungsungleichheiten nach Bourdieu

Bourdieus (1982) reproduktionstheoretische Annahmen bieten eine Möglichkeit, die von Boudon angeführten primären Bildungsdisparitäten der Sozialschichtzugehörigkeit näher zu spezifizieren. Die Schichtzugehörigkeit wirkt sich über die soziale und kulturelle Praxis auf den Habitus der Schülerinnen und Schüler, also die kognitiven Grundfähigkeiten, Lerngewohnheiten, das schulische Leistungsniveau sowie die Bildungsmotivation aus. Die Grundannahmen von Bourdieu konnten für die primären Effekte der sozialen Herkunft auf die Studienentscheidung in verschiedenen Untersuchungen belegt werden (vgl. Bornkessel & Kuhnen, 2011, S.59; Maaz, 2006, S. 66). Doch sollen hier nicht alle theoretischen Überlegungen Bourdieus zu dieser Thematik beleuchtet werden, sondern nur Auszüge, mit denen ein theoretischer Vorschlag für das Zustandekommen der Studienfachwahl vorgelegt wurde, da auf dieser auch bei der späteren Darstellung der Ergebnisse empirischer Untersuchungen der Fokus liegen soll.

Es gibt Erklärungsversuche, die in Anlehnung an Bourdieu den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Studienfach auf eine Passung zwischen Herkunftskultur und Fachkultur zurückführen (vgl. Becker, Haunberger & Schubert, 2010, S. 292 nach Windolf, 1990). Nach Bourdieu ist man nicht frei in der Wahl seines Lebensstils, da dieser abhängt von Klassenzugehörigkeit und sozialer Herkunft. Durch gemeinsame Lebensstile weist er die Existenz von Klassen und Schichten nach (vgl. Schölling, 2003, S. 17). Nach Bourdieus Habituskonzept erfährt jedes Individuum eine schichtspezifische Sozialisation, die sich beim Erwachsenen als Geschmäcker und Präferenzen manifestiert (vgl. ebd., S. 32). Habitus wird dabei definiert als ein System von Dispositionen, die als Denk- Wahrnehmungs- und Beuteilungsschemata im Alltagsleben fungieren und als Klassenethos zum Ausdruck kommen (vgl. ebd., S. 56). Der Lebensstil ist sichtbarer Ausdruck des Habitus. Wenn nach Bourdieu die Sozialisation Denken, Handeln, Vorlieben, Abneigungen und Beurteilungen beeinflusst, sie aber selber klassenspezifisch ist, liegt die Vermutung nahe, dass auch eine Studienfachwahl erfolgend aus diesen Präferenzen, klassenspezifisch ist. Die Studienfachwahl kann hiernach als Teil eines Gesamtkonzepts, als nur eine Facette eines Lebensstils, mit vielen weiteren typischen Merkmalen, betrachtet werden. Hierdurch ergibt sich am Ende ein gewisses Bild einer Studentenschaft, mit fachspezifischen Unterschieden zwischen den Studenten. Bestimmte Studienfächer ziehen bestimmte Personen an, beziehungsweise stoßen andere ab. Die Studienfachwahl erfolgt so aus einer geringen Bandbreite von Alternativen. Der Zusammenhang von sozialer Herkunft, Lebensstil, Persönlichkeitsmerkmalen und Studienfachwahl liegt also in der kindlichen Sozialisation begründet (vgl. ebd., S. 19). Die Entscheidung für ein Studienfach ist hiernach weniger eine rationale Entscheidung, als zusammenhängend mit der sozialen Herkunft. Die kulturelle Mitgift von zu Hause passt nur zu bestimmten Studienfächern. Analog zum persönlichen Habitus hat nämlich jedes Fach einen spezifischen Fachhabitus beziehungsweise eine Fachkultur. Diese unterschiedlichen Kulturen der Fächer werden generiert durch Studieninhalte, Formalitäten wie Studienordnungen, Dozenten und Studentenschaft. Persönliche Kultur, vermittelt durch das Elternhaus und Fachkultur des Studienfachs müssen kompatibel sein, damit der angehende Student Zugang zum Fach bekommt (vgl. ebd., S.21 f.). Die Fachkulturen zwischen den Fächern unterscheiden sich ebenso wie die Kultur zwischen Lehrerhaushalt und Arbeiterhaushalt. Wenn Studienfächer nicht als gleichrangig gelten, sondern derselben hierarchischen Strukturiertheit unterliegen, wie die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft, dann kann die Studienfachwahl nicht als ein allein durch rationale Motive bedingter Entscheidungsprozess erachtet werden, sondern muss als wahlverwandtschaftliches Verhältnis zwischen persönlichem Habitus und Fachhabitus gesehen werden (vgl. ebd., S. 32). Nur wenn der persönliche Habitus und der Fachhabitus ein wahlverwandtschaftliches Verhältnis aufweisen, wenn also der Student die Schlüsselqualifikationen und Verhaltenscodes aufweist, die das Fach voraussetzt, wird er Zugang zum Fach haben. Studienfächer erwecken somit nicht zufällig den Eindruck, Sammelbecken für einen bestimmten ,Menschenschlag’ zu sein, in denen sich Individuen ähneln (vgl. ebd., S. 46). Interessant in diesem Zusammenhang ist der Stellenwert der Bildung in der Familie, also ob regelmäßig gelesen wird oder etwa die schulische Bildung der Kinder vorangetrieben wird. Akademiker- und Arbeiterhaushalt unterscheiden sich hierbei gravierend.

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Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss sozialer Herkunft auf Bildungsentscheidungen im tertiären Bildungssystem
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Aktuelle Fragestellungen und Studien der empirischen Bildungsforschung
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
27
Katalognummer
V213727
ISBN (eBook)
9783656420316
ISBN (Buch)
9783656420804
Dateigröße
609 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Übergang, tertiäres Bildungssystem, Studienentscheidung, Studienfachwahl, soziale Herkunft, Bildungsentscheidung
Arbeit zitieren
Ricarda Albrecht (Autor:in), 2012, Der Einfluss sozialer Herkunft auf Bildungsentscheidungen im tertiären Bildungssystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213727

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