Musik in Konzentrationslagern


Ausarbeitung, 2010

14 Seiten, Note: "-"

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Musik in nationalsozialistischen Konzentrationslagern
1.1. Selbstbestimmtes Musizieren der Häftlinge
1.2. Die Bedeutung der Musik
1.2. Beispiele für Liedtexte
1.3.1. „Das Moorsoldatenlied“
1.3.2. „Lied vom heiligen Caracho“

2. Musik als Folterungsinstrument der SS
2.1. Beispiele für Liedtexte.
2.1.1. „Buchenwalder Lagerlied“
2.1.2. „Judenlied“

3. Schlussfolgerung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Innerhalb der Mauern der nationalsozialistischen Konzentrationslager im Dritten Reich standen Folter, Qual und Tod an der Tagesordnung. Millionen Menschen verloren dort ihr Leben. Angesichts einer solchen Grausamkeit fällt es schwer zu begreifen, dass Musik eine feste Komponente im Lageralltag war und es eine fundamentale Verflechtung von Musik und Konzentrationslagern gibt. Es entwickelte sich im Laufe der Zeit eine künstlerisch-musikalische Szene innerhalb der KZ-Mauern. Die Menschen leisteten auf ihre Weise Widerstand gegen die Machenschaften der NS. So entstanden realistische, aber auch humoristische und zuversichtliche Lieder und Texte.[1]

Die Ansicht, dass Musik und Vernichtungslager Begriffe sind, die unterschiedlicher nicht sein können, ändert sich also erst auf den zweiten Blick. Allerdings gibt es kaum Sekundär-literatur, die sich ausschließlich mit dieser Thematik beschäftigt. In verschiedenen Bio-graphien oder anderen Forschungstexten werden musikalische Aktivitäten häufig, aber dennoch nur beiläufig erwähnt. Relevante Quellenbestände sind aufgrund der Lager-SS in den letzten Kriegswochen nur bruchstückhaft erhalten. Außerdem wurden viele musikalische Stücke nur mündlich überliefert und nie schriftlich fest gehalten. Diese Arbeit soll erläutern inwiefern, die Häftlinge die Möglichkeit hatten selbst zu musizieren. Vor allem soll der Frage nach der Bedeutung der Musik für die Gefangenen Antwort geleistet werden. Konnte Musik helfen, den schrecklichen Lageralltag ein klein wenig zu verbessern? Dass Musik in Verbindung mit Konzentrationslagern und dem NS-Regimes nicht nur positiv behaftet ist, soll ebenfalls ein Teil dieser Arbeit sein, denn die SS benutzte verschiedene Lieder als Folter und Einschüchterungsinstrument, um die Lagerinsassen zu demütigen und ihnen die letzte Kraft zu rauben. In dieser Arbeit werden einige Liedtexte vorgestellt, die von den Häftlingen selbst geschrieben und komponiert wurden. Des weiteren sollen aber auch Liedtexte erwähnt werden, die von der SS ausgewählt wurden, um die Gefangenen zu nötigen, indem sie diese Stücke immer wieder während der Arbeit singen mussten.

1. Musik in nationalsozialistischen Konzentrationslagern

Dass Kultur, aber auch gerade Musik in den KZs eine große Rolle spielte, ist uns durch Berichte von Hinterbliebenen und Überlebenden bekannt. Der Ablauf und die Entwicklung in den verschiedenen Konzentrationslagern war allerdings unterschiedlich. Es wurden andere Lieder gesungen und auch das von der SS erzwungene Musizieren lief nicht überall gleich ab. Da es keine zentralen Vorschriften gab konnte jedes KZ seine eigenen Regeln aufstellen und deshalb hatte Musik auch in jedem Lager einen verschieden hohen Stellenwert. Aus manchen nationalsozialistischen Einrichtungen ist über die Ausübung von Musik so gut wie nichts bekannt. Anders in Theresienstadt: Dort entstand ab Herbst 1942 eine Abteilung, die von der Lagerleitung offiziell genehmigt wurde. In dieser konnten die Juden ihre Musik praktisch selbst verwalten. Dies wurde von der SS auch zur Propagandafunktion benutzt, so dass Theresienstadt, was das kulturelle Geschehen angeht, als „Vorzeige-Lager“ benutzt wurde.

1.1. Selbstbestimmtes Musizieren der Häftlinge

Es ist bekannt, dass schon 1933 in den ersten Konzentrationslagern von den Häftlingen selbstbestimmtes Musizieren betrieben wurde. Dominierte damals das gemeinsame Singen von Liedern der Arbeiter- und Jugendbewegung, erweiterte sich das lagerinterne Musikleben nach Beginn des Zweiten Weltkrieges um die musikalische Tradition der neuen inhaftierten Gefangenengruppen, wobei gerade ausgebildete Musiker als Initiativpersönlichkeiten fungierten.[2] Größere Veranstaltungen mit Musik organisierten die Lagerhäftlinge mit Genehmigung und Zensur durch die Lagerleitung sowie mit Unterstützung entgegen-kommender Funktionshäftlinge. In manchen Lagern hielt man derartige Aufführungen regelmäßig ab, z.B. in der Kinohalle des KZ Buchenwald, in denen „Bunte Abende“ mit Musik, Sketchen, Artistik, Kabarett- und Theatereinlagen stattfanden. Andere Musik-darbietungen wurden von der SS geduldet, sofern dadurch ihre Autorität nicht in Frage gestellt und der normale Lagerbetrieb nicht beeinträchtigt wurde. Ab der zweiten Kriegshälfte vergrößerte sich der Spielraum für eigene Musikveranstaltungen, weil das Lagergeschehen mit zunehmender Gefangenenzahl für die SS schwerer kontrollierbar wurde. Außerdem wuchs der Einfluss des von der Lagerleitung eingesetzten Hilfspersonals, welches großen Einfluss auf ein organisiertes Kulturleben hatte. Zum anderen gewährte die SS ab 1942 mit dem Einsatz von Häftlingen in der Rüstungsindustrie und der Errichtung von hunderten Nebenlagern einige Vergünstigungen. Dies vereinfachte das selbstbestimmte Musizieren der Häftlinge, denn es war nun leichter möglich, Musikinstrumente zu beschaffen oder sich nachsenden zu lassen, Chöre und andere Instrumentalgruppen zu bilden, sowie öfters Konzerte, Gesangsabende oder Theateraufführungen statt finden zu lassen.[3]

Das Besondere an der Musik, die von den Häftlingen im Lager praktiziert wurde, war die Unterschiedlichkeit der Insassen. Menschen aus verschiedenen Ländern, mit unterschiedlicher Herkunft und Religionen waren zusammengedrängt und machten Musik miteinander. Die meisten sprachen nicht dieselbe Sprache und dennoch war es ihnen möglich miteinander zu singen und Instrumente zu spielen. Miroslav Hejtmar, der Gefangener im KZ Buchenwald war erkannte dies und beschreibt die Wirkung dessen so:

„Musik die als „rassisch unrein“ galt war im Dritten Reich streng verboten und wurde im Konzentrationslager von einem so internationalen Publikum gespielt, wie es sich sonst nicht hätte zusammenfinden können. Und all diese Zuhörer verstanden, worum es ging. Die SS-Leute aber begriffen nichts.“[4]

Die Lager-Kompositionen der Häftlinge galten schon in der damaligen Zeit als Ausdruck des Selbstbehauptungswillens. Dies belegen kunstvoll verzierte Liedblätter, handschriftliche Liederhefte oder Noten mit Widmungen und Illustrationen, die der heutigen Zeit erhalten geblieben sind. Dass es für die Häftlinge eine große Anstrengung war ihre Lieder und Gedanken niederzuschreiben ist sicher, denn galt es nicht nur Papier und Farbe zu organisieren, sondern unter Krankheit, Entbehrungen und Gefahren seine Worte zu sortieren und zu notieren.[5] Obwohl die Anzahl der Lagerlieder in die Hunderte geht ist von den Liedern, die im KZ entstanden sind nur ein Bruchteil überliefert. Meistens wurde eine bereits bekannte Melodie anderer, bereits bekannter Lieder ein neuer Text unterlegt.

Aufgeschriebene Lyrik war eher selten, denn diese war nicht erlaubt und konnte regelmäßigen Durchsuchungen zum Opfer fallen. Die meisten Texte für Lieder sind von den Verbliebenden der Überlebenden erst nach der Entlassung aus dem Lager niedergeschrieben worden.[6]

Sangen die Häftlinge für sich, geschah dies meist gruppenweise, einstimmig und unbegleitet: Dies erregte kaum Aufsehen und war zu jedem Zeitpunkt ausführbar und benötigte keine Hilfsmittel und Materialien.[7] Die Lieder die in den NS-Lagern erklangen, waren überwiegend Stücke, welche die Häftlinge bereits schon vor ihrer Gefangenschaft gelernt hatten, vor allem Volkslieder der verschiedenen Nationalitäten wurden oft gesungen, aber auch klassische Kompositionen, Märsche, Kassenschlager und Salonmusik. Außerdem waren Freiheitslieder, wie z.B. „Die Gedanken sind frei“ sehr beliebt aufgrund ihres kämpferischen Inhalts, die den Gefangenen Nischen zur Selbstbehauptung schufen. Inhaltlich setzen sie sich mit allgemeinen Dingen auseinander, besonders mit der Lagerrealität, der bedrückenden Haftsituation, dem harten Lageralltag oder den Ängsten und Hoffnungen, denen der Verfasser ausgesetzt war. Ein bestimmter Lagerstil ist nicht feststellbar.

Obwohl eigenes Musizieren möglich war und auch regelmäßig praktiziert wurde, darf man nicht vergessen, dass die Musik der Häftlinge nie frei von Zwängen stattfinden konnte und deshalb immer unter grausamen Umständen entstanden ist.

1.2. Die Bedeutung der Musik

Wie im vorherigen Teil dieser Arbeit deutlich geworden ist, gehört Musik als fester Bestandteil zum täglichen Lagerleben. Nun stellt sich aber die Frage, welche Bedeutung Musik für die Häftlinge gehabt hatte. Was konnte ihnen die Musik bieten, was ihnen andere Beschäftigungen nicht bieten konnten? Zum einen war Musik für viele Insassen eine Form sich das eigene Überleben sichern zu können, denn die Musikanten wurden lagerintern mit leichterer Arbeit beschäftigt und erhielten nach ihrem Auftritt mehrmals Lebensmittelzulagen sowie andere Vergünstigungen. Viele begabte Sänger und Instrumentalisten nutzten also ihre musikalischen Fähigkeiten als kulturelle Überlebenstechnik, die ihnen Privilegien sicherten, solange sie ihren Vorgesetzten nützlich erschienen. Zum anderen schützte die Musik das geistige Leben der Häftlinge. Musik, an die sich die Häftlinge aus der Zeit vor ihrer Gefangenschaft erinnern konnten, gab ihnen Hoffnung und ließ sie sich an ihr Leben davor erinnern. So erklärt Ida Konrad, KZ-Gefangene aus Theresienstadt nach ihrer Rettung: „Nachts, wenn ich vor Kälte oder Hunger nicht schlafen konnte, dachte ich an meinen Vater so wie seine frommen Lieder und Erzählungen. Das gab mir Mut und ließ mich leichter schlummern.“[8] Natürlich lösten die hervorgerufenen Erinnerungen auch Depressionen und Trauer aus. Mehrheitlich hatte es aber eine positive Wirkung, denn Musik gab Trost, Halt und Zuversicht, erinnerte an das frühere Leben, lenkte ab, unterhielt, half seine Gefühle zu artikulieren und sich mit der Situation auseinander zu setzen.[9] Somit lieferte die Musik den Häftlingen eine Möglichkeit des geistigen, aber auch körperlichen Überlebens in der dunklen KZ-Welt und wurde zu einer Form des geistigen Widerstands. Die Häftlinge konnten der festen Überzeugung sein, dass es sich moralisch lohnt etwas zu tun, auch ohne dabei Gewalt anzuwenden. Zu diesen Formen des geistigen Widerstands gehörten das Gebet, die Dichtung und die Musik. „Die Lieder waren Nahrung, Hoffnung und gaben nicht nur den Schöpferinnen und Schöpfern, sondern auch vielen Mithäftlingen Kraft, um Tag für Tag zu überleben.“[10]

Man kann sagen, dass sich die Inhaftierten mit der widerständigen Aufrechterhaltung ihrer musikalischen Identität gegen die eigene Vernichtung und die damit intendierte Auslöschung ihrer Kultur stellten, auch indem sie alle Gefahren und Einschränkungen zum Trotz neue Musikstücke schufen.[11] Ein weiterer Punkt, der nicht unterschätzt werden darf, ist das Zusammengehörigkeitsgefühl, welches Musik in solchen Extremsituationen vermittelt. Jedem Häftling drohte das gleiche Schicksal: Man hatte sein zuhause verlassen müssen, seine

Familie verloren und stand dem Tod ganz nah. Das gemeinsame Singen konnte dazu beitragen eine innere Gruppenidentität und damit Solidarität untereinander aufzubauen, was die Überlebenschance einzelner Mitglieder vergrößerte.[12] Mit der Zeit wurde die Zahl hervorragender Komponisten und Musiker, die inhaftiert waren, immer größer, man konnte also mit einer Menge verschiedenster Menschen mit unterschiedlichen musikalischen Fähigkeiten und Vorkenntnissen zusammenarbeiten und experimentieren. Man verschmolz zu einer Einheit, die für viele Häftlinge eine „Ersatzfamilie“ darstellten. Zu verschiedenen Anlässen wurden Konzerte gegeben, wie z.B. an Geburtstagen, Namenstagen, nationalen und politischen Feiertagen, Weihnachten und Chanukkah. Zu solchen Ereignissen organisierten die Häftlinge legale, halblegale oder illegale Feiern in den Häftlingsunterkünften. Bei derartigen Anlässen diente das Musizieren als „in seiner Wirkung nicht zu unterschätzende, gemeinschaftsbildende und Strategie, in dem der ethische Gehalt von Musik gegen den Lagerterror stand.“[13] Vielen Menschen im KZ gab die Musik den Glauben an das Gute zurück und erhielt den Mut weiter zu machen aufrecht. Dadurch, dass man jeden Tag mit dem Tod konfrontiert wurde und man jeder Zeit mit seinem eigenen rechnen musste, fiel es schwer sich abzulenken, auf andere Gedanken zu kommen und sich mit anderen Themen wie „leiden“ und „sterben“ zu beschäftigen. „Lieder waren die einzige Ablenkung, das einzige Glück, sie waren Brot und Wasser für den Geist, der sonst ohne Nahrung vertrocknet und abgestorben wäre.“[14]

[...]


[1] vgl. Fackler, Guido, „Wer das Lied nicht kannte, der wurde geprügelt“, S.1.

[2] vgl. Fackler, Guido, „Wer das Lied nicht kannte, der wurde geprügelt“, S.2.

[3] ebd., S.4.

[4] Hejtmar, Miroslav, Rhythmus hinter Drähten, S.252.

[5] vgl. Fackler Guido, „Wer das Lied nicht kannte, der wurde geprügelt“, S.8.

[6] vgl. Stark, Meinhard, Frauen im Gulag, S.440.

[7] vgl. Fackler, Guido, Musik als Komponente des Lageralltags, S.17.

[8] Stark, Meinhard, Frauen im Gulag, S.457.

[9] vgl. Fackler, Guido, Musik als Komponente des Lageralltags, S.17.

[10] Lau, Ellinor/Pampuch, Susann, Draußen steht eine bange Nacht, S.14.

[11] vgl. Fackler, Guido, Musik als Komponente des Lageralltags, S.11.

[12] ebd., S.19.

[13] ebd., S.11.

[14] Stark, Meinhard, Frauen im Gulag, S.439.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Musik in Konzentrationslagern
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
"-"
Jahr
2010
Seiten
14
Katalognummer
V213718
ISBN (eBook)
9783656419532
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
musik, konzentrationslagern
Arbeit zitieren
Anonym, 2010, Musik in Konzentrationslagern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213718

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