Das menschliche Verständnis der Gemeinschaft

Eine evolutionsbiologische Perspektive


Forschungsarbeit, 2013

18 Seiten


Leseprobe


Eine evolutionsbiologische Perspektive

Überlebens-, Macht- und Selbstbehauptungsmotive haben den Menschen veranlasst, in kollektivistischen Strukturen zu verharren und sie zu seinem vermeintlichen Wohle weiterzuentwickeln. Während die Menschen sich in früheren Epochen der menschlichen Entwicklung zu Horden zusammenschließen mussten, um gegen die Übermacht der Natur und für den Nahrungserwerb erfolgreich zu bestehen, wurde dem ursprünglich überlebensförderlichen Kollektivisierungsmotiv des Menschen in späteren Zeiten und insbesondere durch die scheinbare soziale Erfordernis der Selbstbehauptung und des Machtstrebens zwischen Gruppen ein weiteres bedeutendes Kollektivisierungsmotiv hinzugefügt. Der Krieg ist der Gipfel der kollektivistischen Bündelung aller materiellen und menschlichen Ressourcen auf ein Ziel hin: den Sieg übe den Feind.

Für die Konsolidierung des Kollektivs im Hinblick auf seine maximale Durchsetzungsfähigkeit in den sozialen Machtverhältnissen erfindet und nutzt man mythische, rassische und ideologische, das Kollektiv zusammenschweißende sozialpsychologische Triebkräfte. Die Kollektivisierungsdynamik hat also in Urzeiten aus biologischen-umweltlichen Überlebensbeweggründen eingesetzt. In einigen Stämmen der Naturvölker, die in den Dschungeln und Urwäldern ansässig sind, ist diese Phase noch erhalten geblieben. Um beispielsweise ein Tier mit rudimentären Waffen auf der Jagd zu bezwingen, ist der Einsatz eines Kollektiv von Menschen und gemeinschaftliche List erforderlich, um das Tier zu überlisten und sich somit seiner als Nahrungsquelle zu bemächtigen.

Der Krieg ist eine Replikation dieses menschlichen Verhaltensmusters in einem geographisch erweiterten Jagdgebiet und mit anderen Waffen, jedoch und das ist das Frappierende, gegen dasselbe Spezies Mensch in seinen physisch und psychisch diversen kulturellen Kontexten. Der Grund für die Transponierung des sozialen Jagdmotivs übersteigt in der Regel die Imperative biologischer Überlebenserfordernis und huldigt einem reinen Machttrieb um der Beherrschung willen. Insofern sind die Kriege in der Regel eine Huldigung und unbewusste Transponierung des Jagdinstinktes aus Urzeiten.

Das ursprünglich biologische Wiring (neuronale Vernetzung), das für das Überleben erforderlich war, wurde als einmal verankertes Muster für die Durchsetzung des menschlichen Willens in destruktiver Form zur Anwendung gebracht. Friedensarbeit heißt, dieses Pattern zu dekonditionieren. Doch der menschliche Geist zelebriert diesen destruktiven Instinkt in seiner Kunst und Kultur. Durch diese Verherrlichung einer sozialen Triebusurpation wird das Jagdmotiv im Menschen geisteskulturell verstärkt, sodass sich daraus ein alles beherrschender soziokultureller Wert ergibt, der die Individuen und Gruppen, institutionell, organisational, national und weltweit beherrscht.

Auch und insbesondere sogenannte zivilisierte Kulturvölker sozialisieren ihre Bürger explizit auf diese ambivalenten archaisch-basierte Verhaltensmuster hin und gestatten ihm, auch als christianisierte Völker nicht, sich insbesondere im Wege der primären, sekundären und tertiären Sozialisierung darüber hinauszuentwickeln und beklagen sich nachher über die verheerenden sozioökonomischen Konsequenzen ihrer astigmatischen Gesellschaftspolitik, die die Bandbreite und den Impact der diesen Sachverhalt bedingenden Verkettungen nicht voll zu erfassen vermag, sei es aus Unfähigkeit, Desinteresse oder kurzfristigem Selbstinteresse.

Durch das Aufeinanderprallen aller Kulturen entstehen heutzutage Formen der Durchdringung der diversen Entwicklungsphasen der menschlichen Zivilisation hin zu einem ausgewogenen Individualismus – Kollektivismusverständnis. Die interkulturelle Forschung hat sich, beginnend insbesondere mit Geer Hofstede, mit diesem sozialanthropologischen menschlichen Entwicklungsphänomen befasst, kommt aber auf Grund der kulturellen Relativitätsannahme zum Schluss, dass man keine Wertung des nunmehr soziokulturell verdichteten und beobachtbaren individualistisch bis kollektivistischen Wertepräferenzen Spektrums vornehmen kann, da die jeweiligen Wertepräferenzen als geschichtliche Produkt in diversen Kontexten, im Hinblick auf die damit einhergehenden diversen Problemlösungserfordernisse, gleichermaßen legitim sind.

Die interkulturelle Forschung bleibt peripher und legitimiert den destruktiven Instinkt des Menschen gewissermaßen unter dem Deckmantel einer statistisch neutralen Wissenschaftlichkeit. Sie kann, insofern, als nicht genügend analytisch und somit wenig hilfreich für sie offenbar transzendierende Problemlösungserfordernisse, wie die Frage von Krieg und Frieden, betrachtet werden. Daher sollte sie entsprechend relativiert werden und nicht als bare Münze, im Wege der sekundären Sozialisierung institutionalisiert werden. Ihre Verfechter werden sagen, dass sie keine über Business Management hinausgehende Ambitionen beanspruchen und ihre Hände damit in Unschuld zu waschen suchen. Doch Physiker, Biologen und Sozialwissenschaftler etc. gleichermaßen können von ihrer sozialen Verantwortung nicht entbunden werden. Sie ist Teil eines verantwortungsvollen und menschlich solidarischen Gemeinschaftsverständnisses. Und wenn dieses, von der Gemeinschaft berufene und mit allen Forschungsressourcen materieller und personeller Art ausgestattete „Kollektiv“ keine soziale Vorbildrolle wahrnimmt, dann kann man diese „Gemeinschaft“ der sich als Wissende Selbstinszenierenden als gesellschaftliche Farce bezeichnen, die der Menschheit nicht eben förderlich ist. Doch die Katharsis der Eliten ist in vollem Gang, vom Bundespräsidenten über zahlreiche Politiker, Manager, Sportler etc. Der kollektive Organismus eliminiert seine das Kollektiv individuell nach subjektiven Maßstäben usurpierenden Parasiten.

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Details

Titel
Das menschliche Verständnis der Gemeinschaft
Untertitel
Eine evolutionsbiologische Perspektive
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V213626
ISBN (eBook)
9783656422105
ISBN (Buch)
9783656565994
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kollektiv, Gemeinschaft, Gesellschaft, biologisch-soziale-geistige Integration, Grenzen der interkulturellen Forschung, Gemeinwesen, Kommunität, Individualismus-Kollektivismus/Kommunitarismus, Masse/Ideologie/Leader, Geheimnis der Gemeinschaft, Menschheitsfamilie, Einheit der Menschheit, Respekt der Diversität/Identität/Integrität/Privatsphäre, Gruppenmitgliedschaft/Werte/Verhalten, ingroup-outgroup, solidarisch/antisozial
Arbeit zitieren
D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deißler (Autor:in), 2013, Das menschliche Verständnis der Gemeinschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213626

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