Die soziale Lage der Arbeiter im Werkswohnungsbau

Unter Berücksichtigung der These: „Das Leben in einer Werkswohnung der Firma Krupp hatte für die Arbeiter eine bessere Lebens- und Wohnsituation zur Folge.“


Hausarbeit, 2012

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Ausgangslage in Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts
2.1. Das Bevölkerungswachstum
2.2. Die Urbanisierung

3. Das Arbeiterwohnen in der Stadt
3.1. Die Mietskaserne
3.1.1. Die Raumknappheit
3.1.2. Die hygienischen Zustände
3.2. Die Forderungen der Wohnund Sozialreformer

4. Der Werkswohungsbau der Firma Krupp
4.1. Das Konzept der Werkswohnung
4.2. Die Intentionen und Wahrnehmung des Werkswohnungsbaus
4.3. Die Reichstagsdebatte zum Werkswohnungsbau

5. Fazit

6. Literaturund Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Das Politisieren in der Kneipe ist nebenbei sehr theuer, dafür kann man im Hause Besseres haben. Nach gethaner Arbeit verbleibt im Kreise der Eurigen, bei den Eltern, bei der Frau und den Kindern. Da sucht Eure Erholung, sinnt über den Haushalt und die Erziehung. Das und Eure Arbeit sei zunächst und vor Allem Eure Politik. Dabei werdet ihr frohe Stunden haben.“1

Mit diesen Worten richtete sich Alfred Krupp am Ende des 19. Jahrhunderts an seine Belegschaft. Sie stellen Krupps Einstellung gegenüber, seiner Arbeiter und der Wohnungsfrage sehr gut dar. Im Rahmen dieser Hausarbeit soll mithilfe der Methoden der Sozialund Wirtschaftsgeschichte im gegebenen Umfang die soziale Lage der Arbeiter im Werkswohnungsbau dargestellt werden und diese mit der Situation der Arbeiter in der Stadt verglichen werden. Der Schwerpunkt soll dabei auf dem Werkswohnungsbau der Firma Krupp in Essen liegen. Angesichts der Hochindustrialisierung und der aufkommenden Wohnungsknappheit in den städtischen Gebieten am Ende des 19. Jahrhunderts stellt besonders der Werkswohnungsbau der Firma Krupp in Essen den wohl bekanntesten und umstrittensten Versuch dar, die Wohnungsfrage für die Arbeiter zu lösen.2 Vordergründig soll auch die Wahrnehmung der Arbeiter und ihre Wohnsituation beleuchtet werden. Hierzu werden zeitgenössische Quellen betrachtet. Auffällig ist, dass es kaum Niederschriften oder Stimmen der Kruppschen Arbeiter zu ihrer Wohnsituation gibt, so dass wir auf die Darstellungen in der Sekundärliteratur und den Publikationen der Firma Krupp vertrauen müssen, was natürlich den Grad der Objektivität schmälert. Um die Wohnungsfrage zu verstehen und dessen Ursachen zu klären, soll zunächst auf die Ausgangslage am Ende des 19. Jahrhunderts eingegangen werden. Bevor der Werkswohnungsbau der Firma Krupp genauer betrachtet werden soll, wird sich der allgemeinen Arbeiterwohnsituation in den deutschen Städten gewidmet, um einen Ausgangspunkt für einen Vergleich zu bilden. Betrachtet werden auch die öffentlichen Debatten zu den jeweiligen Formen des Arbeiterwohnens.

Das Thema ist aufgrund seiner kontroversen Rezeption nach wie vor Relevant. Im Rahmen der Recherche trifft man auf unterschiedliche Forschungsmeinungen und Intentionen, die dem Wohnungsbau der Firma Krupp zugeschrieben werden. Jedoch soll im vgl. Kastorff-Viehmann, Renate: Wohnungsbau für Arbeiter. Das Beispiel Ruhrgebiet bis 1914, Aachen 1981, S. 153-155; von Brüggemeier wird Alfred Krupp als der „Apostel des Werkswohnungsbaus in Deutschland“ bezeichnet Brüggemeier Franz J. / Niethammer, Lutz: Schlafgänger, Schnapskasinos und schwerindustrielle Kolonie. Aspekte der Arbeiterwohnungsfrage im Ruhrgebiet vor dem ersten Weltkrieg, in: Reulecke, Jürgen / Weber, Wolfhard (Hg.): Fabrik Familie Feierabend. Beiträge zur Sozialgeschichte des Alltags im Industriezeitalter, Wuppertal 1978, S. 165.

Rahmen dieser Arbeit die Frage ob durch die Bestrebungen des Werkswohnungsbaus den Arbeitern eine bessere Lebensund Wohnsituation ermöglicht wurde im Vordergrund stehen.

2. Die Ausgangslage am Ende des 19. Jahrhunderts

2.1. Das Bevölkerungswachstum

Das 19. Jahrhundert ist geprägt durch den einsetzenden Industrialisierungsprozess sowie durch ein enormes Bevölkerungswachstum. Dieses Wachstum hatte verschiedene Ursachen. Zum einen die wegfallenden Heiratsbeschränkungen in großen Teilen Deutschlands, welches die Auflösung von mittelalterlichen Familienund Gesellschaftsstrukturen mit sich brachte.3 Während davor die Eheschließung noch an eine Erwerbsstelle gekoppelt war, konnte man nun ohne Bindung an die Erwerbsstelle heiraten, was zu einem Anstieg der Geburtenzahlen führte.4 In den Regionen welche weiter an den Heiratsbeschränkungen festhielten, vordergründig der deutsche Süden, kam es zu hohen unehelichen Quoten.5

Des weiteren wurde das Wachstum vom Rückgang der Säuglingssterblichkeit bzw. der erhöhten Lebenserwartung und den verbesserten hygienischen Bedingungen begünstigt, so dass sich ein demographischer Wandel feststellen lässt, also der Übergang von einer Gesellschaft mit hohen Geburtenund Sterbeziffern zu einer mit niedrigen Geburten- und Sterbeziffern.6

Wenn man das Wachstum in absoluten Zahlen betrachtet gewinnt man einen guten Eindruck von der Dynamik der damaligen Gesellschaft. So lassen sich in Preußen um 1816 10,32 Mio. Einwohner verzeichnen, während um 1910 bereits 40,167 Mio. Einwohner verzeichnet werden.7 Somit lässt sich trotz Auswanderungswellen von einem Wachstum von ca. 390% in ca. 100 Jahren sprechen, was erstaunlich ist.

Das Bevölkerungswachstum des 19 Jahrhunderts lässt sich nach Siemann in drei Phasen einteilen. Wobei im Rahmen dieser Arbeit besonders die dritte Phase interessant ist. In dieser beschreibt Siemann, dass der Wachstumsimpuls von den industriell entwickelten Gebieten ausgehe (z.B. Sachsen, Rheinland und Westfalen), während die zwei Phasen davor noch agrarisch geprägt waren.8

2.2. Die Urbanisierung

Urbanität wird von Siemann wie folgt definiert:

„Denn Urbanität beruhte auf einer qualitativ neuen Infrastruktur(...)Dazu zählten Stadtplanung, die sogenannte ‚Städtetechnik’ mit ihren Dienstleistungen wie Gas-, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung sowie Anfänger einer Daseinsfürsorge.“9

Anhand dieser Definition lässt sich zeigen, dass unter Urbanisierung deutlich mehr zu verstehen ist als reines Städtewachstum, sondern dass die Urbanisierung auch mit anderen Herausforderungen und Entwicklungen einhergeht.

Das Wachstum hat sich sowohl auf dem Lande wie auch in der Stadt vollzogen, jedoch muss man der Stadt und ihrem Umland in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine weitaus größere Expansion als der ländlichen Region zusprechen.10 Die Stadt Essen- . B. weist 1875 eine Bevölkerung von 54790 Einwohnern auf, im Jahre 1910 ist die Bevölkerung auf 294653 Einwohner angewachsen.11 Es stellt sich die Frage, warum ein so starkes Wachstum gerade in den Städten verzeichnet wurde.

Eine treibende Kraft für das Wachstum der Städte war die Binnenwanderung. Unter der Binnenwanderung lässt sich, im Unterschied zur Außenwanderung die Wanderbewegungen innerhalb der deutschen Grenzen verstehen.12 Hier gab es einen deutlichen Trend zur Ost-Westund Land-Stadt-Wanderung. Diese Wanderbewegungen waren vordergründig von sozialen und ökonomischen Faktoren motiviert. So erhoffte man in den Städten eine bessere Lebenssituation zu finden, damit verbunden war auch die Hoffnung nach sozialem Aufstieg.13 Die Wanderbewegungen sind keineswegs als Einzel- oder Klassenphänomen zu sehen, sie kamen in allen Klassen mit unterschiedlichem

Erfolg vor. Festzuhalten ist jedoch, dass gerade unqualifizierte Neuzuwanderer selten den erhofften sozialen Aufstieg fanden.14 Das Ziel der Wanderer waren meist die Industriestädte im Westen, Sachsen oder Oberschlesien. Diese scheinen besonders verhei- ßungsvoll bei der Suche nach dem „neuen Glück“ gewesen zu sein.15

Abschließend für die Analyse der Ausgangslage lässt sich also zusammenfassen, dass die Wohnungsnot und das Aufkommen der sozialen Frage der Arbeiter im starkem Zusammenhang mit dem industriellen Bevölkerungswachstum, der sozioökonomisch motivierten Binnenwanderung und der verstärkten Urbanisierung steht. Im nächsten Abschnitt soll nun ein Blick in eben diese Wohnungen und das soziale Umfeld der Arbeiter geworfen werden. Denn wie Peterson in seinem Artikel „Industrialization, Urbanization, and Workers’ Culture“ richtig feststellt, ist neben der Situation am Arbeitsplatz die Wohnsituation der Arbeiter der wohl wichtigste Faktor den es zu betrachten gilt, wenn man die Lebensumstände der Arbeiter untersuchen will.16

3. Arbeiterwohnen in der Stadt

3.1 Die Mietskaserne

Der Bau von Mietwohnungen konnte mit dem rasanten Wachstum der urbanen Bevölkerung nicht mithalten. Somit verteilten sich die vielen Mieter auf wenige Wohnungen, was sich in einem Anstieg der Behausungsziffer widerspiegelte.17 So lässt sich von einer Verdichtung der Menschen pro Wohnung sprechen:

„ Die erste Schlafstelle befand sich im Erdgeschoß, in einer kleinen, halbzerfallenen Hütte, die jedenfalls bald abgerissen werden mußte; der kellerartige Raum hatte steinernen Fußboden und ungetünchte Wände. (...) Ich sollte in dieser Behausung mit der Frau und dem 4jährigen Töchterchen schlafen, der Mann, die vier Jungen und der Vater des Mannes schliefen im Vorraum.(...) Die zweite Schlafstelle war in jeder Beziehung ein Gegenstück zu der ersten. Die befand sich im vierten Stock einer fürchterlichen Mietskaserne; aus allen Zimmern der Stockwerke, die ich passieren mußte, ertönte Kindergeschrei, Flüche und Gekeife von gellenden Weiberstimmen. Windeln und elende Frauenunterkleider hingen zum Trocknen vor jedem Fenster, ein entsetzlicher Zwiebelund Essensgeruch erfüllte das Haus.(...) Ich klopfte an die Thür(...) Sie wußte gleich, was ich wollte, ich trat ein; das Gemach, in dem ich stand, war klein, viereckig, an den Wänden standen drei Betten, in der Mitte des Zimmers ein Tisch, an dem fünf Männer saßen, die aus einer gemeinsamen großen Blechschüssel löffelten. Wohin ich blickte, lagen, standen,

saßen und schliefen Kinder, Kinder in allen Größen Knaben und Mädchen, eines verlumpter als das andere. (...)“18

Dies ist eine Darstellung einer wohnungssuchenden Fabrikarbeiterin am Ende des 19. Jahrhunderts. Leider lässt sich der Quelle keine genaue Ortsangabe zuordnen, aber sie eignet sich dennoch gut um die Lebensumstände, sowie die räumliche Beschaffenheit der Mietskaserne, zu illustrieren. Das moderne Massenmietshaus oder auch die Mietskaserne finden ihren Ursprung in den deutschen Großstädten der 1860er Jahren hier war die Nachfrage nach Kleinwohnungen besonders groß. Die starke Abhängigkeit der Mieter vom Vermieter wird auch als „Wohnfeudalismus“ bezeichnet.19 Die jüngsten Erkenntnisse betonen jedoch, dass die Wohnungsnot deutlich konjunkturabhängig war und vor allem in Krisenzeiten ihren Höhepunkt fand.20

Typisch für das Arbeiterwohnen in der Stadt ist das Schlafgängertum, welches sich dadurch äußerte, dass Familien, die eine Wohnung mieteten, einzelne Betten nächteweise an fremde Arbeiter oder Familien vermieteten, um sich die Wohnung überhaupt leisten zu können.21 Dieser Notstand wurde durchaus von den Zeitgenossen wahrgenommen und mit einem sittlichen Verfall konnotiert.22 Die Praxis des Schlafgängertums führte ührte somit auch zu einer erheblichen räumlichen Knappheit in den sowieso schon sehr kleinen Wohnungen, was aus den Schilderungen der angeführten Quelle sehr gut hervorgeht.

3.1.1. Die Raumknappheit

Um die Raumknappheit zu erläutern, soll hier vor allem auf die Situation innerhalb der Arbeiterwohnung eingegangen werden, denn die Größe, der Schnitt und die Verteilung der Wohnungen waren ein großer Bestandteil der Mängel des Arbeiterwohnens.23

Der allgemeine Trend in Deutschland um 1875 lag bei den sogenannten Kleinwohnungen, welche aus bis zu zwei beheizbaren Zimmern bestanden. Die Entwicklung ging jedoch zur Jahrhundertwende in Richtung Zweibzw. Drei-Zimmer-Wohnung, was nicht bedeutete, dass dies eine bessere Wohnsituation zur Folge hat.24 So lebten z.B. in Berlin um 1871 durchschnittlich vier Bewohner in einer Wohnung mit einem beheizbaren Zimmer.25 Doch ein beheizbares Zimmer bzw. trockenes Zimmer war durchaus nicht die Norm. So werden die Wohnverhältnisse einer Familie in Berlin wie folgt beschrieben:

„Denn hier, in diesem einfenstrigen Gemach – 10 Schritte in der Länge und 7 in der Breite-, wo außer den Eltern noch drei Kinder wohnen, schlafen und essen, und an den feuchten Wänden der Schwamm üppig wuchert(...)“26

Dieser Ausschnitt aus einer zeitgenössischen Darstellung zeigt die räumliche Größe einer Kleinwohnung. Die gesamte Familie schläft in einem Zimmer von „10 Schritte in der Länge und 7 in der Breite“, aber auch auf die hygienische Situation lassen sich Rückschlüsse ziehen. In dieser Darstellung ist von keinen Schlafgängern die Rede. Aus der heutigen Betrachtung fällt es einem wahrlich schwer, sich diese Wohnform noch zusätzlich mit einem oder zwei Schlafgängern vorzustellen. Die räumliche Knappheit hatte auch eine unmittelbare Einwirkung auf die hygienischen Zustände, welche im folgenden Abschnitt erläutert werden sollen.

3.1.2. Die hygienischen Zustände

Der hygienische Zustand einer Arbeiterwohnung lässt sich anhand verschiedenster Quellen beschreiben. So wird die Situation in Berlin durch einen Besucher wie folgt beschrieben:

„Durch einen engen Hofraum, der durch einen Pferdestall und Heuschauern noch mehr beschränkt ward, kam ich in das Quergebäude. Ein unangenehmer, durchdringender Geruch wie von faulendem Käse und flüssigen Thierexkrementen strömte mir entgegen; kein Wunder – in dem schmalen zweiten Hof befanden sich Stallungen für dreizehn Kühe(...) Und dabei hausten in diesem Keller, den dampfenden Dung zur Linken und die Stalljauche zur Rechten, drei Parteien und zahlten ihr schweres Geld dafür!“27

Bevor die Tiere endgültig aus den Städten verbannt wurden, war das dichte Zusammenleben von Mensch und Tier mit allen hygienischen Nachteilen an der Tagesordnung. Es wird auch oft von Feuchtigkeit im Mauerwerk berichtet vor allem in den weit verbreiteten Kellerwohnungen.28

Die hygienische Situation der Wohnung war nicht nur Auslöser von Krankheiten, sondern schaffte auch schlechte Voraussetzungen für die Genesung der Kranken. Aufgrund der hohen Wohnziffern reichte es oft aus, dass das Erkranken nur einer Person zu Infizierung der Mitbewohner führte. Wegen der räumlichen Gegebenheiten konnte man den Kranken nicht in einem separaten Raum isolieren. Doch war es nicht nur die räumliche Beschaffenheit, die die Situation verschlechterte, sondern auch der Mangel an Luft und Licht, welcher besonders in den Kellerwohnungen herrschte. Sowie eindringender

Ofenrauch und Kälte im Winter, welche sich negativ auf die hygienischen Zustände auswirkten.29

Um die Betrachtung des Arbeiterwohnens in der Stadt abzuschließen, wird im letzten Abschnitt auf das Aufkommen und die Forderungen der Wohnreformbewegung eingegangen.

3.2. Die Forderungen der Wohnund Sozialreformer

Die Wohnungsnot, die Raumknappheit und die mangelhaften hygienischen Zustände der Arbeiterwohnungen wurden unter dem Terminus der Wohnungsfrage zusammengefasst. Diese Wohnungsfrage galt es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu lö- sen.30 Eine treibende Kraft waren die Wohnungsreformer und Sozialdemokraten. Ihre Forderungen setzten genau bei den im vorherigen Abschnitt beschriebenen Missständen an.

Es wurde eine Vermehrung des Wohnungsangebots, sowie eine erhöhte Markttransparenz gefordert. Allerdings sei es besonders wichtig, auf die Bedürfnisse der Arbeiter zu achten, sprich Kleinwohnungen zu erbauen, welche für die Arbeiter finanziell erschwinglich waren.31

Eine weitere Forderung galt der „Steigerung der Wohnungsqualität“32, insbesondere durch Abschaffung der ungesunden hygienischen Situation. Durch die Einführung von

Baunormen erhoffte man sich eine Lösung. Es sollte ein Mindestmaß dafür festgelegt werden, „was einem Menschen an Wohnfläche, Luft, Licht und sanitärer Ausstattungen zur Verfügung stehen sollte.“33 Allerdings wurde hier auch die Bauform diskutiert. Sollte es weiterhin dicht besiedelte Gebiete geben oder stellt die Gartenstadt bzw. die Kleinsiedlung eine bessere Alternative dar? Sollte man den Bau von Mietskasernen oder von Kleinhäusern mit Garten fördern?34

Hier werden die unterschiedlichen Idealvorstellungen klar unterschieden. Zum einen wird die Forderung nach dem Bau von Kleinhäusern nach dem englischen Vorbild des

„Cottage“ laut. Hierbei handelt es sich um ein freistehendes Haus, welches der Arbeiterfamilie mehr Platz und separaten Raum bietet und somit zu einer besseren Familiensituation führt und Abhilfe gegenüber den klassischen Problemen des Massenmietshauses- . Man sah in dem „Cottage“ und der Belegung durch jeweils nur eine Familie die Art und Weise wie die Vorfahren lebten.35 Zu erwähnen ist auch, dass der Bau von Kleinhäusern für Arbeiter bereits in Bremen und in einigen Formen des Werkswohnungsbaus umgesetzt wurde.36

Eine weitere Forderung, die aus heutiger Sicht etwas seltsam erscheinen mag, galt dem Festhalten an der Mietskaserne. Die Mietskaserne stelle den einzigen Ort dar, in dem verschiedene Klassen unter einem Dach hausen. Sie wurde als „Brücke“ zwischen den Klassen bezeichnet und könne somit ein gegenseitiges Verständnis der Klassen fördern. Aber sie könne auch als erzieherisches Element für die unteren Klassen dienen, indem sich diese ein Beispiel an den Bessergestellten nehmen, während die oberen Klassen an ihre sozialen Pflichten gegenüber der Arbeiter bzw. sozial schlechter Gestellten erinnert werden.

[...]


1 [Alfred Krupp], Ein Wort an die Angehörigen meiner gewerblichen Anlagen [Als Manuskript gedruckt],

2 Für eine Darstellung der kontroversen Meinungen zum Kruppschen Werkswohnungsbau

3 Vgl. Hafner, Thomas: Kollektive Wohnreform im deutschen Kaiserreich 1871-1918, Stuttgart 1988, S. 35.

4 Vgl. Siemann, Wolfram (Hg.): Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871, Band 7,

München 1995, S. 84.

5 Vgl. Reulecke, Jürgen: Die Mobilisierung der „Kräfte und Kapitale“: der Wandel der Lebensverhältnisse im Gefolge von Industrialisierung und Verstädterung. In: Reulecke, Jürgen(Hg.): Geschichte des Wohnens. Das bürgerliche Zeitalter 1800-1918, Band 3, Stuttgart 1997, S. 92.

6 Vgl. ebd., S. 92f.

7 Vgl. Reule>Mobilisierung, S. 94.

8 Vgl. Siemann: Staatenbund, S. 89f.

9 Ebd., S. 94.

10 Vgl. Reulecke, Jürgen: Geschichte der Urbanisierung in Deutschland, Frankfurt 11985, S. 41f.

11 Vgl. Tabelle 4. Das Wachstum deutscher Großstädte 1875-1910, in: Steitz, Walter (Hg.): Quellen zur deutschen Wirtschaftsund Sozialgeschichte von der Reichsgründung bis zum ersten Weltkrieg, Bd. 37, Darmstadt 1985, S. 484.

12 Vgl. Hafner: Kollektive Wohnreform, S. 40f.

13 Vgl. Reule>71f.

14 Vgl. ebd, S. 74f.

15 Vgl. Zimmermann, Clemens: Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik. Die Reformbewegung in Deutschland 1845-194 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 90), Göttingen 1991, S. 21.

16 Peterson, Larry: Industrialization, Urbanization, and Workers’ Culture. The „New“ Social History and the German Proletariat in the Nineteenth Century, in: Labour / Le Travail Vol. 12(1983), S. 184.

17 Vgl. Zimmermann: Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik, S. 22.

18 Eine Fabrikarbeiterin sucht eine Unterkunft, in: Teuteberg, Hans J. / Wischermann, Clemens: Wohnalltag in Deutschland1850-1914. Bilder, Daten, Dokumente, Münster 1985, S. 320f.

19 Vgl. Teuteberg: Wohnalltag in Deutschland, S. 92.

20 Vgl. ebd., S. 93f.

21 Vgl. Brüggemeier / Niethammer: Schlafgänger, Schnapskasinos, S. 151f.

22 Vgl. Wohnungsnot in Berliner Arbeitervierteln 1880, in: Ritter, Gerhard A. / Kocka, Jürgen(Hg.): Deutsche Sozialgeschichte. Dokumente und Skizzen, Bd. 2, München 1974, S. 271f.

23 Vgl. Zimmermann, Clemens: Wohnen als sozialpolitischer Herausforderung. Reformerisches Engagement und öffentliche Aufgaben, in: Reulecke, Jürgen(Hg.): Geschichte des Wohnens. Das bürgerliche Zeitalter 1800-1918, Band 3, Stuttgart 1997, S. 520.

24 Vgl. Brander, Sylvia: Wohnungspolitik als Sozialpolitik. Theoretische Konzepte und praktische Ansätze in Deutschland bis zum ersten Weltkrieg (Volkswirtschaftliche Schriften Heft 348), Berlin 1984, S.

82 -84.

25 Vgl. ebd., S. 90.

26 In den Elendsvierteln von Berlin, in: Teuteberg: Wohnalltag in Deutschland, S. 229.

27 Ebd., S. 228.

28 Vgl. Teuteberg: Wohnalltag in Deutschland, S. 233-235; sowie die Quelle aus Abschnitt 3.1.1. dieser Arbeit, S. 7.

29 Vgl. ebd., S. 98f.

30 Vgl. Brander: Sozialpolitik, S. 163.

31 Vgl. ebd., S. 164.

33 Zimmermann: Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik, S. 106.

34 Vgl. ebd., S. 166.

35 Vgl. Bullcock, Nicholas / Read, James: The movement for housing reform in Germany and France 1840-1914, Cambridge 1985, S. 73-77.

36 Vgl. ebd., S. 74f.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die soziale Lage der Arbeiter im Werkswohnungsbau
Untertitel
Unter Berücksichtigung der These: „Das Leben in einer Werkswohnung der Firma Krupp hatte für die Arbeiter eine bessere Lebens- und Wohnsituation zur Folge.“
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Seminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V213481
ISBN (eBook)
9783656417323
ISBN (Buch)
9783656417859
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wohnsituation, arbeiter, werkswohnungsbau, stadt, ende, jahrhunderts, unter, berücksichtigung, these, leben, werkswohnung, firma, krupp, folge, Lebenssituation
Arbeit zitieren
Maximilian Hild (Autor:in), 2012, Die soziale Lage der Arbeiter im Werkswohnungsbau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213481

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die soziale Lage der Arbeiter im Werkswohnungsbau



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden