Sarah Kuttner. Ein literarisches Fräuleinwunder?

Der Roman Mängelexemplar – Beleg für ein literarisches Fräuleinwunder?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlegende und relevante Begriffe
2.1 Herkunft und Historie des Begriffes „Fräuleinwunder“
2.2 Der Begriff des literarischen „Fräuleinwunders“

3 Die Person Sarah Kuttner
3.1 Biographische Eckdaten
3.2 Selbstdarstellung
3.3 Fremddarstellung
3.4 Werke

4 Textanalyse: Sarah Kuttners Mängelexemplar
4.1 Handlung/Inhalt
4.2 Erzählposition
4.3 Sprachwahl

5 Fazit Mängelexemplar– Beleg für ein LFW?

6 Gesamtfazit Sarah Kuttner

7 Literaturverzeichnis
7.1 Internetquellen

1 Einleitung

Gegenstand der vorliegenden Hausarbeit ist das Etikett des literarischen Fräuleinwunders[1], dessen Begrifflichkeit erstmals 1999 durch den Spiegel-Autor Volker Hage in seinem Artikel Völlig abgedreht geprägt wurde. Mit seinem Begriff umschrieb Hage die aufsteigende junge Generation von Autorinnen, die sich durch ihren frischen, unterhaltsamen und unbekümmerten Schreibstil auszeichneten. Diese Generation von jungen Schreibenden schaffte es, den seit den 70er Jahren vorherrschenden Ruf der deutschen Literatur, die als ernst und schwierig galt, zu durchbrechen und ihr wieder zu Popularität zu verhelfen. Den 90er Jahren ging eine andere Situation voraus: ausländische Literatur hatte Konjunktur und die als typisch deutsche Prosa angesehenen politisch-philosophischen Betrachtungen und essayistisch aufbereiteten Selbstfindungsromane zeichneten sich eher durch Unverkäuflichkeit aus. Die vorliegende Arbeit greift dieses Phänomen der 90er Jahre auf und sieht ihren thematischen Schwerpunkt in der Beantwortung der Frage, ob die Autorin sowie Moderatorin Sarah Kuttner dem Logo bzw. Phänomen des LFW zugeordnet werden kann. Um die Basis für ein Verständnis des vorliegenden Themas zu liefern, befasse ich mich zu Beginn mit den Begriffen Fräuleinwunder sowie literarisches Fräuleinwunder (LFW) und erörtere sie detailliert. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls auf den Ursprung sowie die Historie der Begriffe eingegangen. Da sich das Label des LFW an den Säulen Person und Text der entsprechenden Autorin manifestiert, wird die Analyse in vorliegender Arbeit auch in dieser Reihenfolge und in zwei separierten Schritten aufgebaut. Zunächst konzentriert sie sich auf die Person Sarah Kuttner und es wird systematisch geprüft, inwiefern sie die in Abschnitt 2 beschriebenen Merkmale eines LFW aufweist oder nicht. In darauffolgenden Arbeitsschritt wird nun die zweite Säule des LFW genauer betrachtet. Hier wird der Text Kuttners detailliert auf Merkmale eines LFW untersucht. Um dieses zentrale Anliegen zu erreichen, wird der Inhalt, die Erzählposition und die Sprachwahl Kuttners konkretisiert und analysiert. Die Arbeit schließt mit einem bewertenden Fazit darüber ab, ob Sarah Kuttner unter Berücksichtigung der erarbeiteten Fakten bezüglich ihrer Person und ihres Romans Mängelexemplar als ein LFW bezeichnet werden kann.

2 Grundlegende und relevante Begriffe

Folgend wird die Historie sowie die Entwicklung der Begriffe Fräulein bzw. Fräuleinwunder[2] aufgezeigt und beschrieben, welche Grundlage sie für das Etikett literarisches Fräuleinwunder bilden. Hier wird des Weiteren verdeutlicht, welche charakteristischen Eigenschaften und Merkmale des Fräuleins bzw. Fräuleinwunders in dem Label LFW zum Tragen kommen. Auf diesen Sachverhalt wird in Abschnitt 2.2 explizit eingegangen. Zudem wird erörtert, wie und warum diese Bezeichnung über die 50er Jahre hinaus erneut Anwendung gefunden hat. In den nachfolgenden Textabschnitten wird die Zweideutigkeit des Begriffes herausgearbeitet, die sich durch die Etikettierung der Autorinnen sowie durch deren Texte als LFW begründet. Die hier aufgezeigten Merkmale werden im weiteren Verlauf der Arbeit benötigt, um sie mit der Person Sarah Kuttner abzugleichen. Auf diese Art und Weise soll das Kernthema der vorliegenden Arbeit, nämlich ob Sarah Kuttner bzw. ihr Text Mängelexemplar als LFW einzuordnen ist, erschlossen werden.

2.1 Herkunft und Historie des Begriffes „Fräuleinwunder“

Das Wort Fräuleinwunder[3] hat im Gegensatz zu seinem Bestimmungswort Fräulein nur eine kurze Historie vorzuweisen. Der Begriff Fräulein stammt vom mittelhochdeutschen vrouwelin (Verkleinerungsform von vrouwe) ab und meint eine junge Frau vornehmen Standes. Erst seit dem 18./19. Jahrhundert wird er auch als Bezeichnung und titelähnliche Anrede für bürgerliche Mädchen und als titelähnliche verwendet und bezeichnet damit eine unverheiratete weibliche Person¸ Abkürzung: Frl. verwendet (vgl. Duden online 2012 `Fräulein`). Der Begriff ist veraltet und in der heutigen Zeit ist es üblich, unabhängig von Alter, Familienstand und Beruf, immer Frau anstatt Fräulein zu wählen. Die Anrede Fräulein ist seit den 50er Jahren nur noch üblich, wenn die angesprochene Frau dies selbst wünscht. Der Sachverhalt geht auf eine bereits im Jahr 1955 getroffene Regelung des Innenministers zurück, in der festgelegt wurde: “Die Bezeichnung Frau ist weder eine Personenstandsbezeichnung, noch ein Teil des Namens noch ein Titel, der verliehen müsste oder könnte“ (vgl. Okamura 2006, S.84). Dies wurde im sogenannten gemeinsamen Ministerialblatt mit folgendem juristischen Satz verankert: „ Es ist daher gerechtfertigt und geboten, unverheiratete weibliche Personen auch im amtlichen Verkehr mit „Frau“ anzureden, wenn sie dies wünschen“ (GMBI 1955, S.47). Ein durch die 68er Studentenrevolte geschärftes Bewusstsein für Emanzipation und auch das Drängen verschiedener Frauenverbände führte 1972 durch einen weiteren Innenministererlass dazu, dass der Erlass von 1955 angepasst und die Wunschklausel „wenn sie dies wünschen“ aufgehoben wurde (vgl. Guentherodt 1980, S.29). Von nun an verschwand der Begriff Fräulein weitestgehend aus dem offiziellen Sprachgebrauch, was auch dadurch begründet war, dass er den Familienstand der entsprechenden Person implizierte bzw. anzeigte und dies als diskriminierend empfunden wurde. Einen anderen Ursprung weist die Bezeichnung Fräuleinwunder auf, denn sie steht im Zusammenhang mit der Besatzung durch die alliierten Streitkräfte, insbesondere durch die amerikanische nach 1945. Zu dieser Zeit bemerkten die amerikanischen Soldaten, dass das Bild der jungen deutschen Frauen, das sie wahrnahmen, nichts mit dem traditionellen Bild der deutschen Frau gemein hatte. Die lebenslustigen und modisch gekleideten Frauen standen in einem starken Kontrast zu dem erwarteten Bild einer deutschen „Mutter“ und einer „Trümmerfrau“. Die jungen deutschen Frauen, damals seitens der Amerikaner als „ Fräuleins “ bezeichnet, prägten parallel zum Wirtschaftswunder, zur wieder aufstrebenden deutschen Wirtschaft, ein neues Bild der deutschen Frau. Aus dem ursprünglichen Aschenputtel („Mutter“ und „Trümmerfrau“) entwickelte sich so das Bild der charmant und verführerisch auftretenden Frau (vgl. Müller 2004, S.2) und eine bis heute anhaltende positive Konnotation des Begriffes setzte ein. Dass die diminutive Brandmarkung („Fräulein“) für unverheiratete Frauen richtigerweise weitestgehend entsorgt ist (vgl. NZZ vom 09.09.2004) lässt sich daran erkennen, dass dieser Begriff heutzutage für viele erfolgreiche Frauen verwendet wird. Beispielsweise wurde im Zusammenhang mit der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft während der WM 2006 vom „Fräuleinwunder“ (vgl. Okamura 2006, S.84) gesprochen und viele andere erfolgreiche Sportlerinnen wie Frl. Graf (Tennis), Frl. Huber (Tennis) und Frl. Franzi van Almsick (Schwimmen) wurden ebenfalls mit dem Label Fräuleinwunder versehen (Ebd.). Die Etikettierung geht auch über den Tellerrand des Sports hinaus, was daran ersichtlich ist, dass auch viele erfolgreiche Frauen, die aus der Modebranche oder Musikszene stammen so „tituliert“ werden. Als Beispiele hierfür sind Frl. Claudia Schiffer (Modell), Frl. Auermann (Modell) sowie Frl. Kylie Minogue (Sängerin) zu nennen. Sie zeigen, dass die Bezeichnung auch ausländische Fräuleinwunder mit einbezieht (Ebd. S.87f.). Die Entwicklung des Begriffes Fräuleinwunder war hiermit jedoch noch nicht abgeschlossen. 1952 wurde der Begriff des „deutschen Fräuleinwunders“ in den USA geprägt. Er baute auf dem Wort Fräuleinwunder auf und stand ein Jahrzehnt lang für junge, attraktive, moderne, selbstbewusste und begehrenswerte Frauen der 50er Jahre (vgl. Blumenkamp 2010, S.18). Auslöser und Vorlage für dafür war das junge deutsche Model Susanne Erichson, das den gängigen Klischees und Vorurteilen gegenüber jungen deutschen Frauen widersprach und nicht in dieses Bild passte. Sie beschreibt die Begriffsbildung folgendermaßen:

„Ich war nicht blond und unsere Mode kein bisschen bieder. Schon bald feierte man Gehringers Mode und mich als das neue „Deutsche Wunder“. Die großen Zeitungen und Magazine wie TIME und LIFE rissen sich um Fototermine. Die Botschafterin der Mode, das Fräuleinwunder aus Germany, war geboren!“(Erichson/Hansen 2003, S.185f.).

Auch nach den 50er Jahren wurde das Schlagwort weiter verwendet, aber nicht als Bezeichnung für einen bestimmten Typ von Frau, sondern für ein Automodell aus dieser Zeit, das Borgward-Isabella genannt wurde. Dieses Automodell wurde durchgängig feminisiert und mit den charakteristischen Eigenschaften des Fräuleinwunders etikettiert. Es wurde als Borgwards weibliches Auto bezeichnet und damit beworben, dass „sich ihr Aussehen und ihr Raum- und Fahrgefühl von allen anderen Mitbewerberinnen abhob“ (vgl. Steiger 1997, S.21f.). Die hier genutzte Etikettierung von Steiger soll ausdrücken, dass sich das Auto genauso ästhetisch und zeitgemäß präsentierte wie die damaligen Fräuleinwunder und dass es alle ihre charakteristischen Eigenschaften impliziert. Sie steht zudem in einem engen Zusammenhang mit dem bereits angesprochenen deutschen Wirtschaftswunder, das sich in den 50er Jahren zu entwickeln begann. Steiger bezeichnete besagtes Auto aufgrund dessen auch als als „blechgewordenes Stück Wirtschaftswunder“ (Ebd.). Diese beispielhafte Nutzung des Labels Fräuleinwunder kann in gewisser Weise als Vorläufer für die Übertragung in den literarischen Bereich gelten.

2.2 Der Begriff des literarischen „Fräuleinwunders“

Der Begriff literarisches Fräuleinwunder [4] wurde durch den Spiegel-Autor Volker Hage im Frühjahr 1999 durch seinen Artikel „völlig abgedreht“ geprägt (vgl. Hage 1999, S.244 f.). Das Titelblatt dieser Spiegel-Ausgabe zeigt Thomas Brussig zusammen mit anderen Jungautorinnen und Autoren wie sie symbolisch die Trommel des Oskar Matzerath[5] im Roman die Blechtrommel schlagen. Laut der Reaktion der damaligen Medien „fabuliert diese junge Generation von Schreibenden lustvoll, saftig, unterhaltsam und unbekümmert wie einst der junge Gunter Grass und missachtet jegliche literarische Theorien und Dogmen“ (vgl. Beutin 2001, S. 697). Zu diesem Zeitpunkt entstanden die „jungen Wilden der Erzählkunst“ (Ebd.), die sich einerseits aus dem „KiWi-Boywonder“[6] und andererseits durch die von Hage geprägten LFW zusammensetzten. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es nicht die Intention des Autors war, eine Wortschöpfung zu produzieren, die von nun an eine bestimmte Gruppe von Autorinnen bezeichnen sollte. Es kann lediglich spekuliert werden, dass er mit einer Slogan-ähnlichen Bezeichnung auf die erstaunlich große Anzahl junger Autorinnen im Literaturbetrieb reagieren wollte, die in auffälliger Weise von den Medien als besonders fotogen und somit repräsentabel eingestuft wurden (vgl. Müller 2004, S.27). In dieser Phase wurden z.B. die Autorinnen Sibylle Berg mit ihren Titeln Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot (1997), Sex II (1998), Amerika (1999) und die Sammlung Gold (2000), Karin Duve mit ihrem Regenroman (1999) sowie die ebenfalls als Jungmoderatorin bekannte Autorin Alexa Henning von Lange mit ihrem Titel Relax (1998) zu literarischen Fräuleinwundern gekürt (vgl. Beutin 2001, S.698). Auch vor ausländischen Schriftstellerinnen machte das Phänomen LFW nicht halt. So wurde beispielsweise Amélie Nothomb zu einem „belgischen literarischen Fräuleinwunder“ (Halter/FAZ, 27.05.04), Irina Denežkina zu einem „russischen Fräuleinwunder“ (3Sat, 04.10.03) und Terézia Mora wurde als „ungarisches Fräuleinwunder“ (Krekeler/Die Welt, 10.07.99) bezeichnet. Der Begriff des LFW schien eine griffige Formulierung zu sein, was an der häufigen Verwendung zum Ausdruck kam. Viele Autorinnen nutzten zudem den Begriff, um die für sie relevante und benötigte medien- und öffentlichkeitswirksame Wirkung und Aufmerksamkeit zu erzielen. Grundsätzlich basiert das Logo des LFW auf der Ursprungsbedeutung des Begriffes Fräuleinwunder, da beide Bezeichnungen attraktive, moderne, selbstbewusste und begehrenswerte Frauen meinen, nur dass die literarischen Fräuleinwunder von Beruf Schriftstellerinnen sind. Damals wie heute bezieht sich das Etikett auf die Gemeinsamkeiten zwischen den jungen Frauen, die auf den ersten Blick in der Äußerlichkeit zu finden sind. Aufgrund dessen referiert es unter anderem auf Merkmale wie Alter, Attraktivität und selbstsicheres Auftreten (vgl. Blumenkamp 2011, S.19), was auch die weitverbreitete Verwendung von Porträts und Nahaufnahmen unter vielen der Autorinnen wie Sarah Kuttner, Judith Hermann und Karen Duve begründet. Weitere charakteristische Merkmale für das Etikett LFW sind das generationsbildende Potential der Romane, die in einer authentischen Sprache verfasst werden und in diesem Sinne „Authentizität in Form von Darstellung einer Nichtdarstellung“ (vgl. Ebd., S.178) aufweisen. Zudem haben alle Texte der „Fräuleinwunderliteratur“ gemein, dass sie sich nicht deutlich von der zeitgenössischen Literatur abheben und sie die Grenzen zwischen hoher und populärer Literatur überschreiten (vgl. Hage 1999, S.245f.). Dieser Sachverhalt ist dadurch begründet, dass ein Verfassen auf ausschließlich ästhetischer Basis, die einen bestimmten Intellekt des Rezipienten voraussetzen würde, zu einem Unverständnis und gleichzeitigem Desinteresse beim gemeinen Literaturkonsumenten führen würde. Dies wiederum könnte zu einem ökonomischen Zusammenbruch des Systems „Literatur als Kunst“ führen (vgl. Heydebrandt/Winko 1996, S.96), da entsprechende Verkaufszahlen ausbleiben würden. Weitere Überschneidungen zwischen den verschiedenen Fräuleinwundern ist das erotisierte Bild, das von ihnen gezeichnet und teilweise absichtlich von ihnen selbst und ihren Verlegern durch die Art und Weise der Autorinneninszenierung in der Öffentlichkeit forciert wird. Den LFW sowie ihren Verlegern ist bewusst, dass Tabubrüche im Schreiben, besonders in Hinblick auf eine offen geschilderte Sexualität ein Merkmal für das populäre Label LFW darstellen und sie so ihre Verkaufszahlen in die Höhe treiben können. Dies bestärkt die Theorie, dass Textinhalte teilweise bewusst auf dieses Merkmal hin verfasst werden und hier von Erotisierung als professionelle Marketingstrategie gesprochen werden kann. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Vorgehensweise bezüglich der medialen Inszenierung und der Selbstinszenierung sehr stark an die der Autorinnen und Autoren der Popliteratur erinnert, denn für sie gilt diesen Art der Darstellung als ein absolut unverkennbares Markenzeichen. Diese steht in enger Verbindung mit einer stark konsumentenorientierten Ausrichtung und hat der Popliteratur zu einem Status verholfen, der bislang nur den Populärmedien wie Film, Fernsehen, Hörfunk und Internet vorbehalten war. Sowohl in der Popliteratur als auch unter dem Label LFW werden die Autoreninnen und Autoren intermedial zu Stars hochstilisiert bzw. sorgen sie selbst dafür, dass sie und ihr Werk die entsprechende Medienpräsenz erhalten. Zudem werden in beiden Fällen besonders auffällige und stilbewusst aufbereitete Autorenfotos bzw. Nahaufnahmen genutzt, um die Aufmerksamkeit der potentiellen Käufer zu wecken. Im Endeffekt bekommt der Konsument bzw. Käufer ein fertiges Marketingkonzept vorgesetzt. Ihm wird, um die Werbesprache zu nutzen, eine geschlossene Corporate Identity mit auf den Weg gegeben. Diese setzt sich aus den Elementen Text, Bildern und den passenden Statements zusammen. Eine weitere Gemeinsamkeit liegt in der gegenseitigen Überschneidung der Label LFW und Popliteratin bzw. Popliterat. So kann eine Autorin unter dem Etikett LFW geführt werden, wenn sie nur eines oder wenige Merkmale eines LFW wie Attraktivität oder junges Alter erfüllt. In der Popliteratur werden viele verschiedene Bezeichnungen wie Neue Deutsche Popliteratur, Pop I und Pop II, „ Suhrkamp-Pop “ sowie „ KiWi-Pop“ (vgl. Degler und Paulokat 2008, S.8.) verwendet, um letztendlich eine bestimmte Art von Literatur zu benennen und auch hier erscheinen verschiedene Autorinnen und Autorinnen unter der Bezeichnung Popliteratin/Popliterat, wenn sie wenige bestimmte Merkmale, die als charakteristisch für die Popliteratur gelten, erfüllen können. Die angesprochene Überschneidung innerhalb der Etikettierungen wird am Beispiel von Alexa Henning von Lange deutlich. Ihr Roman Relax (1997) und die Charakteristika ihrer Person wurden eindeutig der Popliteraturgattung zugeordnet und trotzdem gilt sie mittlerweile ebenfalls als LFW. Dies liegt an ihrer Methode, ihre Bücher über ein bestimmtes Image zu vermarkten, das wiederum bestimmte Merkmale beinhaltet, die verschiedenen Etiketten untergeordnet werden können. So gilt sie beispielsweise als Szenefrau (vgl. Rauch 1999, S.104 f.) und wird von der Öffentlichkeit als Typus der „lebenslustigen Nymphomanin“ (vgl. Beuse /Die Welt, 18.4.1998) und als „die Vulgäre“ (Ebd.) angesehen. Der oben bereits angeschnittene Umstand[7], dass sich das Merkmal der Erotisierung sowohl auf der Ebene der Autorinnen als auch auf der des Textes (erotische Textinhalte) manifestiert, zeigt eindeutig, dass sich das Etikett des LFW aus zwei Aspekten zusammensetzt. Zum einen spricht das Label textexterne Merkmale zur Person der Autorinnen (z.B. Alter, Attraktivität und selbstsicheres Auftreten) an, des Weiteren meint es die Art, einen Text zu verfassen. Dies begründet den Bezug auf formale textinterne Merkmale wie Inhalt, Darstellung, Aufbau und Sprache/Stil. Durch die starke Fokussierung auf die visuellen Merkmale vonseiten der Autorinnen wird zudem der Eindruck erweckt, dass das Etikett eher als eine Produktbezeichnung bzw. als ein Markenartikel mit einem vermeintlichen Wiedererkennungseffekt und weniger als eine ernst zu nehmende literarische Einordnung anzusehen ist. Diese Einschätzung wird dadurch bestärkt, dass viele der Autorinnen dem Phänomen LFW zugeordnet werden, wenn sie nur eines bzw. wenige der angesprochenen Merkmale wie ein einigermaßen junges Alter oder ein erotisiertes Gesamtbild vorweisen konnten (vgl. Müller 2004, S.27). Der Umstand einer selektiven Zuordnung weist darauf hin, dass das Etikett LFW maßgeblich durch die Literaturkritik mitgeprägt wurde. Interessant ist ebenfalls, dass einige Kategorisierungen wesentlich später stattfanden, was eine weitere Evidenz dafür ist, dass das Logo LFW eher als eine Produktbezeichnung zu definieren ist. Beispiele für eine nachträgliche Benennung zu einem LFW sind die Autorinnen Maike Wetzel sowie Malin Schwerdtfeger, die in den Jahren 2000 bzw. 2001 ihr Debüt feierten (Ebd.).

[...]


[1] Nachfolgend wird die Begrifflichkeit literarisches Fräuleinwunder als LFW abgekürzt.

[2] Im Folgenden wird Fräuleinwunder als FW abgekürzt.

[4] Im Folgenden durch das Kürzel LFW ersetzt.

[5] Oskar Matzerath ist der etwas sonderbare Ich-Erzähler in dem Roman die Blechtrommel von Gunter Grass.

[6] KiWi = Verlag Kiepenheuer && Witsch: gemeint sind alle Texte von Benjamin Stuckrad-Barre (z.B. Soloalbum 1998) und Benjamin Lebert (Crazy 1999).

[7] Siehe Seite 8 oben

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Sarah Kuttner. Ein literarisches Fräuleinwunder?
Untertitel
Der Roman Mängelexemplar – Beleg für ein literarisches Fräuleinwunder?
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Germanistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
27
Katalognummer
V213423
ISBN (eBook)
9783656416241
ISBN (Buch)
9783656416975
Dateigröße
666 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Master, Germanistik, Hausarbeit, Literarisches Fräuleinwunder, Etikett, Fräuleinwunder, Sarah Kuttner, Mängelexemplar, Literaturwissenschaft, Neue deutsche Literatur, Hauptseminar, Proseminar
Arbeit zitieren
Daniel Unger (Autor:in), 2012, Sarah Kuttner. Ein literarisches Fräuleinwunder?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213423

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