Leben und Wirken im Fadenkreuz von Zeit und Ewigkeit

Der Weg zur integralen Souveränität


Wissenschaftliche Studie, 2013

21 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Leben im Fadenkreuz von Zeit und Ewigkeit

2. Wirken im Fadenkreuz von Zeit und Ewigkeit

Modellierung des Fadenkreuzes von Zeit und ewigkeit im Bewusstsein des International Agierenden: Eine Architekturmetapher des Bewusstseins

1 Leben im Fadenkreuz von Zeit und Ewigkeit

„Fadenkreuz“ ist ein Begriff aus der militärischen Ballistik und insofern kommt es der deutschen martialischen Gefühlswelt entgegen. Desweiteren ist es aber auch ein Begriff, der Fokussierung, Zielorientierung und einen Konvergenzpunkt symbolisiert. Gegenwärtig interessiert uns die Schnittstelle von zwei zeitlichen oder, genauer gesagt, einer zeitlichen und einer zeittranszendierenden Achse in einem Punkt, den man als ewige Gegenwart bezeichnen könnte, ein Punkt, der sowohl an der zeitlichen, als auch an der die Zeit transzendierenden Welt teilhat und somit bislang unerforschte Eigenschafen und Qualitäten besitzt und damit eine ungenutzte Ressource für den Menschen, individuell und kollektiv, in Aussicht stellt.

Viele Probleme des Menschen rühren daher, dass er sich zu sehr auf der horizontalen, zeitlichen Achse bewegt. Diese ist durch die Logik des Zeitlichen mit ihrer antagonistischen Dialektik gekennzeichnet, auf der sich viele Dinge, insbesondere jene die sich im gleichen Raum des Bewusstseins befinden, gegenseitig auszuschließen scheinen. Schon Aristoteles hat darauf hingewiesen, dass widersprüchliche Positionen im selben Raum sich gegenseitig ausschließen. Andere Philosophen, wie beispielsweise der Weise Krishnamurti, haben darauf hingewiesen, dass die zeitliche Achse das gesamte mentale Bewusstsein prägt. Die Akkumulierung in der Zeit konstituiert den Bewusstseinsspeicher, der der Ausgangpunkt der Wahrnehmung ist. Das auf Heidegger zurückgehende Gedächtnis-Antizipationsmodell besagt, dass unsere Bewusstseinsaktivitäten durch diesen Speicher bedingt sind und dass sogar unsere Gegenwartskonstruktionen und Zukunftserwartungen gleichermaßen dadurch bedingt sind. Er fungiert wie die Leine eines Hundes, dessen Länge den Bewegungsspielraum des Hundes definiert. So ähnlich hat es bereits Krishnamurti in einer eingehenden Metapher formuliert.

Die Zeit bildet also jene Achse des Lebens, auf der unsere materiell-mentalen Kämpfe mit ihren endlosen Dialektiken und Konflikten stattfinden. Sie ist mit der Geschichte der Gefangenen von Cayenne vergleichbar, die sich auf der Flucht aus ihrem Gefängnis durch den Dschungel aufgrund der ungleichen Schrittlänge zwangsläufig im Kreis bewegen und somit in das Gefangenenlager zurückkehren. Ebenso verhält es sich mit dem zeitlich, mentalen Bereich, aus dem es für den Menschen kein Entrinnen zu geben scheint. Auch die Lösungsversuche seiner Probleme, die sich häufig im selben Bereich befinden, akzentuieren nur das Problem, obschon sie es mit immer größerer mentaler Sophistikation zu lösen versuchen. Das idiozentrische Mentale ist die dominierende innere Schrittdynamik, die die Wege seines Wesens bestimmt und ihn nicht aus dem Kerker entrinnen lässt.

Dieser Sachverhalt scheint den Traum der Menschen aller Zeiten und Breiten von Freiheit konstitutionsbedingt von vorneherein unmöglich zu machen. Daher ist sie bislang ein Traum geblieben, der allenfalls in seinen Künsten realisierbar ist und macht seine Fluchtversuche aus dem selbst errichteten menschlichen Kerker in geistig-materielle Eldorados mittels vielerlei Techniken und Drogen aller Art verständlich, da der permanente Aufenthalt in der freiheitsberaubenden Dunkelheit seines geistigen und vielfach auch materiellen Kerkers der Prekarität und Bedingtheit ihm das Leben schwer macht. Doch wohin soll der Mensch fliehen, wenn er vor sich selbst flüchtet. Gerät er dann nicht vom Regen in die Traufe, in dem er sich noch weiter von sich entfernt. Muss der den Kreis der Gefangenen im Dschungel von Cayenne geistig beschreiten, um schließlich wieder mit seiner Wahrheit konfrontiert zu sein und seine Freiheit auf dieser Wahrheit basierend zu erlangen.

Da gibt es indes aber auch eine andere Dimension, die er intuitiv erfasst, und die mit Attributen jenseits der antagonistischen Dialektiken, wie Friede, wahre Liebe und Freiheit besetzt ist. Sein Glaube an, seine Hoffnung auf und seine Sehnsucht nach und Liebe für diese Dimension, die in den Künsten zelebriert wird und in der Religion offenbart ist, lassen ihm aber das Spannungsfeld zwischen der zeitlichen und der überzeitlichen Achse erträglich erscheinen. Die Moral wird aber nicht selten auch als ein Kampf zwischen den beiden Achsen verstanden und kann die triste zeitliche Perspektive daher häufig nicht so recht aufhellen, da an dieser Schnittstelle häufig Schuldgefühle entstehen, die den Menschen zusätzlich belasten. Und doch haben Ethik und Moral eine Integrationsfunktion hinsichtlich der beiden Achsen. Dies kommt auch durch die Ebenen der Ethik und der Evolution im transkulturellen Profil mit ihrer Schnittstellenfunkton im nächsten Abschnitt zum Ausdruck.

Die konstruktive Frage lautet also, wie man die Intersektion und den Schnittpunkt der beiden Achsen, der zeitlich, mental-materiellen mit ihren dualistischen Dialektiken, i.e. die Logik der mentalen Bereiches integrieren und einen Ruhepol finden kann, einen Pol dessen Qualität aufgrund seiner Immanenz und Transzendenz an einer materiellen und einer immateriellen Dimension teilhat und die beiden Kräfte in Balance und somit zur Ruhe bringt.

Die Ideologien priorisieren in der Regel die zeitliche Achse und vermögen den Menschen à la longue nicht aus seinem scheinbar konstitutiven Kerker zu befreien. Die Geschichte der Ismen mit ihrer Reversibilität und Impermanenz stellen dafür genügend Evidenz bereit.

Religionen, die ausschließlich das Überzeitliche priorisieren, wie z. b. der Hinduismus und der Buddhismus in den viele Menschen flüchten, wenn sie die Befreiung aus dem scheinbar konstitutiven Kerker suchen, vernachlässigen häufig die zeitliche Achse und verstärken damit häufig materielle Nöte, die wiederum keinen lindernden Impact auf das Kerkerdasein haben. Im Gegenteil, auf der Suche nach der Freiheit auf diesem Wege kann man vom Regen in die Traufe geraten und sogar im Kerker bei vermeintlicher Erleuchtung regelrecht verhungern. New Age exemplifiziert diesen Prozess zum Teil, wenn es nicht gerade durch relativen materiellen Luxus abgefedert ist und somit lediglich eine kulturelle Befriedigung von Bedürfnissen noch exotischerer und raffinierterer Art ist, weil die materielle Welt bereits ausgereizt zu sein scheint.

Allein das Christentum mit seiner Positivität, dass beide Achsen als gut bezeichnet und dessen erstrangige Finalität die schöpfungskonforme Integration und der Konvergenzpunkt der beiden an der Schnittstelle ist, scheint die Quadratur des Kreises der zeitlichen und überzeitlichen Menschlichen anbieten. Indes, man kann nicht Gott und dem Mammon gleichzeitig dienen.

Die sino-japanische pragmatische Zivilisation hat erkannt, dass die Ambivalenz der beiden konstitutiven Tendenzen des Menschen einer Lösung und Integration bedarf und beschreibt ihre Dialektik folgendermaßen. Es folgt ein diesbezüglicher Eintrag aus meinem Transkulturellen Management Fachwörterbuch:

Haku/Kon

Diese beiden japanischen Begriffe chinesischen Ursprungs haben, laut Tsuda, folgende Bedeutung: 1 Kon: Essentielle Seele, die als unteilbare Einheit im Menschen wohnt. 2 Haku: Körperliche Seele, die die physische Einheit seines Wesens gewährleistet. Die Einheit der beiden Seelen bildet das Individuum. Beim Tod löst sich die Einheit der beiden auf, die beiden Seelen trennen sich. Kon steigt zu Himmel auf, Haku bleibt auf der Erde. Dank der Haku-Seele können wir unsere menschliche Gestalt aufrechterhalten. Wenn wir ihr aber zu viel Bedeutung beimessen, erliegen wir ihren Versuchungen und ersticken schließlich die essentielle Seele. Wenn wir aber andererseits der Haku-Seele zu wenig Bedeutung beimessen, verhungern wir. Die Entwicklung von Kon vermittels des physischen Körpers, wie in Haku no budo (M. Ueshiba) befreit uns von materiellen Lastern und führt zu Harmonie unter den Mitmenschen, während die Entwicklung von Haku, wie in Haku no Budo (M. Ueshiba) auf die Zerstörung des anderen abzielt. Dies verdeutlicht die Werte von Einheit und Harmonie im individuellen, kollektiven und transzendenten Bereich.

Das Streben nach dem Entrinnen von der zeitlichen Dimension mittels religiöser Prozesse ist beinahe allen Religionen gemeinsam. Asien hat die Intuition, dass darin die Befreiung des Menschen und somit seine Freiheit besteht. Sie versuchen gewissermaßen der Zeit und ihrem Impact zu entfliehen. Die gesamte Philosophie der Erleuchtung, ob in den diversen Graden der Selbstverwirklichung des Samadhi oder des Satori artikuliert sich um diesen geistigen Brennpunkt. Jener, der die vertikale Achse realisiert hat, gilt als Mukti, als ein Befreiter, der sich mit dem persönlichen oder überpersönlichen, universellen Ziel seiner Suche vereinigt hat. „Mu, mu, mu“ rufen die Zen Mönche scheinbar bei ihrer Art der Realisierung aus. Doch dies heißt „nichts, nichts, nichts“. Ihre Erkenntnis der vertikalen Achse besteht in der grenzenlosen Leere. Ein Ozean, auf dem die Wellen der Zeit verschlungen sind und der gordische Knoten der Zeit in gewissem Maße gesprengt ist. Die physiologischen Torturen auf dem Weg dorthin, ob über indisch, chinesisch oder japanische Wege, bergen indes große Gefahren, da sie mit latenten menschlichen Energien der Sexualität oder der universellen Energie des Ki arbeiten, die sich insbesondre der Kontrollierbarkeit durch westliche und selbst östlicher Adepten entziehen können. Zembyo, der Zentod der Zenmönche dokumentiert dies.

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Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Leben und Wirken im Fadenkreuz von Zeit und Ewigkeit
Untertitel
Der Weg zur integralen Souveränität
Autor
Jahr
2013
Seiten
21
Katalognummer
V213311
ISBN (eBook)
9783656416401
ISBN (Buch)
9783656566434
Dateigröße
1037 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
integraler Mensch, kulturelle Integrität, Integrität der Schöpfung/des Menschen
Arbeit zitieren
D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deißler (Autor:in), 2013, Leben und Wirken im Fadenkreuz von Zeit und Ewigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213311

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