Biologisch und psychologisch basiertes Konfliktmanagement

Encountering Syrian, North Korean and other Challenges to World Peace


Forschungsarbeit, 2013

64 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis/Index

1. A Socio-Biological Principle and Metaphor of Conflict and its Resolution. Ein soziobiologisches Prinzip und Metapher des Konflites und des Konfliktmanagements

2. Der unmögliche Friede?

3. Straßen des Krieges, Wege des Friedens

4. Frieden durch kulturelle Abrüstung

5. Interview mit Dr. Francisco Barahona Riera - Rektor der Friedensuniversität der Vereinten Nationen, San José/Costa Rica

1 A Socio-Biological Principle and Metaphor of Conflict and its Resolution. Ein soziobiologisches Prinzip und Metapher des Konflikts und der Konfliktlösung.

In this world everything is based on order, from the subatomic plane, across the human, right to the galactic and the supercosmic planes of existence. Einstein as well as religious revelation confirm this. And the former biomathematician V. V. Nalimov, from Moscow University, formulates this as a numerical determinism in the following way. I quote, in German, an extract of an interview, I conducted with him in Berlin in 1995 when he was in his eighties:

Prof. Nalimov: Ich mache die Erfahrung, daß es sehr, sehr schwer geworden ist, Bücher in einem anderen Land zu veröffentlichen. Ich betrachte mich zum Beispiel als ein Fortsetzer der deutschen Philosophie, aber es ist mir bis jetzt noch nicht gelungen, hier in Deutschland etwas zu veröffentlichen. In den USA ist das letzte Buch von mir 1984 veröffentlicht worden, und mein wichtigstes Werk:

Prof. Frau Nalimov: „Die Spontaneität des Bewußtseins, ein Wahrscheinlichkeitsmodell des Bewußtseins und die Sinnarchitektonik der Persönlichkeit" ist im Westen noch völlig unbekannt.

Herr Nalimov : Und dieser Zustand, der ist wirklich auch ein Teil der allgemeinen Getrenntheit voneinander, der Spaltung voneinander. Man weiß hier nichts davon, was wir tun; ebenso in Frankreich.

E. H.: Haben Sie den Weg gewechselt? Warum versuchen Sie Naturwissenschaft weiter zu treiben, mit den Sozialwissenschaften anzureichern?

Prof. Nalimov: Eigentlich nicht, keine Abweichung vom Weg. Ich habe mich von frühester Jugend an für Philosophie und Fragen des Bewußtseins interessiert. Meine Jugend ist in einer Stadt verlaufen, in der die Kultur sich schon immer mit diesen Fragen beschäftigt hat, und es waren eigentlich nur die Jahre der Unterdrückung, der Repression, die das abgebrochen haben. Ich halte mich aber deshalb nicht für einen Philosophen, weil ich niemals Geld für philosophische Tätigkeiten erhalten habe. Aber ich habe mein ganzes Leben mit der Philosophie gearbeitet. Und das hat mich eigentlich immer gerettet. Und jetzt erzählt Jeanna noch etwas über dieses Buch. Das haben wir zusammen geschrieben; es ist das wichtigste Buch meines Lebens.

Frau Nalimov: Es ist ein biographisches und ein philosophisches Werk. Hier legt Vasily Vasilyevich seinen Lebensweg und den seiner Familie dar, und im Anhang sind Auszüge aus Archiven des KGB wiedergegeben, die wir, das heißt, die Jeanna zwei Jahre lang recherchiert hat. Und die Archivmaterialien, die sind deshalb so bedeutsam, weil sie die Geschichte der geistigen Bewegung in Rußland in den frühen zwanziger Jahren darstellen, die nirgendwo dargestellt werden konnte und über die bis zur Perestroika niemand etwas wissen konnte. Hier gibt es Kapitel, die sich mit den geistigen Lehrern Vasily Vasilyevichs befassen. Wenn ich Ihnen etwas darüber erzähle, dann wird klar, warum er sich so für Psychologie, Philosophie und für Mathematik interessiert. Sein Lehrer, der Mathematiker Solonovich hat ihn gelehrt, die Mathematik und den Sinn zu lieben und daß man die Philosophie über die Mathematik begreifen kann. Das war eine neuphytagorische Richtung.

Prof. Nalimov: Es steht oft die Frage: „Warum ist Wissenschaft erfolgreich, wenn sie sich an die Mathematik wendet?" Ich antworte darauf in der Regel so: „Weil unser Bewußtsein mathematisch beschaffen ist. Deshalb, weil der Raum, der auch unserem Bewußtsein zugrundeliegt, eine mathematische Kategorie ist. Die Dimension der Zeit ist ebenfalls eine mathematische Kategorie.“ Darüber hat schon Kant geschrieben. Worüber er nicht geschrieben hat, ist die dritte Komponente, die Zahl. Also Raum, Zeit und Zahl. Sehen sie zum Beispiel: Hier liegt ein Buch, noch ein Buch und noch ein Buch; also drei Bücher. In der realen Welt existiert jedes einzeln für sich, aber in unserem Bewußtsein existieren sie als 3 Bücher. Die Rolle der Zahl in der Mathematik ist etwas Erstaunliches. Über sie... sehr viel verstehen. Und unsere Philosophen brechen ein, weil sie in der Mathematik nicht bewandert sind. Sie kennen sich nicht aus in der modernen Physik und Kosmogonie.

Frau Nalimov: Das Problem der heutigen Philosophie ist eben, daß sie nicht die moderne Physik, die moderne Mathematik und die moderne Kosmologie kennt. Sehen sie, die Philosophie stagniert praktisch, tritt auf der Stelle; unter anderem auch die deutsche Philosophie. Es gibt zum Beispiel das sogenannte anthrope Prinzip. Dieses sagt aus, daß diese Welt auf dem Verhältnis der Zahlen basiert. Wenn sich in dem Verhältnis der Zahlen auch nur etwas verändern würde, würden wir nicht existieren.

Frau Nalimov: Es sind die Grundkonstanten.

Herr Nalimov: Es entsteht daraus die philosophische Hauptfrage: „Woher kommen diese Grundkonstanten?“ Und existieren sie überhaupt irgendwo? Weshalb lenken sie die physische Welt?

Denn die Zahl ist keine physische Erscheinung, sondern eine semantische, und daraus entsteht die Frage: Warum leitet die semantische Welt die physische? Und von den Philosophen beschäftigt sich niemand mit ihr.

Frau Nalimov: Das ist ein sehr schwieriges Thema, dem die Philosophen früher wie jetzt ausgewichen sind. Z. b.: Die russische Übersetzung der Abhandlung Plotins über die Zahl, die er „Dialektik der Zahl“ nannte; die Philosophen haben diese Abhandlung nicht übersetzt.

Prof. Nalimov: Sie halten es für Mystik!

G.D.: Glauben sie, daß man das Leben und das Bewußtsein mathematisch formulieren kann?

Prof. Nalimov: Ja, ich baue eine axiomatische Theorie des Bewußtseins und es beruht auf einer neuen Logik und zwar auf einer nicht aristotelischen Logik, sondern auf der Logik von Beyes, und ich nenne das auch den Syllogismus von Beyes. Ich denke, daß die Philosophie sich axiomatisch aufbauen sollte. Und dann ist es völlig natürlich und unentbehrlich die Mathematik anzuwenden. Ich möchte aber noch mal für eine Minute zum anthropen Prinzip zurückkommen. Um das anthrope Prinzip zu verstehen, müssen wir begreifen, daß es in der Welt neben dem Bewußtsein des Menschen noch anderes Bewußtsein gibt. Wie könnte die Zahl sonst überhaupt wirken in der Welt.

G.D.: Betrachten sie die Zahl also als das höchste schöpferische Prinzip?

Prof. Nalimov: Ja, in der Tat, wie sie gesagt haben, die Zahl ist das Universelle Schöpferische Prinzip der Welt und nur durch die Zahl ist die Welt erkennbar, denn... leben in einer Welt, die wir selbst erdacht haben. Wenn gefragt wird, was denn die Realität sei, so kann man darauf nicht antworten. Damit habe ich mich speziell beschäftigt. Es gibt keine Kriterien der Realität. Wir leben in unserer eigenen von uns selbst erdachten Welt, die sich in Wechselwirkung mit einer gewissen anderen Welt, die außerhalb des Menschen ist, befindet.

Frau Nalimov: Vasily Vasilyevich hat ein Buch geschrieben, dessen Titel auf Russisch „Die Welt als Maß und Geometrie" heißt.

Prof. Nalimov: Das ist ein Buch über die Evolution, über die Vielfalt der Arten in der Natur.

Frau Nalimov: Dieses Buch ist in den USA in den achtziger Jahren erschienen und der englischsprachige Titel lautet: „Zeit, Raum und Leben“.

I have highlighted two key concepts that of separation and separateness and the anthropic principle that postulates, according to the author, that existence as a whole is imputabale to the relationship of numbers. Obviously, this reminds us of Phytogorean numerological philosophy. Our digital era, in which we can model nearly anything based on the digital – number – principle, seems to confirm the assumption of order and determinism of existence as a whole. The very beautiful Bible metaphor, according to which every hair on the head is counted drives home in unpretentious language that man should not trick himself into thinking that anything happens outside the sphere of mathematically precise order. So, there is no deceiving possible, except maybe of oneself, and this has its price.

Nalimov first laments the state of separation of his country from the West, even in the post-perestroika phase and formal abolition of the regime that bipolarized the world ideologically, politically and strategically. Division which mathematically is a splitting of unity in two or more, is the archetypal principle of conflict, if it occurs in a vulnerable terrain, because than it can set fire to an entire social, political or biological organism. The orderly division of cells in any organism and in the context of a healthy organism is a natural biological principle of growth and life. It is an aspect of the order of life, which is part of a seemingly overall mathematical order of existence. But not only naturally healthy growth, but also unnatural growth and destructive processes of organisms seem to occur with a similar mathematical dis-order, with the difference that their finality is the dissolution and the end of organisms. If the universe is based on mathematical order growth and decay alike are conditioned by this principle – the anthropic principle. For, if the destruction of organisms would not follow dis-order it would contradict the anthropic principle, because there would be domains of existence that escape that principle and one might have to find another principle that additionally accounts for those processes.

The division of East and West lingers on, although to a lesser degree than during the stark ideological bipolarization of the world when the equilibrium if terror, the iron curtain and the Berlin Wall in an abnormal terrain of overall disunity and antagonism provided the conditions for the whole of the human and planetary organism to be infected by the propagation of the division and its final destruction, similar to the unhealthy division and propagation of pathogenic cells in a destabilized terrain by disunity and therefore a lack of consolidated integrity with its inability to resist a “destructive order”.

The principle of growth and destruction of organisms, governed by order, seems to be observable at all levels of existence including the social. If unnatural division occurs in a weak terrain the destructive logic can take place unit it reaches its finality of dissolution of the organism, if the process remains unchecked. From a social-biological standpoint the geopolitical bipolarization fulfilled the conditions of destructive order based on its two criteria, i.e. unnatural disunity and division in an overall weak planetary terrain, due to the global impact of disunity.

The historical replication of the twofold principle of disunity (corresponding to the unhealthy division of biological cells in the social organism) and of the weakness of the terrain could also be observed, for example, in the case of the Vietnam conflict. It could have diffused to the entire human social organism. And it actually did to a certain extent, because it involved a number of world powers, like the United States, the Soviet Union and China. The propagation of once triggered – ideological, political – division in an overall ideologically weakened terrain as a whole had brought the entire, interdependent planetary and human organism to the brink of a geopolitical abyss.

The impact of the biological principle and metaphor of negative division in an unstable terrain can be observed in many post WW2 civil conflicts and continues unidentified and insufficiently understood right into the present:

The Syrian civil war testifies to the validity of the principle as well as most conflicts that are based on dialectical processes that involve, based on the prefix dia (meaning 2) an unnatural division of organic integrity and unity of a system that further weakens a weak terrain and thereby triggers and promotes the destructive order and logic. The principle of division in a politically unstable region can easily spread to the region at large and, as the proliferation of pathogenicl organic cells, infest the entire region and beyond, right to a large scale war in a nuclearized environment with its potentially fatal impact on organisms as a whole, human as well as social and material. So, today the seeming strength of the terrain based on nuclear deterrence constitutes, at the same time a lethal vulnerability of the terrain. In the case of Syria, a region that formerly was in a state of seeming health, the process of division and the weakening of a vulnerable terrain started surreptitiously as a thief that enters a house at night. And once it has set in the entire human social organism is more or less affected by the process, while it can do seemingly little to stop the developemnt of the destructive order.

If division and a weak terrain are causally connected to the destructive process, the normalization of the terrain and the ending of division would mean its inversion. So, the constructive peace making question would be as to how the terrain can be strengthened and the division be reintegrated. These two axes should be the royal path of peace building that would consist in devising instruments, ways and means of achieving the two objectives of unity and integrity of players and of the terrain: It would amount to the end of the destructive order and its logic and processes. And the end of the destructive order gives way to the prevalence of the constructive order of unity and integrity of the terrain, which is peace.

When the human social organism as a whole is, as is presently the case, besieged by more than one process of unhealthy division in an unstable environment, due to the reemergence of the Koran conflict, the organism of humanity is threatened in more than one way according to the same principle. Then the totality of the organism is required to take appropriate measures for achieving the reintegration of the planetary organism, so that the destructive order may not threaten from various directions. Than the process of potential escalation may be truly threatening for man on the planetary organism with its myriad biological organisms at its diverse levels and in its many contexts ranging from the interpersonal, via the intergroup, the international and intercultural to the interracial and global. They all seem to be governed by the socio-biological principle and metaphor of orderly growth or its inversion as dis-orderly (the order of disorder) decay and destruction.

Beyond sociocultural and other forms of conditioning man should also understand his underlying condition – the actual human condition – of order in growth and destruction defined as the identified, twofold sociobiological principle that seems to be applicable across organisms and their ecosystems. It amounts to biologically based peace research in view of an ecology of peace.

Von deutscher Warte her ist festzustellen, dass das identifizierte soziobiologische Grundprinzip des Konfliktes auch auf die deutsche Teilung (Division im prekären globalen Terrain) anwendbar war, das ja auch Ausbreitungs- und Eskalierungspotential bis hin zu einem planetaren Konflikt besaß. Und es ist ebenso anwendbar auf die historische Teilung des Fränkischen Reiches vor einem Jahrtausend und die daraus folgenden deutsch-französischen Dialektiken bis in unsere Tage hinein. Und es kann als Wegbereiter der großen Kriege des vergangenen Jahrhunderts interpretiert werden.

Es besteht außerdem die Notwendigkeit auf die Interdependenz und die möglichen Wechselwirkungen des Konfliktprinzips auf verschiedenen Ebenen hinzuweisen, vom Individuum, über Gruppen, bis hin zu Prozessen im Weltmaßstab. Die Systemanalyse oder das fraktale Prinzip können über die Mechanismen der Ausbreitung des Konfliktes in institutionellen und organisationalen Kontexten informieren. Nachdem das Prinzip an sich identifiziert wurde, handelt es sich im weiteren eher um seine diversen kontextrelativen Modalitäten und Prozesse.

Man kann das Erkannte auch ex-post über die quantenphysikalische Metapher des Bohr'schen Komplementaritätsprinzips formulieren, denn die soziobiologische „Grundkonstante“ eines Konflikt- und Konfliktlösungsprinzips oder einer Metapher resultiert eben genau aus den komplementären Optiken von Spaltprozessen und Terrainbedingungen, die das Konfliktprinzip zusammen substantiieren.

Es wäre auch möglich, eine quantische Konflikt und Konfliktlösungsmetapher zu formulieren, das Konfliktprozesse und deren Möglichkeit der Inversion aufgrund der Externalisierung von Bewusstseinsmustern in der sozialen Welt und somit das gesamte Feld des Menschlichen als eine Einheit erkennt und beschreibt: Gewissermaßen eine Einheitsfeldtheorie des soziobiologischen Konflikt-Lösungs-Prinzips.

All diese intellektuellen Konstrukte sind überflüssig, sofern der Mensch willens ist, brüderlich und solidarisch mit seinem Mitmenschen, in der Einheit einer diversen Menschheitsfamilie zu leben, denn die Einheit und der Kontext sind dann komplementär auf konstruktive, statt auf destruktive Ordnung hin, angelegt. Auf diese Weise wird das Konfliktprinzip in ein Konfliktlösungsprinzip gewandelt.

2 Der un-mögliche Friede?

Nach Äonen menschlicher Geschichte, die vor allem durch intergruppen und interpersonale, sowie zwischen beiden wechselwirkenden Konflikten und Kriegen gekennzeichnet waren, gibt es Anlass zur Formulierung der Frage, ob der Mensch ein Geschöpf des Friedens oder aber des Krieges ist. Aufgrund der Persistenz der Kriegs- und Konfliktpatterns und deren Eskalierung parallel zur vermeintlichen Zivilisierung der Menschheit, scheint es genügend Evidenz dafür zu geben, dass das Konfliktpattern eine konstitutive Komponente der menschlichen Natur ist. Ist es aber eine konstitutive Komponente des Menschen, so kann man kaum erwarten, dass Kriege und Konflikte in diversen Formen in menschlich überschaubaren Zeiträumen ein Ende finden können. Wenn sich im Laufe der Geschichte über Zeiten, Kulturen und Breiten hinweg etwas verändert hat, dann die zeit-, kultur- und technikbedingten Formen und Ausprägungen der Konflikte, jedoch nicht die inneren kriegstreibenden Motive und Prozesse in der menschlichen Psyche, die als Konflikte externalisiert werden und die man auf einem Intensitätskontinuum von kalten bis heißen Kriegen systematisieren kann. Und das menschliche Leben der Kulturen, Nationen, Gruppen, Individuen, Völker und Staaten ist ein permanenter Tanz auf diesem Kontinuum, auf dem es, so scheint es, nur bedingten, reversiblen Frieden geben kann. Die Regel, statt der Ausnahmeerscheinung ist der Konflikt auf interpersonaler, interorganisationaler, interinstitutioneller und globaler Ebene geworden. Seine vormals klarer definierbaren Fronten sind der Universalisierung eines weltumspannenden, allumfassenden soziokulturellen Konfliktes gewichen, der sogar die virtuellen Räume, sowie extraterrestrische, ja sogar die subatomaren Bereiche und die letzten Winkel der Tiefsee miteinbezieht. Sie alle haben einen gemeinsamen anthropogenen Ursprung und sind nicht übergeordneter, einer sich dem Menschen entziehenden und ihn alternativlos bedingenden höheren Gewalt, jenseits menschlicher Einflussnahme und Kontrolle, zuzuschreiben. Diese Quelle der Konflikte jedweder Form und Gestalt, die kollektiv verstärkt wird und nur schwer, wenn überhaupt steuerbar ist, befindet sich im Inneren des Individuums. Bereits der preußische Kriegstheoretiker von Clausewitz hat den Prozess der Entwicklung von Konflikten mit einem Aufzug ohne Halteknopf verglichen, der, sobald er einsetzt, unkontrollierbar ins Unendliche emporschnellt, während alle menschliche Steuerungsmechanismen bisweilen außer Kraft gesetzt zu sein scheinen.

Tausendjährige asiatische Kriegsphilosophie und Strategie haben aufgrund der Uneinschränkbarkeit des Kriegsphänomens daher auch den gesamten menschlichen, den psycho-materiellen Kontext, ja selbst die gesamte Natur in ihre strategisches Denken miteinbezogen und endlose Strategeme der List im Hinblick auf die für die Beherrschung der kriegerischen menschlichen Natur ersonnen. Rationalistischere, wissenschafts- und technikgläubige, vermeintlich modernere, westliche Kulturen, meinten, sie könnten das Phänomen auf relativ mechanistisch steuerbare Prozesse reduzieren. Allen voran die USA haben damit seit dem Vietnamkrieg, trotz großer materieller Überlegenheit, bis in unsere Tage hinein, eine Lektion über die menschliche Natur in dieser Hinsicht lernen müssen, denn das innere menschliche Kriegsmotiv ist nur schwer – und wenn dann vielleicht zeitlich begrenzt - von der materiellen Seite her, von außen nach innen, steuerbar, sondern, wenn überhaupt, dann von der inneren psychischen Konfliktquelle her.

Gleich wieviel Aufwand man auch immer in das Management eines Stromes investieren mag, es hat keinen Impact auf die Quelle, solange sie ihrer Natur gemäß fortsprudelt. Die Natur lehrt uns, dass man die Dinge nur von ihrem Ursprung, von ihrer ursächlichen Kausalität her steuern kann. Und dies scheint auch auf die Natur des Menschen zuzutreffen und darauf anwendbar zu sein.

Man könnte sagen, dass, was unsere Situation hierzulande anbelangt, man nach den beiden großen Weltkriegen des 20. Jahrhunderts, die in ihrem Vorfeld von der Hoffnung auf dauerhaften Frieden geprägt waren, zu erkannt haben scheint, dass der Krieg unvermeidbar ist und dass seine Entstehung und seine Prozesse Teil der menschlichen Konstitution und somit irreversibel zu sein scheinen. Folgerichtig, so könnte man annehmen, hat man daher auf die formale Ausarbeitung und Unterzeichnung eines Friedensvertrages zwischen den Kriegsparteien des zweiten Weltkrieges verzichtet. Denn er würde ja sowieso irgendwann in irgendeiner Form wieder gebrochen werden.

In der Tat, die progressive Aushöhlung der Friedenspolitik, die unter dem Impact der Nachwirkungen der Verheerungen des zweiten Weltkrieges mit seinen 80 Millionen Opfern initiiert worden war, hat sich naturbedingt wieder, gleich dem Dieb in der Nacht, in das psychologische Gebäude des Menschen eingeschlichen, sodass er bald wieder fähig und innerlich auch bereit war, zum kriegerischen Business as Usual zurückzukehren und dies mit noch mehr Kriegspotential als je zuvor. Man mag dies natürlich mit dem geopolitischen Kontext einer bipolarisierten Welt im Zeichen des Gleichgewichtes des Schreckens rechtfertigen, aber es ist, wie auch immer, eine Rückkehr zum Kriegsparadigma auf Raten. Und wenn die Raten abgeleistet sind, dann steht man irgendwann wieder vor der vollendeten menschlichen, psychologisch-materiellen Konfliktkonstitution mit ihren bekannten und ebenso unabänderlichen Prozessen, wie sie oben kurz beschrieben wurden. Der Mensch hat sich zum Preis seiner und der Schöpfung Integrität daran gewöhnt, in einem permanenten intern-extern, national und international vernetzen latenten, universalisierten Konfliktzustand zu existieren, statt in Frieden zu leben und hat sogar die Vision des Friedens weitgehend verloren.

Und doch ist der Frieden ein gleichermaßen legitimes und unverzichtbares Paradigma, das aufgrund der Konfliktkonditionierung mehr und mehr verdrängt wurde, da insbesondere die jüngere Geschichte mit der Entstehung der Nationalstaaten keinen Raum mehr für dieses Friedensparadigma hatte. Doch spaltet man dieses Paradigma von der menschlichen Psyche ab, so fehlt dem kalten-heißen Kriegskontinuum das integrative Moment und die Dynamik zur Beherrschung des Kriegsparadigmas. Es erhebt sich also die Frage, wie man das menschliche Bewusstsein wieder für das gesamte, ganzheitliche Kontinuum der Kriegs- und des Friedensparadigmen sensibilisiert. In dieser umfassenderen Wahrnehmung der menschlichen Konstitution findet der Mensch und die Gesellschaften einen möglichen Schlüssel für die Beherrschung seiner konstitutiven martialischen Natur.

Bertrand Russel hat als Philosoph und Mathematiker zutreffend erkannt, dass die Macht das zentrale soziale Motiv des Menschen ist, ebenso, wie die zentrale Größe in der Physik die Energie ist. Im inneren Menschen scheint also ein Machtmotiv zu herrschen, das alle anderen Motive unterordnet und für seine Zwecke usurpiert. Die Macht ist immer in Beziehung zum Mitmenschen auf individueller oder kollektiver Ebene zu sehen:

[...]

Ende der Leseprobe aus 64 Seiten

Details

Titel
Biologisch und psychologisch basiertes Konfliktmanagement
Untertitel
Encountering Syrian, North Korean and other Challenges to World Peace
Autor
Jahr
2013
Seiten
64
Katalognummer
V213003
ISBN (eBook)
9783656410904
ISBN (Buch)
9783656565864
Dateigröße
720 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In Englisch und Deutsch
Schlagworte
conflict resolution, peace research, soziobiologisches Konfliktprinzip/Metapher, Friedensforschung, quantische Konfliktlösung
Arbeit zitieren
D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deißler (Autor:in), 2013, Biologisch und psychologisch basiertes Konfliktmanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213003

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