Schritte zur ökologischen Agrarwende


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

18 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhalt

1. Prolog

2. Agrarreformen der Vergangenheit

3. Der Versuch einer deutschen Agrarwende

4. Agrarreformen in der schwerfälligen EU-Bürokratie

5. Bescheidener Aufschwung im ökologischen Landbau

6. Der Niedergang der Bauern als Kulturträger auf dem Land

7. Agrarfilz und Preispolitik

8. Weitere Schritte für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft

Literatur

1. Prolog

Drei Viertel der Bevölkerung in Deutschland lebten um 1800 noch auf dem Land, um 1900 waren es noch 40%. Nach dem Krieg 1945 arbeiteten noch 25% in der Landwirtschaft[1] und die Agrarwirtschaft bewältigt dies inzwischen mit 3% Anteil mit weiter sinkender Tendenz. Seit 1800 sind riesige kulturauflösende Umbrüche im ländlichen Raum vonstatten gegangen. Rudolf Bahro kritisiert, daß diese Prozesse nicht aufgefangen worden sind. Zentrale Aufgabe wäre, heute den Bauern, die Bäuerin als Kulturfaktor auf dem Land wieder zu etablieren. Er sieht, im kommenden Zeitalter der ökologischen Degradation werden wir auf dieses Kultur- und Wissensgut noch einmal zurückgreifen müssen.[2]

Heute ist der moderne Bauer faktisch nur noch ein kleines Rädchen in einer gewaltigen technokratischen Infrastruktur, die ohne besondere Gesetzgebung und massive Subventionen nicht mehr auskommt. Früher waren der Bauer und die Bäuerin für fast alles zuständig, was mit der Produktion, Verarbeitung und Verteilung von Nahrungsmitteln zusammenhing. Jetzt ist der Bauer nicht viel mehr als Traktorfahrer, Giftsprüher und Ernteeinbringer.[3]

Die Agrarwirtschaft wurde in den vergangenen Jahrzehnten in eine Sackgasse manövriert. Viele Politiker, Wissenschaftler, die EU und die Agrar- und Ernährungswirtschaft hatten daran zentrale Schuld. Ein ganzes Entwicklungsmodell der Landwirtschaft mußte abdanken. Bevor dies eingeleitet wurde, mußte viel Vertrauen der Bürger in die Lebensmittel verloren gehen.[4] Wie weit aber die deutsche Agrarwende reichen wird, ist freilich noch nicht abzusehen, nur erste Schritte sind sichtbar, die noch nicht zwingend zu einer wirklichen Wende führen müssen.

Die Liste der Skandale in der Lebensmittelindustrie ist lang. Da fand man Glykol im Wein, Salmonellen in Eiern, „Dioxin-Hühner“ wurden geortet, Nematoden tauchten im Fisch auf oder Insektizide in der Kindernahrung. Ulrich Kluge weist darauf hin, obwohl diese und andere Affären das deutsche Lebensmittelrecht in kein gutes Licht stellen, läßt die Politik nicht davon ab, es als eines der schärfsten in der Welt zu loben. Doch die heutigen Strukturen in der Landwirtschaft und die der Lebensmittel verarbeitenden Industrie scheinen geradezu ein Einfallstor für Verfehlungen zu bieten, wenn man nur an die Ereignisse um das Unkrautvernichtungsmittel Nitrophen im Ökoweizen im Sommer 2002 zurückdenkt. Der nächste Skandal kommt bestimmt. Und siehe da, aktuell findet man das hochgiftige Dioxin in Futtermitteln in Brandenburg.

Obwohl 1988 in zahlreichen Experimenten deutlich wurde, BSE überspringt die Speziesbarriere, kam ungetestetes Rindfleisch weiterhin in den Handel. Die Entwicklung der BSE-Krise bestätigte die befürchtete Übertragbarkeit des immer noch nicht eindeutig bestimmten Erregers von Rind auf Schweine, von Rind auf Mäuse und schließlich auch von Rind auf Menschen als Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.[5] Die Epidemie erreichte 1992 ihren Höhepunkt. Pro Monat erkrankten 2.500 Rinder. 1993 kam es zu keiner weiteren Steigerung der erkrankten Rinder. Doch mit dem Abflauen der Krise zog eine Sorglosigkeit ein, die nicht im Geringsten begründet war.[6]

Der britische Biologe Steven Dealer warnte ab 1990 als erster Wissenschaftler vor der BSE-Katastrophe. Von seinen Kollegen wurde er damals diskriminiert. Bisher sind bereits über 100 Menschen gestorben an den Folgen von BSE. Dealer rechnete hoch, 136.000 Menschen werden wahrscheinlich in den nächsten 40 Jahren Opfer der Jakob-Kreuzfeld-Krankheit sein, die durch den Verzehr des kranken Fleisches ausgelöst wird. Vermutlich ist aber diese Schätzung noch zu niedrig, so Dealer.[7]

In dieser Arbeit soll ausgeführt werden, welche wichtigen Schritte zu einer Agrarwende wurden seit dem Amtsantritt von Renate Künast in Deutschland eingeleitet. Welche Reformprozesse wurden in der Vergangenheit vorgenommen, und wohin sollen diese aktuell führen. Einbezogen werden dabei insbesondere zentrale EU-Maßnahmen. Besonderes Augenmerk gilt auch dem Wachstum des ökologischen Landbaus in Deutschland und welche Probleme dabei auftreten. Angesprochen werden zudem die strukturellen Mißstände in der Landwirtschaft und dem Agrarsektor insgesamt. Versucht wird schließlich, Ansätze zu verdeutlichen, die zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft in Deutschland führen könnten.

2. Agrarreformen der Vergangenheit

Die 80er Jahre kennzeichnete eine schwere Krise in der europäischen Landwirtschaft. Die Überschußproduktion von Agrargütern nahm kein Ende, die landwirtschaftlichen Ausgaben wuchsen ins Uferlose. Dabei sanken die Einnahmen der Bauern. Der Schutz des Außenagrarhandels und das hohe Preisniveau der Erzeuger führten zu einer schnellen Steigerung der Produktion. Extreme Marktungleichgewichte waren die Folge. Angebot und Nachfrage scherten auseinander.[8]

Lagerung und Absatzmaßnahmen verschlangen immer größere Teile des Agrarhaushalts. Ende 1986 lagerten in den Kühlhäusern der EG fast 1,3 Millionen Tonnen Butter und rund 600.000 Tonnen Rindfleisch. Der Getreideüberschuß belief sich auf 15 Millionen Tonnen, 850.000 Tonnen Magermilchpulver lagen auf Halde. 40 Prozent der Mittel des EG-Agrarhaushaltes mußten für Exporterstattungen, gut 15 Prozent für Lagerhaltung aufgewendet werden. Dies führte an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.[9]

Um den Getreidemarkt zu entlasten, beschloß der EG-Ministerrat 1988 ein Flächenstillegungsprogramm. Ziel war es, weniger Ackerfläche für die Nahrungsmittelproduktion zu nutzen. Abhängig von der Bodenqualität und den durchschnittlichen Ernteerträgen bekamen die Bauern dafür eine Prämie, die die Einkommensverluste auffangen sollten. Die Flächenstillegungen wurden in den 90er Jahren weiter ausgestaltet und bis zur Agenda 2000 fortgeführt. Mit der Reform der EG-Agrarpolitik von 1992 wurden drastische Senkungen der Marktordnungspreise vorgenommen und statt dessen Ausgleichszahlungen je Hektar oder Tier ausgereicht.[10] Die Entkopplung von Preis und Einkommenspolitik baute man aus. Die nationalen und europäischen Agrarpreise näherte man einem konstruiertem Weltmarktpreis an. Damit sanken die Einkommen der Bauern.[11]

3. Der Versuch einer deutschen Agrarwende

Ausgelöst durch die BSE-Krise und den Amtsantritt von Renate Künast als Ministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft kam es in Deutschland zu einem Politikwechsel im Agrarbereich. Die von Künast eingeleitete Agrarwende zielt unter anderem darauf, 20% Ökolandbau bis 2010 zu etablieren.[12] Die schwedische Agrarministerin Margareta Winberg sieht in ihrem Land einen Ausbau der landwirtschaftlichen Ökoprodukte auf 20% innerhalb von drei Jahren für möglich an. Eine Ursache dafür ist, dort ziehen im Gegensatz zu Deutschland die Bauern und ihre Verbände bei der Agrarwende mit.[13]

[...]


[1] Rudolf Bahro; Ökologisch-soziale Landeskultur als Prüfstein, in: Franz Alt, Rudolf Bahro, Marko Ferst; Wege zur ökologischen Zeitenwende. Reformalternativen und Visionen für ein zukunftsfähiges Kultursystem, Berlin, 2002, S.68

[2] Rudolf Bahro; Ökologisch-soziale Landeskultur als Prüfstein, in: Franz Alt, Rudolf Bahro, Marko Ferst; Wege zur ökologischen Zeitenwende. Reformalternativen und Visionen für ein zukunftsfähiges Kultursystem, Berlin, 2002, S.70 ff.

[3] Jose Lutzenberger, Franz-Theo Gottwald; Global denken, lokal essen, in: Wege aus der Ernährungskrise, Frankfurt am Main, 1999, S.11

[4] Götz Schmidt, Ulrich Jasper; Agrarwende oder die Zukunft unserer Ernährung, München, 2001, S.11

[5] Ulrich Kluge; Ökowende. Agrarpolitik zwischen Reform und Rinderwahnsinn, Berlin, 2001, S.63

[6] Ulrich Kluge; Ökowende. Agrarpolitik zwischen Reform und Rinderwahnsinn, Berlin, 2001, S.64

[7] Franz Alt; Agrarwende jetzt. Gesunde Lebensmittel für alle, München, 2001, S.148

[8] Hans Watzek; EU-Agrarpolitik auf dem Prüfstand. Bilanz und Alternativen einer sozialen und ökologischen Landwirtschaft, Hamburg, 2002, S.15

[9] Hans Watzek; EU-Agrarpolitik auf dem Prüfstand. Bilanz und Alternativen einer sozialen und ökologischen Landwirtschaft, Hamburg, 2002, S.15 f.

[10] Hans Watzek; EU-Agrarpolitik auf dem Prüfstand. Bilanz und Alternativen einer sozialen und ökologischen Landwirtschaft, Hamburg, 2002, S.17 f.

[11] Misereor, BUND (Hrsg.); Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung, Basel, Boston, Berlin, 1996, S.313

[12] Helga Willer; Der Ökolandbau in Europa wächst und gedeiht, Frankfurter Rundschau, 28.11.2002

[13] Jörg Michel; Wo ist denn der Sonnleitner?, Berliner Zeitung, 12.1.2002

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Details

Titel
Schritte zur ökologischen Agrarwende
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr Institut)
Veranstaltung
Internationale politische Ökonomie der Ernährung
Note
3,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V21295
ISBN (eBook)
9783638249461
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit habe ich auch als Zuarbeit für Politiker benutzt. Ich würde sie eher auf 2,0 schätzen. Ich nutzte jedenfalls alles wa ich an Material bekommen konnte, darunter auch aktuelle Bücher zur Agrarwende, Presseauswertung, Informationen der Umweltverbände u.a.
Schlagworte
Schritte, Agrarwende, Internationale, Ernährung
Arbeit zitieren
Marko Ferst (Autor:in), 2003, Schritte zur ökologischen Agrarwende, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21295

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