Bürgerbeteiligung im immobilienwirtschaftlichen Kontext - Partizipative Möglichkeiten in der kommunalen Stadtplanung

Am Beispiel Mediaspree


Bachelorarbeit, 2012

91 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problem- und Zielstellung
1.2 Methodik

2. Einführung in die Bürgerbeteiligung
2.1 Ursprünge der Partizipation und ihre Einordnung in die Demokratie
2.2 Ziele und Akteure
2.3 Erscheinungsformen

3. Formelle und informelle Bürgerbeteiligung
3.1 Formelle Beteiligungsverfahren
3.2 Informelle Beteiligungsverfahren

4. Methoden der Bürgerbeteiligung
4.1 Bürgerpanel
4.2 Bürgerversammlung
4.3 Open Space
4.4 Planungszelle
4.5 Zukunftswerkstatt
4.6 Elektronische Beteiligungsverfahren
4.7 Zusammenfassung der Kapitel 4.1 bis 4.6
4.8 Bürgerentscheid

5. SWOT Analyse
5.1 Begrifflichkeit
5.2 SWOT Analyse der Bürgerbeteiligung in Berlin
5.2.1 Methodik
5.2.1.1 Grundlagen
5.2.1.2 Marktanteils-Marktwachstums-Matrix
5.2.2 Umweltanalyse
5.2.2.1 Chancen
5.2.2.2 Risiken
5.2.3 Interne Analyse
5.2.3.1 Stärken
5.2.3.2 Schwächen
5.2.4 Strategien
5.2.4.1 Stärken-Chancen-Strategien
5.2.4.2 Stärken-Risiken-Strategien
5.2.4.3 Schwächen-Chancen-Strategien
5.2.4.4 Schwächen-Risiken-Strategien

6. Praktisches Beispiel
6.1 Methodik
6.2. Städtebauliche Entwicklung Berlins seit dem 19. Jahrhundert
6.2.1 Vom 19. Jahrhundert bis zur Wiedervereinigung
6.2.2 Berlin nach dem Mauerfall
6.2.3 Stadtumbau West
6.2.4 Aktuelle immobilienwirtschaftliche Situation in Friedrichshain-Kreuzberg
6.3 Mediaspree
6.3.1 Einführung
6.3.2 Mediaspree GmbH
6.3.3 Mediaspree Versenken
6.3.4 Offenes Forum Kreative Spree
6.3.5 Bürgerentscheid ‚Spreeufer für alle’
6.3.5.1 Vom Bürgerbegehren zum Bürgerentscheid
6.3.5.2 Ergebnisse des Bürgerentscheids
6.3.5.3 Folgen des Bürgerentscheids und weitere Entwicklung der Proteste
6.3.6 Mediaspree heute
6.3.7 Anschutz Areal und SpreeUrban
6.3.7.1 Anschutz Areal
6.3.7.2 SpreeUrban
6.3.7.3 Vergleich Anschutz Areal und SpreeUrban im Kontext des Beteiligungsprozesses

7. Fazit und Ausblick
7.1 Bewertung der Zielstellung
7.2 Ausblick

Anhang

Quellenverzeichnis
a) Literaturquellen
b) Internetquellen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Erfolgsgenerierung oder Beteiligungszahlen im Lebenszyklus einer Partizipationsmethode

Abbildung 2: Freiwilliges Engagement nach Altersgruppen 1999 und 2004 in Ost- und Westberlin

Abbildung 3: Partizipationsquoten nach Bevölkerungsgruppen 1992 bis 2008 - Politisches Interesse

Abbildung 4: Partizipationsquoten nach Bevölkerungsgruppen 1992 bis 2008 – Politische Partizipation

Abbildung 5: Lage Mediaspree Gebiet

Abbildung 6: Anschutz Areal

Abbildung 7: Quartier an der Michaelbrücke

Abbildung 8: Kreativdorf

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Vor- und Nachteile des Bürgerpanels

Tabelle 2: Vor- und Nachteile der Bürgerversammlung

Tabelle 3: Vor- und Nachteile des Open Space

Tabelle 4: Vor- und Nachteile der Planungszelle

Tabelle 5: Vor- und Nachteile der Zukunftswerkstatt

Tabelle 6: Vor- und Nachteile elektronischer Beteiligungsverfahren

Tabelle 7: Fragestellungen im Rahmen einer SWOT Analyse

Tabelle 8: Auswahl an Neubauten und Sanierungen an der Mediaspree seit 2000

Tabelle 9: Übersicht Fakten Anschutz Areal und SpreeUrban

Tabelle 10: Gemeinsamkeiten zwischen Anschutz Areal und SpreeUrban

Tabelle 11: Unterschiede zwischen Anschutz Areal und SpreeUrban

Tabelle 12: Eigenschaften der Methoden bürgerlicher Beteiligung

Tabelle 13: Chancen, Risiken, Stärken, Schwächen und sich daraus ergebende Strategien

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Problem- und Zielstellung

Das Good Governance als die international anerkannte Idealvorstellung einer guten Regierungsführung impliziert vor allem einen, derzeit weit über Deutschlands Grenzen hinaus hitzig diskutierten Aspekt: die Öffentlichkeitsbeteiligung.

Dieser auch unter dem Begriff der Partizipation verbreitete Terminus schließt jegliche Maßnahmen, Initiativen sowie alle Methoden und Modelle mit ein, die einen Beitrag zu demokratischen Entscheidungsprozessen möglich machen.[1]

Auch im EU-Raum arbeitet man auf Politikebene an der sorgfältigen Integration der Partizipation in die Politikgestaltung, damit Bürgerinnen und Bürger sowie zivilgesellschaftlich tätige Organisationen diesbezüglich künftig eine intensivere Berücksichtigung erfahren. Diese Aufgabe zieht sich von der EU-Ebene durch die nationale bis hin zur regionalen Ebene.[2]

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“[3] heißt es in Artikel 20, Absatz 2 unseres Grundgesetzes. Dieser Auszug macht deutlich, wie abhängig eine Demokratie vom Mitspracherecht der an ihr teilhabenden Personen ist. Trotz dieser dem Demokratiegedanken zugrunde liegenden Herrschaft durch das Volk ist es aufgrund der unzähligen, tagtäglich zu treffenden Entscheidungen heutzutage vonnöten, Parlamente, Regierungen und öffentliche Verwaltungen im Namen des Volkes Entscheidungen treffen zu lassen.[4]

Bürger[5] haben trotz dessen eine Vielzahl an Möglichkeiten, selbst an ihrer Volksherrschaft teilzuhaben: sie können sich selbst in die erwähnten Volksvertretungen wählen lassen, sie können über verschiedene politische Themen mittels Volksbegehren und Volksentscheid selber verfügen, sie können die Parlamente durch Bürgerbegehren die Erörterung bestimmter Entscheidungen auferlegen, sie können Ehrenämter bekleiden und vieles mehr. Es gibt unzählige Formen bürgerschaftlichen Engagements, um einen persönlichen Beitrag zum Gemeinwesen zu leisten.[6]

Am häufigsten findet Öffentlichkeitsbeteiligung statt, wenn es um Planungs- und Entscheidungsprozesse bezüglich der Gestaltung von Plätzen und Räumen geht oder aber wenn die Quartiersentwicklung oder die Verteilung von Budgets im Fokus stehen.

Dies hat zur Folge, dass, neben allen anderen politischen Ebenen, auf denen Partizipation stattfindet, insbesondere die Kommunen eine große Rolle spielen. Dies lässt sich in der Tatsache begründen, dass die Bürgerinnen und Bürger hier „Subjekt[e] [ihres] eigenen Handelns“[7] sind. Nur auf dieser Ebene existieren für sie greifbare Ansätze für einen Beitrag zur Gesellschaft.[8]

Der unumstrittene Wandel der Gesellschaft bringt auch Veränderungen im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung mit sich. Viele Formen der Partizipation treten an Attraktivität ab und werden ersetzt durch andere, die sich ganz neu bilden. Ein Grund hierfür können beispielsweise fortgeschrittene technische Gegebenheiten sein.[9]

Der größte Wandel der letzten Jahre liegt aber wohl trotzdem im nunmehr vorherrschenden Trend zur Individualität in Deutschland und in vielen anderen Ländern. Gleichzeitig wendet sich die Bürgerschaft mehr und mehr von der Politik und ihren Parteien ab.[10]

Die Ursache dafür liegt im schwindenden Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in diejenigen Personen der Politik, die sie selbst gewählt und sich im gleichen Zug von deren Entscheidungen und Handlungen abhängig gemacht haben.

Entstanden ist hieraus eine Art „Zuschauerdemokratie“[11], in der jegliche Zusammenarbeit der einzelnen Bestandteile einer Gesellschaft nicht mehr gegeben ist. Werden politische Entscheidungen heutzutage offiziell akzeptiert, hat dies im seltensten Fall mit bedingungsloser Zustimmung zu tun. In der Regel handelt es sich hier eher um eine simple Hinnahme der Gegebenheiten, die oftmals Hand in Hand geht mit einer Art passiver Frustration. Letztere kann ohne Vorwarnung ausufern in Protest und Widerstand.[12]

Diese Problematik spitzt sich aktuell fortwährend zu und gipfelt in Ausartungen wie beim Bahn- und Stadtentwicklungsprojekt Stuttgart 21 oder der Flugrouten-Festlegung am neuen Flughafen Berlin-Brandenburg.

Aber auch minder große Stadtentwicklungsprojekte oder Infrastrukturvorhaben werden immer häufiger von Widerstand und Protest begleitet, sodass der ein oder andere Beobachter den Eindruck gewinnen könnte, dass es sich hier beinahe um einen grundsätzlichen Widerstand gegen jede Art von Wandel handelt.

Das Ergebnis dieser Zustände ist, dass eine große Verunsicherung auf allen Seiten vorherrscht. Sowohl die Entscheidungs- und Projektträger als auch die Bürgerinnen und Bürger bauen teilweise grundsätzliche Vorurteile über die jeweils andere Partei auf.[13]

Die daraus resultierende Form der Demokratie ist nicht nur rundum ineffektiv, sondern sie weist auch keinerlei Stabilität mehr auf. Dem muss entgegen gewirkt werden, damit die Bundesrepublik zurück findet zu einer lebendigeren Demokratie.[14]

Aus diesem Grund wird die vorliegende Arbeit einen fundierten Überblick über die eingangs bereits erwähnte Vielzahl an Möglichkeiten für einen jeden Bürger geben, wie er sich am politischen Geschehen beteiligen kann. Denn viele dieser Chancen werden schlicht und einfach nur deshalb nicht wahrgenommen, weil kaum jemand von ihrer Existenz weiß.

Sinn und Zweck soll es weiterhin sein, die Wichtigkeit und Tragweite von Partizipation zu erkennen und vor allem zu verstehen, weshalb das hier behandelte Thema trotz der momentan weit verbreiteten Lethargie diesbezüglich aktueller ist denn je. Dies soll vor allem deutlich werden im praktischen Teil dieser Arbeit, in dem anhand eines in Berlin stattgefundenen und noch immer stattfindenden Partizipationsprozesses vor allem die lokale Relevanz der Problematik deutlich gemacht wird.

Das konkrete Ziel der folgenden Ausführungen ist es also, den Leser theoretisch sowie praktisch an bestehende Möglichkeiten und Entwicklungen heranzuführen und vor allem Anregungen dahingehend zu geben, wie Bürger und Kommunen bestehende Hindernisse überwinden können, um mithilfe von Beteiligung den lädierten Grundpfeilern unserer Demokratie zu neuen Kräften zu verhelfen.

1.2 Methodik

Die folgende Ausarbeitung wird deduktiv aufgebaut sein.

Zunächst werden dazu in Kapitel zwei die relevanten Grundlagen geklärt. Der Titel gebende Begriff der Bürgerbeteiligung wird in seinen Ursprüngen, seiner Einordnung in den Kontext der Demokratie, seiner Ziele, seiner Beteiligten und seiner grundsätzlichen Erscheinungsformen dem Leser näher gebracht, um ihm für die darauf folgenden Kapitel ein geeignetes theoretisches Basiswissen zu vermitteln.

Der Unterschied zwischen formeller und informeller Bürgerbeteiligung wird in Kapitel drei dargelegt, um insbesondere die in Kapitel vier abgehandelten, verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligung richtig einordnen zu können.

Letztere werden nach dem Schema ‚Definition, Präsenz und Einfluss‘ aufgebaut sein. Bei den hier thematisierten Methoden handelt es sich um das Bürgerpanel, die Bürgerversammlung, den Open Space, die Planungszelle, die Zukunftswerkstatt sowie das sehr aktuelle Thema der E-Partizipation.

Die Auswahl dieser Verfahren beruht nicht auf einer persönlichen Auswahl durch den Verfasser dieser Arbeit, sondern auf dem Prinzip der in der im Zuge der Bearbeitung verwendeten Literatur am relevantesten dargestellten Themen.

In Hinblick auf das diese Arbeit krönende praktische Beispiel wird an dieser Stelle ebenfalls ein Blick auf die Hintergründe und den Ablauf eines Bürgerentscheides geworfen. Dieser wird abschließend als eigenständiger Punkt betrachtet, da sowohl sein Ursprung, als auch seine Macht und Wirkung sich immens von den vorangegangen behandelten Methoden unterscheiden und ein Vergleich somit unangebracht scheint.

Nachdem dieses Basiswissen der verschiedenen Möglichkeiten von Partizipation im Generellen vermittelt wurde, folgt in Kapitel fünf eine sogenannte SWOT-Analyse der Bürgerbeteiligung im Rahmen unserer Landeshauptstadt, anhand derer die Vor- und Nachteile sowie hier bestehende Chancen und Risiken der behandelten Thematik deutlich gemacht werden sollen.

Wie jede SWOT-Analyse wird auch diese das Ziel haben, anhand der Kombination der zusammen getragenen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken geeignete Strategien zu erarbeiten, durch deren Anwendung eine Optimierung der partizipativen Verhältnisse in Berlin ermöglicht werden kann. Außerdem wird in diesem Kontext der Versuch unternommen, das theoretische Konzept einer SWOT-Analyse nach Coenenberg und Günther[15] auf die im Rahmen dieser Ausarbeitung vorgestellten partizipativen Methoden anzuwenden. Die genaue methodische Vorgehensweise diesbezüglich wird in Kapitel 4.2.1.2 näher erläutert.

Der praktisch orientierte Teil dieses Aufsatzes befasst sich im Rahmen des sechsten Kapitels mit dem Thema Mediaspree.

Als eines der größten Investorenprojekte Berlins kann dieser Auslöser für einen sehr bedeutenden Partizipationsprozess für die Berliner Bürgerschaft dem Leser die vorangegangen behandelten, theoretischen Grundlagen an einem ihm gegebenenfalls sogar bereits bekannten Beispiel anwenden.

Die Neubebauung des Spreeufers, die in den letzten Jahren für viel Diskussion in der Landeshauptstadt sorgte, zählt wohl zu den spannendsten Auseinandersetzungen zwischen Politik und Bürgerschaft, die sich aktuell im Bundesgebiet vollziehen.

Zusätzlich ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass das Thema Mediaspree eines der wenigen in Berlin ist, die nicht nur brisant sind, sondern für die auch ein gewisses Maß an geeigneter Fachliteratur existiert, um einem Aufsatz diesen Umfangs gerecht zu werden.

Ein historischer Abriss der für die Mediaspree relevanten Geschehnisse in Berlin seit der letzten Jahrtausendwende wird deshalb die Einführung in diesen Fall geben.

Im Anschluss werden zwei im Mediaspree Gebiet ansässige Grundstücke dann näher betrachtet, die für einen Großteil des Aufruhrs um die Neubebauung verantwortlich waren und sind: das Grundstück, auf dem im Jahr 2008 die Eröffnung der O2 World stattfand sowie das sogenannte Bauprojekt SpreeUrban.

Hier erfolgte die Auswahl der geeignetsten praktischen Beispiele anhand des Intensivitätsgrades der Bürgerbeteiligung im Zusammenhang mit den einzelnen Mediaspree-Projekten. Da sowohl die O2 World als auch das Grundstück der SpreeUrban außerdem bis heute mit Abstand am stärksten in den Medien vertreten sind, fiel die Wahl auf sie.

Abschließend wird ein in Kapitel sieben formuliertes Fazit zusammenfassend auswerten, inwiefern die eingangs formulierte Zielstellung erreicht wurde.

Hier ist insbesondere das Ziel der zu findenden Handlungsempfehlungen für Bürger und Kommunen von Bedeutung.

Ein finaler Ausblick wird hiernach Aufschluss darüber geben, wie sich das Thema Bürgerbeteiligung auf Bundeslandebene weiter zu entwickeln vermag.

Wie voran gegangen bereits angedeutet, wird sich der Großteil der folgenden Ausführungen auf den Raum Berlin beschränken, da auf diese Weise eine detailliertere und gründlichere Betrachtung vorgenommen werden kann, als wenn die Thematik geografisch gesehen noch weiter ausgedehnt würde.

Des Weiteren ist vorab zu erwähnen, dass es sich hier nicht um die Ansammlung von relevanten Gesetzen oder ähnlichem handeln wird.

Die Richtung, in die diese Arbeit gehen soll, ist keine rechtliche oder finanzwirtschaftliche, sondern eine kritische. Es wird auf eine kritische Art und Weise vor allem die Sicht des Bürgers auf die thematisierte Materie dargestellt, da sich auch der Bürger mit dieser Arbeit angesprochen und aufgeklärt fühlen soll.

2. Einführung in die Bürgerbeteiligung

2.1 Ursprünge der Partizipation und ihre Einordnung in die Demokratie

Die Demokratie, die hierzulande geltende ‚Herrschaft des Volkes‘, erlebte ihre Geburtsstunde bereits im antiken Griechenland.

Seit dem ist sie stets und ständig im Wandel, um sich permanent an heranwachsende Ansprüche und neue externe Herausforderungen anzupassen. Bereits im fünften Jahrhundert vor Christi galt in der attischen Demokratie die Ansicht, Demokratien seien aufgrund ihrer Anpassungs- und Lernfähigkeit wesentlich stabiler als andere Herrschaftsformen.

Keine Demokratie kann ohne Partizipation und Gewaltenteilung existieren. Sie sorgen für eine breite Streuung der Macht und einen öffentlichen Diskurs bezüglich politischer Abläufe, um autoritären Regimes entgegen zu wirken.[16]

Die Herrschaft des Volkes äußert sich durch dessen aktive Beteiligung an politischen Entscheidungen. Das bedeutet, das Prinzip der Partizipation geht immer von Seiten der Bürgerinnen und Bürger aus und sollte dabei stets auf einer freiwilligen Basis beruhen.

Trotz der notwendigen Initiative durch die Bürgerschaft sollten Politik und Verwaltung es als ihre Pflicht ansehen, das Interesse und die Bereitschaft der Bürger an Beteiligung zu unterstützen und zu fördern.[17]

Der unmittelbare Kontakt eben dieser beiden Parteien, der Bürgerschaft und der Politik, ist vor allen Dingen auf lokaler und regionaler Ebene immens hoch, weshalb das demokratische Grundprinzip der Bürgerbeteiligung in diesem Rahmen besonders gut gedeihen kann. Aus diesem Grund entstehen auch insbesondere auf dieser Ebene immer neue Formen von Partizipation.

Als Konsequenz dieser Relevanz der lokalen Ebene für die Bürgerbeteiligung wird auch eben diese im Fokus dieser Arbeit stehen.[18]

2.2 Ziele und Akteure

Zu den wesentlichsten Partizipationszielen gehört es, politischen Entscheidungen einen Anstoß zu geben, sie vorzubereiten und natürlich auch, sie zu treffen. Sind diese drei Schritte vollbracht, geht es in erster Linie darum, an der Realisierung und dem Erfolg der getroffenen Entscheidungen teilzuhaben.[19]

Abstrakter betrachtet liegen die Ziele insbesondere darin, seitens der Bürgerinnen und Bürger ein angemessenes Maß an Mitspracherecht bereits während der Planungsphase von Bauprojekten auszuüben, um in der Bevölkerung sowie der Nachbarschaft des jeweiligen Vorhabens eine größtmögliche Akzeptanz zu schaffen. Dies gilt sowohl für das Projekt an sich, als auch für die damit einhergehenden Maßnahmen.[20]

Betrachtet man einen konkreten Partizipationsprozess, liegt sein Zweck immer in der Beantwortung einer Vielzahl von Fragen. Zu diesen Fragestellungen gehören vornehmlich die Existenz von Alternativen zur betreffenden Planung, die ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen und politischen Auswirkungen jeder der zu betrachtenden Alternativen und selbstverständlich auch die Bewertung dieser Alternativen durch die einzelnen Beteiligten.

Bei diesen Beteiligten handelt es sich um die einzelnen Bürger, um die Vertreter einzelner Bürgerinteressen sowie die Vertreter von Bürgerinteressen, die nicht direkt zu vertreten sind, wie beispielsweise das Thema Umweltschutz. Des Weiteren gehören zu dieser Gruppe die Inhaber privater Rechte, die möglicherweise von einer Planung betroffen sind und natürlich die Vorhabenträger. Ebenfalls als beteiligt anzusehen sind einzelne Experten zu bestimmten fachlichen Fragen sowie die für Entscheidungsvorbereitungen und die Entscheidungen an sich zuständigen Instanzen wie Politik und Verwaltung beziehungsweise deren Beauftragte.[21]

2.3 Erscheinungsformen

Im großen Spektrum der Partizipationsmöglichkeiten wird unterschieden zwischen direkter und mittelbarer Beteiligung.

Bei ersterer werden entsprechende Partizipationsrechte direkt, also persönlich wahrgenommen, so wie es beispielsweise bei Wahlen, Volksabstimmungen und –begehren oder der Teilnahme an Demonstrationen der Fall ist.

Im Fall der mittelbaren Beteiligung werden die Bürgerinteressen durch entsprechende Vertreter und Vertreterinnen verfochten. Hier handelt es sich meist um Vereine, Bürgerinitiativen, Vertreter politischer Parteien oder ganz einfach um einzelne Bürger, die informell organisierte Personengruppen vertreten.

Bestimmte Formen der Partizipation können bezüglich ihrer Inhalte rechtlich eingeschränkt werden.

Eines der wohl vertrautesten Beispiele für diesen Sachverhalt stellt die altbekannte Volkswahl dar. Hier hat der Wähler in der Regel keine vollkommene Entscheidungsfreiheit, da er sich lediglich zwischen denjenigen Namen und Listen der Kandidaten, Parteien oder Wählergemeinschaften entscheiden kann, die zur Wahl zugelassen worden sind.

Auch in Bezug auf die Verbindlichkeit der Beteiligungsergebnisse existieren große Unterschiede zwischen den einzelnen Verfahren.

Bei den erwähnten Volkswahlen beispielsweise herrscht eine strikte Bindung an das Ergebnis der Wahl vor. Bei anderen Partizipationsprozessen müssen die Ergebnisse lediglich ‚berücksichtigt’ werden und bei wieder anderen besteht ausschließlich die Pflicht zur Kenntnisnahme des Beteiligungsresultats.

Das Kriterium der Formalität soll aufgrund seiner Tragweite deshalb im nächsten Kapitel noch einmal ausführlicher betrachtet werden.[22]

3. Formelle und informelle Bürgerbeteiligung

Der folgende Abschnitt dieser Arbeit beschäftigt sich mit den beiden möglichen Arten der Formalität bei Partizipationsverfahren. Zu unterscheiden sind hierbei die formelle und die informelle Beteiligung.

Diese sind jedoch nicht als voneinander abzugrenzende, sondern eher als sich ergänzende Verfahren zu verstehen.[23]

3.1 Formelle Beteiligungsverfahren

Die Formalität eines formellen Beteiligungsverfahrens begründet sich in seiner Rechtsgrundlage, denn diese enthält verpflichtende Regelungen bezüglich der Durchführung eines solchen Beteiligungsverfahrens.

Hierzu gehören Themen wie vorhandene Fristen, mögliche Abläufe, die Ausgestaltung und das Ausmaß formeller Beteiligungen sowie die entsprechenden Teilnehmer inklusive ihrer Rechte. Zu guter Letzt ist ebenso verpflichtend festgelegt, wie verbindlich die Ergebnisse eines formellen Beteiligungsverfahrens sind und in welcher Art und Weise diese überhaupt berücksichtigt werden.[24]

Ein Beispiel für formelle Beteiligungen bietet das sogenannte Planfeststellungsverfahren. Hier handelt es sich um ein Genehmigungsverfahren öffentlich-rechtlicher Natur, das im Zusammenhang mit raumbedeutsamen Maßnahmen und Planungen wie einem Autobahnneubau, oder auch dem Ausbau von Häfen und Flughäfen auftritt.[25]

Auch die öffentliche Auslegung von Bebauungsplänen fällt in diese Kategorie. Sie ist in §3 Abs. 2 BauGB geregelt.[26]

Solche raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen treten typischerweise auf bei Verkehrs- oder Energiekonzepten, Landes-, Regionalentwicklungs- oder Abfallwirtschaftsplänen oder auch bei Tourismusprogrammen.

Oftmals sind jenen Beteiligungsverfahren formeller Art bereits andere Beteiligungsverfahren voran gegangen, die kaum rechtlichen Formalisierungen unterlegen sind. Auch die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung im Falle einer Bauleitplanung ordnet sich hier ein.

Ist ein formelles Beteiligungsverfahren vorgeschrieben, empfiehlt es sich oftmals sogar, solche vorgelagerten Beteiligungen ins Leben zu rufen oder ihnen als Mitglied der Politik, Regierung oder Verwaltung zumindest nicht im Wege zu stehen. Wenn zum Beispiel eine Vorentscheidung darüber stattfinden soll, ob und wie ein bestimmtes Projekt fortgeführt wird, würde es sich um ein solches unverbindliches Beteiligungsverfahren handeln, das sich sozusagen als vorbereitende Beteiligung anböte.[27]

Raumbedeutsame Einzelvorhaben finden ihre gesetzliche Grundlage im Baugesetzbuch, im Raumordnungsgesetz des Bundes oder auch in den Landesgesetzen des entsprechenden Bundeslandes. Außerdem spielt das Verwaltungsverfahrensgesetz hier eine große Rolle.

Laut §4 Absatz 1 des Raumordnungsgesetzes müssen alle als verfahrensrelevant eingestuften Stellungsnahmen der Bürgerinnen und Bürger, die an einer formellen Bürgerbeteiligung teilgenommen haben, berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass jede geäußerte Meinung Einfluss nimmt auf das Ergebnis des Verfahrens.[28]

Je nach Verfahren kann sich eine formelle Beteiligung an unterschiedliche Gruppen der Bevölkerung richten. In manchen Fällen ist das Verfahren an die gesamte Öffentlichkeit adressiert, in anderen lediglich an alle oder auch nur bestimmte Träger öffentlicher Belange wie die Post oder Energieversorger. Bei letzterem fungieren diese dann als Vertreter der Öffentlichkeit.[29]

3.2 Informelle Beteiligungsverfahren

Im Gegensatz zu den formellen Beteiligungsverfahren unterliegen die informellen keiner speziellen Gesetzesgrundlage beziehungsweise nur in geringem Maße. Das heißt, die Inhalte sowie die Methodik einer solchen informellen Beteiligung sind in ihrer Gestaltung überwiegend offen.

Trotzdem muss sich auch ein informelles Verfahren an bestimmten Gestaltungsregeln orientieren, um schlussendlich Ergebnisse hervorbringen zu können. Diese Regeln begründen sich jedoch, anders als beim formellen Verfahren, nicht in einer gesetzlichen Grundlage sondern sie können je nach Entscheidungsgegenstand ausgestaltet werden.

Die nötigen Festlegungen sollten möglichst bereits vor, spätestens jedoch mit Beginn des Verfahrens entstehen und entsprechend kommuniziert werden. Hierzu zählen Regelungen bezüglich der sich Beteiligenden, der angewandten Methoden im Verfahren oder auch der Verbindlichkeit seines Ergebnisses. Als Orientierung können also die Grundlagen einer formellen Beteiligung dienen.[30]

Das informelle Beteiligungsverfahren richtet sich in den meisten Fällen an einzelne Bürgerinnen und Bürger, nicht an die breite Öffentlichkeit.[31]

4. Methoden der Bürgerbeteiligung

Nachdem voran gegangen der Unterschied zwischen formeller und informeller Bürgerbeteiligung erläutert wurde, sollen im Folgenden deren wichtigste Methoden vorgestellt werden. Als wichtig wurde in diesem Fall eine Methode eingestuft, wenn sie zu den fünf der in dieser Arbeit zugrunde liegenden Literatur am häufigsten behandelten gehört. Zusätzlich zu diesen fünf traditionellen Formen der Bürgerbeteiligung wird ein weiteres, sehr aktuelles Thema fokussiert: die sogenannte E-Partizipation, also die Beteiligung auf elektronischer Basis.

Die Reihenfolge der betrachteten Methoden erfolgt alphabetisch und hat demnach keinerlei Bedeutung in Bezug auf seine Relevanz.

Wie der Bürger die Willensbildung seiner Bezirksverwaltung unmittelbar beeinflussen kann, wird anschließend unter dem Punkt ‚Bürgerentscheid‘ aufgeklärt. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Betrachtung der Verhältnisse in Berlin, um den Fokus auf die rechtlichen Gegebenheiten im praktischen Beispiel Mediaspree am Ende dieser Arbeit zu lenken.

4.1 Bürgerpanel

Das Bürgerpanel ist eine Art Befragung der Bürgerschaft bezüglich kommunalpolitischer Angelegenheiten. Diese Befragung einer drei- bis vierstelligen Menge (in der Regel 500 bis 1.000) stichprobenartig ausgewählter Teilnehmer hat eine repräsentative Wirkung. Dieses schriftlich oder online durchgeführte Verfahren dient dem Zweck, das Interesse von Bürgerinnen und Bürgern an öffentlichen Angelegenheiten zu wecken.

Über mehrere Jahre hinweg werden hierfür drei Phasen durchlaufen. In der sogenannten Informationsphase werden zunächst Politiker/innen der entsprechenden Kommune für eine bestimmte Idee gewonnen, die dann Umfragethemen finden und festlegen. Diese Vorbereitung nimmt durchschnittlich ein Jahr in Anspruch.

Daraufhin findet im Durchschnitt drei Mal jährlich die Erhebung der Daten, also die eigentliche Befragung statt, die durch regelmäßige Auswertungen der Sachverhalte begleitet wird. Dieser Turnus beabsichtigt das Gleichziehen der Beteiligungsgeschwindigkeit mit dem Tempo der Themengenerierung der kommunalen Agenda.

Letztendlich werden in der Kommunikationsphase die gewonnenen Ergebnisse an die erwähnten Politiker/innen und Bürger weitergereicht.[32]

Dies hat zum Ergebnis, dass die Kommune an Informationen über die Wünsche und Vorlieben ihrer Bürgerschaft gelangt und darauf basierend ein Dialog zwischen den beiden Parteien ermöglicht wird. In einem solchen Dialog können verschiedenste Themen der Stadtentwicklung behandelt werden, beispielsweise bestimmte Probleme eines Stadtteils.

Einen zusätzlichen Beitrag zu dieser erzielten, zunehmenden Relevanz öffentlicher Themen für die Bürgerinnen und Bürger trägt die immerwährende Aktualität der Befragungen bei. Sie steigert die notwendige Bereitschaft zur Beteiligung auch an anderen Angeboten. Somit nimmt das Bürgerpanel trotz seiner noch verhältnismäßigen Unbekanntheit ein großen Teil zur Bürgerbeteiligung bei.[33]

Tabelle 1: Vor- und Nachteile des Bürgerpanels

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 17f.

Tabelle 1 fasst die Vor- und Nachteile des Bürgerpanels als Methode der Bürgerbeteiligung noch einmal zusammen. Hierbei wird klar ersichtlich, dass die Vorteile eindeutig überwiegen und das Bürgerpanel deshalb als eine wichtige und hilfreiche Methode der Partizipation darstellt. Als einziges Manko ist die Tatsache zu erachten, dass es sich hier im Grundsatz lediglich um die Weitergabe von Informationen bezüglich der Bürgerschaft an die Kommune handelt und dies allein keinen Konsens zwischen den beiden Parteien schaffen kann.

4.2 Bürgerversammlung

Anders als beim Bürgerpanel handelt es sich bei der Bürgerversammlung um eine konkrete Veranstaltung, zu der von einem bestimmten Vorhaben beliebig viele Betroffene eingeladen werden können, wenn sie über einzelne regionale und lokale Angelegenheiten informiert werden wollen. Außerdem bietet diese Methode der Beteiligung auch eine Diskussionsplattform, auf der die anwesenden Bürger ihre Anliegen und Probleme anbringen können. Bei solchen Diskussionen werden die zu gewinnenden Ergebnisse in Abstimmungen festgelegt und –gehalten.

Die Vorbereitungszeit einer Bürgerversammlung beträgt in der Regel nur wenige Wochen, die Durchführungszeit im Höchstfall drei Stunden.[34]

Tabelle 2: Vor- und Nachteile der Bürgerversammlung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 17.

In der oben ersichtlichen Tabelle 2 ist erkennbar, dass die Vorteile gegenüber den Nachteilen nicht so enorm überwiegen, wie es beim Bürgerpanel der Fall war. Ein Grund dafür ist die fehlende repräsentative Funktion dieser Methode.

4.3 Open Space

Der Open Space ist eine von Formalien grundsätzlich freie Großgruppenmethode mit mindestens 25 Teilnehmern.

Es existiert lediglich eine Tagesagenda, die jedoch von der am Open Space teilnehmenden Bürger in Eigenregie festgelegt wird, um dann in ebenfalls frei zusammen zu stellenden, zu wechselnden und zu eröffnenden Arbeitsgruppen abgearbeitet zu werden.

Auf diese Weise entsteht hier eine sehr ungezwungene Atmosphäre, die zur Mobilisierung der Bürgerschaft beitragen soll, kreativ zu sein und so für komplexe Probleme Lösungen zu erarbeiten.

Beim Open Space werden Meinungen ausgetauscht, um Probleme schnell lösen und weitere Handlungsschritte verabreden zu können. Die Basis dieses Verfahrens liegt in der Eigenverantwortung jedes einzelnen Bürgers.

Nach rund einem halben Jahr durchschnittlicher Vorbereitungszeit nimmt die Durchführung dieser Beteiligungsmethode idealerweise mindestens einen halben Tag, maximal jedoch drei Tage in Anspruch.[35]

Tabelle 3: Vor- und Nachteile des Open Space

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 17.

Die Tabelle 3 weist um ein Vielfaches mehr Nachteile als Vorteile auf.

Dies liegt unter anderem daran, dass bildungsferne Bevölkerungsschichten in den seltensten Fällen aus eigenem Interesse an solchen Veranstaltungen teilnehmen und daran, dass keine Informationen über die Wünsche und Probleme der allgemeinen Bevölkerung ausgetauscht werden können, sondern ausschließlich die Meinung der anwesenden Bürger bei der Lösungsfindung berücksichtigt wird.

Aus diesem Grund ist auch diese Methode nicht als repräsentativ anzusehen.

4.4 Planungszelle

Die Methode der Planungszelle hat zum Ziel, mithilfe von maximal 30 zufällig ausgewählten Teilnehmern Planungsprozesse zu initiieren.

Die Bürger befassen sich in diesem Zuge mehrere Tage lang mit bestimmten stadtplanerischen Problemen, die in ihrem Wohngebiet bestehen.

Die zentrale Aufgabe besteht jedoch zunächst darin, Informationen zusammen zu tragen und zu kommunizieren, um diese anschließend bewerten zu können. Diese Bewertung erfolgt durch die Stellungnahmen der einzelnen Teilnehmer.

Nicht selten finden mehrere Planungszellen mit derselben Aufgabenstellung parallel zueinander ab, um die Ergebnisse noch besser bewerten zu können. Diese werden in sogenannten Bürgergutachten zusammengefasst, um sie der kommunalen Politik beziehungsweise Verwaltung überreichen zu können.

Das Interessante an der Planungszelle ist, dass durch die zufällige Auswahl der Bürger eine Gruppe zusammen trifft, die in der Regel überwiegend aus Laien stadtplanerischer Angelegenheiten besteht. So besteht die Möglichkeit, ungebundene und unparteiische Meinungen in die Lösung stadtplanerischer Probleme miteinzubeziehen.

Die Vorbereitung einer Planungszelle dauert in etwa ein halbes Jahr. Durchgeführt wird sie dann in einem Zeitraum von drei bis vier Tagen.

Bei dieser Methode gilt es zu erwähnen, dass die Bürger eine Vergütung von durchschnittlich 70 Euro pro Tag für die Teilnahme an der Planungszelle erhalten.[36]

Tabelle 4: Vor- und Nachteile der Planungszelle

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 17.

Die Tabelle 4 zeigt auf, dass die Planungszelle eine ausgezeichnete Informationsbasis bezüglich der Bürgerinteressen darstellt, hier jedoch wieder keine endgültige Konsensherstellung erfolgt. Hinzu kommt, dass diese Methode sehr zeitaufwändig ist und nicht jeder Bürger die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Deshalb ist auch dieses Verfahren nicht repräsentativ.

4.5 Zukunftswerkstatt

Die letzte Methode der Bürgerbeteiligung, die im Rahmen dieser Arbeit näher betrachtet werden soll, ist die Zukunftswerkstatt. Hierbei handelt es sich um eine Art Veranstaltung, die in der Regel bei der Entwicklung planungsrelevanter Ideen zum Einsatz kommt.

Einer Auswahl von maximal 32 Teilnehmenden wird es zur Aufgabe gemacht, verschiedene Methoden anzuwenden und auf diese Weise Ideen für eine gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Auf dieser Grundlage planen sie entsprechende Handlungsmaßnahmen und deren Umsetzung.

Die sich hier abspielenden Phasen einer Zukunftswerkstatt lassen sich gliedern in die Bestandsaufnahme, die Visionsphase und die Realisierungsphase.

Der Kreis der Teilnehmer gestaltet sich meist sehr homogen, sodass sich diese Methode ausgezeichnet für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen eignet.

Auf die sehr umfassende Vorbereitungsphase von circa einem dreiviertel Jahr folgt die in ihrem zeitlichen Ausmaß variierende Durchführung, die sich meistens über einen Zeitraum von drei Stunden bis drei Tage erstreckt.[37]

Tabelle 5: Vor- und Nachteile der Zukunftswerkstatt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 17.

Die Zukunftswerkstatt hat den großen Vorteil, dass sie die Entwicklung kreativer Ideen durch Bürger fördert.

Dem gegenüber steht jedoch, wie in Tabelle 5 ersichtlich, ein enormer Zeitaufwand, eine sich aus der geringen Teilnehmerzahl begründende, fehlende Offenheit der Veranstaltung für alle Bürger und somit wiederum ebenso die fehlende Repräsentativität. Des Weiteren stehen hier nicht die Meinungen oder Probleme der Bürgerschaft im Fokus, sondern die Festlegung sich eignender Handlungsmaßnahmen.

4.6 Elektronische Beteiligungsverfahren

Nachdem das Internet seine weltweite Monopolstellung unter den Massenkommunikationsmedien eingenommen hat, übertrifft seine Reichweite die der klassischen Medien um Längen.

Diese enormen Veränderungen im Informations- und Kommunikationsbereich haben zur Folge, dass auch die Kommunen diesbezüglich Anpassungen vornehmen müssen. Eine naheliegende Möglichkeit dies zu tun, liegt in der aktiven Verwendung dieser neuen Medien zur Informationsübermittlung.

Da die Entwicklung elektronischer Informations- und Kommunikationsinstrumente noch verhältnismäßig jung ist, liegen dieser Tage noch kaum empirische Grundlagen bezüglich ihres tatsächlichen Nutzens oder möglicherweise empfehlenswerter Standards für ihre Ausgestaltung vor.

Deshalb sind die bisherigen Erfahrungen einer Nutzung im kommunalen Rahmen ebenfalls noch sehr begrenzt.[38]

Jedoch kann eine Verbesserung der öffentlichen Dienste und demokratischer Prozesse definitiv erreicht werden, wenn diese neuartigen Informations- und Kommunikationstechnologien in die öffentliche Verwaltung einfließen und dementsprechende, organisatorische Veränderungen Einzug nehmen.

Dies zeigt sich in der Internetpräsenz zahlreicher Kommunen, die solche modernen Beteiligungsmethoden erfolgreich nutzen, um ihre Bürger über stadtumbautechnische Planungen und Vorhaben zu informieren und mithilfe von Foren, Chats oder ähnlichem interaktive Prozesse zu initiieren.[39]

Der einzelne Bürger erhält die Möglichkeit einer elektronischen Beteiligung also durch den Einsatz onlinebasierter Medien.

Durch diese kann er sich über Planungen und Planungsprozesse informieren und der Politik und Verwaltung eigene Anregungen zukommen lassen, um die jeweiligen Planungs- und Entscheidungsprozesse zu qualifizieren.

Es besteht im Einzelnen außerdem die Möglichkeit, über das Internet Diskussionen über Bauvorhaben und Flächennutzungen anzuregen, Standpunkte und Zweifel zu kommunizieren, Umfragen durchzuführen, Ideen und Meinungen bezüglich der Gesetzesgestaltung zu äußern, sich an der Haushaltsplanung zu beteiligen und vieles mehr.

Dennoch sollten diese Möglichkeiten einer Beteiligung über onlinebasierte Medien nicht als Ersatz für die traditionellen Methoden angesehen werden.

Sie stellen lediglich eine Ergänzung dar, da sonst der lokale Bezug nicht gegeben ist und nicht gewährleistet ist, dass genügend Zielgruppen in die Partizipation integriert werden.[40]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 6: Vor- und Nachteile elektronischer Beteiligungsverfahren

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an die Inhalte von Kapitel 4.6

Wie in Tabelle 6 ersichtlich, halten sich im Falle der E-Partizipation Vor- und Nachteile im Großen und Ganzen die Waage.

Mehr als bei den vorangegangen betrachteten, traditionellen Methoden ist es hier möglich, einen aktiven Austausch statt einfacher Information der Bürger oder der Kommunen zu erreichen. Es können umfassende Diskussionen zwischen allen interessierten Bürgern geführt werden, die mithilfe einer geeigneten Moderation organisiert und strukturiert werden.

An diese Moderation sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Der Erfolg einer solchen Beteiligung ist schnell gefährdet, wenn keine eindeutigen Verantwortlichkeiten und insbesondere wenn keine zusätzlichen Angebote zur Partizipation der Bürger existieren. Auch der Aufwand der notwendigen, jedoch sehr umfassenden Öffentlichkeitsarbeit zwecks des Erreichens unterschiedlicher Zielgruppen ist als Nachteil zu werten.

4.7 Zusammenfassung der Kapitel 4.1 bis 4.6

Die im Anhang dieser Arbeit vorzufindende Tabelle 12 soll abschließend noch einmal die wichtigsten Eigenschaften einer jeden in diesem Kapitel bisher beschriebenen Methode zusammenfassen.

4.8 Bürgerentscheid

Wie eingangs bereits erwähnt, existiert neben Wahlen und Empfehlungen, also den indirekten Möglichkeiten des Bürgers, die Bezirksverordnetenversammlung in ihrer Willensbildung zu beeinflussen, auch eine unmittelbare: der Bürgerentscheid.

Die Bezirksverordnetenversammlung ist dafür da, im Rahmen der bezirklichen Selbstverwaltung das Verwaltungshandeln des von ihr selbst gewählten Bezirksamtes, also des Bezirksbürgermeisters und seiner Stadträte, anzuregen und zu kontrollieren. Der Bürgerentscheid in Berlin ist geregelt in seiner Verfassung[41], Artikel 72 Absatz 2 und im Abschnitt 7 des Bezirksverwaltungsgesetzes.[42]

In Angelegenheiten, die der Beschlussfassung der Bezirksverordnetenversammlung unterliegen, können Bürgerentscheide in Berlin an Stelle eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung treten.

Hierfür müssen die Initiatoren eines Bürgerentscheides dem Bezirksamt zunächst ein Anliegen inklusive Termin für den beabsichtigten Beginn einer Unterschriftensammlung vorlegen und somit ein Bürgerbegehren inszenieren.

Daraufhin wird vom Bezirksamt eine Einschätzung bezüglich der zu erwartenden Kosten für die Durchführung des angestrebten Bürgerentscheids vorgenommen.

Diese Kosten werden dann auf einer Unterschriftenliste vermerkt, auf der dann mindestens drei Prozent der Wahlberechtigten des betroffenen Bezirks unterschreiben und das Anliegen der Initiatoren somit unterstützen müssen, damit ein Bürgerentscheid initiiert werden kann.

Alternativ besteht auch die Möglichkeit, mithilfe eines zwei-Drittel-Mehrheitsbeschlusses der Bezirksverordnetenversammlung einen Bürgerentscheid zu beschließen.

Unterschriftenberechtigt sind im Fall eines Bürgerbegehrens alle Wahlberechtigten, deren Hauptwohnsitz sich seit mehr als drei Monaten im entsprechenden Bezirk befindet.

[...]


[1] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 14.

[2] Vgl. Trattnigg: Neue Formen partizipativer Demokratie (2010). S. 9f.

[3] Jarass/ Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (2011). S. 485.

[4] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 14f.

[5] Bei der Verwendung des Begriffs ‚Bürger‘ handelt es sich in dieser Arbeit stets sowohl um männliche als

auch um weibliche Bürger.

[6] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 15f.

[7] Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 5.

[8] Vgl. Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 4f.

[9] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 15ff.

[10] Vgl. Beck: Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung – Neue Chancen für die Demokratie (2009). S. 12.

[11] Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 5.

[12] Vgl. ebd. S. 5f.

[13] Vgl. Beckmann: Bürgerbeteiligung in Kommunen (2012). S. 5f.

[14] Vgl. Stock: Bürgerbeteiligung als Weg zur lebendigen Demokratie (2009). S. 5.

[15] Vgl. Coenenberg/ Günther: Grundlagen der strategischen, operativen und finanzwirtschaftlichen Unternehmenssteuerung (2011). S. 16ff.

[16] Vgl. Roth: Durch Beteiligung zur Bürgerdemokratie (2011). S. 45f.

[17] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 17.

[18] Vgl. Trattnigg: Neue Formen partizipativer Demokratie (2010). S. 19.

[19] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 18.

[20] Vgl. Rösler: Klimaschutz ist nicht nur Chefsache! (2012). S. 57.

[21] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 26f.

[22] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 20f.

[23] Vgl. Schulze-Wolf: Internetgestützte Beteiligung in formellen Planungsverfahren (2010). S. 62ff.

[24] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 23ff.

[25] Vgl. Stelkens/ Bonk/ Sachs (Hrsg.): §72 Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren ( 2008).

[26] Vgl. Battis/ Krautzberger/ Löhr: §3 Abs. 2 Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung (2009).

[27] Vgl. Schulze-Wolf: Internetgestützte Beteiligung in formellen Planungsverfahren (2010). S. 62ff.

[28] Vgl. Peine: Öffentliches Baurecht (2003). S. 57f.

[29] Vgl. Schulze-Wolf: Internetgestützte Beteiligung in formellen Planungsverfahren (2010). S. 62ff.

[30] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 25f.

[31] Vgl. Schulze-Wolf: Internetgestützte Beteiligung in formellen Planungsverfahren (2010). S. 62ff.

[32] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 323.

[33] Vgl. Klages/ Masser: Die Stadt im Blickfeld des Bürgers (2010). S. 23.

[34] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 323.

[35] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 327.

[36] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 329.

[37] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 331.

[38] Vgl. Beckmann, Klaus J.: Bürgerbeteiligung in Kommunen. Anmerkungen aus der Stadtforschung zu einer aktuellen Herausforderung. Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH, Berlin 2012. S. 32f.

[39] Vgl. BMVBS/ BBSR im BBR (Hrsg.): Bürgermitwirkung im Stadtumbau (2009). S. 21f.

[40] Vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: Handbuch zur Partizipation (2011). S. 133ff.

[41] Gemeint ist hier die Verfassung von Berlin vom 23. November 1995.

[42] Vgl. Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin: Die BVV - Das Organ der bezirklichen Selbstverwaltung (18.09.2012).

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Bürgerbeteiligung im immobilienwirtschaftlichen Kontext - Partizipative Möglichkeiten in der kommunalen Stadtplanung
Untertitel
Am Beispiel Mediaspree
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Veranstaltung
Immobilienwirtschaft
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
91
Katalognummer
V212728
ISBN (eBook)
9783656403920
ISBN (Buch)
9783656405955
Dateigröße
2168 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Einziger Kritikpunkt der Gutachter: Die Thesis ist teilweise zu emotional formuliert, d.h. die persönliche Einstellung des Autors ist an einigen Stellen zu deutlich erkennbar für eine wissenschaftliche Arbeit.
Schlagworte
Bürgerbeteiligung, Partizipation, Berlin, Stadtplanung, Mediaspree, Bürgerentscheid Spreeufer für alle
Arbeit zitieren
Seraphine Leonhard (Autor:in), 2012, Bürgerbeteiligung im immobilienwirtschaftlichen Kontext - Partizipative Möglichkeiten in der kommunalen Stadtplanung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212728

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