Die sowjetische Arbeitslagerwelt im Zweiten Weltkrieg


Seminararbeit, 2010

16 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
a.Fragestellung:
b.Aufbau:
c.Inhaltsangabe Gustav Herling: Welt ohne Erbarmen

2 Die Lagerwelt
2.1 Voraussetzungen für den Lagerbau sowie geschichtlicher Hintergrund
2.2 Organisatorischer Aufbau der Lager und ihre Standorte
2.3 Die Arbeit der Sträflinge
2.4 Die Verpflegung
2.5 Die Bekleidung
2.6 Die Unterkünfte
2.7 Sanitäre Lage und ärztliche Kontrolle
2.8 Kultur- und Erziehungsdepartement
2.9 Die Sträflinge untereinander
2.10 Die Anzahl der Sträflinge
2.11 Mentale Folgen der Arbeitslager
2.12 Handhabung in der Öffentlichkeit

3 Resümee

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

a. Fragestellung

Vorliegende Arbeit versucht einen kurzen Überblick über die sowjetische Zwangsarbeitswelt während des zweiten Weltkrieges zu geben. Im Zentrum steht nicht die Verbreitung der Lager, sondern die allgemeinen Bedingungen, die organisatorischen Faktoren und die Arbeit, die die Sträflinge zu verrichten haben.

Die freundliche Vortäuschung eines normalen Lebens war eine Maske, hinter der sich die brutale Wirklichkeit verbarg.[1]

Diese Aussage beschreibt schon nach welchem Motto die sowjetische Regierung die Zwangsarbeitslager erbauen ließ. Diese brutale Wirklichkeit konnte ich in dieser Arbeit auf Grund der festgesetzten Länge nicht vollständig beleuchten. Ich beschränke mich daher auf allgemeine Richtlinien, um einen Überblick über dieses System geben zu können.

b. Aufbau

Diese Arbeit beginnt mit der Inhaltsangabe der einzigen Primärliteratur, die ich für diese Arbeit verwendet habe, die mir aber als die beste erschien, da sie kein Blatt vor den Mund nimmt und viele Fakten und Ansichten aus dem Lager gibt. In weiterer Folge werden die unterschiedlichen Aspekte, die die Lager erst ausmachten, näher beleuchtet, um ein Bild vom System zu erhalten.

c. Inhaltsangabe Gustav Herling: Welt ohne Erbarmen

In diesem 1951 erstmals veröffentlichten Roman berichtet der Autor von seinem Aufenthalt in unterschiedlichen Gefängnissen und im Arbeitslager in Jercewo bei Kargopol, in das er interniert wurde, da sein Name in russischer Schrift dem eines bekannten Feldmarschalls der deutschen Wehrmacht (Göring) erinnerte. Sein authentischer Bericht beginnt mit Erläuterungen aus dem Gefängnis. Er schreibt von schlechtem Essen, zerschlissener Kleidung und Eintönigkeit. Im Gefängnis sehnt man sich nach den Arbeitslagern, um physisch aktiv zu sein und nicht am Wahnsinn im eigenen Kopf zugrunde zu gehen.

Im Arbeitslager angekommen erzählt Herling, dass sich die Häftlinge selbst verstümmelten, sich zum Beispiel einzelne Finger abhackten, um den menschenunwürdigen Bedingungen – zu wenig Nahrung bei zu harter Arbeit im Freien bei minus 40 Grad Celsius – wenigstens für ein paar Tage zu entgehen. In den nächtlichen Stunden, in denen die Häftlinge ihren Gedanken und utopischen Wünschen von Freiheit überlassen sind, kommen Melancholie und Suizidgedanken auf. „Der Gedanke an das Alleinsein ebenso wie an den Selbstmord ist meist das einzige, was uns bleibt, wenn alles fehlgeschlagen ist und der Tod alle Schrecken für uns verloren hat.[2]

Doch Herling hält durch, verliert nicht die Kontrolle über sein Bewusstsein, sondern rettet sich durch einen achttägigen Hungerstreik und seinen absoluten Lebenswillen das Leben. Er wird am 19. Januar 1942 nach eineinhalb-jährigem Arbeitslageraufenthalt in die Freiheit entlassen. Zwei Monate darauf tritt er einem polnischen Artillerie-Regiment bei. Um 1945 arbeitet er bei der Armee-Zeitung in Rom. Herling stirbt im Jahr 2000.

2 Die Lagerwelt

2.1 Voraussetzungen für den Lagerbau sowie geschichtlicher Hintergrund

Der Bau des Lagernetzes, das sich über ganz Sowjetrussland erstreckt, erfordert mehrere Voraussetzungen. Dallin / Nikolaevsky führen an, dass „die geschichtliche Synthese aus unbegrenzter Staatsgewalt, totalitärer Staatswirtschaft und militantem Proselytismus diesen neuen Typus der Sowjetgesellschaftsordnung hervorgebracht[3] hat. Dies sind also die rein staatlichen Voraussetzungen, ohne die gar nicht daran zu denken wäre, auch nur ein Lager erbauen zu können. Die weiteren Voraussetzungen sind ökonomischer und geologischer Art. Bevor ein Lager gebaut werden kann, muss geprüft werden, an welchem Standort gewisse ökonomische Faktoren erfüllt werden, denn jedes Lager hat einen wirtschaftlichen Nutzen, sie dienen hauptsächlich der Wirtschaft des Landes und erst in zweiter Linie der Umerziehung der Gefangenen. Bei Ertz zum Beispiel handelt es sich um ein Arbeitslager, das zur Förderung von Nickel-, Kupfer- und Kobalterzen erbaut wurde. In den folgenden Monaten des Jahres 1935 – nachdem das Lager Norilsk, das hier zur Sprache kommt, erbaut wurde – gab Stalin weitere Projekte in Auftrag. „Hierzu zählen im einzelnen der Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals, des Moskau-Wolga-Kanals, der Biakal-Amur-Magistrale und weitere Eisenbahnlinien in Ostsibirien.[4] All diese Projekte, wie auch unzählige andere mussten von den Sträflingen per Hand erbaut werden, es waren kaum maschinelle Hilfsmittel verfügbar, was nur noch mehr Grund zum Grauen gibt. Auf Grund dieser großen Projekte waren dementsprechend große Lagerkomplexe notwendig, die unter der Aufsicht der 1934 gegründeten NKWD, in den meisten Fällen auch von den Häftlingen selbst erbaut werden mussten.

Ein weiterer Faktor, der sich aus dem Bau der Arbeitslager ergab, war der eiserne Vorhang, der bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts die sowjetischen Länder vom Rest der Welt trennte. Man wollte mit allen Kräften verhindern, dass jemand von außen und sei es nur die eigene russische Bevölkerung, etwas über die Situation in den Lagern erfuhr. Dies wurde mit allen Mitteln ermöglicht, das Resultat war die absolute Trennung von der Außenwelt. Kein Bürger Sowjetrusslands und auch kein Auslandsjournalist hatte die Möglichkeit auch nur in die Nähe eines Lagers zu kommen, was es immens erschwert authentische Berichte darüber zu erhalten.

2.2 Organisatorischer Aufbau der Lagerwelt und die Standorte

Einen Teil der Lagerwelt machten die Korrektionsarbeitslager aus, die vornehmlich politische Kriminelle aufnahmen. Sie waren von Stacheldrahtzäunen umgeben. Türme umsäumten ein Arsenal aus primitivsten Häusern und Baracken, die von oft Hunderttausenden Gefangenen „bewohnt“ wurden. Die größten Lager befanden sich hauptsächlich „in den östlichen und nördlichen Teilen Rußlands (sic!)[5], eben in den unbarmherzigsten Teilen der Nordhalbkugel, manche befinden sich innerhalb des Polarkreises, wo Temperaturen unter minus 40 Grad Celsius herrschen. Wie bereits angesprochen oblag jedem Lager eine gewisse wirtschaftliche Aufgabe, je nach Standort des Lagers. Auf Grund des Lagerbaus entstanden in den nördlichsten Teilen Sibiriens neue Industriestädte, die nur auf Zwangsarbeit beruhten.

Man unterschied drei Gruppen von Arbeitslagern: „1 . Lager für Gewohnheitsverbrecher; 2. Bytowiks [Anm. d. Verf.: Am nächsten kommt diesem Wort wohl die Übersetzung: „Schuldig wegen Vergehens gegen die Lebensnormen“] ; 3. Lager für politisch Schuldige.“[6] Zu Gruppe 1 zählen „Diebe, Einbrecher, Mörder und dergleichen.“[7] Zur zweiten Kategorie zählten hauptsächlich Beamte öffentlicher Einrichtungen, das heißt jeder, der irgendeine Form von Betrieb unterhielt und etwas verkaufte, war Angestellter des Staates und erhielt dafür einen Hungerlohn, obgleich viele Familienväter und der einzige Ernährer waren und versuchten sich anderwertig etwas dazuzuverdienen, was allerdings strengstens verboten war. Die Gruppe der politischen Verbrecher umfasste die unterschiedlichsten Subkategorien: Vor allem zählten hierzu Bauern, die manchmal nur einen Hauch individualistischen Denkens in sich hatten und dafür bestraft werden mussten. Sie hatten auf Grund ihrer körperlichen Stärke und Zähigkeit die schwerste Arbeit zu verrichten. Weiters zählten hierzu Ausländer, Juden oder ausländische Kommunisten, die vor ihrer eigenen Justiz flohen, vor allem Deutsche. Weiteren Bestandteil der politischen bildeten jene Menschen, die auf Grund ihrer Religion verhaftet wurden: „Katholiken, Baptisten, Mitglieder der ukrainischen orthodoxen Kirche u. a.[8] Wegen Sabotage wurden vor allem Ingenieure und Techniker gefangen genommen. Sie bekleideten aber meist administrative Posten, welche leichtere Arbeit versprachen. Als wäre dies noch nicht genug, wurden auch Kinder zwischen 14 und 16 Jahren oder jünger verhaftet. „Sie arbeiten in Bergwerken und Fabriken.[9]

Anhand des Norilsker Beispiels lässt sich gut erklären, wie die organisatorische Aufteilung in einem Lager aussah. Der Autor beschreibt dir organisatorische Aufteilung des Lagers Norilsk. Es war geteilt in zwei „unterschiedliche administrative Strukturen“.[10] Die eine wurde (in den 1930er Jahren) „Norilsker Bauvorhaben“ und ab den 1940er Jahren „Norilsker Kombinat“ genannt. Es hatte sehr breit gefächerte Aufgaben: Im Grunde alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, die im Gesamtkonzept ausgeführt werden mussten. Es hatte die Funktion einer „universellen Bau-, Erschließungs- und Entwicklungsagentur[11] inne. Im Gegenzug zu diesem ökonomischen Projekt stand das Norilsker Besserungslager, das „aus mehreren Abteilungen und Unterabteilungen bestand und daher treffend als Lagerkomplex“[12] bezeichnet wurde.

Zentrale Aufgaben des Lager – wie in allen stalinistischen Lagern - waren: „Verwahrung und Isolierung der Häftlinge[13] und ihre politische Neuerziehung, die unter anderem durch Zwang zu körperlicher Arbeit, aber auch durch kulturellen Einfluss (propagandistische Filme) erzielt werden sollte. Das Hauptaugenmerk lag aber nicht nur in der Besserung der Inhaftierten, sondern auch darauf einen florierenden Wirtschaftsstandort in einer schwer zugänglichen Region der Sowjetunion zu schaffen.

Nicht nur die geografische Lage der Lager unterlag strenger Kontrolle, sondern auch wie die Sträflinge behandelt wurdeb. Das Zwangsarbeitersystem war in mehrere Stadien aufgeteilt: Untersuchungen, Verhören, Gefängnishaft und schließlich Arbeitslager, das nicht dazu diente „den Verbrecher zu bestrafen, sondern ihn wirtschaftlich auszubeuten und psychologisch umzuwandeln“[14]. Der Mensch wird gebrochen und durch psychologische Folter neu geboren und geformt, wie er im System gebraucht wird. Man unternahm Bewusstseinsveränderungen, um ihn regimetreu zu machen.

[...]


[1] Herling, Gustav: Welt ohne Erbarmen. Köln: Kölnische Verlagsdruckerei GmbH 1953, S. 224.

[2] Herling, Gustav: Welt ohne Erbarmen (wie Anm. 1), S. 48.

[3] Dallin, David / Nikolaevsky, Boris I.: Zwangsarbeit n Sowjetrußland. Wien: Verlag Neue Welt 1949, S. 6.

[4] Ertz, Simon: Zwangsarbeit im sowjetischen Lagersystem. Eine Untersuchung der Methoden, Strategien und Ziele ihrer Ausbeutung am Beispiel Norilsk, 1935-1953. Berlin: Drucker & Humboldt 2006, S. 41 (Zeitgeschichtliche Forschungen, Bd. 31.)

[5] Dallin, David / Nikolaevsky, Boris I.: Zwangsarbeit in Sowjetrußland (wie Anm. 3), S. 13.

[6] Ebd. S. 14.

[7] Ebd. S. 14.

[8] Dallin, David / Nikolaevsky, Boris I.: Zwangsarbeit in Sowjetrußland (wie Anm. 5), S. 15.

[9] Ebd. S. 73

[10] Ertz, Simon: Zwangsarbeit im sowjetischen Lagersystem. Eine Untersuchung der Methoden, Strategien und Ziele ihrer Ausbeutung am Beispiel Norilsk, 1935-1953 (wie Anm. 4), S. 46.

[11] Ebd. S. 46.

[12] Ebd. S. 47.

[13] Ebd. S. 47.

[14] Herling, Gustav: Welt ohne Erbarmen (wie Anm. 3), S. 73.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die sowjetische Arbeitslagerwelt im Zweiten Weltkrieg
Hochschule
Universität Wien  (Germanistik)
Veranstaltung
VO Neuere deutsche Literatur: Literatur und Kommunismus nach 1930
Note
2
Autor
Jahr
2010
Seiten
16
Katalognummer
V212553
ISBN (eBook)
9783656408109
ISBN (Buch)
9783656408352
Dateigröße
566 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gulag, Arbeitslager, Sowjetunion
Arbeit zitieren
Christina Kreuzwirth (Autor:in), 2010, Die sowjetische Arbeitslagerwelt im Zweiten Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212553

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