Malinowski. Seine Rolle als beteiligter wie voreingenommener Beobachter


Hausarbeit, 2010

12 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


1. Einleitung

„Das Ziel besteht, kurz gesagt, darin, den Standpunkt des Eingeborenen, seinen Bezug zum Leben zu verstehen und sich seine Sicht seiner Welt vor Augen zu führen“ (Malinowski 2007:49). Mit diesen Worten formulierte Malinowski in den „Argonauten des westlichen Pazifiks“ einen neuen Anspruch an die Ethnographie, deren Aufgabe bestehe darin bestehen müsse, die Standpunkte und Perspektiven einer fremden Kultur zu erfassen. Um dieses zu erreichen müsse der Ethnograph von den konkreten Ergebnissen aus, die Denkweisen der Menschen rekonstruie­ren. Malinowski fordert daher von den Forschern eine aktive Teilnahme am Leben der zu untersuchenden Gruppe und hat dadurch die Methode der teilnehmenden Beobachtung hervorgebracht. Er selbst grenzt sich deutlich ab von den „Amateu­ren“ in ihren Lehrstühlen, die Theorien über Phänomene entwickelten, die sie selbst nie miterlebt hatten, und entwirft in seiner Einleitung die Methoden der neuen Feldforschung. Seiner Auffassung nach, kann nur der der mit der fremden Gemeinschaft zusammenlebt, ihren „Way of Life“ verstehen. Der Übergang von der armchair - Ethnologie zur openfield - Ethnologie steht in enger Verbindung mit den „Argonauten des westlichen Pazifiks", einem Bericht über die Lebenswei­se der Inselbewohner von Melanesisch-Neuguinea.

Obwohl sich heute Ziel, Gegenstand und Forschungsmethoden der Ethnologie weiterentwickelt haben und innerhalb der Disziplin viele verschieden Strömun­gen[1] auszumachen sind (vgl. Beer 2008: 17), zählt die Methode der teilnehmen­den Beobachtung immer noch zu den Standards der ethnologischen Feldfor­schung. Die größte Veränderung zu Malinowskis Ansprüchen ist die Selbstreflexi­on der Forscher, die ihre eigenen Prägungen, Kenntnisse, Standpunkte, Vorurteile und theoretischen Interessen, stärker in den Mittelpunkt stellt. Clifford Geertz nannte die Idee der teilnehmenden Beobachtung nützlich, wo sie "... den Ethnolo­gen darin bestärkt hat, sich mit seinen Informationen als Personen und nicht als Objekte einzulassen ...Wo sie dagegen dem Ethnologen die Wahrnehmung seiner eigenen, ganz spezifischen, kulturellen bedingten Rolle versperrte und ihn dazu brachte, sich für etwas anderes zu halten als einen interessierten Beobachter (im Sinne eines beteiligten wie voreingenommenen Beobachter) war sie unserer mächtigste Quelle von Unaufrichtigkeit.“ (Geertz 1999: 29).

Gegenstand dieser Arbeit ist Malinowskis Monographie „Argonauten des westli­chen Pazifiks“ in der er seine Ansprüche und Methoden der Ethnologie postuliert. Da nach dem Verständnis der modernen Ethnologie eine „unverfälschte Darstel­lung einer Stammeskultur“ als nicht umsetzbar gilt und ebenso Malinowskis pri­vate Tagebücher gezeigt haben, dass er den Trobrianden[2] nicht unvoreingenom­men begegnen konnte, soll das Ziel dieser Arbeit sein, Malinowskis Rolle als „be­teiligten wie voreingenommen Beobachter“ darzulegen.

Nach einer kurzen Beschreibung des zentralen Thema seiner Monographie sollen seine in der dazu gehörigen Einleitung postulierten Methoden umrissen werden, die wie Malinowski behauptet, ermöglichen „den wahren Geist der Eingeborenen zu beschwören“ (Malinowski 2007:28). Anschließend soll anhand ausgewählter Beispiele geprüft werden, wie Malinowski seinen selbstformulierten Ansprüchen nach Objektivität und Glaubhaftigkeit gerecht wird. Im weiteren sollen einzelne Aussagen des Ethnographen über die Trobrianden analysiert werden, um festzu­stellen, ob diese tatsächlich unvoreingenommen repräsentiert werden. Malinows­kis Tagebücher bieten eine Quelle, die seine Untersuchungen auf einer selbstrefle- xiv-metatextuellen Ebene der Selbstkritik aussetzt. Auch hier soll Malinowskis Selbstanspruchshaltung zur wissenschaftlichen Arbeitsweise des Ethnographen, mit seinen Tagebucheinträgen verglichen werden.

1.2 Zentrales Thema der „Argonauten des westlichen Pazifiks“

Die Monographie „Argonauten des westlichen Pazifiks“ beruht auf der ethnogra­phischen Feldforschung Malinowskis von 1915 bis 1920 auf den Trobrianden- Inseln östlich von Neuguinea. Mittelpunkt seines Werkes ist das Kula, ein Handel der nicht auf dem Austausch gewöhnlicher Waren basiert, sondern auf dem Tausch von Armreifen und Ketten aus Muscheln, die jeweils in gegenläufige Richtungen des Kula Rings wandern. Der Tausch dieser beiden Schmuckstücke erfolgt aber nicht direkt und es kann bis zu mehreren Jahren dauern bis für einen Armreif oder eine Kette der entsprechend andere Tauschgegenstand überreicht wird. Diese da­durch erzeugte lebenslange Beziehung zwischen den Tauschpartnern bildet die Vertrauensbasis des ökonomischen Handels. Anders als in diesem stellen die im Kula getauschten Gegenstände kein Besitz nach dem westlichen Verständnis dar, sondern bleiben nur eine gewisse Zeit an einem Ort, um dann wieder weiter gege­ben zu werden. Das Kula stellt für Malinowski ein komplexes System dar, wel­ches bis in den Alltag der Menschen dringt, „Das Kula ist keine betrügerische, instabile Form des Tauschs. Es wurzelt ganz im Gegenteil im Mythos, wird durch traditionelle Gesetze abgesichert und von magischen Riten umgeben.“ (Mal­inowski 2007: 118) Zu diesem System gehöre der Bau von Kanus, die Expeditio­nen die auf ihnen durchgeführt werden, Mythen, Magie, Riten, zwischenmensch­liche Beziehungen und bestimmte Verhaltensregeln. Malinowski beschreibt in „Argonauten des westlichen Pazifiks diese „große komplexe Institution“ und ent­wirft dabei ein Bild der trobriandische Kultur und Gesellschaft, die eng mit dem Kula verwoben sei (siehe Malinowski 2007).[3]

[...]


[1] interpretative, analytische, komparative Ethnologie

[2] Der Ausdruck „Trobrianden“ wird hier für die Bewohner der Trobriand-Inseln benutzt um sich von der von Malinowski gewählten Bezeichnung Eingeborenen und Wild abzugrenzen

[3] Methoden der Ethnographie nach Malinowski Nach Malinowski ist das Ziel der Ethnographie ein „unverfälschtes Bild“ be­stimmter Gesellschaften zu erstellen. Das bedeutete für ihn, dass die Darstellung einer Gesellschaft nicht nur unvoreingenommen sein muss, sondern auch den ei­genen Standpunkt der Gesellschaft reflektieren sollte (vgl. Malinowski 2007: 49). Weiter bedeute unverfälscht, dass die zu untersuchende Gesellschaft in ihrem All­tag beschrieben werden sollte, da nur dieser die konkreten Lebensumstände auf­zeigt (Malinowski 2007: 49). Gleichzeitig vertritt Malinowski einen holistischen Anspruch, eine unverfälschte Darstellung bedeutet daher für ihn auch eine ganz­heitliche. Eine Untersuchung einer Gesellschaft dürfe sich daher nicht nur auf ein Feld, wie Religion, stützen, sondern müsse alle Aspekte die eine Gemeinschaft ausmachen mit einbeziehen. Nur dadurch würde der innere Zusammenhang der Gemeinschaft, Gesetze und Ordnungen die sich in jedem Aspekt durchsetzen deutlich werden (vgl. Malinowski 2007: 33). Der Ethnograph müsse sich mit der

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Malinowski. Seine Rolle als beteiligter wie voreingenommener Beobachter
Hochschule
Universität Bremen
Note
1.7
Autor
Jahr
2010
Seiten
12
Katalognummer
V212406
ISBN (eBook)
9783656402541
ISBN (Buch)
9783656402930
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
malinowski, seine, rolle, beobachter
Arbeit zitieren
Rosa Grieser (Autor:in), 2010, Malinowski. Seine Rolle als beteiligter wie voreingenommener Beobachter , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212406

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