Auswirkungen der Gestaltung von Arbeitsräumen auf die Lehrerbelastung

Eine empirische Untersuchung über die räumliche Situation an Gymnasien und Zusammenhänge zum Belastungsempfinden der Lehrkräfte


Masterarbeit, 2011

109 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0.1 Abbildungsverzeichnis

0.2 Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

I. Theoretischer Teil
2. Belastung im Lehrberuf
2.1 Bisherige Untersuchungen
2.2 Allgemeine Belastung im Beruf
3. Arbeitsräume
3.1 Erkenntnisse aus der Umweltpsychologie
3.2 Arbeitsplatz des Lehrers?
3.3 Bisherige Untersuchungen zu Arbeitsräumen des Lehrers
4. Belastung durch Gestaltung des Arbeitsplatzes im Lehrberuf
4.1 Bisherige Untersuchungen
4.2 Das Lehrerzimmer
4.3 Andere Lehrerräume in der Schule
4.4 Der häusliche Arbeitsplatz
5. Fragestellungen
5.1 Lehrerzimmer
5.2 Andere Lehrerräume in der Schule
5.3 Häuslicher Arbeitsplatz

II. Empirischer Teil
6. Beschreibung des Vorhabens
6.1 Theoretische Einordnung der Untersuchung
6.2 Methodische Überlegungen
7. Leitfadeninterviews
7.1 Entwicklung
7.2 Durchführung
7.2.1 Interview 1
7.2.2 Interview 2
7.2.3 Interview 3
7.3 Auswertung
8. Hypothesenbildung
8.1 Lehrerzimmer
8.2 Andere Lehrerräume in der Schule
8.3 Häuslicher Arbeitsplatz
9. Haupterhebung mittels Fragebögen
9.1 Aufbau und Entwicklung des Fragebogens
9.2 Durchführung
9.3 Ergebnisse
9.3.1 Beschreibung der Stichprobe
9.3.2 Lehrerzimmer
9.3.3 Andere Lehrerräume in der Schule
9.3.4 Häuslicher Arbeitsplatz
9.3.5 Belastung und Idealvorstellungen
10. Prüfung der Hypothesen
10.1 Lehrerzimmer
10.2 Andere Lehrerräume in der Schule
10.3 Häuslicher Arbeitsplatz
10.4 Idealvorstellung

III. Diskussion
11. Inhaltliche und methodische Diskussion
11.1 Inhaltliche Diskussion
11.2 Methodische Diskussion
12. Fazit und Ausblick
13. Literaturverzeichnis

0.1 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verteilung der Befragten auf die vier Schulen

Abbildung 2: Verteilung Geschlecht nach Altersgruppen

Abbildung 3: Verteilung Geschlecht nach Dienstjahren

Abbildung 4: Nutzung des Lehrerzimmers in den Pausen

Abbildung 5: Nutzung des Lehrerzimmers in den Freistunden

Abbildung 6: Nutzung des Lehrerzimmers vor und nach dem Unterricht

Abbildung 7: Geeignetheit des Lehrerzimmers für verschiedene Tätigkeiten

Abbildung 8: Zustimmung zu Aussagen über das Lehrerzimmer

Abbildung 9: Vorhandensein eigenes Büro

Abbildung 10: Vorhandensein feste Gemeinschaftsbüros

Abbildung 11: Vorhandensein Büros ohne feste Plätze

Abbildung 12: Vorhandensein Lehrerbibliothek

Abbildung 13: Vorhandensein Computerraum

Abbildung 14: Vorhandensein Besprechungszimmer

Abbildung 15: Vorhandensein Konferenzraum

Abbildung 16: Vorhandensein Ruheraum

Abbildung 17: Vorhandensein externe Lehrerküche mit Sitzmöglichkeiten

Abbildung 18: Häufigkeit der Nutzung der zusätzlichen Räume

Abbildung 19: Zeit der Nutzung der zusätzlichen Räume

Abbildung 20: Tätigkeit der Nutzung der zusätzlichen Räume

Abbildung 21: Geeignetheit der zusätzlichen Räume

Abbildung 22: Zustimmung zu Aussagen über die zusätzlichen Räume

Abbildung 23: Nutzung des häuslichen Arbeitsplatzes

Abbildung 24: Tageszeit, zu der der häusliche Arbeitsplatz genutzt wird

Abbildung 25: Zustimmung zu Aussagen über den häuslichen Arbeitsplatz

Abbildung 26: Belastung

Abbildung 27: Mittelwerte der Idealvorstellungen

Abbildung 28: Wohlfühlen im Lehrerzimmer

Abbildung 29: Lehrerzimmermuffel

Abbildung 30: Platz zum Lagern von Material

Abbildung 31: Belastung der mangelnden Ablagemöglichkeiten

Abbildung 32: Überarbeitung des Lehrerzimmers

Abbildung 33: Entspannen im Lehrerzimmer

Abbildung 34: Arbeiten im Lehrerzimmer

Abbildung 35: Lehrerzimmer ist Ort der Kommunikation

Abbildung 36: Kommunikation im Lehrerzimmer: Kollegen

Abbildung 37: Kommunikation im Lehrerzimmer: Schüler

Abbildung 38: Organisatorisches im Lehrerzimmer

Abbildung 39: Arbeit im Lehrerzimmer in den Freistunden

Abbildung 40: Entspannen im Lehrerzimmer in den Freistunden

Abbildung 41: Kommunikation vor und nach dem Unterricht

Abbildung 42: Organisatorisches vor und nach dem Unterricht

Abbildung 43: Im Lehrerzimmer stört das Kommen und Gehen

Abbildung 44: Belastungsfaktor Lärm

Abbildung 45: Vorhandensein eigenes Büro je nach Schule

Abbildung 46: Zusammenhang eigenes Büro und Schulleitungsmitglied

Abbildung 47: Zusammenhang eigenes Büro und organisatorische Tätigkeit

Abbildung 48: Vorhandensein fester Gemeinschaftsbüros je nach Schule

Abbildung 49: Vorhandensein Büros ohne feste Plätze je nach Schule

Abbildung 50: Vorhandensein Ruheraum je nach Schule

Abbildung 51: Vorhandensein Konferenzraum je nach Schule

Abbildung 52: Vorhandensein Lehrerbibliothek je nach Schule

Abbildung 53: Vorhandensein Lehrerküche mit externen Sitzmöglichkeiten je nach Schule

Abbildung 54: Nutzung der Arbeitsräume je nach Schule

Abbildung 55: Ausstattung der Arbeitsräume je nach Schule

Abbildung 56: Wohlfühlen in den Arbeitsräumen

Abbildung 57: Wunsch nach (besseren) Arbeitsräumen

Abbildung 58: Belastung durch keine Ruhe in den Pausen

Abbildung 59: Nutzung der zusätzlichen Räume in den Freistunden

Abbildung 60: Teamwork und Kooperation

Abbildung 61: Nutzung leere Klassenräume

Abbildung 62: Arbeitsräume an der Schule entlasten bei der häuslichen Arbeit..

Abbildung 63: Wohn- und Arbeitsbereich ist strikt getrennt

Abbildung 64: Arbeit zu Haus direkt nach der Schule

Abbildung 65: Arbeit zu Haus am Nachmittag

Abbildung 66: Belastung durch kein Gefühl von Feierabend

Abbildung 67: Belastung durch keine Trennung von Beruf und Privatleben

Abbildung 68: Zusammenhang kein Feierabendgefühl und Belastung

Abbildung 69: Zusammenhang keine Trennung Beruf/Privatleben und Belastung ..

Abbildung 70: Zusammenhang Dienstjahre und Trennung Beruf/Privatleben

Abbildung 71: Zusammenhang Belastung und Freude der Arbeit zu Haus

Abbildung 72: Zustimmung zur Idealvorstellung 1

Abbildung 73: Zustimmung zur Idealvorstellung 2

Abbildung 74: Zustimmung zur Idealvorstellung 3

Abbildung 75: Zustimmung zur Idealvorstellung 4

0.2 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Verteilung auf die Alterskategorien

Tabelle 2: Verteilung auf die Unterrichtsfächer

Tabelle 3: Häusliche Arbeit entlastet

Tabelle 4: Würde lieber in der Schule arbeiten

1. Einleitung

In den letzten Jahren gibt es immer wieder kontroverse Diskussionen über den Beruf des Lehrers. Auf der einen Seite sind die Vorwürfe, Lehrer1 wären nur ‚Halbtagsjobber’, die den Vormittag über in der Schule unterrichten und sich am Nachmittag ihrer Freizeit widmen. Auf der anderen Seite verfallen immer mehr Lehrer dem Burnout-Syndrom, das heißt, sie sind völlig ‚ausgebrannt’ aufgrund der starken Belastung, die ihr Beruf mit sich bringt. Wie passt das zusammen? Ohne den Tagesablauf und die Tätigkeiten einer Lehrkraft zu überblicken, mag es tatsächlich so aussehen, als hätten sie nur einen Halbtagsjob. Der Arbeitsplatz liegt in der Schule und dort halten sich Lehrer zumeist nicht länger auf, als ihr Unterrichtstag das fordert. Doch setzt man sich näher mit ihrer Arbeit auseinander, erfährt man, dass der andere Teil der Arbeit zu Hause stattfindet: zahlreiche Korrekturen, Unterrichtsvorbereitungen etc. Es stellt sich also die Frage, welche der vielen Tätigkeiten, die ein Lehrer ausüben muss, an welchem seiner Arbeitsplätze geleistet wird. Zudem gibt es in der Gesellschaft immer wieder Vorschläge, Lehrern eine Präsenzzeit in der Schule zu verordnen, damit ihr Beruf wie ein typischer Bürojob in acht Stunden pro Tag abläuft. Doch dieses durchzusetzen ist in den meisten Schulen schon wegen der mangelnden Ausstattung mit Arbeitsräumen unmöglich. Es gibt natürlich das Lehrerzimmer, aber lassen sich dort die Aufgaben, die sonst zu Hause erledigt werden, wirklich verrichten? Wie sieht es mit zusätzlichen Arbeitsräumen aus? Wird die Idee, mehr in der Schule zu erledigen, schon praktisch umgesetzt? Falls nicht, ist die Arbeit zu Hause von Vorteil oder eher belastend? Diese und andere Fragen sollen in dieser Arbeit ergründet werden. Zum einen soll anhand von empirischen Untersuchungen festgestellt werden, wie sich die Arbeitsplätze einer Lehrkraft gestalten und inwiefern sie genutzt werden, zum anderen soll ein Zusammenhang zur Belastung hergestellt werden. Ist z.B. eine schlechte Ausstattung mit Arbeitsräumen an der Schule belastend für eine Lehrkraft oder wird dies einfach so hingenommen?

Dazu werden im ersten Teil dieser Arbeit theoretische Grundlagen zum Thema Belastungen im Lehrerberuf dargestellt. Dabei wird auf bisherige Untersuchungen und Ergebnisse zu diesem Thema eingegangen und die Hauptbelastungen in diesem Beruf geschildert. Als nächstes werden Erkenntnisse aus der Umweltpsychologie bezüglich Arbeitsräumen vorgestellt. Dieses wird im weiteren Verlauf speziell auf den Beruf des Lehrers übertragen und führt zu Fragestellungen, die empirisch untersucht werden sollen.

Der zweite Teil der Arbeit schildert diese empirischen Untersuchungen. Die Fragestellungen werden mit Hilfe von Leitfadeninterviews beantwortet und führen zu der Bildung von Hypothesen. Diese werden durch die Hauptuntersuchung mittels Fragebogenverfahren überprüft.

Der dritte Teil beinhaltet die Diskussion mit einer kritischen Betrachtung der Ergebnisse und der gewählten Untersuchungsmethoden. Abschließend steht das Fazit, welches durch einen Ausblick auf vielleicht weiterführende Fragestellungen ergänzt wird.

I. Theoretischer Teil

2. Belastung im Lehrberuf

2.1 Bisherige Untersuchungen

In der Lehrerforschung lassen sich Untersuchungen grob in drei Bereiche gliedern: effektspezifische Lehrervariablen (Was ist ein guter Lehrer?), Lehrerkognition (Lehrerverhalten) und Auswirkungen des Lehrerberufs (Berufszufriedenheit). Die Erforschung der Belastungssituation im Lehrberuf gehört zum Feld der Auswirkungen des Berufs. Dabei steht die Person des Lehrers im Vordergrund, d.h. es geht nicht um Auswirkungen auf Schüler. Eine derartige Untersuchung gehört nicht nur zur pädagogischen Psychologie, sondern findet sich auch im Bereich der Arbeitspsychologie.2

Es gibt seit den 1980er Jahren eine Vielzahl an Untersuchungen zum Thema Belastung und Stress bei Lehrern. Dabei ging es früher meist um die Erfassung von körperlichen und psychischen Beschwerden. Häufig behandelte Begriffe waren damals ‚Lehrerangst’ und ‚Lehrerstress’. Aber auch Untersuchungen zum Thema ‚Burnout’ wurden in dieser Zeit immer zahlreicher, wobei die Berufsgruppe Lehrer als Prototyp für dieses Symptom galt.

Heutzutage werden aufgrund von neueren Erkenntnissen aus der Gesundheitspsychologie die bisherigen Vorgehensweisen zur Belastungsmessung weiterentwickelt. So wird sich heut an dem salutogenetischen Ansatz orientiert, der sich nicht nur nach Symptomen von Krankheiten, sondern auch nach persönlichen und sozialen Ressourcen und Schutzfaktoren richtet. Dies erleichtert es, vor allem frühzeitig Präventionsmaßnahmen zu entwerfen.3 Zudem beschäftigen sich viele Untersuchungen in der heutigen Zeit mit der Frage, wie man die Belastung mindern bzw. mit ihr umgehen kann (Coping).

Eine der aktuellen Studien zu diesem Thema ist die Potsdamer Lehrerstudie von Uwe Schaarschmidt. Dabei wurden 4000 Lehrkräfte zu ihrem Umgang mit beruflicher Belastung befragt. Bei dieser Untersuchung wird sich vor allem auf persönlichkeitsspezifische Stile der Auseinandersetzung mit den Arbeitsanforderungen bezogen, insbesondere mit dem Arbeitsengagement, der Widerstandsfähigkeit und den arbeitsbezogenen Emotionen. Als diagnostisches Instrument wird der Test AVEM (Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster) verwendet. Dieser liefert auf Grundlage von elf Dimensionen (z.B. Bedeutsamkeit der Arbeit, Perfektionsstreben, Erleben sozialer Unterstützung) vier unterschiedliche Gesundheitsmuster:

- Muster G: Gesundheitsförderliches Verhalten

Der Lehrer hat ein erhöhtes, aber nicht zu erhöhtes berufliches Engagement bei gleichzeitig erhaltener Distanzierungsfähigkeit. Zudem ist er widerstandsfähig gegenüber Belastungen und hat eine hohe allgemeine Zufriedenheit.

- Muster S: Schonendes Verhalten

Jemand mit diesem Gesundheitsmuster zeigt nur wenig Engagement in seinem Beruf und besitzt ein hohes Maß an Distanzierungsfähigkeit. Genauso wie Typ G ist er widerstandsfähig gegenüber Belastungen und hat eine hohe allgemeine Zufriedenheit.

- Muster A: Überhöhtes Arbeitsengagement

Dieses Muster wird charakterisiert von einem sehr hohen Engagement mit geringer Distanzierungs- und Widerstandsfähigkeit. Das führt zu wenig Zufriedenheit.

- Muster B: Geringes Arbeitsengagement, Burnout

Es gleicht dem Muster A mit dem Unterschied, dass der Träger hier nur wenig Engagement für seinen Beruf aufbringt.4

Die Ergebnisse der Potsdamer Lehrerstudie zeigen, dass es bei den Belastungen für den Lehrberuf als Ganzes große Unterschiede von Schule zu Schule gibt. Deswegen entwickelte Schaarschmidt in Zusammenarbeit mit Ulf Kieschke ein Instrument zur Organisationsdiagnose: den Test ABC-L (Arbeitsbewertungscheck für Lehrer), der eine schulbezogene Auswertung möglich macht und sich dabei nicht auf Aussagen über einzelne Lehrpersonen bezieht. In dem Test geht es darum, wie Lehrer ihre Arbeitstätigkeit und die dafür gegebenen Bedingungen bewerten. Dazu werden Fragen aus 15 Arbeitsbereichen der Lehrertätigkeit gestellt (z.B. Gespräche mit Eltern, Verhalten der Schüler, räumliche Bedingungen der Schule).

Die Ergebnisse können dabei auch mit den Gesundheitsparametern aus AVEM in Zusammenhang gebracht werden.5

2.2 Allgemeine Belastung im Beruf

Der Beruf des Lehrers gehört im Allgemeinen aufgrund der erhöhten psychosozialen Beanspruchung durch den Umgang mit und die Verantwortung für andere Menschen zu einem der anstrengendsten Berufe. Solche Berufe erschweren eine Distanzierung vom Berufsalltag mehr als Tätigkeiten mit sachbezogenen Problemen.6 Zudem ist der Lehrberuf charakterisiert durch eine vielschichtige Arbeitsstruktur, vor allem in den Bereichen der sozial- kommunikativen, emotionalen und motivationalen Anforderungen: Ein Lehrer sollte den Schülern gegenüber einerseits ein empathisches und partnerschaftliches Verhalten, aber andererseits auch Selbstbehauptung zeigen; er muss seine eigene Arbeit schätzen, aber gleichzeitig ein Gefühl des Nicht-Fertig-Seins mit sich tragen; er sollte sensibel, jedoch auch robust sein.7 Außerdem gibt es im Beruf des Lehrers keine einfach zu kontrollierenden Kriterien für den Erfolg seiner Arbeit und somit kein wohliges Gefühl, seinen Pflichten nachgekommen zu sein.

Ergebnisse der Potsdamer Lehrerstudie zeigen, dass über 60 % der Lehrer zu den Risikomustern A und B gehören, d.h. im Vergleich zu anderen Berufgruppen (z.B. Pflegepersonal, Ärzte, Feuerwehrleute) gibt es im Lehrberuf einen höheren Anteil an Vertretern dieser Risikomuster. Spezielle Ergebnisse weisen daraufhin, dass es keine bedeutsamen Unterschiede in der Schulform gibt und keine Altersabhängigkeit in der Musterverteilung.8 Der Lehrberuf wird also insgesamt als sehr belastend empfunden und führt oft zu riskanten Gesundheitsmustern.

Aber nicht nur der Beruf an sich gilt als anstrengend, es gibt auch weitere Faktoren, die ihn zunehmend belastend machen. Diese Faktoren lassen sich auf verschiedene Arten zu Kategorien von Belastungsbedingungen zusammenfassen: So wird in manchen Studien unterschieden zwischen Belastungen auf drei Ebenen: auf der Individuumsebene, der Systemebene und der Organisationsebene. Die Individuumsebene beinhaltet Belastungen aufgrund von demografischen Daten und Persönlichkeitsmerkmalen. Die Organisationsebene besteht aus dem Kollegium und der einzelnen Schule. Die Systemebene umfasst die Berufssituation, die Anstellungsbedingungen und die Berufsanforderungen.9 In anderen Untersuchungen werden die belastenden Faktoren im Lehrberuf eingeteilt in Arbeitsbedingungen, Lebensumstände und individuelle Bewältigungsstrategien. Belastende Lebensumstände sind nicht spezifisch für den Lehrberuf und auch Bewältigungsstrategien werden in anderen Berufsgruppen gebraucht, aber speziell im Lehrberuf gibt es Bedingungen, die besondere Bewältigungsstrategien erfordern.10

Speziell für den Beruf des Lehrers sind vor allem die Arbeitsbedingungen, d.h. die Belastungen auf der Systemebene, entscheidend. Dabei gelten als am belastendsten das Verhalten schwieriger Schüler, die Klassenstärke und die Anzahl der zu unterrichtenden Stunden.11 Allerdings kommen noch weitere Faktoren hinzu, die belastend sind und denen entlastend entgegen gewirkt werden kann. Denn der Lehrberuf ist, im Gegensatz zu anderen Berufen, durch besondere Arbeitsbedingungen charakterisiert: der Berufstag eines Lehrers endet zumeist nicht mit dem Verlassen der Schule. Ein Lehrer muss diverse Aufgaben im eigenen Zuhause erledigen, falls es an seiner Schule keinen geeigneten Platz dafür gibt. Diese räumlichen Bedingungen an Schulen sind als Belastungsfaktoren nicht zu unterschätzen. Untersuchungen haben ergeben, dass sich Zufriedenheit mit den räumlichen Bedingungen positiv auf die Unterrichtsqualität und auf das Klima im Kollegium auswirkt.12 Zudem können Lehrer besser unterrichten, wenn die Umweltbedingungen an ihrer Schule günstig sind.13 Diese Umweltbedingungen werden im nächsten Kapitel näher erläutert.

3. Arbeitsräume

Bevor in dieser Arbeit näher auf den Zusammenhang zwischen Arbeitsräumen und Belastung eingegangen wird, werden zunächst einige umweltpsychologische Erkenntnisse zum Arbeitsraum dargestellt und auf den Lehrberuf übertragen.

3.1 Erkenntnisse aus der Umweltpsychologie

Zu Arbeitsräumen gibt es eine Reihe von Untersuchungen, vor allem zum Thema Büroräume. Dabei wird auf die Gestaltung (z.B. Farbgebung), Ergonomie (z.B. das richtige Mobiliar), sowie auf umweltpsychologische Erkenntnisse eingegangen.

Das Gebiet der Umweltpsychologie untersucht Mensch-Umwelt-Beziehungen. Der Mensch nimmt ständig Verbindung zu der ihn umgebenden Umwelt auf, und zwar durch sensorische Prozesse, emotionale Reaktionen auf gebaute Umwelten und durch auf die Umwelt bezogene Handlungen.14 In Hinblick auf Arbeitsräume spielen besonders die psychologischen Prozesse in Bezug auf gebaute Umwelten eine Rolle. Diese sind: räumliche Orientierung, Umweltwahrnehmung, emotionale und ästhetische Reaktionen, räumliches Verhalten, Privatheit, Umweltkontrolle, Orts-Bindung und Stress.15

Folgende sind m.E. für den Lehrberuf wichtig und werden in Kapitel 4 näher erläutert:

- räumliches Verhalten/Territorialität:

Aneignung des Raumes für Zugangskontrolle und Verhaltenskontrolle, d.h. der Besitzer des Territoriums verfügt darüber, wer den Raum betreten darf und wie man sich in ihm zu verhalten hat.16

- Privatheit:

Sozial-räumliche Kontrolle haben, d.h. man kann sich z.B. zurückziehen und allein sein. Privatheit zählt in der heutigen Gesellschaft zu den Grundbedürfnissen eines Menschen.

- Umweltkontrolle und Umweltaneignung:

Der Mensch schafft sich eine für ihn persönlich geeignete und wichtige Umwelt.17

In der Untersuchung von Fischer wird zudem die Entwicklung von Arbeitsräumen als Büroraum beleuchtet. So fand der Büroraum im Industriezeitalter noch wenig Beachtung und war meist Teil des Wohnbereichs. Im Laufe der Zeit wurden Räume für administrative Tätigkeiten immer wichtiger und wurden z.B. in eigenen Gebäuden neben einer Fabrik untergebracht. Es folgte eine strikte Trennung zwischen Arbeits- und Wohnbereich. Weitergehend entwickelten sich immer mehr Großraumbüros. Diese wurden von mehreren Studien negativ bewertet, da sie einen hohen Verlust an Privatheit mit sich bringen.

Die technische Entwicklung und das damit verbundene Zunehmen der elektronischen Datenverarbeitung machen es möglich, dass nicht mehr alle Arbeiter an ein und demselben Ort sein müssen. Dadurch schwindet die Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich wieder. Zudem wird in den Büros weniger Platz benötigt, da durch die EDV weniger Papier verbraucht wird, welches ansonsten viel Platz zum Lagern braucht.18

3.2 Arbeitsplatz des Lehrers?

Bevor die Belastung am Arbeitsplatz untersucht werden kann, muss zuerst bestimmt werden, wobei es sich überhaupt um den Arbeitsplatz des Lehrers handelt. Ein Arbeitsplatz wird durch die Tätigkeiten konstituiert, die der Arbeitnehmer ausführt.19 Zu den Tätigkeiten eines Lehrers gehören20: Unterrichten (einschließlich Unterrichtsvor- und -nachbereitung), Beraten, Beurteilen, Organisieren, Elternarbeit und Hintergrundarbeit (z.B. private Lektüre von Fachbüchern). Wo finden diese Tätigkeiten statt? Das Unterrichten an sich findet in der Schule im Klassenraum statt; die Vor- und Nachbereitung wird entweder in der Schule oder zu Hause gemacht. Das Beraten von Schülern wie auch die Elternarbeit kann auch in der Schule oder zu Hause stattfinden; das Beurteilen, also das Ausstellen von Zeugnissen und Korrigieren von Klassenarbeiten, wird meist zu Hause erledigt. Zum Organisieren gehört auch das Auseinandersetzen mit Kollegen und Vorgesetzten, was in der Schule erfolgt, allerdings nicht im Klassenraum, sondern meist im Lehrerzimmer. Das private Fortbilden wiederum geschieht eher zu Haus.

An dieser Auflistung ist deutlich zu erkennen, dass ein Lehrer nicht nur einen Arbeitsplatz hat, sondern mehrere an verschiedenen Orten. In der Schule gehören dazu: Unterrichtsräume (Klassen- und Fachräume), Lehrerzimmer, Besprechungszimmer für Eltern- oder Schülergespräche, Konferenzzimmer und evtl. ein Lehrerarbeitsraum. Dazu kommt der häusliche Arbeitsplatz, ein Büro zu Hause. Grob lässt sich der Arbeitsplatz also wie folgt einteilen: Unterrichtsräume, Schule außerhalb der Klasse und häuslicher Arbeitsplatz.21

Die Räume, die zum Unterrichten genutzt werden, müssen den Ansprüchen von Schülern und Lehrern gleichermaßen genügen. Diese Arbeit beschränkt sich auf die Arbeitsräume, die dem Lehrer allein zur Verfügung stehen, deswegen soll hier auf Klassen- und Fachräume nicht näher eingegangen werden. Ein besonders wichtiger Raum in der Schule, der außerhalb des Unterrichts genutzt wird, ist das Lehrerzimmer. Dort versammeln sich vor und nach dem Unterricht und in den Pausen nahezu alle Lehrer. Aber auch in den Freistunden wird dieser Raum genutzt. Er gilt somit als Pausenraum, aber auch als Arbeitsraum. Deswegen ist die Gestaltung dieses Raumes besonders wichtig. Andere dem Lehrer zur Verfügung stehende Räume in der Schule sind kein Standard. Nur wenige Schulen bieten den Lehrern eigene Büros zum Arbeiten oder einen Ruheraum zum Entspannen. Besonders durch den Ausbau von immer mehr Schulen zum Ganztagsbetrieb müssen neue räumliche Bedingungen geschaffen werden. Halten sich Lehrer länger in der Schule auf, muss mehr Raum zum Rückzug zur Erholung, aber auch für ungestörtes Arbeiten ermöglicht werden.22

Vor und nach dem Unterricht wird in der Schule wenig gearbeitet, das heißt der dritte Bereich ist das Arbeiten zu Hause, das mehr als ein Drittel der gesamten Arbeitszeit beansprucht und wo Lehrer ca. 25 Stunden wöchentlich verbringen.23

3.3 Bisherige Untersuchungen zu Arbeitsräumen des Lehrers

Schon in den 90er Jahren wurde sich mit dem Thema ‚Arbeitsräume für Lehrer’ auseinandergesetzt. Die damaligen Veränderungen der Aufgaben einer Lehrkraft (hinzukommende Betreuungs- und Beratungstätigkeiten, soziale Unterstützung, außerunterrichtliche Aktivitäten) führten zu einer Diskussion über die Neueinschätzung von Lehrerarbeitszeit und damit verbunden auch eine Neugestaltung der Schulen.24 Ein Vorschlag war es, die Schule u.a. zu einem Ort des Wohnens, Arbeitens und der Ruhe zu machen. Eine Umfrage hatte ergeben, dass viele Lehrer gerne länger in der Schule bleiben würden, wenn diese wohnlicher wäre. Deswegen sollten z.B. Räume und Gänge mit ansprechenden Farben dekoriert werden. Als Arbeitsräume wurden Räume vorgeschlagen, in denen Kooperation und Gespräche mit Kollegen möglich sind. Zudem sollte unbedingt ein Ruheraum eingerichtet werden, da der Lehrberuf eine „eminent anstrengende“25 Tätigkeit ist.

In den letzten Jahren gab es immer mehr Projekte zur Neu- bzw. Umgestaltung von Schulen, und zwar nicht nur unter Berücksichtigung der Schule als Lernumwelt für Schüler, sondern vor allem auch mit Blick auf Schule als Arbeitsumwelt des Lehrers. So wurde z.B. der Lehrerbereich in einem Gymnasium in Hamburg unter Mitarbeit von Uwe Schaarschmidt neu gestaltet. Dort hat jeder der 60 Lehrer seinen Arbeitsplatz in Büros für drei bis fünf Personen. Diese sind alle untereinander vernetzt. Das Lehrerzimmer wurde umfunktioniert zu einer ‚Lounge’.26

Schaarschmidt und Fischer haben mit dem Institut Coping eine Untersuchung zu den Auswirkungen der neuen Arbeitsplätze durchgeführt, und zwar in Hinblick auf allgemeine Arbeitszufriedenheit, Belastung, Organisation der Arbeit und Kommunikation/Kooperation.27 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Einrichten der Arbeitsplätze ein erfolgreiches Projekt war. Die Aussagen der befragten Lehrer zeigen positive Effekte: Die generelle Arbeitszufriedenheit hat sich gesteigert. Zwei Punkte wurden als besonders positiv bewertet: Zum einen die effektivere Nutzung der außerunterrichtlichen Zeit in der Schule, zum anderen das Schaffen von Rückzugsräumen für mehr Erholung im Arbeitstag. Eine weitere Erkenntnis war, dass für die Vorbereitung und Nachbereitung des Unterrichts und für Telefonate mit Eltern mehr Zeit in der Schule und damit weniger zu Hause aufgewendet wurde. Die Verweildauer an der Schule hatte sich durch die neuen Arbeitsplätze im Durchschnitt um 140 Minuten pro Woche erhöht.28

4. Belastung durch Gestaltung des Arbeitsplatzes im Lehrberuf

4.1 Bisherige Untersuchungen

In der bereits in Kapitel 2.1 erwähnten Belastungsstudie AVEM gibt es Fragen29, die sich indirekt auch auf die räumliche Situation beziehen. Mehrere Fragen zielen auf die Trennung von Beruf und Privatleben, was durch den Arbeitsplatz zu Hause beeinflusst wird. Zudem werden Fragen nach Entspannungsmöglichkeiten in den Unterrichtspausen gestellt. Auch dies kann auf die Gestaltung der Lehrerbereiche in der Schule hinweisen.

Die Ergebnisse des auch in Kapitel 2.1 erwähnten ABC-L sollen nicht nur der Bestandsaufnahme der gegebenen Bedingungen dienen, sondern auch Aufschluss über die psychische Wirkung dieser Bedingungen geben.30 Deswegen handelt es sich dabei indirekt auch um eine Studie zur Belastung.

Auch in diesem Test gibt es einen Fragebereich mit vier Fragen31, der sich auf die räumlichen Bedingungen bezieht. Es wird gefragt, inwiefern Räume vorhanden sind, in denen:

- die Möglichkeit für ungestörte Pausen besteht
- die Vorbereitung auf den Unterricht angemessen erfolgen kann
- jeder Lehrer seinen Arbeitsplatz hat
- Unterricht stattfinden kann

Nach einer weiteren Studie von Gulwadi zum Thema Lehrerbelastung gibt es zwei Strategien, um mit Stress und Belastungen umzugehen, die sich auf räumliche Gegebenheiten in der Schule beziehen: eine innengerichtete (z.B. Ruhe finden an stillen Orten) und eine nach außen gerichtete (z.B. andere Leute treffen, sich bewegen) Strategie. Beide Strategien treten gleich häufig auf. Die Umwelten zum Erholen befinden sich dabei vorwiegend außerhalb der Schule. Das heißt, Schulumwelten finden bei der Gestaltung von Erholungsmöglichkeiten zu wenig Beachtung für die Lehrerschaft als Zielgruppe. Es sollte allerdings nicht vergessen werden, dass die Schule für Lehrer eine Arbeitsumwelt darstellt und somit auch sie Orte brauchen, um Ruhe zu finden und abschalten zu können.32

Auch in der Studie des Instituts Coping an dem Goethe-Gymnasium in Hamburg gab es einen Punkt, der speziell das Belastungserleben betraf. Im Einzelnen richten sich die Fragen auf Rückzugsräume für Erholung, ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrautheit, konzentriertes Arbeiten und die Trennung Schule - Nicht-Schule. Dabei wurden die Werte anhand einer Skala von 5-trifft völlig zu, 4-trifft überwiegend zu, 3-trifft teil/teils zu, 2-trifft überwiegend nicht zu, 1-trifft überhaupt nicht zu gemessen Als Ergebnis ergab sich Folgendes: Vor allem die Werte bei den Rückzugsräumen (Mittelwert 3,80), der Geborgenheit (Mittelwert 3,52) und dem konzentrierten Arbeiten (Mittelwert 3,69) waren hoch. Das heißt, dass sich die befragten Lehrer in diesen Punkten durch die Einrichtung der Arbeitsplätze entlastet fühlten. Die Frage nach der Entlastung bezüglich der Trennung von Beruf und Privatleben erhielt mit 3,35 den niedrigsten Mittelwert. Es überwog auch hier zwar das positive Urteil (50 % stimmten für trifft völlig/überwiegend zu), allerdings sei die Trennung auch nach der Einrichtung von Arbeitsplätzen in der Schule nicht komplett möglich. Zudem wollen einige der befragten Lehrer auch gar nicht auf die häusliche Arbeit verzichten. Trotzdem verlagerte sich die Zeit, die für Unterrichtsvor- und -nachbereitung verwendet wird, zunehmend in Richtung Schule. So sagten 83,9 % aus, dass die Zeit für die Unterrichtsvorbereitung in der Schule mehr geworden sei. Bei der Unterrichtsnachbereitung, die auch Korrekturen mit einschließt, stimmten 50 % diesem zu.33

4.2 Das Lehrerzimmer

Aus den Erkenntnissen der Umweltpsychologie lässt sich für das Lehrerzimmer folgendes übertragen:

Für den Lehrberuf bedeutet Territorialität, dass das Lehrerzimmer ‚nur’ zum sekundären Territorium gehört, d.h. es gibt keine Eigentümerschaft und das Ausmaß der Personalisierung ist begrenzt auf die Dauer der Inanspruchnahme. Ein eigenes Büro gehört aber wie die Wohnung zum primären Territorium. Es wird als Eigentum des Besetzers wahrgenommen und beinhaltet eine starke Personalisierung.34 Somit ist das Verhältnis von einem Lehrer zu einem Lehrerzimmer nie das, was er zu einem eigenen Büro haben kann. Es ist so vorgesehen, dass die Nutzung des Lehrerzimmers nur vorübergehend ist. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei einem Büro um eine fortgesetzte Besetzung. Untersuchungen haben ergeben, dass die Kontrolle, die man in seinem eigenen primären Territorium hat, leistungsförderlicher sein kann. Zudem ermöglicht die Verfügungsgewalt über ein Territorium ein besseres Ausleben seiner Emotionen, was einen Vorteil den sekundären Territorien gegenüber darstellt.35 Ein weiterer Nachteil an einem sekundären Territorium ist die fehlende Privatheit, was ein Belastungsfaktor ist36. Lehrer haben, was das Lehrerzimmer betrifft, nur zum Teil eine Zugangskontrolle. Sie können den Schülern zwar den Eintritt verweigern, anderen Lehrer allerdings nicht. Falls die Schule keine extra Räume zu Verfügung stellt, mangelt es dann an Rückzugsmöglichkeiten, was Sozialstress zur Folgen haben kann, d.h. „ein zuviel an Zusammensein“37.

Ein weiterer Prozess, der im Lehrerzimmer nicht richtig ausgeführt werden kann, ist die Umweltaneignung. Die Aneignung von Raum charakterisiert sich durch das Hinterlassen von äußeren Spuren, wie z.B. persönliche Gegenstände. In vielen Lehrerzimmern kann nicht einmal das Unterrichtsmaterial abgelegt werden, da muss von persönlichen Gegenständen nicht geredet werden. Wenn eine Umweltaneignung nicht möglich ist, wird das Interesse an einem Raum verloren.38

Vor allem stellt sich aber auch die Frage, als was das Lehrerzimmer bezeichnet werden kann, ist es ein Arbeitsraum des Lehrers oder eher ein Pausenraum, da dort zumeist die unterrichtsfreie Zeit verbracht wird? Viele Gegebenheiten sprechen gegen einen Arbeitsraum: das meist unzureichende Platzangebot zum Lagern von Unterrichtsmaterialien, das ständige Kommen und Gehen und der damit verursachte Lärm, etc. Aber auch als Pausenraum scheint das Lehrerzimmer ungeeignet, denn die Unterrichtspausen dort sind größtenteils keine Arbeitspausen, sondern Arbeitsphasen,39 die keine Entlastung bieten. Es muss vieles beredet werden, sowohl mit Kollegen, als auch mit häufig an die Tür des Lehrerzimmers anklopfenden Schülern. Tatsächlich nutzen viele Lehrer das Lehrerzimmer für fachliche oder private Kommunikation mit Kollegen, wobei die räumlichen Bedingungen dort nicht die besten dafür sind. Besser wären kleinere räumliche Einheiten, in denen größeres Wohlbefinden aufkommen kann.40 Genauso bietet das Lehrerzimmer keinen geeigneten Raum für ein Schülergespräch, denn Schülern bleibt der Zutritt meist verwehrt und so findet das Gespräch nur ‚zwischen Tür und Angel’ statt. Viele Schüler wollen auch nur etwas abgeben und in ein Lehrerfach legen lassen. Wären solche Postfächer, ähnlich wie in Universitäten, vor dem Lehrerzimmer in einem von Schülern selbst zugänglichen Raum, hätte das Lehrerzimmer wahrscheinlich gar nicht erst so viele Besucher.

Meist gibt es zwar eine Art Postfach für jeden Lehrer, doch dieses befindet sich direkt im Lehrerzimmer. Des Weiteren sollte dieser Raum, vor allem wenn er der Lehrerschaft als einziger Raum zur Verfügung steht, mit einer Garderobe, einem privaten abschließbaren Fach und ausreichend Tischen und Stühlen ausgestattet sein. Ein abschließbares Fach würde ein Mindestmaß an Umweltaneignung und Privatheit bedeuten, denn dort könnte ungeachtet der anderen Benutzer des Raumes etwas gelagert werden, was einem persönlich als wichtig erscheint. Ebenso könnte ein persönlich gestalteter Platz an einem Gruppentisch für Entlastung sorgen. Dies hat allerdings zur Voraussetzung, dass es im Lehrerzimmer genügend Platz für das gesamte Kollegium gibt.

4.3 Andere Lehrerräume in der Schule

Die Einrichtung von zusätzlichen Räumen soll hauptsächlich entlastend wirken, da ein Lehrerzimmer allein den Aufgaben einer Lehrkraft nicht gerecht wird. Denkbar sind als Arbeitsräume Einzelbüros, aber auch kleine Gemeinschaftsbüros, in denen Lehrer den Unterricht vor- und nachbereiten oder Klausuren korrigieren können. Gemeinschaftsbüros haben den Vorteil, dass wenn fachgleiche Kollegen sich ein Büro teilen, sie ihren Unterricht kooperativ ausrichten und Ergebnisse vergleichen können. Derartige Arbeitsräume bieten im Vergleich zum Lehrerzimmer bessere Möglichkeiten zur Umweltaneignung, Privatheit und Territorialität. Vor allem ein Einzelbüro, wie es häufig der Schulleitung zur Verfügung steht, bietet ein besonders hohes Maß an Privatheit. Ein weiteres Modell für Arbeitsräume besteht aus einem Gemeinschaftsbüro ohne feste Plätze, in dem, ähnlich wie in einer Bibliothek, in Ruhe gearbeitet werden kann. Der Vorteil gegenüber dem Lehrerzimmer ist, dass dort keine Gespräche geführt werden und auch keine Schüler anklopfen. In so einem Büro ist zwar nicht für jeden Lehrer ein Platz vorhanden, trotzdem kann es z.B. für das sinnvolle Verbringen einer Freistunde genutzt werden.

Eine andere Variante stellt eine Art Großraumbüro dar. Dort hat jeder Lehrer seinen eigenen Arbeitsplatz mit Schreibtisch und somit kann nicht nur in den Freistunden, sondern auch nach bzw. vor dem Unterricht gearbeitet werden. Zudem kann dort wie auch in den Einzel- und festen Gemeinschaftsbüros Material gelagert werden. Dieses ist in einem Gemeinschaftsbüro ohne feste Plätze wiederum nicht möglich.

Besonders wichtig ist die materielle Ausstattung der Arbeitsplätze. Heutzutage unerlässlich ist das Vorhandensein von PC-Arbeitsplätzen. Diese können in den Arbeitsräumen integriert sein oder in einem eigens dafür gedachten Computerraum untergebracht sein.

Der große Vorteil eines Einzelbüros ist, dass dieses nicht nur als Arbeitsraum, sondern gleichzeitig auch als Pausen- bzw. Ruheraum genutzt werden kann. Ansonsten ist ein gesonderter Ruheraum im meist stressigen Lehreralltag eine wichtige Einrichtung. Dieser Raum sollte gezielt gemütlich und bequem eingerichtet sein, d.h. anders als die für das Arbeiten ausgerichteten Räume ohne Schreibtisch. Dort können auch Pausen zum Essen und Trinken verbracht werden, wobei dafür auch eine Lehrerküche mit Sitzmöglichkeiten und z.B. einer Mikrowelle zum Aufwärmen von mitgebrachten Speisen gut geeignet ist.

Für kommunikative Tätigkeiten wie längere Schülergespräche und Elterngespräche ist ein Besprechungszimmer von Vorteil. Es sollte einen neutralen Raum zum Klären von Problemen bieten.

Zusätzliche Räume können aber auch belastend wirken. So z.B. wenn sie unpassend eingerichtet sind und nicht zum Verweilen einladen. Ein zwar zusätzlicher Raum, der aber weder von den Lichtverhältnissen noch von der Einrichtung her die Arbeit fördert, ist nicht sonderlich sinnvoll.

4.4 Der häusliche Arbeitsplatz

Der häusliche Arbeitsplatz bringt sowohl Nachteile als auch Vorteile mit sich. Zum einen lässt sich die Arbeitszeit dort frei einteilen und die räumlichen Bedingungen wie Licht, Luft und Temperatur kann jeder so für sich selbst schaffen, dass er sich wohl fühlt. Zum anderen wird es schwer, eine deutliche Trennung von Arbeits- und Berufsleben zu erkennen, was dazu führt, dass sich womöglich nie ein Gefühl von Feierabend einstellt. Zudem ist der Lehrer zu Hause von seinen Kollegen isoliert,41 so dass Teamwork und Kooperation schwer fallen. Aber auch die Freiheit, sich seinen Arbeitstag zu Hause so zu gestalten, wie es einem beliebt, kann Probleme mit sich bringen. Wenn am Nachmittag nach der Schule zuerst andere Interessen verfolgt werden, führt das dazu, dass auch noch am späten Abend Dinge für den nächsten Schultag erledigt werden müssen. Diese Zeitsouveränität birgt die Gefahr, keinen geregelten Arbeitsrhythmus zu finden.42 So werden z.B. Arbeiten in letzter Minute erledigt oder unbeliebte Aufgaben aufgeschoben, was zusätzlichen Stress verursacht.43

Des Weiteren bedeutet Arbeit zu Hause auch, dass sich die Familie in räumlicher Nähe befindet. Das kann einerseits hilfreich sein, z.B. um sich verstärkt um seine Kinder zu kümmern. Andererseits kann dies auch dazu führen, dass sich zuerst um die Kinder gekümmert wird, und erst, wenn diese im Bett sind, wird der nächste Unterrichtstag vorbereitet. Dadurch kommt es verstärkt zu Arbeiten in den späten Abend- und Nachtstunden, was auf Dauer belasten kann.

Ein weiteres Problem, was die Arbeit zu Hause mit sich bringt, ist für den Lehrberuf, dass dies nicht der einzige und eigentliche Arbeitsplatz ist. Meistens werden die Unterrichtsmaterialien zwar hier gelagert, allerdings in der Schule gebraucht. Die Konsequenz davon ist, dass tagtäglich mehrere Bücher, Arbeitsblätter, Hefte und andere Materialien je nach Fach hin und her transportiert werden müssen. Das führt auch dazu, dass an einer zu Hause geplanten Stunde spontan in der Schule nichts mehr verändert werden kann, was Material erfordert.

5. Fragestellungen

Auf Grundlage der Literaturdurchsicht und den eigenen Erfahrungen und Überlegungen ergeben sich für die empirische Untersuchung im nächsten Teil der Arbeit folgende Fragestellungen. Diese werden hier gegliedert nach Räumen dargestellt.

5.1 Lehrerzimmer

- Das Lehrerzimmer ist nur ein sekundäres Territorium. Wird deswegen hier eher nicht gearbeitet?
- Falls doch gearbeitet wird, welche Tätigkeiten werden überwiegend ausgeübt?
- Ist das Lehrerzimmer ein Arbeitsraum oder eher ein Pausenraum?
- Wann ist das Lehrerzimmer für welche Tätigkeiten am besten geeignet, in den Pausen für Erholung, in den Freistunden zum Arbeiten und vor oder nach dem Unterricht für Gespräche?
- Stören die ständigen Besuche von Schülern in den Pausen?
- Gibt es in jedem Lehrerzimmer eine zufrieden stellende Ausstattung zum Lagern von Arbeitsmaterialien?

5.2 Andere Lehrerräume in der Schule

- Gibt es überhaupt zusätzliche Räume für Lehrer an Schulen?
- Falls ja, welche Art von Räumen? Arbeitsräume oder auch Ruheräume?
- Wofür werden diese Räume genutzt?
- Wann werden diese Räume hauptsächlich genutzt, in den Pausen, Freistunden oder vor und nach dem Unterricht?
- Fördern zusätzliche Arbeitsräume die Kooperation mit Kollegen?
- Wird durch zusätzliche Räume die häusliche Arbeit weniger?

5.3 Häuslicher Arbeitsplatz

- Welche Tätigkeiten werden zu Hause ausgeübt?
- Ist der Wohn- und Arbeitsbereich immer strikt getrennt?
- Zu welcher Zeit wird überwiegend zu Hause gearbeitet, direkt nach der Schule oder eher am Abend? Wird dort auch am Wochenende gearbeitet?
- Macht die Arbeit zu Hause es schwieriger, Beruf und Privatleben zu trennen?
- Ist es trotz der Arbeit zu Hause möglich, ein Gefühl von Feierabend zu haben?
- Belastet die häusliche Arbeit?
- Wo liegt ein perfekter Arbeitsbereich für Lehrer: Zuhause oder in der Schule?

II. Empirischer Teil

6. Beschreibung des Vorhabens

6.1 Theoretische Einordnung der Untersuchung

Gemäß der bereits in Kapitel 2.1 dargestellten drei Bereiche der Lehrerforschung (effektspezifische Lehrervariablen, Lehrerkognition und Auswirkungen des Berufes) lässt sich diese Untersuchung den Auswirkungen des Berufes zuordnen, da es sich um die Belastungssituation im Lehrberuf handelt. Diese Belastungen können wie in Kapitel 2.2 geschildert in verschiedene Kategorien zusammengefasst werden: erstens in der Aufteilung in drei Ebenen (Individuums-, System- und Organisationsebene) und zweitens gegliedert nach Arbeitsbedingungen, Lebensumständen und Bewältigungsstrategien. Die hier folgende Untersuchung setzt sich mit den Belastungen auf der Systemebene auseinander, d.h. es werden die Arbeitsbedingungen erforscht. Dabei geht es ähnlich wie im ABC-L nicht um die einzelne Lehrperson, sondern um eine schulbezogene Auswertung. Hierfür soll zuerst die Bewertung der Ist-Situation an einer Schule erfasst werden, d.h. wie sind die Arbeitsräume gestaltet, und danach soll überprüft werden, ob diese Bedingungen als belastend empfunden werden.

Es geht dabei aber nicht um die ästhetische Bewertung, sondern rein um die praktische Nutzung der Räume.

6.2 Methodische Überlegungen

Zur Datenerhebung werden zwei Methoden gewählt: Leitfadeninterviews und die schriftliche Befragung mit Hilfe eines Fragebogens. Die Leitfadeninterviews dienen der Beantwortung der aufgrund des theoretischen Teils formulierten Fragestellungen. Die Interviews werden qualitativ ausgewertet und unterstützen so das Generieren von Hypothesen. Diese dienen dann der Konstruktion des Fragebogens für die Hauptuntersuchung.

Das Verfahren der Befragung mittels eines Fragebogens wurde gewählt, um eine möglichst große Stichprobe zu erfassen. Der Fragebogen soll quantitative Daten zur Überprüfung der aufgestellten Hypothesen liefern. Diese Daten sind einerseits subjektive Bewertungen der räumlichen Gegebenheiten der jeweiligen Schule und andererseits das subjektive Belastungsempfinden der teilnehmenden Lehrkräfte. Es wird versucht, daraus mehrheitlich zutreffende Aussagen zu interpretieren.

7. Leitfadeninterviews

Auf Basis des theoretischen Vorwissens ergaben sich Fragestellungen (siehe Kapitel 5), die durch Leitfadeninterviews die Hypothesenbildung unterstützen sollen. Zudem kann dadurch der Fragebogen für die Hauptuntersuchung besser auf die Zielgruppe hin entwickelt werden. Diese Leitfadeninterviews wurden mit drei Gymnasiallehrerinnen geführt. Sie fanden meistens bei der Lehrkraft zu Hause statt, wodurch die Interviewerin einen Einblick in die häusliche Arbeitssituation bekommen konnte.

7.1 Entwicklung

Der Leitfaden für die Interviews ergibt sich zum Teil aus der literarischen Vorarbeit und zum Teil aus eigenen Interessen und Vermutungen. Die erste Frage soll einen möglichst guten Einstieg für den Interviewpartner bieten, deswegen ist sie allgemein gehalten und noch nicht spezifisch auf das Thema hin ausgerichtet. Zudem bezieht sie sich auf persönliche Erfahrungen, sodass kein Vorwissen benötigt wird. Es geht lediglich darum, den eigenen Tagesablauf zu beschreiben. Dieser gibt Aufschluss darüber, ob und wie lange die Lehrkraft außerhalb ihrer Unterrichtszeit in der Schule verweilt und welche Räume sie für welche Tätigkeit verwendet. Der Überblick eröffnet die Möglichkeit, im weiteren Interviewverlauf auf das bisher Gesagte Bezug zu nehmen und z.B. die Frage nach den Tätigkeiten in einem bestimmten Raum zu vertiefen.

Die nächsten drei Fragen gliedern sich ebenso wie der theoretische Teil dieser Arbeit nach den drei zu untersuchenden Arbeitsbereichen eines Lehrers: das Lehrerzimmer, andere Lehrerräume in der Schule und der häusliche Arbeitsplatz. Die Frage bezüglich des Lehrerzimmers beginnt mit einer Beschreibung der Gestaltung und soll auch Aufschluss darüber geben, inwiefern sich die interviewte Lehrkraft wohl in diesem Raum fühlt und ob dieser für die Ausübung ihres Berufs hilfreich gestaltet ist. Das heißt, ob genug Platz vorhanden ist, so dass jeder Lehrer einen Sitzplatz hat, und ob dieser Raum in den Pausen zur Erholung überhaupt genutzt wird bzw. geeignet ist.

Die nächste Frage richtet sich auf zusätzliche Lehrerräume an der Schule. Zuerst muss in Erfahrung gebracht werden, ob und wenn ja, welche Räume vorhanden sind. Falls es tatsächlich keine Räume gibt, schließt sich die Frage an, ob diese denn gewünscht werden. Wenn Räume vorhanden sind, wird, ähnlich wie bei der Frage nach dem Lehrerzimmer, die Gestaltung und Nutzung betrachtet. Insbesondere soll auch nach der Förderung von Kooperation und Teamarbeit gefragt werden, da dieser Punkt in der Literatur häufig genannt wird.

Die vierte Frage bezieht sich auf den häuslichen Arbeitsplatz, der aus einem einzelnen Büro oder auch aus einem Mehrzwecktisch bestehen kann. Deswegen wird gezielt gefragt, ob der Lehrkraft ein eigenes Büro zu Hause zur Verfügung steht. Dieses wird auch wieder auf Gestaltung und Nutzung hin beleuchtet. Zudem sollen gezielt Fragen nach dem Belastungsempfinden gestellt werden. Dazu gehört auch die Frage nach einem Gefühl von Feierabend, trotz der Arbeit zu Haus, welches z.B. auch daraus resultieren könnte, dass nur zu einer bestimmten Tageszeit gearbeitet wird. Deswegen wird auch nach den hauptsächlichen Arbeitszeiten gefragt, ob sich direkt nach der Schule wieder an den Schreibtisch gesetzt wird oder eher abends. Abschließend in diesem Fragebereich ist die Frage nach dem Wunsch, vieles der häuslichen Arbeit in der Schule machen zu können.

Die darauf folgende Frage zielt auf die persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeitsbereiche für Lehrer. Damit soll in Erfahrung gebracht werden, ob und in welchem Maße das ein Thema für die jeweilige Lehrkraft ist und damit tendenziell für die gesamte Lehrerschaft. Dabei ist auch interessant zu erfahren, ob an der jetzigen oder früheren Schule der interviewten Lehrkraft Lehrerarbeitsräume umgestaltet wurden oder Pläne für ein solches Vorhaben aktuell sind.

Die letzte formulierte Frage des Leitfadens bezieht sich auf die persönlichen Idealvorstellungen von einem Lehrerarbeitsbereich. Insbesondere soll beantwortet werden, ob dieser in der Schule oder zu Hause liegen soll und ob das Lehrerzimmer überhaupt dafür in Frage kommen kann.

Zum Schluss des Interviews wird der Lehrerin die Chance gegeben, selbst etwas zu ergänzen, was ihr noch auf dem Herzen liegt und bisher nicht oder zu wenig angesprochen wurde.

7.2 Durchführung

Am Anfang waren vier Interviews geplant. Eines fand leider nicht statt. Dieses ist besonders schade, da es ansonsten zwei Interviews mit Lehrkräften von derselben Schule gegeben hätte, wobei eines aus Schulleitungssicht und eines aus normaler Lehrertätigkeit heraus Meinungen wiedergegeben hätte. Die drei Interviews wurden innerhalb von einer Woche an verschiedenen Orten durchgeführt. Zusätzlich zu einer Tonaufnahme wurden die Antworten stichwortartig protokolliert. Für die erste Frage nach dem Tagesablauf benutzte die Interviewerin eine Art Stundenplan, ein Raster, in dem geordnet nach Tageszeit und Ort (Schule: vor dem Unterricht, Schule: Unterrichtszeit (Pausen, Freistunden) Schule: nach dem Unterricht, zu Hause) die Fragen nach der Tätigkeit (Was wurde gemacht?), dem genauen Ort (Lehrerzimmer etc.), einem Handlungspartner (Kollegen, Schüler, Eltern), dem benutzten Material und der Dauer der Tätigkeit notiert wurden.

7.2.1 Interview 1

Das erste Interview fand in einem Café in Oldenburg statt. Es dauerte ca. 35 Minuten. Die Interviewpartnerin ist Frau H., die stellvertretende Direktorin ist und deswegen nur acht Stunden Unterricht in der Woche erteilt. Dadurch gestaltet sich ihr Tagesablauf auch anders als bei Lehrkräften ohne organisatorische Aufgaben. Viel ihrer Zeit verbringt sie mit Gesprächen: Beratungsgespräche mit Schülern oder Lehrern, andere Gespräche mit Kollegen und Konferenzen. Da sie ihr eigenes Büro hat, findet vieles davon dort statt. Die Tür steht hauptsächlich offen, das soll heißen, dass sie überwiegend für jeden ansprechbar ist. Nur in den seltensten Fällen, wenn es z.B. eine Aufgabe gibt, die volle Konzentration benötigt, schließt sie ihre Tür. Trotzdem kommen auch dann manchmal noch Kollegen hinein.

In den Pausen sucht sie bewusst das Lehrerzimmer auf, um auch mal bei einer Tasse Kaffee in den Kontakt mit Kollegen zu kommen und Abstand von der organisatorischen Arbeit in ihrem Büro zu gewinnen. Meistens gestaltet sich der Aufenthalt dort dann aber doch nicht als wahre Arbeitspause, da sie von vielen Kollegen angesprochen wird, um berufliche Dinge zu klären. Frau H. beschreibt das Lehrerzimmer als einen Ort, der von ihr überwiegend zur Kommunikation genutzt wird. Sie hat mit ihrem eigenen Büro einen Rückzugsraum und geht in das Lehrerzimmer, um eben nicht abgeschottet zu sein, sondern zu kommunizieren. Ein Problem ist, dass nicht jeder Lehrer in diesem Lehrerzimmer einen Platz und einen Schrank hat, da es bei der Planung vor 40 Jahren nur 60 Kollegen dienen sollte, mittlerweile sind es ungefähr doppelt so viele. Zudem kommen viele Schüler in einen kleinen Vorraum, wodurch die Lehrer das Gefühl haben, sie werden in das Lehrerzimmer gedrängt, was aber auch keinen Rückzugsraum bietet. Die Bitte, Schülergespräche an einem anderen Ort zu führen, fruchtete bis jetzt nicht. Es werden immer wieder Schüler gebeten, direkt in das Lehrerzimmer zu kommen, wenn sie etwas wie z.B. die Note besprechen wollen. Für Frau H. ist diese Belastung von den Lehrern selbstverschuldet. Sie bestehen darauf, in der Pause in das Lehrerzimmer zu gehen, da das für sie heißt, Pause zu haben, und zitieren ihre Schüler deswegen auch dorthin. Dies hat zur Folge, dass dieser Raum die Qualität als Pausenraum verliert. Ein neues Lehrerzimmer ist für das nächste Jahr in Planung. Dazu muss erst noch eine Arbeitsgruppe gebildet werden, weswegen Frau H. noch keine weiteren Auskünfte darüber hat.

Die Ausstattung mit anderen Lehrerräumen ist ihrer Aussage nach sehr gut. In einem Nebengebäude der Schule, welches unter Denkmalschutz steht, befinden sich zwei neu eingerichtete Sammlungsräume mit Schreibtischen, ein kleinerer Konferenzraum und ein Ruheraum mit zwei Sofas und Decken. In den Sammlungsräumen gibt es zudem abschließbare Schränke, die von den Lehrern auch privat genutzt werden können. Außerdem gibt es in einem Neubau der Schule weitere kleine Arbeitsräume mit Schreibtischen, Stühlen und Schränken. Diese Räume sind zusätzlich mit WLAN ausgestattet. Trotzdem gibt es immer wieder Lehrkräfte, die meinen, es gäbe nicht genug Arbeitsplätze. Frau H. bemerkt, dass viele Lehrer zwar einen Arbeitsplatz an der Schule wollen, aber sich nicht zu sehr von dem Lehrerzimmer entfernen möchten. Anstatt der Arbeitsräume nutzen sie die Lehrerbibliothek, die sich direkt über dem Lehrerzimmer befindet. Dort ist es aber nicht immer ruhig. Aus Sicht der Schulleitung ist es allerdings auch angenehm, wenn sich die Lehrer an einem Platz befinden, denn dann ist immer jemand für eine spontane Vertretungsstunde auffindbar.

Zu Hause hat Frau H. ein Büro, welches aber strikt getrennt ist von ihrem Wohnbereich. Bestimmte Dinge, wie das Korrigieren von Klassenarbeiten, Unterrichtsvorbereitung und auch Kurseinteilungen der Oberstufe, erledigt sie nur dort. In der Schule wäre das trotz des eigenen Büros für sie nicht möglich. Ihre Arbeitszeit schließt sowohl die Zeit nach der Schule in der Woche, als auch das Wochenende mit ein. Dessen ungeachtet hat sie ein Feierabendgefühl. Sie hat kein Gefühl von einem freien Wochenende, aber wohl von freien Abenden, die aber auch erst um 21 Uhr beginnen können. An diesen arbeitsfreien Abenden plagt sie doch ein schlechtes Gewissen, da es immer noch etwas zu tun gibt. Direkt nach der Schule war für sie früher die Zeit, in der sie sich vorrangig um ihre Familie gekümmert hat. Erst danach ging es wieder an die Arbeit. Dann konnte es aber auch bis in die Nacht dauern. Am Wochenende versucht sich Frau H. bewusst den Samstag von Arbeit frei zu halten, was aber nur selten klappt, da sich immer etwas zu erledigen findet. Als belastend empfindet sie die Arbeit zu Hause trotz alledem nicht. Die Trennung von Beruf und Privatleben hat sich bei ihr über die Jahre hinweg so entwickelt, dass sie sich heute dazu entschließt, sich nicht mit Freunden aus der Schule zu treffen, um so im Privatleben deutlich Abstand vom Beruf zu bekommen. Bei diesen Treffen wird, auch angeregt durch die Gewerkschaftstätigkeit von Frau H., über schulpolitische Dinge geredet, jedoch nicht über den Schulalltag. Früher war das anders, da hat auch sie oft nur über die Schule geredet. Besonders zu empfehlen für eine bessere Trennung zwischen Beruflichem und Privatem ist ihrer Auffassung nach die optische Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich zu Hause. Auch dieses hatte sie früher anders gehandhabt, was ihr nicht so gut tat.

In diesem Sinne hat sie sich persönlich schon mit dem Thema Arbeitsplätze auseinandergesetzt. Zudem kennt sie das Thema auch durch ihre Funktion als Schulleitungsmitglied und frühere Personalrätin.

Der perfekte Arbeitsbereich muss für sie vor allem persönlich gestaltet sein und alle Arbeitsmittel in greifbarer Nähe zur Verfügung stellen. Dieses stößt in der Schule an Grenzen. Ein Traum wäre für sie eine Präsenzbibliothek ähnlich einer Universitätsbibliothek, in der ein totales Zutrittsverbot für Schüler besteht und es Arbeitsplätze sowohl für stille Einzelarbeit als auch für Gruppenarbeit gibt. Zusätzlich sollte es dort Handapparate für die verschiedenen Unterrichtsfächer geben, in denen bewährte Unterrichtsideen und Materialien gesammelt werden können. Ein solcher Arbeitsplatz sollte auch zur Folge haben, dass zu Hause keine Arbeit mehr geleistet werden muss. Dafür sollten aber auch am besten alle Lehrer bis 16 Uhr in der Schule bleiben.

[...]


1 Im Folgenden sind mit dem Begriff ‚Lehrer’ jeweils Lehrerinnen und Lehrer gemeint.

2 Grimm „Kognitive Landschaften von Lehrern“, 1996, S. 9 f.

3 Schaarschmidt „Die Belastungssituation von Lehrerinnen und Lehrern“, 2002, S. 9.

4 Schaarschmidt „Die Belastungssituation von Lehrerinnen und Lehrern“, 2002, S. 9 f.

5 Schaarschmidt „Gerüstet für den Schulalltag“, 2007, S. 45 ff.

6 Ebd., S. 34.

7 Schaarschmidt „Die Belastungssituation von Lehrerinnen und Lehrern“, 2002, S. 8.

8 Ebd., S. 10/11.

9 Kramis-Aebischer „Stress, Belastung und Belastungsverarbeitung im Lehrberuf“, 1996, S. 153.

10 Kretschmann „Wie man vorbeugt, wie man sich schützt“, 2002, S. 14.

11 Schaarschmidt „Halbtagsjobber“, 2005, S. 72.

12 Schaarschmidt „Gerüstet für den Schulalltag“, 2007, S. 83.

13 Flade „Architektur, 2008, S. 192.

14 Flade „Architektur“, 2008, S. 56/57.

15 Ebd., S. 86.

16 Richter „Architekturpsychologie“, 2008, S. 237.

17 Flade „Architektur“, 2008, S. 86 ff.

18 Fischer „Psychologie des Arbeitsraumes“, 1990, S. 82 ff.

19 Wulk „Lehrerbelastung“, 1988, S. 13.

20 Meyer „Leitfaden Unterrichtsvorbereitung“, 2007, S. 78 f.

21 Wulk „Lehrerbelastung“, 1988, S. 14.

22 Schaarschmidt „Halbtagsjobber“, S. 151.

23 Wulk „Lehrerbelastung“, 1988, S. 111 ff.

24 Gosch „Neugestaltung von Schule“, 1995, S. 21.

25 Miller „Räume finden“, 1995, S. 30.

26 www.goethe-hamburg.de.

27 Schaarschmidt, Fischer „Die Lehrerarbeitsplätze am GGH“, 2009, S. 4.

28 Ebd., S. 23.

29 Schaarschmidt „Halbtagsjobber?“, 2005, S. 163 ff.

30 Schaarschmidt „Gerüstet für den Schulalltag“, 2007, S. 63.

31 Ebd., S. 195.

32 Flade „Architektur“, 2006, S. 193.

33 Schaarschmidt, Fischer „Die Lehrerarbeitsplätze am GGH“, 2009, S. 6 ff.

34 Flade „Architektur“, 2008, S. 128.

35 Richter „Architekturpsychologie“, 2008, S. 239 f.

36 Flade „Architektur“, 2008, S. 135.

37 Ebd., S. 134.

38 Ebd., S. 139.

39 Wulk „Lehrerbelastung“, 1988, S. 86.

40 Wulk „Lehrerbelastung“, 1988, S. 94.

41 Wulk „Lehrerbelastung“, 1988, S. 127.

42 Rothland „Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf“, 2007, S. 236.

43 Wulk „Lehrerbelastung“, 1988, S. 111.

Ende der Leseprobe aus 109 Seiten

Details

Titel
Auswirkungen der Gestaltung von Arbeitsräumen auf die Lehrerbelastung
Untertitel
Eine empirische Untersuchung über die räumliche Situation an Gymnasien und Zusammenhänge zum Belastungsempfinden der Lehrkräfte
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1,8
Autor
Jahr
2011
Seiten
109
Katalognummer
V212167
ISBN (eBook)
9783668318472
ISBN (Buch)
9783668318489
Dateigröße
2741 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hinweis: Die Fragebögen, auf die im Text Bezug genommen wird, sind nicht im Lieferumfang enthalten.
Schlagworte
Lehrer, Lehrerzimmer, Arbeitszimmer, Lehrerbelastung
Arbeit zitieren
Anna-Maria Salomon (Autor:in), 2011, Auswirkungen der Gestaltung von Arbeitsräumen auf die Lehrerbelastung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/212167

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